Dezember 31st, 2022

Kira Roessler (#212, 2022)

Posted in interview by Thorsten

„Was auch immer du machst, mach es richtig und bis zum Ende. Fühle deine Gefühle und drücke sie aus. Finde einen Weg, deine Einzigartigkeit auszudrücken.“

Als ich die Anfrage bekam Kira Roessler zu interviewen, konnte ich natürlich nicht Nein sagen. Denn schließlich ist Kira eine lebende Legende. Für die meisten Leute, dürfte sie bekannt sein, als die Bassistin von BLACK FLAG, zu ihrer eher experimentellen Endphase, um die Studioalben „In My Head“ und „Loose Nut“, sowie der Live-LP „Who’s Got The ’10?“ und dem Tape „Live ’84“. Und ich denke das BLACK FLAG zu jener kreativen Phase mit Kira genau die richtige Bassistin hatten, weil sie sich eben selbst als einen musikalischen Freigeist bzw. als eine Nononkonformistin bezeichnet, um Punk oder Hardcore nicht nur unter dem Banner, von „schneller, härter, lauter“ wahrzunehmen und sich damit ein Szeneghetto zu erschaffen, das vielerorts und von vielen Leuten, bis heute praktiziert und gefordert wird. Das Kira dem Interview zu Folge, von manch einer dieser Kleingeister und aus dem Grund, dass sie eine Frau ist, verantwortlich für diese musikalische Veränderung gemacht wurde, ist nicht nur von dummen Vorurteilen geprägt, sondern es entspricht nicht mal der Wahrheit, weil Kira nicht maßgeblich am Songwriting von BLACK FLAG beteiligt war.

Zugegeben finde ich einige Songs, aus dieser Spätphase selbst für zu gitarrenorientiert oder langatmig, was vermutlich auf Greg Ginn’s massiven THC- Konsum zurückzuführen ist. Anderseits bin ich von dieser Inspiration selbst nicht abgeneigt und ich vermisse bei vielen Bands, auch eine weltoffene oder dem eigenen Geschmack entspringende Weiterentwicklung. Es stellt sich natürlich auch die Frage: Wären BLACK FLAG denn wirklich besser gewesen, wenn sie ihr bahnbrechendes Debütalbum „Damaged“, ständig wiederholt und Neu aufgenommen hätten?

Fast noch interessanter empfand ich Kiras Zusammenarbeit mit Mike Watt, die auch von 1987 bis 1994 verheiratet waren. Vor, während und nach dieser Zeit, erging aus den beiden, das Doppel-Bass-Duo DOS hervor und zum anderen steuerte Kira ihre Songtexte für Mike Watt’s Bands MINUTEMEN und fIREHOSE bei. DOS veröffentlichten zwischen 1986 – 2011, zwar nur drei Alben und ein paar Singles und EPs, doch Kira war auch ansonsten ständig aktiv. Leider konnten viele ihrer, weiteren Bandprojekte, wie WAXX, The VISITORS, The MONSTERS oder SEXSICK keine Beachtung finden, weil es davon schlichtweg keine Aufnahmen gibt. Ein „Schicksal“ das ich als kleiner, regionaler Szene- und Musikaktivist bestens kenne und es erscheint mir als sympathisch, wenn auch größere Szenegestalten, das gleiche „Problem“ teilen. Du machst halt mit verschiedenen Leuten Musik und es fühlt sich auch meist gut an, doch aus irgendeinem Grund, ist schon wieder der Schlussstrich besiegelt und du schaust dich nach neuen Bandprojekten um. Was anderes bleibt dir auch gar nicht übrig, wenn dir die Ideen nicht ausgehen.

Nun hat KIRA, über Kitten Robot Records, ihr erstes „Soloalbum“ veröffentlicht, das auch die musikalische Handschrift von DOS trägt, aber einen noch breiteren, ausgereifteren, musikalischen Horizont verfolgt, incl. Geigen und die Stimmung erscheint insgesamt auch etwas düsterer auszufallen. Jedenfalls lässt sich KIRA damit nach wie vor nicht in eine Schublade einordnen, oder in ein enges, klischeebedingtes Punkkorsett pressen. Der daraus hervorstechende Minimalismus, scheint mir gut zu dem aktuellen Zeitgeist zu passen, wo nicht allzu viel geboten ist, aber in den Ecken und Nischen, dennoch so einiges interessantes oder fruchtbares hervortreten kann, so lange man sich eben einen musikalischen Freigeist bewahrt hat. Mir gefällt ihr Solowerk ziemlich gut. In dem Interview geht es nicht nur über ihre aktuelle, musikalische Aktivität, sondern auch um den frühen L.A. Punk, Black Flag, der zunehmenden Gewaltbereitschaft der HC-Szene in den 80ern, über SST Records, der prägenden Zusammenarbeit mit Mike Watt und ihrer Arbeit als Dialog-Editoren in Hollywood.

Hallo Kira, ich hoffe es geht dir gut? Wenn es dir nichts ausmacht, werde ich das Interview mit dir chronologisch beginnen. Ich habe bereits mit Alice Bag und D.J. Bonebrake (X), über die frühe L.A.-Punkszene gesprochen. Sie schrieben mir beide, das in L.A. zu jener Zeit, sehr viel geboten war und eine Aufbruchstimmung herrschte. Wie würdest du die frühe L.A.-Punkszene und das Lebensgefühl von damals umschreiben?

Ich würde es so beschreiben: Die meisten Punks fielen in eine von zwei Gruppen: Ältere Punks, die ihre Verantwortungen als Erwachsene nicht wahrnehmen wollten und über die Musik ihre Wut und Freude kanalisieren konnten und sich so anzogen, dass sie den damaligen Normen widersprachen. Und auf der anderen Seite, gab es jüngere Punks, von denen einige gesellschaftliche Ausreißer waren, die aber nicht immer mit dem klargekommen sind, was sie in der Szene vorgefunden haben. Ich war jünger als viele der damaligen Punks und ein sehr trauriger Teenager. Ich versuchte zu funktionieren und zur Schule zu gehen, ohne zu Hause eine Struktur oder Geld zu haben. Obwohl es eine sehr kreative Zeit war, in der die Leute neue Ausdrucksformen ausprobierten, gab es auch einige dunkle Schattenseiten.

Dein Bruder Paul Roessler spielte bei den legendären SCREAMERS. Welche Erinnerungen hast du an die Band und ihre Auftritte? Und wurdest du von deinem Bruder ermutigt, selbst in Bands zu spielen?

In unserer ersten Punkband spielte er Schlagzeug. Er hatte einen guten Freund, der damals Gitarre spielte und mit dem ich in den letzten 40 Jahren immer wieder zusammengearbeitet habe. Wir dachten, dass das Keyboard keinen Platz im Punk hat, bis wir THE SCREAMERS entdeckten. Da wusste ich, dass Paul in der Band sein musste. Sie haben mich vom ersten Moment an umgehauen und gezeigt, dass das Keyboard sehr wohl seinen Platz im Punk hat. Als Paul dazukam, besuchte ich jeden Auftritt, zu dem ich gehen konnte. Ich bin sogar mal als Roadie mit ihnen nach New York gefahren, nur um mit ihnen abzuhängen. Ich liebte sie über alles, ihr Sänger Tomata du Plenty war so ausdrucksstark. Ihre Lieder bewegten mich, sie waren teilweise düster, aber manchmal auch sehr lustig.

Die frühe L.A.-Punkszene hatte ja einige Bands, bei denen Frauen sangen oder mitwirkten, wie z.B. The BAGS, ALLEY CATS, X, The BRAT… In der darauffolgenden Hardcoreszene hatte ich als Außenstehender den Eindruck, als wäre der Anteil an aktiven Frauen geringer geworden. Ist meine Einschätzung richtig? Und wie erklärst du dir diesen geschlechtlich, einseitigen Wandel in der HC-Szene?

Naja, das geschah langsam aber stetig. Ich glaube, es gab eine Art Missverständnis darüber, was Punk wirklich ist, als mehr Menschen aus den Vororten von Los Angeles involviert waren. Sie sahen uns beim pogen vor der Bühne und wie wir aufeinander losgingen und dachten, dass unser Ziel Gewalt sei. Sie haben unseren Ausdruck der Wut als Aufforderung zur Gewalt verstanden, dabei sollte das nur unseren inneren Schmerz ausdrücken. Diese rohe Gewalt war für Frauen und Mädchen wohl wenig attraktiv. Ich besuchte auch nicht gewisse Konzerte, weil ich wusste, dass es zu gewalttätig sein würde, um die Bands wirklich zu sehen.

Inspiriert von der Mee Too-Debatte, gibt es in Europa derzeit auch eine Punk Too-Debatte. Wo es darum geht, dass zu wenig Frauen in der Punkszene aktiv sind, dass Bands mit weiblicher Beteiligung zu wenig gebucht oder gefördert werden und das die Macho-Attitüde in der Punk und Hardcoreszene ähnlich weit verbreitet ist, wie in der normalen Bevölkerung. Findet diese Diskussion derzeit auch in den Staaten statt? Was denkst du über das Thema? Und wie würdest du Frauen dazu motivieren, sich selbst aktiver ins Geschehen einzubringen?

Nein, ich habe noch nichts davon gehört oder mitbekommen, dass diese spezifischen Bedenken geäußert worden wären. Amerikanische Frauen sind ziemlich sensibel für die Frauenfeindlichkeit, die ihnen in allen Bereichen begegnet und es ist davon auszugehen, dass sie sich dagegen wehren. Aber ich habe es in der Filmbranche mitbekommen. Ich habe immer noch das Gefühl, dass Frauen sich musikalisch Gehör verschaffen, auch wenn sie sich nicht speziell zur „Hardcore“-Szene hingezogen fühlen. Ich bin mir nicht sicher, ob „Hardcore“ dafür sehr gut geeignet ist.

Bei einigen deiner Bands wie WAXX, The VISITORS, The MONSTERS oder SEXSICK, kann ich keine Tonträger finden. Gibt es von jenen Bands Platten, Kassetten oder diverse Aufnahmen? Und wo kann ich diese finden? Und wie würdest du musikalisch jene Bands umschreiben?

Dies waren alles sehr kleine Bands aus Los Angeles, die nie eine Platte aufgenommen haben. The Monsters haben nicht einmal live gespielt. Aber Glenn, der Gitarrist, der auch auf meiner neuen Platte mitspielt, war der Gitarrist von WAXX, The Visitors und The Monsters. Ich habe eine Aufnahme von einer Sexsick-Show und einige Proberaumaufnahmen. Die Szene in Los Angeles war damals ziemlich klein, und viele dieser Bands hatten zu der Zeit keine Platten veröffentlicht. Die Band meines Bruders Twisted Roots nahmen eine Single auf, bei der ich Bass spielte.

Kommen wir zu BLACK FLAG, wie kam der Kontakt mit der Band zu Stande?

Wie gesagt, die Szene in LA war nicht so groß. Ich habe BLACK FLAG in all ihren Besetzungen gesehen, und sie haben auch einige meiner Bands gesehen. Wir kannten uns. Henry hat mich eines Tages einfach angerufen und gesagt, dass Chuck nicht mehr in der Band sei, und ich mit Greg und Bill jammen soll.

Mit welchen Sätzen würdest du die Zeit mit BLACK FLAG umschreiben? Und an welche Momente erinnerst du dich besonders gerne oder ungerne zurück?

Bei BLACK FLAG zu sein, war wie ein Sporttraining. Meiner Meinung nach ist Bass ein schweres Instrument und ich war am Anfang nicht stark genug, um so viel und so hart zu spielen, wie ich sollte. Also musste ich mich daran erstmal gewöhnen und an Stärke zulegen. Ich war zu der Zeit nicht sonderlich kreativ. Also habe ich mich darauf konzentriert, so zu spielen, wie ich dachte dass es von mir erwartet wird. Das war manchmal sehr schwierig. Auf Tour haben wir wenig geschlafen und viel gespielt. Zu Hause habe ich jeden Tag stundenlang das Bassspiel geübt, wenn wir nicht gerade am Aufnehmen waren. Ich erinnere mich gerne an die Zeit mit Black Flag zurück und ich kann mich noch gut daran erinnern, wie sie mich nach der Tour vor der UCLA abgesetzt haben und die Mädchen mich mit Entsetzen ansahen. Ich war sehr glücklich darüber, durch Europa zu touren und den Kontinent zu sehen, was ich alleine nie geschafft hätte.

Ihr wart mit BLACK FLAG ständig auf Tour und habt eine Platte nach der anderen aufgenommen. Gab es explizit Konzerte, die dir besonders stark in Erinnerung geblieben sind? Und inwieweit hat das ewige Touren, an euren Kräften und Nerven gezerrt?

Nun meine Stärke wurde während meiner Zeit bei Black Flag immer wieder auf die Probe gestellt. Meine Erinnerungen an diese Zeit sind verschwommen und bruchstückhaft. Ich erinnere mich, als wir im Dezember in Winnipeg gespielt haben und unser ganzes Equipment eingefroren war und wie komisch sich mein Bass anfühlte. Dann gab es noch ein Konzert in England, wo sie Klappstühle nach uns warfen. Ich erinnere mich auch an die Kopfsteingepflasterten Straßen von Birmingham in Alabama, wo die Tickets nur drei Dollar kosteten, was der günstigste Eintrittspreis ist, den wir glaub ich jemals hatten. Einmal haben wir an einem Abend zwei Konzerte gespielt. In New York haben wir zu früh gespielt und in New Haven (Connecticut) zu spät. Am nächsten Nachmittag haben wir dann noch in Boston gespielt. Drei Konzerte in 24 Stunden.

Im Laufe der Achtziger Jahre, nahm die Gewaltbereitschaft auf Hardcorekonzerten immer mehr zu. Wie erklärst du dir diese zunehmende Gewaltbereitschaft? Und gab es auch Konzerte die ihr abgebrochen habt, weil es zu heftig zur Sache ging?

Ich glaube das lag teilweise an den neuen Leuten, die Punk entdeckten und dachten, das sei alles worum es geht. Sie haben die Wut in der Musik gehört und dachten, wir waren auf Gewalt aus. Ich glaube auch, dass wenn mehr und mehr Menschen zusammenkommen, es wahrscheinlicher wird, dass die Gewalt einfach eskaliert. Es mag ein paar Mal vorgekommen sein, dass Henry die Show für eine kurze Zeit unterbrochen hat, um zu versuchen, ein paar Dinge zu klären… Aber ich hatte eigentlich ziemliches Glück, denn die meisten Leute waren einfach nur interessiert daran, die Band zu hören.

Neben der Gewalt ist auch der Sexismus, oft nicht weit entfernt. Gab es diverse Konzerte oder Momente während deiner Laufbahn bei BLACK FLAG, wo du sexistischen Machosprüchen oder körperlichen Übergriffen ausgesetzt warst? Und wie bist du oder wie seid ihr als Band damit umgegangen?

Meine Erfahrung mit Sexismus ist, dass er oftmals non-verbal und subtil ist. Die Leute haben mich beschuldigt, wenn die Band eine neue Richtung eingeschlagen hat, die sie nicht mochten. Ich war ein einfaches Opfer, da ich eine Frau bin. Ich habe weder die Lieder geschrieben noch die Entscheidungen darüber getroffen, aber ich war neu und weiblich und war daher schuld, dass die Band „scheiße war“. Ein anderes Beispiel ist, dass immer gesagt wird, ich sei ein guter weiblicher Bassist. Niemand sagt, ich sei eine gute Bassistin. Meistens wurde ich aber nicht direkt mit Sexismus konfrontiert.

Du hast dich musikalisch gerne unkonformistisch verhalten, bei BLACK FLAG habt ihr auch abseits des schnellen Hardcore, langsamere und innovative Riffs gespielt. Bei TWISTED ROOTS habt ihr einen Art Prä-Technopunk gespielt, bei DOS hast du mit zwei Bassgitarren, auch etwas einzigartiges erschaffen und dein aktuelles Album, scheint auf ganz eigensinnige Weise, in der Songwritermusik verortet zu sein. Wie wichtig ist dir diese musikalische Freiheit?

Ich war mein ganzes Leben unangepasst. Aber um es klarzustellen, bei BLACK FLAG, hat Greg Ginn die Musik geschrieben und vorgegeben, nicht ich. Ich habe das gespielt, was mir in den vorgegebenen Songstrukturen am besten und sinnvollsten erschien. Bei TWISTED ROOTS war mein Bruder Paul der Songschreiber und auch dort habe ich versucht, herauszufinden wie mein Bass am besten auf die Musik passt. Bei DOS haben sowohl Mike und ich Lieder geschrieben, und es gab Raum um meinen eigenen verschrobenen Stil auszudrücken. Meine eigenen Lieder sind gänzlich von meiner non-konformistischen Einstellung und Sensibilität geprägt.

Wie reagierte die doch teils sehr engstirnige Punk und Hardcoreszene auf dein musikalisches Schaffen? Gab es in deiner Zeit während und nach Black Flag, viel Kritik oder Unverständnis von der alten Fanbase?

Ich glaube es ist nur menschlich, dass wir glauben zu wissen, wie sich jemand verhalten soll. Daher ja, die Menschen dachten, dass BLACK FLAG immer so klingen sollten, wie auf ihrem Debüt „Damaged“. Die meisten Leute, vor denen DOS spielten waren sehr nett, aber manchmal haben die Leute uns einfach mit ihren Gesprächen übertönt. Aber selbst das ist kein Zeichen von Engstirnigkeit. Vielleicht wollten sie einfach nur Spaß haben und nicht still sein und zuhören. Aber nonkonformistisch zu sein bedeutet, dass es einem egal sein kann, wie die Leute reagieren – also drücke ich in meiner eigenen Musik das aus, was mir auf dem Herzen liegt und sehe, was passiert.

Du hast behauptet: „Mit Mike Watt in DOS zu spielen, hat meine Sensibilität für das Bassspiel mehr geprägt als alles andere, was ich je gemacht habe“. Ich denke besonders im Punkbereich, nimmt die Bassgitarre eine elementare Rolle ein. Welchen Stellenwert besitzt für dich die Bassgitarre?

Ich war schon sehr lange in den Bass verliebt. Dennoch denke ich, dass es nicht wichtig ist, ob der Bass eine Hauptrolle hat oder nicht. Ich bewundere Bassist*innen, die genau das spielen, was das Beste für die Musik der Band ist. Schau dir nur Paul McCartney oder Dusty Hill (ZZ TOP) an. Es muss nicht ausgefallen sein, um sehr effektiv die Musik zu unterstützen. Aber bei DOS und in meiner Musik nimmt der Bass eine wichtige Rolle ein, da ich durch und durch Bassistin bin.

Machst du noch mit Mike Watt Musik? Arbeitet ihr an neuen Songs für DOS?

Mike und ich sind beide extrem beschäftigt. Es ist manchmal schon schwierig, genügend Zeit für meine eigene Musik zu finden. Aber DOS hat sich nicht aufgelöst. Ich habe zwei Jahre nicht mehr live gespielt, aber schreibe andauernd neue Lieder für zwei Bässe. Also schreibe ich sozusagen auch andauernd Lieder für DOS. Einige Songs davon habe ich meinem anderen Basspartner Devin Hoff geschickt, mit dem ich eine Band namens AWKWARD habe. Er spielt Kontrabass und elektrischen Bass und er ist unglaublich gut.

Ich liebe fIREHOSE noch mehr als MINUTEMEN. Einige Songs von fIREHOSE stammen von dir und Mike Watt, wie z.B. auf dem Debüt „Under the Influence of Meat Puppets“, „It Matters“, „Relatin dudes to Jazz“, „Things could turn around“ und mein Lieblingssong der Platte „Locked-In“, wo es im Schlusspart, ab Minute 2:17, zu einem der besten und intensivsten Bass und Gitarrenläufe übergeht, die ich jemals gehört habe. Und auch auf der der dritten Platte „fROMOHIO“, stammt der großartige Song „Understanding“ von dir und Watt. Wie kann man sich die Zusammenarbeit zwischen euch vorstellen? Habt ihr zusammen die Songs ausgearbeitet und Watt brachte sie dann bei fIREHOSE ein?

Mike hat mich ursprünglich während der ersten Woche von BLACK FLAG’s langer Tour im Jahre 1985 gebeten, einige Texte für ihn zu schreiben. THE MINUTEMEN waren in dieser Woche unsere Vorband und einige dieser Texte, fanden schließlich den Weg, auf das MINUTEMEN Album „Three Way Tie For Last“. Ich habe dann für Mike weitere Texte geschrieben als er bei fIREHOSE war. Er hat auch einige frühe DOS Lieder übernommen und sie mit fIREHOSE neu interpretiert, auch wenn es instrumentale DOS Lieder waren. Also war ich bei den meisten erwähnten Songs nicht musikalisch involviert.

Im TRUST-Fanzine, haben wir auch mal eine circa 40-seitige Spezial-Ausgabe über SST-Records veröffentlicht. Was zeichnete für dich SST Records aus und was sind deine fünf Lieblingsplatten auf SST Records?

SST hatte damals eine erstaunliche Anzahl von Bands. BLACK FLAG, MEAT PUPPETS, MINUTEMEN, HÜSKER DÜ, SONIC YOUTH. Das waren echt gute Bands. Aber was das Label SST auch auszeichnete, war das es von einem Künstler und nicht von einem Geschäftsmann geführt wurde, und sich daher nicht gut selbst erhalten konnte. Die Frage nach den Lieblingsplatten, ist eine schwierige Frage, definitiv „Meat Puppets II“, „Double Nickles on a Dime“ von MINUTEMEN. Dann noch „Evol“ von SONIC YOUTH und „Live ’84“ und „Nervous Breakdown“ von Black Flag, denke ich.

Was ist eigentlich aus SST Records geworden? Erscheinen dort überhaupt noch neue Releases?

Ich weiß es wirklich nicht.

Nun veröffentlichst du unter den Namen KIRA ein neues Album? Was gibt es über die Platte wissenswertes zu erzählen? Wer ist außer dir daran beteiligt? Wie lange war der Entstehungsprozess der Platte?

Da es mein erstes Soloalbum ist, schien mir „Kira“ ein guter und passender Titel zu sein. Ich arbeite immer in meinem Zimmer an den Songs, und diese Songs schienen gut zusammenzupassen. Meine wunderbaren Freunde haben in wunderschöner Weise dazu beigetragen. Glenn Brown, den ich schon sehr lange kenne und der extrem talentiert ist, spielte Gitarre, Dave Bach, der einen Weg findet die Musik so vorsichtig zu begleiten, war am Schlagzeug, Petra Haden, eine wunderbare Sängerin und Violinisten, und natürlich mein Bruder Paul, der wichtige musikalische Teile hinzufügt und dabei hilft, die Songs zu vollenden. Die Lieder sind irgendwie chronologisch angeordnet, der erste wurde vor 13 Jahren geschrieben, der letzte dieses Jahr vollendet.

Mir gefällt dein Soloalbum sehr gut. Auch wenn es musikalisch, nicht als ein Punkrockalbum anzusehen ist, so holst du doch im Geiste des Punk, aus deinem Bassspiel alles heraus und hinterlässt von deinem gesanglichen Ausdruck, ein Gefühl der Unangepasstheit und Unzufriedenheit. Eigentlich würde die Platte perfekt auf SST Records passen. Welche Emotionen oder musikalischen Songideen, willst du auf deiner Solloplatte transportieren bzw. an den Hörer bringen?

Ich glaube, das Album ist sehr Punk. Ich habe immer daran geglaubt, dass es bei Punk darum geht, non-konformistisch zu sein und keinen Regeln zu folgen. Das Album erzählt eine Geschichte über Liebe und Verlust. Ich hoffe, diese universalen Emotionen teilen zu können. Beim Punk geht es oft um Wut, aber wir versuchen immer noch zu erreichen, dass die Höhrer*innen etwas fühlen.

Gibt es auf der aktuellen Platte von dir ein Kernthema? Welche Inhalte thematisierst du auf dem Album?

Verbindung und Verlust von Verbindung.

Auf dem Coverartwork befindet sich ein Pudel in einem Bilderrahmen. Wie kamst du auf die Coveridee?

Das Bild zeigt einen Hund den ich mal hatte. Es gab nie einen Zweifel daran, dass er auf dem Cover sein musste. Auf der Rückseite der CD ist der Rahmen leer. Und ich bin dort auf dem Boden mit meinem Bass. Das blaue Farbthema bleibt erhalten.

Inwieweit hat sich in den USA, die Situation für Liveauftritte verbessert? Könnt ihr wieder Konzerte spielen? Und besteht auch die Möglichkeit dass du mal nach Europa kommst, um uns deine neuen Songs vorzustellen?

Ich denke, dass Konzerte langsam wieder stattfinden. Aber ich glaube nicht, dass ich auf Tour gehen werde. Aber ich fände es toll Wege zu finden, meine Musik den Leuten nahe zu bringen.

Du arbeitest als Dialog-Editorin in der Filmindustrie und warst Teil des Tonteams für Filme wie Mad Max: Fury Road, Joker, A Star is Born und der zweiten Game of Thrones Staffel. Du wurdest sogar mit zwei Emmys ausgezeichnet. Wie kam es zu der Connection, mit der Filmindustrie?

Es war wirklich ein glücklicher Zufall. Mein Bruder hat mich jemandem vorgestellt, der den Ton für einen Studentenfilm ausarbeitete, für den er auch die Musik komponierte. Ich spielte dort Bass. Als ich merkte, wie sehr die Arbeit als Sound Editorin meinen Fähigkeiten entsprach, erschien es mir der perfekte Beruf zu sein. Ich habe in angefleht, mich einzustellen und es mir beizubringen. So wurde ich Sound Editorin.

Ich stelle mir die Arbeit, sehr interessant vor. Was ist dort genau deine Tätigkeit? Was ist unter einer Dialog-Editorin zu verstehen?

Der Sound der am Set aufgenommen wurde, wird in Stücke zerteilt um verschiedene Szenen zu erschaffen, in denen der Texte aufgenommen wurden. Wenn es zu mir kommt, gibt es einige inhärente Probleme: Die Hintergrundgeräusche passen nicht, es gibt Störgeräusche, Wörter sind abgeschnitten oder weggelassen, etc.. Es gibt auch total unbrauchbare Aufnahmen, beispielsweise wenn ein Motorengeräusch hörbar ist und der Film in einer Zeit spielt, als es noch keine Motoren gab. Meine Aufgabe ist es, möglichst alle Probleme zu lösen. Wo es gar nicht geht, müssen neue Aufnahmen gemacht werden. Wir fügen auch Hintergrundgespräche für die Statisten hinzu, die hinter den Hauptdarstellern auftreten.

Noch ein abschließendes Wort oder Lebensmotto?

Was auch immer du machst, mach es richtig und bis zum Ende. Fühle deine Gefühle und drücke sie aus. Finde einen Weg, deine Einzigartigkeit auszudrücken.

Interview: Bela

Übersetzung: Marco Bechtinger

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