Januar 1st, 2024

Zahn (#215/August/September 2022)

Posted in interview by Jan

Zahn Interview

Die Berliner Band Zahn besteht aus Mitgliedern von Einstürzende Neubauten (Felix), Eisenvater (Nic) und Heads (Nic & Chris). Auf dem nach der Band benannten Debütalbum, verbindet das Instrumental-Trio Kraut- mit Noise- und Alternative-Rock sowie Post-Punk. Musik mit viel Freude zum Experimentieren die es schafft, gänzlich ohne Gesang für jede Menge Kurzweile zu sorgen. Wenn man sich Zeit nimmt, wächst das Album und zeigt interessante Perspektiven auf. Weil ich persönlich die anderen Bands der Mitglieder von Zahn schätze und die vermeintliche Anti-Schubladen-Haltung der Band ansprechend finde, wollte ich den Musikern mal auf den Zahn fühlen. Was die Jungs zu Saugrobotern, Linsensuppe und Michael Jackson zu sagen haben, könnt ihr im folgenden Interview lesen. Die Fragen hat Felix, der Teil der aktuellen Live-Band der Einstürzenden Neubauten ist, beantwortet.

Wer ist denn Teil der Band und wer hat welche Funktion?
Chris Breuer spielt Bass, Synthesizer und Lapsteel und ist der kreative Impulsgeber bei Zahn. Nic Stockmann spielt Schlagzeug und ich (Felix Gebhard) spiele Gitarre. Alle drei sind wir über das Kreative hinaus zu unterschiedlichen wechselnden Teilen in die strukturelle Organisation rund um die Band beteiligt.

Magst du ein bisschen was zur Entstehung der Band erzählen? Ist die Band parallel zu Heads entstanden?
Wir drei haben uns im Dezember 2019 auf einem gemeinsamen Konzert in Leipzig kennengelernt und da klar war, dass Heads im kommenden Halbjahr pausieren würden und Nic und Chris dieses halbe Jahr nicht untätig verbringen wollten, luden sie mich zum Musikmachen in ihren Friedrichshainer Proberaum ein. Kurz darauf brach eine Pandemie aus und wir hatten in Folge viel Zeit, Musik zu machen, aufzunehmen und in Form unseres ersten Albums herauszubringen.

Wenn man euer Album-Cover betrachtet und sich in eure Musik reinhört, könnte man meinen, dass ihr nicht versucht in irgendeiner Szene Punkte zu sammeln oder euch in eine Schublade packen zu lassen. Stimmt das?
Das stimmt. Das schöne an Zahn ist, dass generell erstmal alles erlaubt ist. Wir hören sehr viel unterschiedliche Musik, die mehr oder weniger ihre Spuren in der hinterlässt, die wir selbst machen. Sich ein Genre zu greifen, welches man dann versucht, sich stilgenau zu eigen zu machen, sowas ist doch am Ende des Tages recht langweilig. Einer bestimmten Szene fühle ich mich persönlich seit Ende der Neunziger Jahre generell nicht mehr zugehörig. Damals funktionierte das über lokale Verbindungen, nicht so sehr über stilistische, aber aus solchen Gefügen bin ich lange raus. Was ich manchmal sehr schade finde.

Darf man euch in Zukunft im Vorprogramm der Einstürzenden Neubauten erleben und mit welchen Bands würdet ihr gerne touren?
Einstürzende Neubauten haben in der Regel kein Vorprogramm, deswegen nein. Schön an Zahn ist, dass unsere Musik theoretisch mit sehr vielen anderen Formen von, sagen wir mal, Rockmusik zusammenpasst, deswegen sind wir generell offen für alles. Über Konzerte hinaus sehe ich für Zahn in viele Richtungen Möglichkeiten. Mal eine Theatermusik zu schreiben, zum Beispiel, können wir uns gut vorstellen.

Was macht ihr außerhalb der Band? Gibt es Hobbys oder Berufe? Seid ihr Mitglied in einem Verein?
Wir haben alle drei Jobs. Chris zum Beispiel bringt auf seinem Label Crazysane Records regelmäßig Platten heraus. Obwohl mir Vereine generell suspekt sind, denke ich gerade darüber nach, nach fast dreißig Jahren mal wieder rudern zu gehen. Das müsste ich in Berlin wohl oder übel mit einer Vereinsmitgliedschaft verbinden.

Kocht ihr gerne selber? Was sind eure Lieblingsgerichte?
Chris möchte hier Linsensuppe aufgeführt wissen. Ich würde Penne alla Norcina sagen, ein norditalienisches Landarbeitergericht mit Wurstbrät und Linsen, welches ich gerne zubereite.

Besitzt ihr einen Saugrobotor oder eine Alexa?
Weder noch.

Wie steht ihr zu der Aussage, „man sollte das Kunstwerk vom Künstler trennen können“?
Ich vermute, deine Frage zielt darauf ab, wie man sich gegenüber problematischen Künstler*innen und ihrem Werk verhält. Ich habe neulich Thriller von Michael Jackson aufgelegt und mein zehnjähriger Sohn kam nach dem ersten halben Song ins Zimmer geschossen und forderte, dass ich die Platte ausmache – Michael Jackson dürfe man nicht hören, das wisse doch wohl jeder, dass der Kinder missbraucht habe. Ich musste darüber nachdenken, was ich ihm entgegne und habe die Platte erstmal ausgemacht. Ich glaube, es ist gut, solche Dinge nicht unreflektiert stehen zu lassen und Haltungen und Handlungen von Künstler*innen auch abseits ihres Œuvres zu betrachten. Von daher finde ich nicht, dass man „das Kunstwerk vom Künstler trennen“ kann.

Warum macht ihr überhaupt Musik, was ist euer Antrieb und wie lange wollt ihr das machen?
Hier kann ich nur für mich persönlich sprechen. Musik ist eine Ausdrucksform, die sich mir vor Jahren eröffnet hat, der ich mich im Laufe der Zeit auf unterschiedlichste Art gewidmet habe und die mir immer noch großen Spaß und kreative Befriedigung verschafft. Auch wenn es Phasen gibt, in denen ich mal weniger Musik mache, sehe ich nicht, warum ich jemals damit aufhören sollte oder könnte.

Lieber touren oder Musik im Studio aufnehmen?
Das sind für mich zwei völlig unterschiedliche Schritte im Schaffensprozess, die beide ihre jeweiligen attraktiven Elemente haben. Letztendlich ist es aber natürlich der aufregendere Moment, das, was über einen längeren Zeitraum entwickelt und im Studio aufgenommen wurde, einem Publikum zu präsentieren und dessen Reaktion darauf zu erfahren.

Warum sollten Leute wie ich, Bands wie euch überhaupt interviewen? Warum machen wir das gerade hier?
Das Trust und ähnliche Publikationen, von denen es heutzutage ja gar nicht mehr so viele gibt, waren für mich schon immer wichtige Alternativen zur Mainstream-Musikpresse, und Quellen, aus denen ich etwas über Bands – zu denen ich Zahn hiermit mal zählen möchte – herausfinden konnte, die in eben jener Musikpresse nicht unbedingt präsentiert wurden. Das Internet hat es natürlich einfacher gemacht, sich über die unterschiedlichsten globalen Subkulturen informiert zu halten, trotzdem finde ich es als beharrlicher Konsument analoger Medien nach wie vor wichtig, dass es Hefte gibt, aus denen diese Informationen zu beziehen sind.

Was sind eure musikalischen Einflüsse?
Zu viele, um sie anhand von Interpreten aufzuzählen. Wir hören Jazz, Metal, Hip-Hop, Hardcore, Punk, Ambient, Folk, Klassik, diverse Spielarten elektrisch verstärkter Rockmusik und vieles anderes. Alles findet auf mehr oder weniger offensichtliche Weise Einfluss.

Was steht bei euch in naher Zukunft an?
Im Sommer und Herbst spielen wir Konzerte. Den kommenden Winter über werden wir unser zweites Album ausarbeiten und aufnehmen.

Interview: Bastian Kröckel

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