Oktober 4th, 2022

Willkommenskultur in rechtspopulistischen Zeiten – Nur wer Wutbürger versteht, kann deren Einfluss begrenzen, Jürg Kollbrunner

Posted in bücher by Dolf

Hirnkost KG, Lahnstraße 25, 12355 Berlin, www.hirnkost.de

Das Buch ist bereits 2020 erschienen, aber es ist auch jetzt noch aktuell, dies nur am Rande. Der Schweizer Autor ist systemischer Psychotherapeut, Psyochosomatiker und Psychoonkologe. Somit bekommen wir hier einen aus dieser Richtung unterstützen Blick auf die Situation: Zum einen ein krankes System, zum anderen ein psychologisches Grundmuster des Rechtspopulismus. Im ersten Kapitel beschäftigt sich der Autor mit 18 verschiedenen Problembereichen, diese werden zuerst mit einfach plakativen Worten, wie es im Alltag durchaus realistisch sein könnte, dargestellt.

Dann geht der Autor auf alles nochmal detailliert ein, rückt ins korrekte Licht, relativiert und untermauert das alles mit Zahlen, Fakten und Quellenangaben, er nennt das Sachinformationen. Für Menschen die sich sowieso kritisch und bewusst mit den Problembereichen beschäftigen, steht hier wenig neues, aber prima zusammengefasst. Unter anderem: Geflüchtete, Multikulti, Globalisierung, Umwelt, Fake News, Gleichberechtigung, Justiz, Banken, Energiekrise, Politiker, EU, Populismus, Demokratie, Hunger, Menschenrechte, Krieg. Nach dem lesen der ersten siebzig Seiten ist die Laune dann schon mal im Keller, weil man alles nochmal schön sachlich um die Ohren gehauen bekommt. Aber leider ist das die Realität. Das dritte und vierte Kapitel ist am spannendsten zuerst geht es um „Warum gelingt es Politiker*innen kaum, wichtige Probleme der Welt wirkungsvoll anzupacken ?“ Das liegt unter anderem daran das psychisch gestörte Wirtschafts- und Politikereliten akzeptiert werden und die Macht von narzisstisch gestörter Eliten stabilisiert wird. Und auch daran, glaubt man dem Autor, das es keine Scham mehr gibt. „Psychologie als Grundlage politischen Handelns“ das wäre schön, aber immerhin gibt es hier eine Erklärung wie es funktionieren könnte, beziehungsweise warum es eben nicht funktioniert. Weil einiges an fehlgeleitetem Verhalten eben zum einen vererbt wird, zum anderen bereits im Kindesalter durch unterschiedliche Bindungserfahrungen prägt und davon als Erwachsener wieder loszukommen ist schwieriger als die meisten meinen. Außerdem hat natürlich auch jeder Mensch seine individuellen Bedürfnisse, die befriedigt werden wollen. Und auch hier wird festgestellt, das sehr viel unbewusst geschieht und Menschen natürlich völlig unterschiedlich sind was Einfühlungsvermögen und andere emotionalen Bereiche betrifft. Gehorsam, Sozialisation, Hass, Stereotype um noch ein paar andere Schlagwörter zu nennen. Danach hat man – oder zumindest ich – gehörig die Schnauze voll, mit negativen Infos was aber positiv gewertet werden muss. Somit scheinen die vielen, oftmals gut dargestellten, manchmal nur gutgemeinten, Handlungstipps im Kapitel fünf, „Was können wir tun?“ eher überflüssig – auch wenn sie es natürlich nicht sind. Und auch die Ausführungen zum Thema Covid 19 haben mich nicht wirklich weitergebracht. Den Anhang, wie man Fake News erkennt (Quellen, Autor, Fakten überprüfen), hätte man sich auch sparen können, finde ich. Obwohl auch hier nichts verkehrtes drinsteht, wahrscheinlich liegt es an mir, ich kann halt die ewigen Wiederholungen nicht mehr lesen, wohl wissend, das man es nicht oft genug wiederholen kann und muss! Somit bleibt ein gut zusammengefasster erster Teil, ein aus psychologischer Sicht sehr interessanter zweiter Teil und der Rest. Aber das Buch lohnt sich schon wegen diesen Teilen, zumindest für die, welche solche Art von Bücher noch nicht im Dutzend gelesen haben. 224 Seiten, gebunden, 25,00 Euro (dolf)

Isbn 978-3948675318

[Trust # 215 August 2022]

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