Mai 26th, 2025

Die Sprache des Kapitalismus – Simon Sahner, Daniel Stähr

Posted in bücher by Dolf

S.Fischer Verlag, Hedderichstr. 114, 60596 Frankfurt, www.fischerverlage.de
Isbn 978-3103975932

Mir war nach den ersten paar Seiten klar das ich das Buch mögen würde und das hat sich dann auch bestätigt, auch wenn die Autoren schon sehr, sehr ausführlich auf das Thema eingehen. Dabei erklärt ein kleiner Satz eigentlich alles “Preise steigen nicht. Sie werden erhöht.” Oder etwas ausführlicher: „Die Tatsachen werden eben von den Wirtschaftsakteuren falsch erzählt und das schon seit vielen Jahrzehnten, so das sich die verdrehten Narrative in der Gesellschaft (und auch im Journalismus) durchgesetzt haben und sogar Kapitalismuskritiker sich dieser falschen Geschichten bedienen. Hier wird klar gezeigt das wir anders über Geld, Wirtschaft und Arbeit sprechen müssen, wenn wir den Kapitalismus überwinden wollen und das müssen wir.

Sprechen allein wird nicht reichen, sondern es muss sich was in den Köpfen und Emotionen ändern.“ Aber auch das haben die Autoren natürlich erkannt. Hier ein besonders nettes Beispiel: “ Das Problem, das Graeber beschreibt, entsteht dadurch, dass sich die Darstellung ökonomischer Sachverhalte hier einer moralischen Rhetorik bedient: Wenn Kredite vergeben werden, wird die Person, die den Kredit vergibt, für das Risiko bezahlt, dass sie das Geld nicht zurückbekommt. Wir nennen den Preis für dieses Ausfallrisiko Zins. Je höher der Zins, desto höher ist das Risiko, dass der Kredit eben nicht zurückgezahlt wird. Dass man sein Geld nicht zurückbekommt, ist im ökonomischen Sinne also eine ganz selbstverständliche Option der Kreditvergabe. Dass wir aber gemeinhin davon ausgehen, dass man Schulden zurückzahlen muss, gar eine ethische Verpflichtung dazu hat, liegt daran, dass wir das Verhältnis zwischen der Person, die Geld verleiht, und der, die es sich leiht, in der Sprache des Kapitalismus häufig in moralische Kategorien verpacken. Schließlich verwenden wir den Begriff »Schuld« im Deutschen nicht nur, um zu beschreiben, dass jemand geliehenes Geld zurückzahlen muss, sondern vor allem auch in moralischen Zusammenhängen. Beispielsweise kann man sagen, »Das bin ich ihm schuldig«, wenn man sich von seinem Partner getrennt hat, aber dennoch respektvoll mit ihm umgeht, weil man über Jahre hinweg eine tiefe Verbundenheit gespürt hat. Ebenso sind wir es sprachlich gewohnt, »uns zu entschuldigen«, wenn wir etwas falsch gemacht haben. »Schuld« und weitere Begriffe mit dem gleichen Wortstamm beziehen sich also in den meisten Fällen auf moralische oder gar juristische Fragen. Erst dadurch kann die Annahme entstehen, dass es eine moralische Pflicht gibt, geliehenes Geld zurückzahlen zu müssen.“ Gemein hin glauben ja alle man zahlt den Zins weil man sich Geld leiht, aber das ist mal eine andere Sichtweise oder gar Tatsache? Aber eins nach dem anderen: Im ersten Kapitel wird erklärt was die beiden unter der Sprache des Kapitalismus verstehen. Im zweiten Kapitel wird erörtert wie Metaphern dazu benutzt werden hoch komplexe ökonomische Probleme zu beschreiben und dadurch leicht – falsch – verständlich zu machen. Interessant auch im dritten Kapitel zu erfahren wo die Begriffe Arbeitnehmer und -geber eigentlich herkommen und wer eigentlich wirklich Arbeit gibt und sie nimmt, es ist nämlich genau andersrum. Aber diese Sprachbilder verfestigen eben auch die Machtstrukturen. Im vierten Kapitel geht es um die ÖkonomInnen und wie die sprechen, beziehungsweise das Wirtschaftswissenschaft eben nicht wirklich eine richtige Wissenschaft ist. Im darauffolgenden wird erklärt wie Selbsterzählungen aus UnternehmerInnen ProphetInnen machen, hier dazu mal ein sehr interessanter Auszug: “Kehren wir dafür ein letztes Mal zu Steve Jobs zurück. Er ist die Verkörperung des innovativen Unternehmergenies, verantwortlich für eine der bahnbrechenden technischen Innovationen, die wir dem Kapitalismus vermeintlich zu verdanken haben. Schließlich hat das iPhone unser Leben in den vergangenen zwei Jahrzehnten stärker verändert als jede andere Erfindung. Wie falsch oder zumindest unvollständig dieses Bild ist, zeigt die Ökonomin Mariana Mazzucato in ihrem Buch Das Kapital des Staates. Dort legt sie dar, dass keines der technischen Bestandteile des iPhones tatsächlich von Apple geschweige denn von Steve Jobs persönlich erfunden wurde. Vielmehr handelt es sich bei allem, was Smartphones so nützlich macht, um staatlich geförderte und innerhalb staatlicher Strukturen entwickelte Neuerungen: der Touchscreen, der Zugang zum Internet oder auch das GPS. Steve Jobs ist, so kann man argumentieren, kein technischer Visionär, sondern eher ein Marketing-Genie, das staatlich finanzierte Innovationen in die richtige Kombination gebracht hat und so zum Multimilliardär geworden ist. Seine Leistung bestand vorrangig darin, bereits vorhandene Technologien in einer ansprechenden Ästhetik zu präsentieren. Das ist keine geringe Leistung, und Steve Jobs hatte mit Sicherheit enormen Einfluss darauf, wie wir heute kommunizieren. Wenn man aber der Darstellung von Mazzucato folgt, wäre es trotzdem durchaus gerechtfertigt, Unternehmen wie Apple, die von staatlicher Grundlagenforschung profitieren, wesentlich stärker zu besteuern.” Im vorletzten Kapitel wird beschrieben das auch Politiker die Sprache des Kapitalismus sprechen, was jetzt keine große Überraschung ist, aber eben auch viele die eigentlich dagegen sein sollten dies tun. Hier ein besonders gutes Beispiel: “Die Behauptung, es gebe »freie Märkte«, weshalb »Markteingriffe« durch den Staat etwas Widernatürliches seien, das minimiert werden sollte, gehört zu den wirkungsmächtigsten Lügen der Sprache des Kapitalismus. Da jede marktwirtschaftliche Handlung also auf den Staat und sein Juristisches System angewiesen ist, ist es irrwitzig, Märkte und Staaten sprachlich voneinander trennen und staatliche Eingriffe in den Markt als etwas Außergewöhnliches markieren zu wollen. Wir haben sogar Institutionen eingerichtet, die deutlich zeigen, dass unsere kapitalistischen Märkte auf den Staat angewiesen sind. Wieso bräuchten wir in Deutschland sonst ein Kartellamt, das verhindert, dass Unternehmen Preise miteinander absprechen? Die Annahme der perfekten Konkurrenz zwischen Firmen, die dazu führt, dass sie sich im Preiskampf gegenseitig unterbieten und die Kund*innen davon durch niedrige Preise profitieren, ist nichts weiter als eine theoretische Vereinfachung. In Wahrheit haben Unternehmen selbstverständlich einen Anreiz, sich zu Kartellen zusammenzuschließen, um ihre Gewinne zu maximieren. Deswegen braucht es eine Kontrollinstanz, die dafür sorgt, dass es genau dazu nicht kommt. Der Markt als eigenständige Entität, die vom Staat behutsam beobachtet und sonst in Ruhe gelassen werden muss, ist aber so tief in die Sprache des Kapitalismus eingebrannt…“ Am Ende geht es dann darum einen Weg zu einer Sprache des Postkapitalismus zu finden. Mir hat es gut gefallen das zu lesen, auch wenn man es locker auf 150 Seiten hätte beschränken können. Und natürlich besteht das Problem genau genommen nicht nur bei der Sprache des Kapitalismus. In allen möglichen Bereichen des Lebens benutzen wir ungenaue Sprache die oftmals einfach falsch ist. Religion, Kultur, Geschichte sind nur einige der Beispiele. Insofern könnte man das auf sehr viele Lebensbereiche ausweiten und im Buch wird am Rande auch angesprochen das das wirkliche Problem der Mensch ist und wie er funktioniert, oder eben nicht. Aber das führt hier jetzt zu weit. Am Ende ist es eine schöne Kapitalismuskritik anhand der Sprache und die Autoren sind sich bewusst das durch ihr Buch sich diese nicht ändern wird, geschweige denn der Kapitalismus überwunden werden kann. Dummerweise habe ich mir das Facebook Profil eines der Autoren angesehen… das führt jetzt wirklich zu weit. Ich würde sagen, lest das Buch und lernt dazu. Und für alle BWLer, Wirtschaftsstudierenden, Ökonomen und sonstige Krämer sollte dies Pflichtlektüre sein. 300 Seiten, Gebunden, 24,00 Euro (dolf)

[Trust Nr. 231 April 2025]

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