März 22nd, 2024

Wir sind nicht alle – Der Globale Süden und die Ignoranz des Westens, Johannes Plagemann & Henrik Maihack

Posted in bücher by Dolf

C.H. Beck, Wilhelmstraße 9, 80801 München, www.beck.de

„Der Westen ist nicht mehr der Nabel der Welt.“ steht hinten auf dem Buch. Genau betrachtet war der Westen noch nie der Nabel der Welt, hat das aber in den letzten Jahrzehnten immer gedacht. Mittlerweile hat er begriffen das es nicht so ist, wie gedacht und das liegt daran das einiges zu Ende geht. Das meiste davon zurecht, die Kolonien wurden aufgelöst und der Westen wird mehr und mehr dazu gezwungen mit Ländern des globalen Südens auf Augenhöhe zu agieren. Aber kommen wir zum Buch, die Autoren sind Politikwissenschaftler und haben beide viele Jahre im globalen Süden gelebt und gearbeitet. Das Buch gliedert sich in vier Kapitel neben einer Einleitung und eines Schlusskapitels.

In der Einleitung wird erst mal erklärt was genau der globale Süden ist, warum 2022 keine Zeitenwende für den globalen Süden ist und ein Ausblick auf den Inhalt des Buches. Im ersten Kapitel wird aufgezeigt warum man im globalen Süden ein anderes Geschichtsverständnis hat, natürlich liegt das oftmals an der kolonialen Vergangenheit und dessen langem Atem, sowie der jahrzehntelangen Fremdherrschaft. Daraus ergab sich eine bipolare Welt, die aber jetzt zu einer multipolaren wird. Damit haben „wir“ hier natürlich ein Problem, weil die Dinge nicht so bleiben wie gewohnt. Bisher konnte der Westen relativ unproblematisch mit seiner Doppelmoral durchkommen – nämlich von anderen Staaten Dinge zu verlangen die er selbst nicht erfüllte (Besetzung des Iraks durch die USA vs. Besetzung der Ukraine durch Russland). Jetzt wird er immer öfter daran erinnert nicht mit zweierlei Maß zu messen. Das zweite Kapitel beschäftigt sich damit das sich kleinere Staaten alternativen zum Westen suchen oder sich diese zumindest zunutze machen – Freie Partnerwahl. Oder eben keine Entscheidung treffen, was ja wiederum auch eine Entscheidung ist. Denn auch das ist wichtig, das die Entscheidungen eigene sind (auch wenn sie vielleicht nicht richtig sind….) und einem nicht vom Westen aufgedrängt werden – paternalistisch, sagen die Fachleute. Im dritten Kapitel „Falsche Lösungen“ zeigen die Autoren auf warum man im globalen Süden den Westen für viele Krisen verantwortlich macht. Nun, das liegt zum einen daran das er für viele Krisen verantwortlich ist – nicht nur die Klima-Krise. Auch in der Corona-Krise hat er sich nicht sehr solidarisch verhalten, die Schulden-Krise wird auch nicht ausgelassen. Es wird erklärt warum einerseits vom Westen angeprangert wird das in anderen Ländern Korruption herrscht – welche aufzuhören hat, gleichzeitig der Westen aber mit diesen zusammenarbeitet, wenn es ihm in den Kram passt. Im letzten Kapitel „Regeln statt Bestimmer“ wird aufgezeigt wie internationale Organisationen auf den Wandel der Weltpolitik reagieren beziehungsweise warum die großen Organisationen immer weniger funktionieren. Leider bedeutet dies auch, dass die Demokratisierung der internationalen Politik auch Autokraten einschließen muss. Im Schlusskapitel schreiben die Autoren was ihrer Meinung nach in Zukunft geschehen sollte „Multipolarität mit Regeln: Wo Demokratisierung gelingen kann“ und die multipolare Welt von heute verlangt viel, es ist „Kompliziert, aufwendig und oft erfolglos.“ Wer sich nicht für wirtschaftliche Zusammenhänge und Geopolitik sowie politische Geschichte interessiert, ist allein schon bei dieser Rezension hier längst ausgestiegen. Obwohl das Buch wirklich verständlich geschrieben ist, ist es sehr, sehr umfangreich, weil es eben auch die Geschichte mit einbezieht und auf sehr viele Facetten detailliert eingeht und Zusammenhänge ausführt. Für Teile der Linken wird hier nicht viel neues verlangt, denn „uns“ ging es ja schon lange darum mit dem ausbeuten des globalen Südens aufzuhören und die Menschen und Regierungen dort auf Augenhöhe zu begegnen. Nun ist das auch in der Mainstream Politik angekommen, zumindest theoretisch – mal sehen wie es mit der Umsetzung vorangeht. Ansonsten handelt es sich natürlich nicht bei allem was der Westen macht um böses nachkoloniales Verhalten, gleichzeitig sind die Menschen und Regierungen im globalen Süden nicht immer im Recht, mit ihrem Verhalten. Beziehungsweise ist absehbar das auch hier viele falsche Entscheidungen dazu führen werden, das sie eben von „neuen“ Partnern über den Tisch gezogen werden – aber zum Glück gibt es auch sehr positive Entwicklungen. Es würde den Rahmen der Rezension sprengen auf alles hier einzugehen, wenn dein Interesse geweckt wurde, ich fand das lesen des Buches spannend und man bekommt nochmal viele Hintergründe. Und das Autorenduo empfiehlt auch doch bitte Literatur von Autoren aus dem globalen Süden zu lesen, ist also so reflektiert zu erkennen das es auch leicht in den falschen Hals geraten kann wenn man von zwei weißen Männern aus dem Westen erklärt bekommt was und warum sich die Dinge im globalen Süden ändern. Das spricht für sie und das Buch. Abschließend noch ein Zitat des indischen Außenministers Subrahmanyam Jaishankar: „Europa muss aus dem Denkmuster herauswachsen, dass Europas Probleme die Probleme der Welt sind, aber die Probleme der Welt nicht die Probleme Europas.“ 243 Seiten, Paperback, 18,00 Euro, (dolf)

Isbn 978-3406807251

[Trust # 224 Februar 2024]

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