Januar 1st, 2024

Againsters (#215/August/September 2022)

Posted in interview by Jan

„Ich glaube dass das Tanzen in einer Menschenmenge unglaublich therapeutisch sein kann, und ich denke, das können wir alle nach dem COVID Lockdown nachvollziehen. Wir waren alle so hungrig nach Musikshows, Tanzen und menschlicher Berührung! Ich mochte schon immer das Zitat von John Taylor, der sagte, Duran Duran machten “music to dance to when the bomb drops”.

Schon beim ersten Mal als ich die spanischen AGAINSTERS hörte, machte es Klick bei mir und ich war sofort begeistert von ihrem melodischen, schnellen Punkrock, incl. dem kraftvollen Gesang von Macky. Punkrock der schnell ins Ohr geht und zum tanzen und mitsingen anregt. Die AGAINSTERS sind als eine Art Supergroup der spanischen Punk und Hardcoreszene anzusehen, denn die einzelnen Bandmitglieder spielten zuvor bei MOSTROS, ZOMBIE PUJOL und den SUBTERANNEAN KIDS. Allesamt Bands die ich euch wärmstens empfehlen kann. Die AGAINSTERS veröffentlichten bisher die „The Breakfast“-EP und das großartige Album „Sweet Sweet Weekend“.  Das Interview führte ich mit ihrer Sängerin Macky und es geht über die Bandgründung, ihre musikalischen Einflüsse, über Feminismus, Essen und der kläglichen Corona-Konzertabstinenz. Macky spricht dabei wohl den meisten von euch aus der Seele.

Wie kam es zur Gründung der AGAINSTERS?
Angefangen hat alles seltsamerweise durch einen Thread bei Facebook. Jemand postete ein Bild von meiner alten Band MOSTROS und ein guter Freund kommentierte, dass er mich eines Tages wieder gerne auf der Bühne sehen möchte. (Zu jener Zeit hatte ich schon seit ein paar Jahren nicht mehr in Bands gespielt). Also antwortete Beni das er Lust hätte und bot an, Gitarre zu spielen, lud Jordi und Bolo (Bass und Schlagzeug) ein und das war’s! Ich war zu der Zeit als Tourmanager für Bands unterwegs und nach einem langen Tag auf der Straße im Mai 2019 schaute ich zufällig auf mein Handy und da war es: ein Haufen Kommentare und ich hatte plötzlich eine neue Band. Sobald ich wieder zu Hause war, verabredeten wir noch in der gleichen Woche unsere erste Probe.

Mit den AGAINSTERS scheint ihr wiederrum eine ganz eigene Suppe zu kochen. Denn ihr hört euch jetzt nicht an wie eine Mischung aus den Subterranean Kids und Zombi Pujol. Vielmehr spielt ihr melodischen, arschtrettenden Punkrock, der sich vor internationalen Größen nicht zu verstecken braucht. Wie kam es zu der Entscheidung auf Englisch zu singen? Und von welchen Bands seht ihr euch beeinflusst?
Ich denke wir hatten nicht vor nach etwas Bestimmtem zu klingen. Wir haben einfach das gemacht, was wir am besten können, nämlich schnellen Punk-Rock´n Roll (mit Betonung auf „schnell“ und „Roll“). Wir begannen unsere erste Probe, wie so oft, mit einer Reihe von Coverstücken unserer Lieblingsbands, wie Misfits, Swinging Neckbreakers, Circle Jerks, Stiff Little Fingers… nur zum Aufwärmen. Und bald darauf fing Beni an mit großartigen Riffs aufzuwarten, die zu unseren ersten Songs wurden, welche wir dann für unsere „The Breakfast EP“ aufnahmen. Ich habe immer auf Englisch gesungen… Außer bei meinen Spoken-Word-Projekten, die hauptsächlich auf Spanisch sind. Ich denke Englisch ist ideal, weil es eine so prägnante Sprache ist, vor allem wenn man schnell spielt.

Du kannst mit wenigen Silben und Worten viel ausdrücken und das ist beim Songwriting sehr nützlich. Und natürlich ist es die Sprache, in der alle großen RnR-Songs gesungen wurden, eben all die alten Sachen die ich in meinen prägenden Jahren gehört habe. Meine Einflüsse kommen von überall her, von Chuck Berry und den Stones bis zu Bauhaus und The Cure, von Danzig über DOA und Duran Duran bis zu den Dead Kennedys. Ich liebe auch die Einstürzenden Neubauten.

Dein Gesang ist sehr beeindruckend, in welchen Bands warst du zuvor zuvor tätig?
Danke! Ich war ein Spätzünder und hatte erst mit Mitte zwanzig meine erste eigene Band, obwohl ich von Freunden umgeben war, die in der HC/Punk-Szene von Buenos Aires Bands hatten. Ich komme ursprünglich aus Argentinien. Meine erste Band war MOSTROS. Wir haben 1999 in Buenos Aires angefangen, sind dann zusammen nach Mallorca gereist und dort geblieben und haben 13 Jahre lang zusammen gespielt. Wir waren ziemlich aktiv in der Palma-Szene, haben 4 LPs und einige Singles aufgenommen und sind viel durch Spanien getourt, hatten aber nur eine kurze Europatournee gemacht. Danach habe ich mit WEED BUG gespielt, als ich nach Galicien gezogen bin, wir haben auch eine EP aufgenommen. Im Moment spiele ich auch noch bei den TREMORS Bass spiele und teile den Gesang mit dem Gitarristen. Wir haben eine 5-Track-EP auf Bandcamp und planen sie irgendwann zu veröffentlichen.

In Deutschland gibt es seit ein paar Jahren eine Diskussion darüber, dass zu wenige Frauen aktiv in der Punkszene beteiligt sind und sie oftmals so behandelt werden, als wären sie nur die Freundin, von irgendeinem Typen. Oder das bei manchen Shows vorwiegend nur Männer beteiligt sind und diese auch oft nicht vor platten, sexistischen Macho-Attitüden halt machen. Welche Erfahrungen habt ihr diesbezüglich gemacht?
Ein Teil von dem was du schreibst ist wahr. Aber es gibt gar nicht so wenige Frauen. Es spiegelt nur die Quote wider, die man auch in jeder anderen Gesellschaftsschicht sieht: Es gibt mehr Männer in interessanten Positionen, Schlüsselrollen und guten Jobs, weil andere Männer sie dorthin gebracht haben. Das ist die Grundlage des Patriarchats: Männer als Inhaber von Entscheidungsbefugnissen. Aber es ist interessant wie wir an die Diskussion herangehen und wir können es an der Art und Weise erkennen, wie du es formuliert hast: Wenn du darauf bestehst, eine Frau als Freundin eines Mannes und/oder als Muse eines Mannes zu behandeln, anstatt als eigenständige Person mit eigenen Interessen, dann kritisiere sie nicht im selben Satz dafür, dass sie „zu wenig“ oder „nicht aktiv genug“ in irgendeiner Szene oder irgendeinem Umfeld ist. Wenn manche Punks in Deutschland Mädchen wie die Freundin eines Kerls behandeln und weiblichen Künstlern nicht genug Raum geben, dann ist es vielleicht sinnvoll, dass die Mädchen ihren Spaß woanders suchen als in der Punkszene.

Ich würde sagen, dass dies eine Zeit lang definitiv zutraf, vor allem in der HC-Szene mit all den Macho-Attitüden und dieser lächerlich gewalttätigen Art, „den Pit“ zu beherrschen. Heute würde ich sagen, dass das der Vergangenheit angehört: Es gibt viele, viele, viele wunderbare weibliche Künstlerinnen und Bands in der Punk- und HC-Szene, überall, auf der ganzen Welt, und eine wachsende Zahl von Mädchen im Pit, die sich umeinander kümmern und andere Mädchen vor dem einen oder anderen gewalttätigen Typen in Sicherheit bringen.

Natürlich bekommen Mädchen nicht die gleiche Sichtbarkeit wie die Jungs und das liegt auch daran, dass es eine Mischung aus mangelnder Neugier, indem Konzertveranstalter und die Musikindustrie stets auf die gleichen alten Männerbands setzen und es eine etwas herablassende Sichtweise gibt, von wegen: „Oh, es ist eine Mädchenband“, als ob das eine eher amateurhafte Sache wäre. Hier in Spanien gibt es manchmal zwei Seiten der Medaille: Einerseits gibt es riesige Festivals mit ausschließlich männlichen Bands, oder die weiblichen Künstlerinnen bekommen explizit Aufmerksamkeit wegen ihres Aussehens, als ob es eine Art Freakshow wäre. Die Leute wundern sich immer noch, wenn sie ein Mädchen Schlagzeug spielen sehen. Aber Hallo, ist das wirklich so ungewöhnlich, nach so vielen Jahren??

Natürlich habe ich als Frontfrau fast 25 Jahre lang, alle möglichen seltsamen Erfahrungen gemacht… von bösen sexistischen Bemerkungen über Belästigungen bis hin zu, nun ja, allen möglichen verrückten Dingen. Aber das ist leider auch ein Teil des Lebens als Frau in dieser Welt. Wir haben noch so viel Arbeit vor uns, was die Aufklärung des Publikums und der Öffentlichkeit über Feminismus angeht und vor allem darüber, was grundliegenden Respekt ausmacht und was es heißt, ein anständiger Mensch zu sein. Und ich möchte auch sagen, dass ich mir als weiße Cis-Frau meines Privilegs ziemlich bewusst bin: Glaubt mir, meine Freunde die queer oder trans sind, haben es viel schlimmer und diese Art von Vorurteilen ist ein Kampf, den sie jeden einzelnen Tag ihres Lebens führen.

Es gibt wunderbare feministische Punk-Kollektive in Katalonien, dem Baskenland, Galizien und anderen Orten des spanischen Staates, und sie leisten großartige Arbeit mit Gigs, Workshops, Hausbesetzungen, Kunstprojekten und machen den allgegenwärtigen Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt und Belästigung sichtbar, sogar in einem Punk-Kontext, in dem man meinen sollte, dass es Vorstellungen von Gleichheit und grundlegendem Respekt gibt, obwohl das leider nicht immer der Fall ist.

Bei dem Albumtitel „Sweet Sweet Weekend“ dachte ich erstmal oberflächlich gesehen, an eine Partyband. Wie wichtig ist euch die Party und das Feiern? Gibt es einen Themenschwerpunkt auf dem Album?
Oh, wir sind alt genug, um schon ein bisschen Party zu machen und zu feiern, hahaha. Wir sind jetzt ziemlich zahm. Der Titel entstand aus einem privaten Scherz, bei dem es buchstäblich um eine verrückte Menge Eiscreme und Süßigkeiten ging, also nicht die Art von Party, an die du gerade denkst (obwohl ich bei den Texten kreativ werde). Wir scheinen in der Band eine kleine Besessenheit zum Essen zu haben. Vielleicht liegt es daran das wir alle mit unseren früheren Bands ausgiebig getourt haben und man kommt irgendwann an einen Punkt, an dem das Touren eher zu einer gastronomischen Erfahrung wird, als zu einer musikalischen.

Es ist immer toll sich mit Freunden zu treffen, die in den verschiedenen Städten die man besucht verstreut sind und mit ihnen zu Mittag oder zu Abend zu essen, bevor die Show des Abends stattfindet. Dieser schöne gemeinsame Moment, wenn man sich mit Freunden trifft und gemeinsam isst, ist es wert besungen zu werden. Vielleicht ist das eine kulturelle Sache. Unsere erste Single heißt „The Breakfast EP“, weil wir hier in Katalonien etwas haben, das sich „esmorzar de forquilla“ nennt, was so viel wie „Gabelfrühstück“ bedeutet, bei dem man einen riesigen Teller mit etwas Herzhaftem bekommt, das man mit einer Gabel essen muss (und nicht wie üblich mit Toast).

Und wir treffen uns immer gerne zum großen Frühstück, besonders vor einer Probe oder einer Aufnahmesession. Es ist also nicht verwunderlich, dass wir ziemlich viele Songs übers Essen haben! Ich schreibe die Texte, also trage ich hier die Hauptschuld. Ich würde sagen der Schwerpunkt der Texte auf diesem Albums, liegt auf Sex, Flirten und Essen. Es ist was es ist. Ich spreche manchmal gerne über emotionale Verantwortung, Kontrollprobleme und Machtkämpfe in Beziehungen und das merkt man auch in einigen Songs, obwohl andere einfach nur endorphinstimulierende Punkrocksongs sind. Ich glaube dass das Tanzen in einer Menschenmenge unglaublich therapeutisch sein kann, und ich denke, das können wir alle nach dem COVID Lockdown nachvollziehen. Wir waren alle so hungrig nach Musikshows und Tanzen und menschlicher Berührung! Ich mochte schon immer das Zitat von John Taylor, der sagte, Duran Duran machten “music to dance to when the bomb drops”.

Spanien war zeitweilig stark vom Corona betroffen. Ich hoffe ihr seid davon weitgehend verschont geblieben? Wie habt ihr diese Zeit wahrgenommen?
Wir sind alle irgendwann mal hingefallen. In unserem Fall war es besonders schlimm, weil wir unsere erste Single in den Druck gegeben haben und kurz darauf die erste Sperrung angekündigt wurde. Wir konnten also nicht einmal die Platten von der Versandfirma abholen, als sie dort angekommen sind. Es gab also keine Auftritte, Tourneen oder so und das war ziemlich frustrierend. Natürlich war es für fast jede andere Band da draußen auf die eine oder andere Weise das Gleiche.

Und weil ich als Tourmanagerin arbeite, weiß ich dass viele Kollegen ihren Job verloren haben. Die Tournee- und Musikszene war sehr geschädigt, sie überlebte mit beschissenen Jobs und wenig bis gar keiner Hilfe von der Verwaltung, aber ich bin sicher, das weißt du schon. Also spielten wir in den ersten zwei Jahren unseres Bestehens als Band im Grunde nur eine Show. Ja, das war ätzend.

Habt ihr vor, in der nächsten Zeit eine Europatournee zu spielen?
Oh ja, aber wahrscheinlich nicht vor 2023. Wir werden euch Bescheid geben, wenn wir in eurer Gegend auftauchen!

(Bela)

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