Dezember 31st, 2022

AK 47 Teil I (#210, 2021)

Posted in interview by Jan

Das AK 47: Düsseldorfs Punkrockklupp No. 1 (Teil I)

„Mitten in der Kiefernstraße, dem Herzen der alternativen Gegenkultur Düsseldorfs, liegt die wildeste, manche sagen: die einzige noch existente wirkliche Punk-Kneipe der Stadt. Auch wenn mittlerweile Elektro und Drum’n’Bass ebenfalls auf dem Programm stehen, gibt es im AK47 vor allem ursprünglichen Punk aus den Boxen. Einzelkonzerte aber auch international besetzte Punkfestivals wie „Once Upon a Time in Flingern“ testen die Belastbarkeit der kleinen Bühne. Wer Düsseldorfs wilde Seite entdecken will, findet in der Kieferstraße und vor allem im AK47 den richtigen Ort“… Tja, so sagte es mir die Homepage von nrw-tourismus.de vor einigen Monden. Aber was geht heutzutage ab in einem der ältesten immer noch existierenden Punk-AZs in der BRD?

Um das herauszufinden, da beamte ich mich von Frankfurt am Main nach Düsseldorf, um mich mit den beiden zugeschalteten MEYER77 und Thorsten vom AK 47 nebst einer Kiste Bier ziemlich genau eine Stunde und 41 Minuten über die Gegenwart und Vergangenheit des Ladens bzw. seiner Crew zu unterhalten. Es ist schön, wenn man zu früh bei dem Kollegen klingelt und dieser einen dann nackt empfängt, da er gerade noch am duschen war. Sagen Sie es mir bitte: wenn das nicht Punkrock ist, dann weiß das wirklich niemand! Nun, genug gescherzt: es geht hier im Interview nicht so viel um die 80er, deshalb nun im folgenden Verlauf der Einleitung einige Hintergrundinfos nebst einigen weiterführenden Überlegungen von mir auch bezüglich Punk allgemein in der Stadt. Ich habe mir für die Zwischenüberschriften dieser Einleitung ein paar Songs lose passend zum jeweiligen Unterkapitel überlegt, wer alle Song-Interpreten weiß, kriegt ein schönes Fässchen Frühkölsch von mir im AK 47 spendiert. Hoffentlich bald mal wieder!

„They say music is the food of love. Let’s see if you’re hungry enough“
Seit Anfang der 80er finden Punk-HC-Gigs auf der Kiefernstraße statt. Ich hingegen entdeckte das alles erst viel später in den 90er. Mit das erste Mal besuchte ich ein Konzert in Düsseldorf 1992, Motörhead in der Philippshalle, der heutigen Mitsubishi-Halle. Ich war schwer beeindruckt, dass all die ganzen Heavy-Kanten, die viel älter als ich mit 14 waren, so freundlich auftraten und einem immer beim Tanzen/umfallen hoch halfen. Mitte der 90er war ich dann zum ersten Mal aus dem benachbarten Leverkusen im AK 47, seitdem immer wieder gerne und auch aus dem Frankfurter Exil visitiere ich den Laden. Jedoch ist das leider seltenst geworden, unvergessen die Geschichte eines früheren Trust-Schreibers aus Frankfurt, der nach der zweiten Oiro-Record-Release-Party auflegen sollte. Er schoss sich schon während unserer Hinfahrt aus Frankfurt und dem Konzert komplett ab und musste sich dann erst mal ausführlich auf dem schönem neuem Parkplatz vorm Burger King übergeben. Dann ging es jedoch heiter weiter: der Kollege legte acht Stunden spitzen Punkrock auf, rauchte ne Stange Kippen und trank dazu noch zwei Kisten Bier, fetter Respekt!

Düsseldorf am Main
Lustiger weise sind MEYER77 plus Freunde selber auch oft in Frankfurt am Main auf Gigs zu Besuch, weil er die Stadt, die Szene und ihre Leute mag. Zum AU-Fest jedes Jahr kommen eh genialer weise viele Punkrocker*innen aus dem Rheinland vorbei und man lernte sich dann feucht-fröhlich besser kennen. Ein Interview mit MEYER77 und Crew zum AK 47 als einer der geilsten Punk-Schuppen unserer Szene war also überfällig, MEYER77 sagte mir dann vor Jahren schon für ein live-Interview zu. Ich wollte es dann später aufgrund von Zeitmangel per E-Mail machen, richtiger weise wurde ich dann gerüffelt Anfang Oktober 2019 auf dem legendären „Saufen gegen Deutschland“-Festtag in der Frankfurter AU, also, dass das ja schon doof von mir wäre, erst frage ich an wegen live-Interview, AK 47 hatte voll Bock und dann komme ich mit der „E-Mail“-Variante um die Ecke. Stimmt und so kam es also nun finally zu einem Plausch mit MEYER77 und Thorsten über das AK 47.

„Nieder mit dem Weihnachtsmann, so ’ne Scheiße hörn wir uns nicht an“
Zur Entstehung des AK 47 vom Gemüseladen zum heutigen Punk-Laden, den wir alle so lieben und der alternativen Gegenkultur-Szene in den 80er auf der Kiefernstraße findet ihr viele Informationen auf kiefern.org/vom-nixda-zum-ak-47. Verkürzt gesagt ging es 1981 los, es gab das „Cafe Nixda“, in dem dann auch Bands aus der Ratinger Hof-Szene spielten und dann kamen MEYER77 und Co. Mitte bzw. Ende der 90er ans Ruder und blieben das in unterschiedlichen Konstellationen sehr lange bis quasi neulich.

Die Rheinische Post sagte zum AK 2013 online: „An der Kiefernstraße 23 befindet sich einer der wenigen Punkrockclubs der Stadt. Er nennt sich „Düsseldorfs Punkrockclupp No. 1“ und liegt im Hinterhof. Auf dem Weg dorthin muss man schon mal an Mülltonnen vorbei, in denen ein Feuer brennt. Es ist ein bisschen wie in der New Yorker Bronx, eine Art dunkle Höhle. Die Räume, in denen die Konzerte stattfinden, sind in Schwarzlicht getaucht. Es treten regelmäßig Bands auf und DJs legen auf, zum Beispiel Deutschpunk-Klassiker aus den 80er Jahren. Besonders Studenten der alternativen Szene gehen gerne dorthin. Im September wird dort das Flingern Festival mit diversen Bands aus der Region veranstaltet. Im Sommer findet ein Fest im Hof statt, zu dem auch die Bewohner der Kiefernstraße kommen und bei guter Musik feiern“.

Heutzutage zeigt sich an der Kiefernstraße exemplarisch für ähnliche Prozesse bundes- und weltweit natürlich die knallharte Gentrifizierungsdebatte, mehr dazu auf kiefern.org/fuer-eine-soziale-stadtplanung. Und wie man am Einstiegszitat von der Webseite von NRW-Tourismus schon gut sehen kann: komischerweise werden linke Subkultur-Punk-Orte ja manchmal als positiv empfunden und sind Teil von Aufwertungsprozessen, bis sie dann am Ende dicht gemacht werden. Hoffentlich wird es nie dazukommen!

„Was heißt ´nicht unsere Hood´?“
Ich bin sicher nicht der einzige, der bei Düsseldorf und Punk direkt an eine ganz bestimmte Band denkt und in meinem Trust-Interview 2020 mit Campino ging es auch kurz ums AK 47: „Genau, ihr kommt ja aus der Ratinger Hof-Zeit, aber das AK 47 in Düsseldorf war nie so eure Hood, oder? Dann wiederum gibt es ein Foto von eurem verstorbenen Roadie Bollock auf deren Memorial-Seite“. Campino: „Was heißt „nicht unsere Hood“? Also eigentlich war es VOLL unsere Hood, weil unser Proberaum keine 300 Meter von dem Laden entfernt war und das viele Jahre lang. Wir haben auch selber da ein- oder zwei Mal gespielt, soweit ich mich erinnere, also auf der Kiefernstraße. Ich bin da auch öfter gewesen. Die haben eine Zeit lang ganz coole Bands spielen lassen. Ich weiß gar nicht, was da heute los ist, da blick ich nicht mehr durch, aber eine Zeit lang waren wir da hin und wieder. Für uns gab es zwei wichtige Straßen, die Kiefern- und die Theodorstraße, die andere große besetzte Straße in Düsseldorf. Unser Drummer Wölli hat da auch ein Jahrzehnt lang gewohnt. Die Kiefern- und die Theodor-Straße, das waren sozusagen „Brüderstraßen“, letztendlich war das so eine Szene, die sich da untereinander sehr gut kannte“.

Latürlich latürlich: man könnte noch viel mehr zu Punk in Düsseldorf fragen, zum Beispiel schaute ich mir 2018 nach dem Lurkers-Gig im „Stone im Ratinger Hof“ auch mal die legendäre Punk-Kneipe “Engelchen” in der Altstadt, der längsten Theke der Welt, an, dort testeten angeblich Hosen-Roadies neue Crew-Leute zum Saufen.

„357 magnum, 9 millimeter handgun, AK 47 and an UZI sub machine gun“
Well, es gab bzw. gibt natürlich auch andere Punk-Institutionen in der Stadt, die mit dem AK 47 freundschaftlich verbunden sind, ich denke zum Beispiel an den alten „Dschungel“, die Brause (leider gibt es diese auch nicht mehr), den Hitsville-Plattenladen, die Zeitschrift „Terz“, das Linke Zentrum Hinterhof, das Haus der Jugend (wo ich 1991 mal die Becks Pistols sah), es gab das legendäre Zosher Fanzine, wo Thorsten mitmachte und hasse-nich-gesehen! Wir machen hier aber kein Düsseldorf-Punk-Special früher und heute, sondern es geht um das AK 47 und egal, ob „Kunst-Punk-Szene“ oder „Punk von der Straße“: das AK ist auf jeden Fall mittendrin!

„Als was geht Gott an Karneval?“
Auch wenn es sich so klischeehaft anhört, es stimmt: die Jungs und Mädels um das AK 47 leben Punkrock mit Haut und Haaren (naja, beim MEYER77 eher weniger davon hähähä) und ich find´s immer klasse, wenn deutlich ältere Leute immer noch mit Herzblut „dabei“ sind und zu jüngeren Punk-Fans nett sind. Was ich schlussendlich eigentlich euch nur sagen will ist: das AK 47 ist ein super geiler Konzertladen, ihr solltet da mal unbedingt wieder auf nen Gig gehen und den Laden supporten, sobald das wieder möglich ist, es lohnt (wenngleich nicht jede/r mit Altbier etwas anfangen kann, aber dafür gibt es ja dann König Pilsener). Vorhang jetzt aber auf für MEYER77 und Thorsten! Dieses Interview wurde gesponsert von Schlappe-Seppel und drei bis fünf Schachteln Lucky Strike. Den zweiten Teil gibt es im nächsten Heft, wir mussten wegen der XXL-Länge des Gespräches diesen Kompromiss machen.

Interview: Jan Röhlk
Kontakt: ak47-dusseldorf.com
Pic AK 47 heute: Netz.
Pic AK 47 1988: „Fugazi, Ak 47, Dusseldorf 11/1988“, Photo by Fugazi, dischord.com/fugazi_live_series/dusseldorf-germany-110188.

So, das rote Licht am Gerät ist an. Kann losgehen, ihr Lieben! Danke für das Interview, also, dass ihr Zeit habt.
MEYER77: Dafür nicht.

Seit Anfang der Achtziger geht es hier auf der Kiefernstraße ab mit Punkrock und dem AK 47. Ihr seid seit Mitte der Achtziger aktiv beim AK oder nee, das kam das erst etwas später?
THORSTEN: Überhaupt nicht, eigentlich überhaupt nicht. Also aktiv sind wir eigentlich erst seit Ende der Neunziger. Ja, Ende des letzten Jahrhunderts.
MEYER77: Ja, du Ende 90er, ich Mitte 90er schon.
THORSTEN: Als Gast war ich eigentlich schon immer da. Seit dem ersten Konzert, das unter dem Banner AK 47 firmiert hat. Das war so Mitte der 80er. Das waren drei Düsseldorfer Bands. Unter anderem kannte ich die eine und die haben gesagt „Wir spielen heute auf der Kiefern vor dem AK 47.“ Und ja, seitdem bin ich da eigentlich Stammgast.
MEYER77: Ich bin später dazugekommen. Ich bin ja, wie das viele von euren Mitleser*innen wissen oder auch viele nicht, Original-Hamburger. Und hatte mich ja damals natürlich auch in den entsprechenden Gegenden in Hamburg rumgetrieben wie Hafenstraße und Störtebeker, dann hatte ich aber auch mal eine Metalphase und bin erst 1994 nach Düsseldorf gezogen. Aber kennengelernt und rumgetrieben habe ich mich da schon ab 1992, meine ersten Konzerte habe ich hier auch in dem Jahr schon gesehen. Ich glaube, das einzige, wo ich mich noch daran erinnern kann, da war ich gerade vor Ort in der Zeit, war tatsächlich Youth Brigade. Das war Anfang 1994. Weißt du das noch?
THORSTEN: Habe ich jetzt nicht mehr im Kopf.
MEYER77: Ich muss dazu sagen, wenn man mit den Alten spricht, also noch der Generation vor uns, die jetzt alle um die plus 60 sind: egal, ob das noch alte Steineschmeißer von der Hafenstraße oder alte Leute aus der AU in Frankfurt sind, die haben ganz lange schon miteinander zu tun gehabt und sich auch ganz lange schon unterstützt. Und wenn du jetzt mit manchen noch sprichst, die können sich auch noch daran erinnern. Also die, die noch leben. Ich habe lange gebraucht, um mich zu entscheiden, ob ich überhaupt herziehe, aber als ich wusste, ich kann jetzt hier in dem Laden auch noch Konzerte machen, da wusste ich: das kann nur geil werden.

Mir ist klar, dass die AK 47-Konzertgruppe bzw. die Crew aus mehreren Leuten besteht. Jetzt spreche ich mit euch beiden und im Moment sind keine Konzerte, aber was sind eure Aufgaben beim AK?
THORSTEN: Das kann man so sagen: wir haben eigentlich die drei T´s: Theke, Tür, Technik. Ich bin sozusagen einer, der zwischen Theke und Tür herumschwirrt, weil mit Technik habe ich nichts am Hut. Dafür haben wir unsere Koryphäen, die das wirklich geil machen.

Immer der gleiche Mensch?
MEYER77: Drei haben wir.
THORSTEN: Ja, Anja, Volker und Thomas. Also, da haben wir auch nie groß Probleme, wenn eine/r mal nicht kann und so. Das sind drei gleichberechtigte, gleichbefähigte Tontechniker*innen. Und, ohne, dass ich mich da jetzt groß auskenne, aber was man auch an Reaktionen von den Bands, die hier spielen, zu hören bekommt, muss man sagen: die haben ihre Sache schon top im Griff.
MEYER77: Ich sage immer, beinahe „schon zu gut“.
THORSTEN: Ja, eigentlich schon zu gut. Aber sie schaffen es halt ob ihrer Brillanz, wobei, das ist jetzt übertrieben, ich will denen nicht unnötig Honig um den Bart schmieren…(lacht)

Aber doch ein bisschen. (lacht)
THORSTEN: Ja sicher, weil die schaffen das auch, den Sound in dem Laden so zu gestalten, dass der gut, aber trotzdem so gedrosselt ist, so dass sich die Nachbarn im Haus nicht jedes Mal beschweren. Das war früher wirklich so eine Sache mit den alten Schrottanlagen und – sagen wir mal – nicht so befähigten Mischern, so dass du dann am nächsten Tag von den Leuten aus dem Haus teilweise angepöbelt wurdest: „Ey, ihr habt schon wieder bis in die Puppen gemacht und ich muss morgens früh raus.“ Besonders der eine Kollege. Ich nenne jetzt keine Namen.
MEYER77: Ich weiß, wen du meinst.
THORSTEN: Naja, sicher. Und der meinte dann neulich zu mir, da hatten wir uns zufällig morgens hier getroffen: obwohl der zu Hause war, hat der nicht mal mitbekommen, dass da Konzert war. Also, wie gesagt, das ist die Technik. Und dann haben wir halt ein bewährtes Theken- und Türteam, das auch mal switcht.
MEYER77: Das weltbeste Thekenteam sage ich mal, und ich soll schöne Grüße von Anja ausrichten. Sie hat gesagt, ich möchte sie bitte erwähnen. Das tun wir jetzt hiermit. Und natürlich ganz wichtig, was wir nie vergessen sollten: wir sind Freunde. Wir sind da unten alle befreundet. Das hat eigentlich mit dem Ding, dass wir da was machen, gar nichts zu tun.
THORSTEN: Stimmt. Wir gehen auch alle zusammen zum Fußball.
MEYER77: Das muss man immer dazusagen. Das ist nicht irgendwie ein Kollektiv, dass sich mal zusammengesetzt und gesagt hat, „wir wollen für die Szene was machen“, sondern das ist über die Jahre gewachsen, eben mit Freunden. Also, ich glaube auch, dass neue Leute, die reinkommen, es sehr schwer am Anfang haben.
THORSTEN: Ja, das ist immer so.
MEYER77: Weil wir ein eingeschworenes Team sind, insgesamt zehn Leute, so ungefähr, mit Ute und den anderen. Ich habe früher ja viel die Konzerte gemacht und mich viel um die Bands gekümmert. Dadurch, dass ich aber so krank geworden bin mit meiner Depression, da bin ich leider in den letzten sieben acht Jahren kaum noch unten, weil ich meine Angstzustände habe.
THORSTEN: Das gibt uns die Zeit, über ihn zu lästern. (alle lachen laut auf)
MEYER77: Das hat auch seinen Vorteil, wenn man nicht mehr alles so mitkriegt. Es ist für mich sehr sehr schwer, das zu akzeptieren. Ich habe es aber akzeptiert und mittlerweile auch einen Betreuer, der ist übrigens auch sehr gerne AK-Gast. Und mit dem haben wir auch schon das Thema, dass wir auch irgendwann mal wieder ins AK gehen, so dass ich meine Angstzustände im AK mehr in den Griff kriege. Ich war seit gefühlt sieben Jahren nicht mehr auf dem Plenum.
THORSTEN: Aber wir haben doch gar kein Plenum.
MEYER77: Ja, oder zumindest unser Treffen, du Arschkrampe.
THORSTEN: Sag bitte Treffen.
MEYER77: Nur damit ich Thorsten ärgere, hab ich Plenum gesagt. (lacht)

Diese Gigs, über die wir eben vorher gesprochen haben, zum Beispiel Fugazi erste Tour 1988 im AK 47, RKL oder Green Day, die habt ihr dann als Besucher gesehen?
THORSTEN: Ja, klar, sicher. Wobei, Green Day, sagen wir mal, habe ich nicht gesehen, weil schönes Wetter war und ich lieber auf dem Bürgersteig gesessen habe. Das war, glaube ich, der Holger, der das damals gemacht hat.
MEYER77: Nein, da hat es unser Freund Armin von den schwarzen Schafen gemacht.
THORSTEN: Es ist ja auch egal. Jedenfalls waren da 30 Leute drinnen und einige draußen.
MEYER77: 60!
THORSTEN: Ja, aber es ist egal. 30, 60. Jedenfalls kannte die damals noch kein Schwanz. Ich habe mich draußen auf die Straße gesetzt und bei schönem Wetter Bier getrunken.
MEYER77: Es ist halt eine langweilige Band. Und manche wollten da lieber vor die Tür. Also, das kann ich sehr gut verstehen. Für Armin ist das doof gelaufen, weil der ärgert sich immer noch so ein bisschen, dass er den Kontakt nicht gehalten hat, weil das ja wirklich abgefahren war: sie haben hier vor 60 Leuten gespielt und ´nen halbes oder ein Jahr später vor 80 000. Es ist aber eine langweilige Drecksband.

Zum AK 47 fällt mir peinlicherweise immer spontan als erstes dieser Song „The Guns and the Young“ von den Mighty Mighty Bosstones ein, wo es auch um die Waffe AK 47 geht.
THORSTEN: Okay. Kenn ich so gar nicht.

Ist das für euch dann so als Aktivisten, die ihr selber eher pazifistisch eingestellt seid, nicht so bisschen merkwürdig, dass man sich nach so einer Waffe benannt hat? Oder scheißegal?
MEYER77: Also, bei mir ist das ein bisschen gespalten. Ich könnte mir in meinem kranken Gehirn vorstellen, Leute abzuballern. Ich tue es aber nicht. Andersherum ist es aber auch so: klar, wenn du dir darüber Gedanken machst, dass diese Waffe weltweit so viele Menschen getötet hat, das geht gar nicht mehr auf 5000 Bierdeckel, das ist natürlich schon krass. Aber ich finde, der Name gehört zu uns. Wie ich ja heute erfahren habe, haben die Politnix damals den Namen gewählt und da passte das schon. Aber ganz ehrlich? Diese Waffe hat auch ´ne Revolution gestartet. Danke Herr Michael Kalaschnikow. Also klar, es ist gespalten, aber andersherum, wie gesagt, wenn ich nicht Rücken und einen Schlepphoden hätte, dann würde ich in den Untergrund gehen und dann das erste, was ich mir kaufen würde, wäre eine AK 47.
THORSTEN: Und ich muss dazu sagen, ich habe mir da ehrlich gesagt noch nie Gedanken darüber gemacht, weil wir den Namen ja im Prinzip übernommen haben.

Ist klar, den Namen gab es schon vorher, ich dachte nur, es ist vielleicht ein bisschen merkwürdig. Ich trug ja früher, also speziell Mitte der Neunziger, auch so ´ne Tarnhose, hatte Militärrucksäcke und dann war irgendwann um 1997 so die Erkenntnis „Hä? Ich mache Zivildienst, wat laufe ich mit de Army-Collection rum!“.
THORSTEN: Richtig, weil welcher Punker hatte damals keine Springerstiefel von der Bundeswehr?

Und die ganzen Bands, die im AK spielen, die sind natürlich auch nicht „militaristisch“, naja, vielleicht blöde Frage.
MEYER77: Nein, war keine blöde Frage.
THORSTEN: Kann man ja mal anreißen.

Im Moment ist ja nix Booking, wie lief das vorher ab bei euch, das wurde ja coolerweise echt oldschool übers Telefon gemacht?
MEYER77: Also, ich kann jetzt nur von den Jahren 1994 bis 2009 reden. Da, wo ich richtig noch aktiv war. Ich bin ja noch aktiv, das muss man wieder betonen. Ich bin nicht raus, für alle, die denken, dass ich raus bin: Nein! Der Papa ist noch an Board. Das für die Leser*innen, die jetzt fragen: lebt Meyer noch? Ich lebe noch, Jungs und Mädels. Ich habe früher alles über Telefon gemacht. Ich hatte einen Computer, den habe ich wieder abgebaut, weil mir meine Aquarien wichtiger waren. Heute habe ich manche Sachen, wie du ja gemerkt hast, dann auch übernommen, heute e-maile ich dir auch. Aber ich habe dadurch, dass man alle Bands persönlich kannte oder immer noch kennt und man teilweise eben auch befreundet mit den Bands ist, eben gerne so eine persönliche Schiene.

Zum Beispiel wie mit Hammerhead, die ich dann vor zwei Jahren nochmal geholt habe, da ist das viel geiler, alles über Telefon zu machen. Ja, wir leben in einer anderen Zeit, aber ich nicht komplett. Ich lebe noch in den Achtzigern, teilweise, aber ich akzeptiere auch die Technik und die Zukunft. Es ist aber trotzdem so, ich sage das immer so: ich habe hier Sachen mitgekriegt, von Leuten, die Bands gebookt haben und dann hat man auf diese Band gewartet und die kam nicht. Und dann hast du diejenigen gefragt, der alles über E-Mail gemacht hat: „Hast du die Telefonnummer?“. Und das ist natürlich doof, wenn nicht. Hallo? Was nützt dir dann die E-Mail, wenn du da unten wartest und du hast keinen Computer. Da hast du dein Handy, aber es guckt auch keine Band ständig auf ihr Handy, wenn sie unterwegs sind. Und da sagten auch andere Leute: „MEYER77, das ist ein großes Argument. Das stimmt.“

Thorsten, hast du auch viel über Telefon oder eher E-Mail gemacht?
THORSTEN: Nein.
MEYER77: Torsten hat ja kaum gebookt eigentlich. Oder selten.
THORSTEN: Ich habe selten gebookt. Meistens waren es immer befreundete Bands, die mich fragten: „Könnten wir hier spielen?“. Wie ist das heutzutage? Thomas macht relativ viel mit E-Mails.
MEYER77: Also, die machen heute viel mit E-Mails, ja. Aber das ist auch so: wir haben ja die Crew da unten reingeholt, nach Rehsi´s Tod, nach 2010, die Technik-Crew, die jetzt da ist, mit Anja, die habe ich ran geholt. Die sind durch uns reingekommen. Und die machen alles mit E-Mails, ja. Es ist aber auch so, dass die mich aber auch immer noch fragen, wenn Bands da sind, die wir schon lange kennen.
THORSTEN: Und was natürlich jetzt in Internetzeiten so rapide abgenommen hat, aber sagen wir jetzt, lass uns mal zehn bis fünfzehn Jahre zurückgehen, da hattest du dann wirklich einmal pro Woche mindestens zwei bis drei irgendwelche selbstgebrannten DVDs beziehungsweise CDs mit Bewerbungsschreiben und das war natürlich dann auch teilweise grenzwertig.
MEYER77: Ich hatte übrigens jetzt gerade 160 CDs verschenkt, weil ich hasse CDs. Und die waren alle in einer Kiste. Da kamen Sachen hervor, ohne Scheiß, der Hammer. Da sind noch ungeöffnete Briefe mit CDs bei gewesen, die ich jetzt nach so langer Zeit erst öffne. Da sind Bands dabei, da gehe ich fest davon aus, dass es die alle nicht mehr gibt. Und eine Zeit lang hatte ich da auch nicht mehr reingehört, lieber Jan. Weil, ohne Scheiß, da war auch so viel Mist dabei. Aber: ich stehe auf schlechte Mucke. Ich stehe auf schlechten Deutsch-Punk. Thorsten auch. Ich stehe auf Geballer. Punk darf ja nie toll sein. Es muss immer dreckig sein. Aber da waren auch Sachen dabei, die hatten keinen Dreck. Das waren irgendwelche Hochschüler oder irgendwelche Hipsterarschlöcher, ja, die kannst du echt alle töten!
THORSTEN: Und das Geile dabei ist noch nicht mal die schlimme Musik. Das geilste dabei waren eigentlich immer noch die Begleitschreiben, die sich teilweise wirklich immer geglichen haben…

„Wir haben die Bühnen geteilt mit…“
THORSTEN: Ja, genau das! (lacht)
MEYER77: Vor allem, wenn so was kam: „Wir sind eine aufstrebende Band“. Da hatten wir schon keinen Bock mehr. Weil aufstrebend: wenn Leute berühmt werden wollen, bitte. Aber nicht bei uns.

Ihr merkt, es sind jetzt noch nicht so die super kreativen Fragen, aber das kommt noch, sage ich jetzt mal selbstbewusst. (lacht)
THORSTEN: Och, wir grooven uns ein, passt.

Okay, ihr Lieben. Macht ihr Gigs nur auf Eintritt oder wird da auch mal eine Festgage garantiert?
THORSTEN: Im Prinzip ist es immer nur auf Eintritt. Und das ist bei uns halt sozusagen festgelegt: vielleicht wird es irgendwann mal, wenn alles teurer wird, mehr und wir müssen vielleicht auch wieder hochgehen, aber jetzt sind wir seit über zehn Jahren bei acht Euro.
MEYER77: Nein, wir sind seit vier Jahren bei acht Euro, Schatz.
THORSTEN: Länger.
MEYER77: Nein.
THORSTEN: Ist egal, aber wir sind jetzt bei unseren acht Euro und das soll auch so bleiben. Das ist für mich auch irgendwie das, was den Laden ausmacht. Dass das halt irgendwie für jede/n konsumierbar ist. Und das ist so: die meisten Bands sehen das ein und manchmal ist es vielleicht auch der Fall, dass die Bands sagen, „wir würden aber gerne auf zehn gehen“. Da haben wir eigentlich immer nein gesagt, weil selbst, wenn die dann sagen „Festgage“, was wir eigentlich auch selten machen, aber wenn du halt eine etwas größere Band hast…
MEYER77: Die wir aber dann haben wollen.
THORSTEN: Richtig, die wir haben wollen. Dann ist das halt so, dass wenn wir eine Band haben, die nen bisschen mehr will, dann wissen wir aber auch: der Laden wird voll. Und wenn dann noch eine Differenz ist, dann kann man das am selben Abend halt aus der Bierkasse begleichen. Also, das ist ein fucking Plus-Minus-Null-Geschäft.
MEYER77: Mir fällt direkt ein Konzert ein, wo wir alle Bock darauf gehabt haben.
THORSTEN: Bluttat.

Geile Band.
MEYER77: Ja, wir hatten sie vor vier Jahren. 2017 hatten wir die.
THORSTEN: Ja, wird so hinkommen.
MEYER77: Das Ding ist auch das, das muss man auch kurz sagen: auch, wenn wir viele Sachen untereinander regeln und absprechen, werden manche Sachen auch da unten akzeptiert bei unseren Leuten – oder müssen akzeptiert werden, wenn wir mal einfach eigene Sachen machen. Der Gnaata hat gesagt: „Ich möchte Bluttat haben. Wir geben denen 500 Euro.“ War auch so, aber wir haben leider uns mehr erhofft. Es waren einfach zu wenige Leute da.
THORSTEN: Da waren, glaube ich, 80 oder was.

Krass, weil die kommen doch eigentlich ursprünglich aus Mülheim an der Ruhr, also von umme Ecke?
THORSTEN: Ja, aber die sind in ganz Deutschland verteilt. Anja wohnte damals in Berlin, ich glaube, jetzt wohnt sie wieder hier.

80 Leute ist aber echt wenig für diese Legende.
MEYER77: Ja, ich habe mich ein bisschen geärgert, weil ich tatsächlich einen Tag, bevor Gnaata Bluttat klargemacht hat, also Monate vorher, da habe ich angeboten bekommen, die Reunion-Tour von Disfear zu machen. Und ich wollte Disfear unbedingt machen, das ging dann leider nicht, weil meine Jungs da unten entschieden haben, das war wohl Freitag und dann wollten sie kein Samstagskonzert machen oder keinen Donnerstagstermin. Und das hat mich sehr geärgert. Weil bei Disfear, da sage ich dir eins, da hätten wir innerhalb von zehn Minuten…!
THORSTEN: Da kommen auch nur 80 Leute.
MEYER77: Neee, da wäre innerhalb von zehn Minuten der Laden ausverkauft. Da wären die ganzen Krusten alle gekommen und es wäre voll geworden. Aber gut, wenn dann nur 80 Leute da sind, dann genießen wir das auch.
THORSTEN: 80 Leute ist ja eigentlich auch voll. Erbärmlich wird es dann, wenn du nur zwanzig da hast, naja, zwanzig geht auch schon fast, aber…
MEYER77: Wir haben aber auch schon schöne Konzerte erlebt, wo nur zehn Leute da waren.

Wie ist das denn so aus eurer Erfahrung, ihr macht das ja wirklich schon ziemlich lange…
THORSTEN: 20 Jahre. Über 20 Jahre!

Sind die Gagenansprüche von Bands gestiegen? Früher hatte man gesagt, in den Neunzigern: „Zehn Mark ist die Grenze“. Das kann man ja heute nicht mehr durchziehen.
MEYER77: Ja, da muss man auch wieder so bisschen relativieren. Also, es gibt zum Beispiel Bands, die haben wir zum Beispiel auf dem Flingern-Festival das dritte Mal in zwanzig Jahren. Und die kommen an und sagen: „MEYER77, wir lieben euch.“
THORSTEN: „Scheißegal, Hauptsache, wir haben Sprit oder was“.
MEYER77: Die spielen umsonst. Gibt es also auch. Also auf dem Festival. Dann würde ich sagen, dass ich oder wir bei so „großen“ Bands, die Geschichte geschrieben haben und die wieder oder immer noch da sind, auch noch gute Kontakte zu haben, zum Beispiel zu den Emils.
THORSTEN: Disfear oder früher Molotow Soda.
MEYER77: Molotow Soda, Emils, da sind wir auch persönlich mit den Leuten befreundet. Und da ist das so, dass ich weiß, dass wenn wir die haben wollen, dann sind die sofort hier und auf unseren Level. Und ich weiß, dass die eigentlich woanders mehr kriegen. Und das ist unser guter Name, dass ist das AK und dass sind wir.
THORSTEN: Andererseits ist es ja auch so, dass jede Band, also zumindest ein Großteil der Bands, die hier spielen wollen, ja auch von vornherein wissen, wie hier die Konditionen aussehen. Dass da jetzt keiner kommt, „wir sind jetzt groß auf Tour und so“.
MEYER77: Hatten wir auch schon.

Ich kann mich noch erinnern, sorry für den Exkurs, Jungs: Ende der 90er waren D.O.A. in Wermelskirchen, ich meine, die Gage war 1500 DM oder die riefen das damals über ihren Booker ab.
MEYER77: Haben sie bei uns nicht gekriegt.

Das kam mir damals unglaublich viel Geld vor. Und natürlich war auch direkt so als noch kleiner Punker der Gedanke „Kommerz, die Asis und so“. Aber das sind ja heute ja auch „nur“ 700 Euro.
MEYER77: Haben die bei uns auch nicht gekriegt.
THORSTEN: Weiß ich gar nicht, was wir denen gaben. Ich glaube, das war weniger oder? Ich meine nur, dass andererseits ja die Gagenpreise bis zuletzt ja auch total explodiert sind.
MEYER77: Wir hatten D.O.A. ja tatsächlich vor zwei Jahren noch. Da muss man aber auch dazu sagen, ohne, dass das böse gemeint ist, aber bei manchen Bands ist der Zahn der Zeit auch weg. Die heißt, die können gar nicht mehr so viel nehmen und die wollten auch unbedingt bei uns spielen.
THORSTEN: Und D.O.A. ist da ein sehr gutes Beispiel. Die hatten ja, wie gesagt, jetzt vor zwei Jahren bei uns gespielt.

War bestimmt auch geil oder? Ich sah sie auf der Tour in der AU, glaube ich.
THORSTEN: Ja, das war supergeil. Und worauf ich hinauswill, zwei Jahre vorher hatten sie ja in der Altstadt im „Tube“ gespielt. Und da hatte das mal eben schlanke, glaube ich, 16 Euro gekostet. Und der Gnaata und Thomas waren da und hatten halt schon damals angefangen, so ein bisschen die Bande zu knüpfen. So nach dem Motto: „Hör mal zu. Schön, wir haben da ja auch einen Laden“… Und im Prinzip werden die wahrscheinlich bei uns mehr verdient haben, sage ich mal, als da in der fucking Altstadt. Obwohl es da doppelt so teuer war. War wohl auch im „Tube“ nicht ganz so voll. Und Thomas sagte mir jetzt letzte Woche noch, er hätte im Internet noch irgendwie einen Tweet oder so von D.O.A. gehabt, dass sie sich wirklich gefreut haben, hier im Laden gespielt zu haben. Das war so wie früher. So wie mit MDC, das war hier so ein Abriss. Und vorher hatten die kaum noch Leute gezogen, aber da hieß es dann „MDC im AK, da passt das“.
MEYER77: Da waren 300 Leute, die wollten da rein.
THORSTEN: Das ist halt auch so ein besonders Setting. Ob die jetzt irgendwie in so einem Club in der Altstadt spielen, der meines Erachtens nichts Besonderes ist; wo das Bier teuer ist, du nicht rauchen darfst und halt irgendwie sozusagen nur als Kunde gesehen wirst oder ob du hier bist und sagst: „Oh, das passt alles zusammen.“
MEYER77: Bei uns ist es auch so, dass müssen wir definitiv auch klar und deutlich sagen, dass wir nicht alles machen. Wenn die Band etwas Bestimmtes verlangt, dann sind wir eh schon raus. Und wenn uns die Band nicht gefällt, dann machen wir es auch nicht. Wir haben uns irgendwann mal gesagt, dass wir nur noch das machen, was uns auch gefällt.
THORSTEN: Das spart eine Menge Ärger.
MEYER77: Genau, und andersherum muss man auch sagen, das hört sich jetzt ein bisschen arrogant an, aber die Bands lieben uns. Die meisten Bands lieben uns und das Flair vom AK. Und da können wir einen großen Dank natürlich nochmal an Gühli und Lena rausjagen, dass sie damals die Idee hatten, 1982 das zu machen. Weil dieser Laden hat wirklich weltweit immer noch einen guten Stand. Und ich rede von weltweit und meine es auch so.
THORSTEN: Zumindest hatten wir bisher Bands aus jedem Kontinent dieser Welt, außer Antarktis und Arktis.
MEYER77: Fast, ja.
THORSZEN: Afrika, Asien, Australien, Europa, Nordamerika, Südamerika. Alles durch. MEYER77: Stimmt. Haben wir alles durch.

Blöde Frage jetzt: was war so das geilste Konzert, was ihr im AK selber veranstaltet oder gesehen habt? Und was war das schlechteste, wo ihr als Besucher da wart oder es selber gemacht habt?
THORSTEN: Okay, fang du an. Ich muss noch ein bisschen überlegen.
MEYER77: Also, ich habe ja von Ende der 90er bis 2011 viel mit Muttis Booking gearbeitet. Und da war das Vertrauen sehr da. Wir mussten auch keine Rider erfüllen. Wenn die Brötchen gekriegt haben, dann hat das auch gelangt. Und da waren super Konzerte dabei. Wie The Briefs, die sind bei uns ja auch groß geworden und andere Bands. Aber bestes Konzert, da waren wir beide hier, das wäre es schon, auf jeden Fall: uns wurde mal unsere Lieblingsband angeboten vor dreizehn Jahren, da haben wir zugeschlagen. War ein Donnerstag. Und wir haben gesagt, wir hängen das nicht an die große Glocke und alle haben es doch gelesen und dachten: „Wir fahren lieber nicht hin. Wird ja voll.“ Und es wurde nicht voll. Es war richtig cool. Es waren nur 70 Leute da auf einen Donnerstag. Es hat draußen geschüttet und es waren die Subhumans. Und es war großartig.

Fucking Dick Lucas mit Brille immer noch am Aussehen wie 1982, gell?
MEYER77: Immer noch. Und pass auf. Es gibt da noch eine schöne Geschichte, weil hier oben bei mir wurde ja immer gekocht und gegessen. Hier war eigentlich bis vor ein paar Jahren…

Ach so, das war hier in deiner Butze?
MEYER77: Backstage war immer hier.
THORSTEN: Ich hatte auch gekocht und hatte von einem Kumpel aus einem Thailandurlaub ein paar Chilischoten zu viel reingedonnert. Die Jungs haben ganz schön geschwitzt.
MEYER77: Ja und das Geile ist, dass ich ja meine Helden hatte und für das Frühstück 40 Euro ausgegeben habe und Thorsten für seine Kocherei nur elf Euro. Und Thorsten noch geflucht hat: „Warum bezahlst du so viel?“ und ich so „Das sind meine Helden, die brauchen gutes Frühstück.“ Und der Sänger hatte sich zurückgezogen, hat sich hier in meine alte Ecke gesetzt und fing an, sich Notizen zu machen. Und dann habe ich ihn gefragt, was er da macht.

Kritik über den Konzern XY neu formulieren etc.?
MEYER77: Nein nein, viel viel geiler. Er hat hier großartige Stücke, die wir lieben, teilweise umgeschrieben, weil er darüber nachgedacht hat.

Nein!
MEYER77: Doch, ja.

Wie geil, okay – und was war das schlechteste?
THORSTEN: Das schlechteste?

Was ihr gemacht oder als Besucher gesehen habt, interessiert mich einfach, ich will euch da nicht in die Enge treiben.
MEYER77: Als Besucher eine Menge. Also, wenn wir den Laden vermietet haben, da waren eine Menge Konzerte gewesen, die unter aller Sau waren.
THORSTEN: Das schlechteste ist also… da gab es vieles.
MEYER77: Chefdenker, die haben sich scheiße benommen.
THORSTEN: Ja, aber so richtig mies. Klaus der Geiger noch.

Eigentlich ja guter Mann!?
THORSTEN: Dachte ich auch immer.
MEYER77: Arroganter Arsch.

Echt?
MEYER77: Ja.

Ach, schade.
THORSTEN: Der war wahrscheinlich auch angepisst, dass, glaube ich, auch nur, wenn es hochkommt, zehn Leute da waren oder was.
MEYER77: Und dann noch diese Geschichte, wo damals der Rehsi unbedingt mit dem Dieter diesen Skater haben wollte.
THORSTEN: Ah hier, Claus Grabke.
MEYER77: Rausgeschmissen nach dem Soundcheck.
THORSTEN: Ich weiß nicht, wer das eingetütet hat. Ich glaube, der Rehsi als alter Skater. Claus Grabke steht so beim Soundcheck und dreht seinen Verstärker auf. Und der Dieter am Mischpult meinte halt beim einpegeln: „Mach mal leiser, zieh mal runter.“ Und Claus Grabke hat das nicht eingesehen und meinte: „Weißt du, wer ich bin? Ich bin Claus Grabke.“ Und der Dieter meinte halt nur: „Weißt du, wer ich bin? Ich bin der Dieter. Verpiss dich.“ Dann hat der sich auch verpisst. Im Endeffekt war das aber auch so, da das dann halt spontan abgesagt worden ist, ist das vielleicht auch besser so gewesen, das konnte ja keiner wissen, dass das sofort abgesagt worden ist, da wären, wenn es hochkommt, auch nur vielleicht 20 Leute da gewesen…„Nein, hier ist kein Konzert. Wegen Kokainabhängigkeit haben wir den Musiker rausgeworfen.“ Ob der jetzt auf Koks war, keine Ahnung. Aber dem war halt seine ganze Art so.
MEYER77: Jetzt kann ich meinen Ehemann Thorsten mal kurz ärgern. Es gibt noch ein schönes Konzert, da weiß ich, dass er das nicht mitgekriegt hat. Das war auch ziemlich kurzfristig. Da kam Gang Green. Und das war richtig geil!
THORSTEN: Ich treffe hier einen Tag später einen, ich glaube, den Kohlmetz und der so: „Wo warst du gestern bei Gang Green?“. Ich sage: „Willst du mich verarschen?“, „Ja, Gang Green haben gestern im AK gespielt.“ Und ich dachte nur „Kohlmetz, du bist wieder blau“. (lacht)
MEYER77: Und da müssen wir unseren alten verstorbenen Freund Rehsi loben. Der hatte immer so ein Händchen zu den Leuten. Natürlich auch wegen den Drugs und wegen alles anderem, aber die mochten sich, der Sänger und er. Und die hatten sofort gesagt, die spielen hier. Die haben dann auch richtig Ärger noch mit der Booking-Agentur gekriegt. Da war diese Klausel, die hasse ich ja sowieso, deswegen keine Verträge. Jungs und Mädels! Wenn ihr junge Punker seid: niemals Verträge machen! Das haben wir von da unten gelernt, von Gühli, das muss man ganz ehrlich sagen. Ich mache auch keine Verträge in meinem Privaten. Ganz selten. Weil Verträge sind scheiße. So. Und ich hasse es. Booking-Agenturen, die uns anschreiben wollen und uns vertrauen, alles okay, mit denen machen wir auch. Muttis Booking hat mir zehn Jahre vertraut. Das ist wegen was ganz anderem kaputt gegangen. Aber trotzdem bitte nie Verträge machen. Und das ist immer ganz wichtig, weil es muss Vertrauen zwischen der Band und dem Laden da sein. THORSTEN: Test Tube Babies waren noch gut.
MEYER77: Da war ich nicht dabei.
THORSTEN: Das war relativ inoffiziell. Das war irgendwann Anfang der Neunziger. Das wusste auch keiner. Ich war mit nen paar Kumpels unten im Red House in der Kneipe, weil nichts los war, waren wir da kickern und…

Was ist das, das Red House?
THORSTEN: Das war da hinten mal früher so eine Kneipe. Das haben dann irgendwann die Albaner übernommen oder so was. Da konnte man halt kickern.
MEYER77: Sehr geiler Laden. Eigentlich sehr wichtiger Laden mal gewesen.
THORSTEN: Und jedenfalls, ich war mit Kollegen am kickern und die waren irgendwie alle noch auf LSD und wollten was erleben. Ich als Nicht-Astronaut im Hoffmann-Universum meinte: „Ja, macht ihr mal.“ Gehe dann nach Hause, am AK vorbei, so richtig braun und höre von draußen: da ist ja Musik drinnen. Und höre: da spielt einer „The Jinx“ von Test Tube Babies nach. Gehe so rein, war auch keiner an der Kasse, gehe in den Konzertraum, gucke auf die Bühne, gucke mir so die Typen an: „Moment mal! Die spielen nicht nur Test Tube Babies nach, die sehen auch so aus wie die Test Tube Babies“. Und das waren die. Das lag halt an einer Band aus Düsseldorf, die auch hier auf der Straße gewohnt haben, Monkeys With Tools. Die waren mit Test Tube Babies irgendwie auf Tour und das war auch ein Offday und da hatten auch, ich weiß nicht, Petrus oder Matti gesagt: „Ihr könnt bei uns pennen und wir machen uns nen schönen Day Off. Und ach, wir haben unten übrigens einen Laden. Wenn ihr Bock habt, dann könnt ihr da eine Runde zocken.“ Da waren vielleicht auch, wenn es hoch kommt, 30 Leute da. Aber das war dann auch schön. Nächsten Tag sagte ich dann zu meinen Kumpels: „Na, habt ihr auch schön in der Stadt rumgetrippt?“, die dann „Ja, war eigentlich auch langweilig.“ Ich so: „Ja, ich habe aber Test Tube Babies gesehen.“ (lacht)

Sagt mal, ihr habt bestimmt mit den ganzen Jahren viel seltsames Verhalten von Bands backstage erlebt. Wie die sich auf der Bühne und dann halt backstage geben. Gibt es da irgendwas zu berichten, was ihr uns berichten wollt?
MEYER77: Also, ich muss ganz ehrlich sagen, ich habe zwei drei Bands mitgekriegt, die sind hier gebookt worden, nicht von uns, von anderen Leuten. Da fallen mir die Namen auch nicht mehr ein, zum Glück. Aber die sind auch so komisch schon reingekommen, meistens waren es Metallbands, die so komisch waren. Die denken ja sowieso: „Metal ist geiler als Punk“.

Ist das nicht so ein Ressentiment, was man so als Punker gegen Metal hat?
THORSTEN: Nein, MEYER77 kommt ja selber aus der Metalszene.
MEYER77: Ich komme nicht aus der Metalszene, aber ich höre ab und zu noch Thrash-Metal und habe mit alten Metallern noch zu tun. Es gab zwei drei Bands, wo ich das Verhalten gesehen habe und ich war leider nicht der Veranstalter, sonst hätte ich sie rausgeschmissen. Es kommen auch manche Bands rein, die denken, dass sie Stars oder so sind.
THORSTEN: Ich überlege gerade, wen ich so auf der Rechnung habe.

Naja, manchmal hast du ja so Bands, die jetzt auf der Bühne total die coolen Ansagen machen, die dir aus dem Herzen sprechen. Und dann kriegst du die halt backstage mit oder vielleicht bei der Geldabwicklung, also, es geht nicht ums lästern oder so, aber dann sind die dann plötzlich ganz anders?
THORSTEN: Nein nein, das ist eigentlich alles zu unerheblich, was mir dazu einfällt. Da war jetzt beim letzten oder vorletzten Flingern-Festival so ne Situation, dass die eine Band halt, ich weiß nicht, der Gitarrist oder so – der kam nachher so relativ arrogant rüber. So mit der Forderung „Ich will noch Bier haben, ich will noch Bier haben.“ Ja, ist okay, natürlich. Aber wie sagt das alte Sprichwort: „Der Ton macht die Musik“. Der kam so mit dem Ton rüber…

„Bring mit sofort ´nen Bier“!
THORSTEN: Ja, das wäre fast noch höflich ausgedrückt. Und ich war dann auch der Meinung „Okay, ich finde, das ist jetzt nicht angemessen, wie der mit mir redet“. Aber es kann auch sein, dass ich gerade etwas überempfindlich reagierte, weil ich seit Donnerstag auf Action war und etwas langsam. Aber dann hörte ich halt von dem Pennplatz, dass sich das mit der Arroganz wohl relativ weitergezogen hatte.
MEYER77: Ich glaube, man muss auch dazu sagen: die Bands lieben uns ja auch, weil wir ja so ein asi-liebes Verhalten haben. Und es gibt leider manche Bands, die es nicht raffen, dass das alles nur Show ist oder dass ich das liebevoll meine. Und eine Band, die können wir auch erwähnen, weil es die nicht mehr gibt wegen sexueller Vorwürfe, das war Wolf Down. Und das war noch, wo die Sängerin noch gesungen hat. Und die haben da in der Ecke, wo jetzt das Aquarium steht, da war ja früher mal ein großer runder Esstisch, da haben die da gesessen. Und das war ganz witzig, weil wir ja wussten, „die kommen aus der Nähe“. Und zwei haben mich auch mit „Hallo MEYER77“ begrüßt, weil man sich kannte. Aber der Rest nicht. Die haben sich dann hingesetzt. Ich kann es dir jetzt sagen, das war vielleicht ein Verhalten, vielleicht irgendeine Unsicherheit, trotzdem fand ich das sehr witzig. Sie hatte dann was mit der Stimme und fragte mich: „Kann ich einen Tee haben?“. Und ich so: „Nein, hier gibt es keinen Tee. Das ist eine Punkrockhütte.“ Daraufhin wurde geschwiegen. Es wurde gar nicht mehr geredet. Ja, das ist so ein Verhalten, wo die Band dann nicht mit klarkommt. Aber die Bands lieben das, zum Beispiel, die kennen mich nicht und die kommen hier so an, wie Kackschlacht. Ich sagte: „Oh Gott, ihr seid hässlich! Ihr habt Bärte! Boah, seid ihr hässlich“. Das finden die aber super.
THORSTEN: Da ist halt jeder Charakter anders. Und manchmal muss man es halt machen. Ist ja nicht so, dass wir die jetzt beleidigen, um sie beleidigen zu wollen.
MEYER77: Das mit den Metallbands haben ja auch andere Konzertgruppen gehabt, die Metal-Bands gemacht haben, zum Beispiel die Fortuna Metalheads. Zum Beispiel, wir haben ein ganz kleines Podest, ein Schlagzeugpodest. Ihr werdet es nicht glauben, dass das jedes Mal bei den Metals ein großes Theater war. Weil wir gesagt haben: „Nein! Es bleibt stehen! Ihr räumt es nicht weg!“. Und dann kam: „Da passt aber mein Schlagzeug nicht drauf!“. Dann habe ich gesagt: „Pass mal auf. Ich kenne mich mit Metal aus. Ihr braucht nur wenige Sachen. Ihr baut das nur zum Hingucken auf. Und das ist hier nun mal ein Punkladen.“ So und dann haben wir uns durchgesetzt, dann haben die das gelassen. Dann haben die sich natürlich dementsprechend auch verhalten, nämlich kacke. Nicht alle, aber ein paar. Und dann gab es eine Situation, da baute dann, das war, glaube ich, der gleiche Abend, da baute dann von einer Metalband, eine Metalfrau, ihren Merch in unserer kleinen Merch-Ecke auf.

Was ja erst mal okay ist. (lacht)
MEYER77: Was erst mal okay ist. Und dann hing sie die Preise auf. Und dann war ich natürlich not amused.

War zu billig oder? (lachen von allen)
MEYER77: Du Arsch, du weißt ganz genau, was jetzt kommt. Und das sind so Sachen, die gehen nicht. Da ist die Metalszene anders.
THORSTEN: Die haben verlangt wie die Großen oder was?
MEYER77: Die wollten 15 Euro für ein T-Shirt haben.
THORSTEN: Das geht ja fast noch.
MEYER77: Ja, aber trotzdem, das geht nicht. Im AK nicht über zehn, eigentlich war das mal unsere Prämisse.
THORSTEN: Ja, aber macht ja heutzutage auch keiner mehr.
MEYER77: Ja, leider.
THORSTEN: Davon müssen die Bands ja leben.
MEYER77: Trotzdem, ich liebe es ja auch, das muss man auch ganz ehrlich sagen: die Leute, die mich kennen, die wissen, ich bin kein Arsch. Aber da bin ich dann ein Arsch, weil ich das dann gerne mache. Weil das hat nichts mit Subkultur zu tun. Wenn die da reinkommen, sich benehmen wie die Rockstars und dann noch T-Shirts und Sweater so bepreisen, ich glaube, der Sweater sollte tatsächlich über 40 Euro kosten. Das können sie bei Metallica kaufen; obwohl, da kostet der 150 Euro. Aber so ist deren Szene teilweise. Also die alte Metalszene mag ich, die neue mag ich nicht mehr so. Aber da muss man sagen, das waren aber auch nur Ausnahmen. Aber wenn es so war, dass die sich dann so benommen haben, dann waren es leider die Metaler. Aber nicht die Fans, sondern die Bands selber.
THORSTEN: Im Großen und Ganzen kann man sagen, das wir eigentlich eine relativ geringe Arschlochquote an Musikern haben.
MEYER77: Wie gesagt, nochmal: wer ein Arschloch ist, kommt hier auch nicht her. Die wissen ganz genau, wie wir drauf sind. Und ich glaube auch, dass das auch wichtig ist, zu zeigen. Trotzdem oder deswegen lieben die Leute uns ja auch, weil wir so ehrlich sind. Und wenn eine Band mich fragt: „Waren wir scheiße?“. Dann sage ich: „Ja, ihr wart scheiße.“ Dann sagt Thorsten: „Du kannst denen doch nicht sagen, dass die scheiße waren.“ Ich sage: „Die haben mich doch gerade gefragt.“ Die waren mit ihrer vierten Band hier und der hat mich gefragt und dann habe ich gesagt: „Ihr wart kacke.“ Und ich glaube einfach, dass Bands, die Bock haben, hier zu spielen, die den Laden kennen, aber auch wissen, wie wir drauf sind, dass wir da konsequent sind und dass wir auch keine Starallüren wollen, dass solche dann erst recht nicht kommen.
THORSTEN: Starallüren werden einfach mit Hohngelächter bedacht.
MEYER77: Ja, mit Hohngelächter oder aber auch mit Rauswurf, wie wir bei Claus Grabke gesehen haben.

Braucht ihr manchmal Security bei bestimmten Gigs? Also, keine Ahnung, Stress mit Nazis oder wenn so eine bekannte Band spielt?
THORSTEN: Nein, also, wir sind eigentlich selber Security genug.
MEYER77: Ja, aber wir haben trotzdem ab und zu… wir haben leider Stress mit unseren Chaoten und unseren Idioten, aber es gibt ja auch welche auf der Straße, die wir scheiße finden.

Weil ihr habt ja keine Security. Und ich könnte mir manchmal vorstellen, dass es doch vernünftiger wäre, eine zu haben.
MEYER77: Ganz selten bei unseren Konzerten war das so. Der Herr Spielmann von Beer & Music Entertainment, der hat früher mal Security genommen. Aber der hat auch kack Konzerte gemacht, wo die Leute hier mit komischen Liedern über die Straße gerannt sind. Ja, aber das ist lange her. Aber bei unseren Leuten eigentlich nicht. Außer unsere eigenen „Patienten“, so nennen wir sie, die halt auf Bier durchdrehen.

Aber das könnt ihr unter euch regeln?
MEYER77: Ja.
THORSTEN: Ja, ich meine, unser Sascha ist ja auch jetzt kein Kind von Traurigkeit. In den letzten Jahren habe ich den immer noch in der Hinterhand, weil du weißt immer genau: der ist auch, sagen wir mal, befähigt, Leuten nonverbale Kommunikation beizubringen. Habe ich auch schon gemacht. Eigentlich immer nur – und das ist eigentlich so die einzige Sache – also, wenn die Leute sich draußen nicht benehmen können, das heißt wortwörtlich gesprochen, wenn die unbedingt an die Häuserwände pissen müssen.

So was zum Beispiel. Wenn das halt mehr als 30 Leute machen, dann bist du ja schon eigentlich überfordert.
THORSTEN: Ja, da gibt es immer eine geile Methode, die Leute jetzt, nicht allzu brutal, darauf hinzuweisen, dass ihr Verhalten fehl am Platz ist.

Wie machst du das?
THORSTEN: Ganz einfach, indem du siehst, wenn die irgendwohin pissen, gehst du einfach nur von hinten ran und trittst denen ganz leicht in den Arsch. Nicht so, dass es wehtut, aber so, dass die sich anschiffen.
MEYER77: Oder du sagst was ganz ehrliches, was sie sofort kapieren.
THORSTEN: Ich scheiß denen ja auch nicht ins Wohnzimmer.
MEYER77: Genau. Mit einer richtig bösen Stimme sagen: „Soll ich morgen Mittag mal kommen und dir auf den Essenstisch scheißen neben deiner Mutter? Wenn du wieder der normale Ziehsohn bist und kein Punker, weil du jetzt gerade besoffen bist?“.

Was hat es mit diesem „This is Flingern“-Fest auf sich?
MEYER77: Das kam von mir, von Thorsten und Luki.
THORSTEN: Und Gnaata. Entstanden ist das halt daraus, als damals…

Das ist die zweite Festivalreihe, die es seit einigen Jahren gibt?
MEYER77: Seit 23 Jahren mittlerweile. Es ging halt im Prinzip darum, da gab es in Flingern damals noch den Texas Rose-Plattenladen.

Flingern, alter Stadtteil von Düsseldorf.
THORSTEN: Hier um die Ecke.
MEYER77: Alter Arbeiterstadtteil.
THORSTEN: Inzwischen gentrifiziert bis zum geht nicht mehr. Zumindest der neue Stadtteil. Naja, jedenfalls, der Ralf mit seinem Plattenladen war dann auch nachher nur noch am krebsen und hat mir halt gesagt…

Ach, den Laden gibt es noch?
THORSTEN: Den gibt es schon ewig nicht mehr.
MEYER77: Ralf ist seit drei Jahren tot.
THORSTEN: Wir hatten dann damals halt gesagt, „Wir machen jetzt ein Festival, um dem nen bisschen Kröten reinzuholen“. Da haben wir auch extra noch eine Tombola gemacht, um noch Kröten reinzuholen. Und dann sind wir eigentlich von null auf hundert in die Vollen gegangen. Ein Tag Festival, Bullshit. Machen wir zwei Tage Festival. Können wir ja. Wir haben es vorher nie groß ausprobiert, aber wir hatten im Prinzip die Infrastruktur hier. Okay, damals mussten wir uns die Anlage noch ausleihen, weil wir keine eigene hatten, oder beziehungsweise die Leute, die damals aktiv waren, die nicht hatten.
MEYER77: Wir waren auch sehr überfordert am Anfang.
THORSTEN: Ja, aber es hat funktioniert.
MEYER77: Es hat so funktioniert, dass die letzte Band morgens um sechs gespielt hat.
THORSTEN: Nein, das war beim zweiten Festival. Das erste Festival ging noch einigermaßen.
MEYER77: Das erste ging noch. Das zweite, das war total fatal. Danach wurden wir besser. Ich sage immer: ich liebe „perfekt-unperfekt“. Das heißt, wir wollen keine Professionalität, aber ein bisschen muss es schon sein. Und danach wurde es auch besser.
THORSTEN: Aber beim zweiten Mal haben wir es gut schleifen lassen.
MEYER77: Am Anfang war das ja noch so, die ersten zehn Jahre bei „This is Flingern, not LA“ war es ja so, dass ich das eigentlich alles alleine gemacht habe. Ich habe die ersten zehn Jahre echt alles alleine gemacht. Im Sinne von der Vorbereitung, nicht, was dann an den Tagen passiert ist. Sondern ich habe alle Bands selber gemacht, die T-Shirts gemacht, die habe ich ja damals auch mit entworfen.
THORSTEN: Dixieklos bestellt…
MEYER77: Ich war der erste, der die T-Shirts 2004 eingeführt hat, ich habe mich um die Bands, die Backline und das Essen gekümmert, ich habe die ganzen Crews zusammengestellt. Das habe ich ja ganz lange alleine gemacht. Und das haben immer viele Leute vergessen. Viele Leute haben immer vergessen, dass das ein Riesenaufwand ist. Und andersherum muss man noch sagen dazu, das vergessen die Leute auch immer: es ist ein kleiner Raum mit einem kleinen Vorraum mit einem kleinen Platz. Das 23 Jahre lang zu machen, dieses Festival auf die Beine zu stellen, mit einem Schnitt zwischen 300 und 600 Leuten immer, das muss man auch mal betonen, in so einem kleinen Kosmos, das so zu machen: das ist auch schon Hardcore, was wir da machen.

Ganz kurz für die Auswärtigen, letztendlich dann auch für mich, weil ich aus Leverkusen komme: Flingern ist aber nicht der Stadtteil, wo das AK ist oder?
THORSTEN: Doch.
MEYER77: Flingern-Süd.

Krass, ich dachte immer irgendwie Bilk?
THORSTEN: Flingern-Süd. Sagen wir mal ganz einfach: wenn du jetzt hier die Straße runtergehst, also, wenn du hier auf die Kiefern- bzw. Fichtestraße rausgehst, dann bist du in Oberbilk, asozialster Stadtteil der Welt. Ich bin als Teenie-Punker mal von einem Opa von einer Freundin beschimpft worden; das Mädel war die erste von uns, die ihre eigene Wohnung hatte. Haben wir im Winter halt bei ihr einen gehoben und unten haben Opa und Oma gewohnt. Und irgendwann kam der Opa hoch, sieht uns da sitzen und beschimpft uns original als „Kinderschänder, Terroristen und Oberbilker“.

Moment, Oberbilker stimmt doch. (lacht)
THORSTEN: Bei mir inzwischen stimmt Oberbilker ja. Ich bin zwar in Flingern geboren, ich wohne jetzt in Oberbilk, aber das war halt der Spruch, dass man als „Oberbilker, Kinderschänder und Terrorist“ in einem beschimpft wird.
MEYER77: Also, ich finde das gerade auch ein bisschen komisch, lieber Jan, das muss man jetzt auch betonen. Derjenige, der Campino abfeiert wie Teufel, dass du noch nicht mal das dann weißt!

Hast recht.
MEYER77: Man muss auch sagen, auch die Stadt selber macht die Unterschiede. Das habe ich jetzt in den letzten Jahren erst lernen müssen. Es gibt tatsächlich auch vom Aufbau her Flingern-Nord und Flingern-Süd.

Das wusste ich zum Beispiel auch überhaupt nicht.
THORSTEN: Und Flingern-Nord ist halt jetzt da oben vollkommen gentrifiziert.
MEYER77: Ja, also die Birkenstraße. Ich weiß noch, ich bin 1990 da lang gelaufen und da waren nur die Asis da und es gab noch unsere alte Punkkneipe hinten.
THORSTEN: Oder der Hermannplatz, da, wo der Gnaata früher gewohnt hat.
MEYER77: Da wollte keiner hin. Das war wie in Altona früher.
THORSTEN: Den ganzen Tag hast du heute da wirklich so was wie in Berlin-Friedrichshain, „den Kinderwagen-Kiez“, so was.

Ihr habt jetzt genau die Hälfte des Interviews geschafft, den Teil II lest ihr im nächsten Heft mit den folgenden Themen: Grauzone, Sexismus, Punkrock 24/7, Hamburg, Die Toten Hosen, Zosher-Fanzine, Anti-Facebook-Seiten, The Clash, alte und junge Punks, Auftritte von Paris Rubaix bzw. Brader Muzuki, fünf Lieblings-Düsseldorfer-Punk-Bands von MEYER77 und Thorsten und die besten Songs von Slime bzw. AC/DC.

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