Dezember 31st, 2024

Überyou (#219, 2023)

Posted in interview by Jan

Interview Überyou

Es ist Montagmittag, gefühlt noch früh morgens, denn es ist der Montag des 2.1.2023. Noch etwas zerknittert vom Silvesterkater, aber gut gelaunt startet sodann das Interview mit Ian (Gesang) und Vico (Bass/Gesang) von der Züricher Band Überyou. Gründe um gut gelaunt zu sein gibt es schließlich auch reichlich, steht der Termin ihres neuen Albums Silver Lining doch kurz bevor. Vor allem die erste Single des Albums „Road to Philly“ verspricht schon, was auch immer wieder im Interview zum Vorschein kommt: Überyou sind eine Band, die unfassbar bock hat auf das, was sie da tun, das merkt man nicht nur anhand der konkreten Aussagen, sondern auch in der ganzen positiven Art, die sie ausstrahlen und auch zwischen den Zeilen durchscheinen lassen.
Sie haben bock mit ihrer Band neue Freundschaften zu schließen, alte Freundschaften zu pflegen und sich immer wieder neuen Herausforderungen zu stellen. Und das trotz aller Widrigkeiten, die für eine Band, die so gut wie alles selbst macht, zwangsläufig auftreten.

Hallo ihr beiden, schön dass es geklappt hat! Ihr veröffentlicht ein neues Album, bzw. habt es zu zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Interviews bereits veröffentlicht. Es hört auf den Namen „Silver Lining“ und ich habe natürlich mal versucht, so herein zu interpretieren, was es mit dem Namen und auch dem dazugehörigen Cover auf sich hat. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass es zu der Zeit noch sehr schwierig war Konzerte zu spielen, geschweige denn zu touren. Aus meiner Sicht steckt da viel Fernweh und gleichzeitig auch Hoffnung drin. Gerade ihr seid ja auch eine Band, die super viel unterwegs ist. Trifft das so zu? Und was ist da noch thematisch mit eingeflossen?
Vico: Das trifft sicher teilweise zu, lustig dass du den Fernweh-Punkt ansprichst, das war bei uns vielleicht gar nicht mal so bewusst der Fall, aber jetzt wo du es sagst, war das vielleicht unbewusst tatsächlich auch mit ein Ding. Ja grundsätzlich ist textlich das meiste vom Album tatsächlich während dieser Stillstandsphase entstanden. Wo man in dieser bedrückenden Zeit war und sich danach sehnte, dass es wieder losgeht. Andererseits sprechen die Texte auch viele politische und gesellschaftlich schwierige Themen an oder Themen, die halt derzeit Schwierigkeiten darstellen. Aber irgendwie wollen wir ja doch, dass immer ein bisschen Hoffnung mitschwingt.

Wir wollen ja nicht nur was schlechtes anprangern, sondern irgendwie auch versuchen, den Leuten ein bisschen Hoffnung mitzugeben und auch uns selbst. Auch den Mut nicht zu verlieren, selbst wenn Dinge scheiße sind. Weil, wenn man nicht dran glaubt, dass man daran etwas bewegen oder verändern kann, dann hat man ja aufgegeben. Andererseits war war der Albumentstehungsprozess auch von gewissen Tiefs begleitet. Persönlichen oder bandinternen, wenn es quasi darum ging, ob wir das noch hinkriegen oder gerade kreative oder mentale Blockaden hatten. Und irgendwann sahen wir dann doch, dass sich ein Ende nähert und auch in dieser Hinsicht war dann irgendwann der silberne Streifen für uns selbst und das Album sichtbar. Deswegen spricht der Titel eigentlich solche verschiedenen Ebenen an für uns.
Ian: Dazu muss ich noch sagen: Das ist ja so, dass wir seit Anfang der Band immer, oder 99% der Zeit selbst aufgenommen haben.

Was cool ist, aber gleichzeitig genau manchmal ziemlich schwer ist, weil man sich Zeit nimmt. Das Privatleben kommt dazwischen, plötzlich hat man keine Ideen, man lässt was fallen, man sagt das hat Zeit, dann gehen doch fünf Monate vorbei und man hat eigentlich nicht den Druck von einem Studio, dass wir das in fünf Tagen durchballern müssen. Was natürlich auch zu dem, was Vico gesagt hat, beigeführt hat. Und das Cover finde ich persönlich, lassen wir gerne offen für Interpretationen. Es ist auch so, dass eine gute Freundin von uns seit Jahren das Artwork macht und wir lassen ihr immer sehr große kreative Freiheit und lustigerweise ist dann dieses Cover entstanden, was ziemlich gut mit dem Album passt. Aber es war manchmal auch ein bisschen unbewusst und am Schluss scheint alles ziemlich bewusst zu sein, was es nicht immer war oder ist (lacht).

Ihr habt ja auch bei der Ankündigung zum Album schon von einer Berg- und Talfahrt geschrieben. Habt ihr denn sonst was die Abläufe betrifft im Vergleich zu früheren Veröffentlichungen viel verändert?
Vico: Ich meine, dadurch dass wir es ja immer selbst machen und uns in dem Sinne auch keine wirklichen Deadlines geben, hatten wir immer schon Zeit, Dinge auszuprobieren. Aber dieses Mal hat es sich auch anders angefühlt, weil man halt nicht wusste, wann es überhaupt wieder möglich sein wird, Konzerte zu spielen. Deswegen war noch ein bisschen weniger Druck da im Sinne von: Wenn es heute nicht fertig wird, wenn es morgen nicht fertig wird…wir wissen ja eh nicht, ob es Sinn macht, wenn es bis Ende des Jahres fertig wird. Weil es ja keinen Sinn macht etwas zu veröffentlichen, wenn man nicht damit spielen kann. Insofern haben wir uns damit vielleicht noch ein bisschen mehr Zeit gelassen, um Dinge auszuprobieren oder auch wieder zu verwerfen oder neu zu versuchen.

Ja, ansonsten war die Herangehensweise denke ich eigentlich dieselbe wie bei uns immer. Also tatsächlich stehen bei uns die wenigsten Songs komplett, wenn wir mit dem Recording anfangen, sondern vieles entsteht dann eigentlich beim Aufnehmen und das ist dadurch auch möglich, weil wir das bei uns im Bandraum machen und uns dann auch die Zeit nehmen können, eine Nacht zum Beispiel an einem Song was auszuprobieren oder so. Sei das dann mit den Gitarren oder mit den Melodien in Texten. Es ist eigentlich so ein work-in-progress Ding.

Ian: Ja und es ist schon immer wieder erstaunlich wie lange der ganze Prozess geht. Weil ein paar Lieder wahrscheinlich schon seit zweieinhalb Jahren stehen, was ja unglaublich lang erscheint. Und dann hat man endlich das ganze Album und dann ist es so: Ah, okay, und jetzt kommt dann der ganze Pressprozess. Das ist wieder noch ein ganzes Jahr. Wann haben wir das Album in Auftrag gegeben?

Vico: Ende Februar. Also es waren so neun Monate fürs Pressen. Wir haben uns dann gedacht, wir setzen den Release lieber auf das neue Jahr, damit dann das Vinyl sicher auch hier ist bis dann. Jetzt steht es halt zwei Monate noch im Keller, aber besser so als andersrum.

Kommt man da während der ganzen Zeit auch nochmal in Versuchung, an den Songs im Nachhinein zu arbeiten, wenn man vielleicht nach einem halben Jahr sagt: Ey, für den Song hier, da würde nochmal dieses oder jenes reinpassen?
Vico: Also irgendwann muss man es ja mastern und dann in Produktion geben. Dann ist halt auch der Moment, wo man nichts mehr dran ändern kann. Außer vielleicht dann fürs live spielen, aber der Produktionsprozess, der dauert seine Zeit und klar gibt es Dinge, bei denen man im Nachhinein findet, das hätte man auch so oder so machen können. Aber das sind dann ja unterm Strich immer persönliche Dinge, die auch jeder in der Band wahrscheinlich anders empfindet und irgendwann muss man sich sagen, das ist es jetzt. Das war auch teilweise ein Problem, dass man sich in irgendwelchen Details verliert, die unterm Strich gar nicht relevant sind dafür, ob der Song jetzt funktioniert oder nicht oder da sitzt ein catchy Riff oder nicht. Details, bei denen man am Schluss selbst überhaupt nur weiß, dass man drüber nachgedacht hat. Das kann einen fast verrückt machen.

Ian: Dazu muss man sagen, Vico nimmt ja alles auf, sprich er muss sich mit dem Ganzen auch beschäftigen (lacht).

Ihr habt jetzt zum Zeitpunkt unseres Gesprächs 2 Singles veröffentlicht.
Vico: Genau, kurz vor oder zum Release wird noch eine kommen.

Ihr habt mit der Art der Veröffentlichung auch einen recht „klassischen“ Weg gewählt, also erst ein paar Singles, dann physisches und digitales Release des gesamten Albums. Es gibt ja mittlerweile durchaus auch Bands, die vor allem erstmal Songs digital raushauen sobald die fertig sind, und dann kommt vielleicht irgendwann mal ein Album auch physisch dazu. Gerade im digitalen Zeitalter, in dem das zum einen ein Weg sein kann, die Aufmerksamkeit hoch zu halten mit konstanten Releases und zum anderen eh immer weniger Leute ganze Alben hören und sich dementsprechend physisch holen. Wäre das für euch in Zukunft auch ein denkbarer Weg?
Ian: Auf jeden Fall, ich verstehe auch den ganzen Prozess und ich wünsche mir auch selbst als Fan von vielen Bands, dass mehr Bands das machen würden. Weil ich glaube, im Moment haben sehr viele Bands wahrscheinlich Lieder, die sie noch nicht veröffentlicht haben wegen dem ganzen Pandemiezeugs. Ich glaube viele Bands hocken auf Zeug und warten auf die perfekte Tour oder dass sie ein Release haben. Für uns war es jetzt bei silver linings so: Wir hatten einfach bock so ein Gesamtpaket zu machen.

Manchmal macht das auch Sinn, ich kann mir gut vorstellen dass das auch mal Thema ist mit einzelnen Liedern. Wichtig ist, und das merkt man bei anderen auch, dass man konstanten Output hat. Dass es ein neues Lied ist, ein neues Video, ich glaube das ist mega wichtig für Bands. Sonst ist man schnell vergessen und für eine Band, die auch gerne viel Konzerte spielt, ist es auch cool für alle Veranstaltenden und Leute, die man kennt usw., dass man immer wieder neues Zeugs hat. Ob es jetzt eine Split ist oder eine 7 Inch, einfach irgendwas. Und natürlich, so Lieder rauszuballern ist immer eine gute Idee finde ich. Ich könnte mir vorstellen, sowas in der Zukunft zu machen, aber ich spreche jetzt nur für mich und ich glaube, die Meinungen teilen sich immer so sehr, weil jeder eine konkrete, bestimmte Vorstellung hat, wie Sachen sein sollen.

Vico: Ein Album ist natürlich ein riesen Aufwand mit dem ganzen Drumherum mit der Pressung, dem Artwork etc. Für einzelne Songs könnte man das natürlich extremst effizienter gestalten und auch beschleunigen. Bei uns hat es jetzt fast wieder dreieinhalb Jahre gedauert und ich glaube nicht, dass es für ein nächstes Album schneller gehen wird. Deswegen, wenn es das Ziel wäre, neue Sachen zu releasen, würde ein Ansatz von einzelnen Songs oder EPs sicher Sinn machen. Aber ja, jetzt im Moment ist die Priorität mit dem Album erstmal ein paar Shows zu spielen und vielleicht kleinere Touren zu machen.
Ian: Also ich habe schon mega viele neue Ideen, aber es ist halt immer schwer, Zeit zu finden um neue Lieder aufzunehmen. Aber ja, im Background läuft schon so die Ideenschmiede. Aber ich finde das cool, ich wünschte, mehr Bands würden das machen.

Vico: Das ist für eine neuere Generation denke ich mal, für die das auch eher normal ist, aber für viele von den Älteren war halt der Prozess immer: Album, dann spielen, dann Album.

Ian: Dazu kommt noch, was ich fast vergessen habe, für uns und für mich ist zwar so ein konstanter Output cool, aber wir sind auch große Fans von physischem Zeugs. Und es ist schon cool, wenn man etwas in der Hand halten kann. Das ist auch was, was immer schön ist als Fan, oder wenn man auch Zeit in etwas investiert, dass man am Schluss auch ein Endergebnis hat und das ist halt immer am schönsten mit einem physischen Produkt.

Ihr veröffentlicht das Album ja auch gleich mal über drei Labels. Wie kam das zustande?
Vico: Es sind eigentlich hauptsächlich zwei.

Ian: Ja, also veröffentlicht wird das Album mit Gunner Records, mit Say10 und die Kassettenversion wird von Inhumano gemacht in der Schweiz. Das sind Labels, die uns jetzt schon eine Weile begleiten. Ich kenne Gunnar (von Gunner Records) jetzt schon mega mega lange. Den habe ich glaube ich das erste Mal auf einer World/Inferno Friendship Society Tour kennengelernt und so entstand eine Freundschaft. Was dazu führte, dass ich ihn mal angefragt hatte, ob er nicht bock hätte, uns auszuhelfen. Mit Adam von Say10 haben wir eigentlich so ein bisschen die Connection gemacht, als wir eine 7 Inch rausgebracht haben, die wir für die Südamerika/US-Tour veröffentlicht haben und wir haben einfach nach Labels gesucht, die uns vielleicht ein bisschen aushelfen für die USA. Und so entstand da die gute Freundschaft und der hat uns weiterhin auch immer sehr gut unterstützt. Und Carlos von Inhumano ist eh ein super guter Freund aus der Schweiz und wir dachten, es wäre cool, mit ihm was zu machen und er hat auch schon die 7 Inch mitreleased und verschiedene Kassetten.

Vico: Er macht halt immer gerne auch solche special Releases wie zum Beispiel eben mit Kassetten oder einfach noch ein Special für seinen Webshop.

Ian: Was vielleicht noch speziell ist, was viele nicht wissen, ist dass wir bis jetzt eigentlich 95% der Releases selber in Auftrag gegeben haben. Sprich, der ganze Pressprozess, dass wir die ganzen Files schicken, das ganze Artwork, alles läuft durch uns. Wir zahlen auch alles meistens und das schicken wir ihnen. Es hat immer bis jetzt so gut funktioniert.

Vico: Das rührt auch meistens daher, dass wir sehr aufwendige Verpackungen oder Covers etc. machen wollten und Farbkombinationen, wo halt das Label dann fand: Oh, das finden wir ein bisschen teuer. Und dann sagten wir: Na gut, dann machen wir das halt selbst und verkaufen es euch dann so günstig wie wir können.

Ian: So „ey Gunnar, wäre es ok wenn wir eine double gatefold mit fünf verschiedenen Farben machen“? (lacht) Aber der Gunnar und auch Adam, die unterstützen uns immer so sehr und für uns ist es mega cool, ein Zuhause zu haben.

Vico: Es sind ja auch Labels mit extrem coolen Releases, also von daher ist es das beste, was man sich wünschen kann.

Ihr veranstaltet ja auch selber Konzerte wenn ich das richtig mitgeschnitten habe?
Ian: Ja, machen wir! Ich persönlich veranstalte schon seit über zwölf Jahren oder so Konzerte, ich weiß es nicht mehr genau. For fun, D.I.Y.-Konzerte. Früher habe ich viel mit Tom, unserem Gitarristen zusammen veranstaltet, jetzt bin ich Teil von einer Konzertgruppe, die heißt Soundmanöver. Und grundsätzlich als Band haben wir immer versucht für Freunde auszuhelfen. Es ist so, jemand ist auf Tour, hey lass was machen, und die ganze Band hat immer sehr fest mitgeholfen. Wir versuchen immer aktiv noch zu veranstalten so wie es geht, aber für mich ist es jetzt so: Es sind so viele Konzerte, die ich jetzt in den letzten Jahren gemacht habe, und alles so D.I.Y. Punkkonzerte.

Vico: Was wir dieses Jahr jetzt wieder machen, was wir vor Corona fünf Jahre gemacht haben, ist so ein kleines Festival in Zürich, das heißt Obenuse Fest, so ein kleines Booze Cruise könnte man es nennen. In 5-6 verschiedenen Locations, man braucht ein Ticket dafür, um in alle Locations zu gehen und das werden wir in diesem Jahr zum ersten Mal seit 2019 wieder veranstalten.

Es frisst ja tatsächlich auch einfach wahnsinnig viel Zeit, so schön das auch immer ist.
Ian: Ja ich habe das runtergeschraubt, aber dann schreibt immer wieder jemand so: Hättest du bock? Und ich so: Boah die Band, ich find die so geil! Und dann kann ich es einfach nicht sein lassen.
Was würdet ihr denn sagen, wie kann man da, wenn man selber eine Band hat, auch von profitieren wenn man selber veranstaltet? Also nicht dass man es nur macht, um davon selber zu profitieren, aber es entstehen dadurch ja z.B. vielleicht Connections die einem auch selbst weiterhelfen können.

Vico: Ja, das Netzwerk wächst natürlich immens dadurch.

Ian: Ich glaube sowas passiert auch ein bisschen organisch.

Vico: Klar, das ist wie wenn man als Band auch irgendwo spielt, lernt man andere Bands und veranstaltende Leute kennen, wo man wieder anknüpfen kann. Und so ist es natürlich auch, wenn andere Bands zu einem nach hause kommen und man die Show veranstaltet oder die Bands bei einem Zuhause pennen oder was auch immer. Das ist ja auch das schöne an dieser D.I.Y.-Szene, dass man auch persönliche Connections macht. Sei es, ob man daran musikalisch anknüpft oder auch nur privat und persönlich, es sind dadurch auch viele Freundschaften entstanden.

Ian: Ich glaube für uns und für mich war es auch nie so, dass wir unbedingt mit der und der Band was machen, um eine Show irgendwo anders zu bekommen. Es hat sich einfach alles ergeben, und ich glaube mit genug guten Vibes und wenn das vor Ort dann klickt, dann hat man eh bock aufeinander. Weil da auch gute Freundschaften entstehen, da will man ja unbedingt wieder was machen zusammen. Das ist mehr so das Ding und ich wünschte mir, mehr Bands und mehr lokale Bands würden selber mehr veranstalten. Weil ich glaube, das würde auch der Szene viel mehr helfen.

Es ist schon auch interessant. In den letzten fünfzehn Jahren Konzerte veranstalten merkt man, wie stark freundschaftlich sich die europäische Szene aushilft. Ich finde es schon einen krassen Kontrast, ich will jetzt nicht irgendwie was schlechtes sagen oder so: Bei Ami-Bands, die man jahrelang unterstützt hat und dann mal so fragt – es ist ja ok, weil die Leute haben manchmal ja keine Zeit und so – von wegen: Hey, ihr habt eine Show, wäre es möglich dass wir hier auf die Show raufspringen und meistens kommt dann nicht mal eine Mail zurück. Dann ist es schon ein bisschen weird, wenn man so fünf Mal für die Band eine Show veranstaltet hat und so fragt: Hey, wir wollen nicht mal Geld, wäre es cool? Und dann kommt keine Antwort. Der Unterschied hier in Europa ist schon so, dass man bock hat sich gegenseitig zu helfen und das merkt man mega.

Vico: Man merkt halt auch, dass man gerade in diesem Umfeld, wo wir uns als Band und auch als Veranstalter bewegen, dass man es auch macht, weil man bock hat und nicht weil es der Job ist oder so. Ich glaube das kreiert ganz von selbst eine andere Herangehensweise wie auch wahrscheinlich eine andere Bereitschaft, sich auszuhelfen.

Ian: Ich kriege ja sehr viele Mails von Bands und ich antworte auch nicht so schnell manchmal und viele vergessen auch, dass es so tausend Projekte gibt und man hat gar nicht die Kapazität, alles zu machen, obwohl man will.

Wo ihr diese Unterschiede schon ansprecht zwischen Europa und Amerika dahingehend: Ihr habt ja mittlerweile auch eine Doku veröffentlicht über eure Südamerika-Tour 2015. Da wirkte es auch sehr so, dass gerade diese Hilfsbereitschaft untereinander wahnsinnig groß ist.
Vico: Ja absolut. Da geht ja auch noch viel weniger, wenn das nicht so wäre. In der Schweiz und ich denke auch in Deutschland gibt es ja viele subventionierte Kulturzentren, das gibt es dort nicht, also niemals in dem Umfang. Da finden tatsächlich auch Konzerte bei irgendwem privat zuhause statt, diese kleineren D.I.Y.-Konzerte. Ganz viele von denen können einfach schlicht nicht stattfinden, wenn nicht dieses gegenseitige Aushelfen und die Vernetztheit und das Ehrenamtliche sein würden. Ich denke die Leute da sind auch viel mehr drauf angewiesen, auch nur schon, wenn es ums Material geht. Es gibt nicht so viele Locations wo eine PA steht, die tatsächlich auch spielt und die man einfach so für ein Punkkonzert mieten könnte oder so. Da müssen viel mehr Faktoren zusammen kommen, damit so eine Show überhaupt stattfinden kann.

Ian: Das gleiche gilt auch dann zum Beispiel für Asien. Wir haben hier in Europa schon extrem Glück, wie wir aufgestellt sind, mit den Orten und den finanziellen Mitteln.

Vico: Ja die ganze Infrastruktur und dann auch, dass die Clubs doch irgendwie noch eine Konzertkasse oder einen Fördergeldertopf haben, wo sie auch schlecht laufende Shows finanzieren und den Bands sogar Spritgeld noch daraus geben können. Das ist dann schon ein Luxus, den wir hier haben. Der wird einem so richtig bewusst, wenn man dann in Ländern wie zum Beispiel Kolumbien oder Argentinien ist, wo es ganz anders abläuft.

Habt ihr denn noch einigermaßen regelmäßig Kontakt zu den Leuten und Bands von dort?
Ian: Ja es sind schon über die Jahre extrem viele Freundschaften entstanden, wir vermissen die Leute sehr sehr fest. Es gibt auch viele Freunde, die wir immer wieder unregelmäßig treffen. Es gibt Leute, die kommen in die Schweiz uns besuchen.

Vico: Es hat leider ein bisschen abgenommen in den letzten Jahren, aber gerade in den Jahren nach 2015 war es vor allem mit Leuten aus Brasilien so, dass wir sie fast jährlich gesehen haben. Entweder weil sie dann mit einer Band oder privat in Europa waren und dann auch umgekehrt. Aber es sind auch einige von den Leuten die wir von da kennen nicht mehr so aktiv, weil das Leben weitergelaufen ist und Bands sich aufgelöst haben oder halt andere Lebensumstände dazukamen. Es findet immer noch ein gewisser Austausch statt, aber es ist schon ein bisschen wellenmäßiger.

Ian: Es gibt natürlich zu jeder Tour, die wir gemacht haben eine WhatsApp-Gruppe und dann schreibt jemand so und alle sind plötzlich so richtig am Start und dann ist es wieder tot (lacht). Also die Leute leben ja noch, aber manchmal ist es eben so, man wird älter usw.

Vico: Aber es ist auch so, wenn Bands von dort mit denen wir befreundet sind schreiben, hey, wir kommen nach Europa, wir bräuchten dann und dann Hilfe mit Daten oder einen Platz zum pennen, dann würden wir sofort sagen: Ja unbedingt, kommt her, wir würden uns extrem freuen. Und ich denke das gleiche gilt auch umgekehrt wenn wir sagen: Wir haben wieder vor nach Brasilien zu gehen, können wir was machen, dann würde die Connection gleich wieder losgehen. Ich glaube das ist nichts, was verloren geht, sondern es ist ein bisschen Funkstille, aber sobald man sich wieder treffen würde, wäre es wieder als wäre man nie weg gewesen.

Ian: Ich muss auch sagen, ich habe mega bock, wieder so eine Tour zu machen. Es ist nur schwer sich zu überlegen wann, wie, welche Länder, wie viel Zeit hat man überhaupt? Also ja, die Freundschaft ist da, der Kontakt ist manchmal nur nicht der einfachste wenn man so weit weg wohnt.

In einigen Ländern in Südamerika ist ja aktuell oder war die politische Lage auch sehr schwierig, denken wir z.B. an Brasilien, Chile oder Peru. Habt ihr da viel mitbekommen, ob und wie das Auswirkungen auf die Szene hatte?
Ian: Ja auf jeden Fall, wir haben ja doch manchmal guten Kontakt zu den Leuten und ich bin auch selbst in Peru geboren und habe Familie dort und es war ja auch ziemlich crazy und jetzt wieder. Also die ganze Covid-.Zeit ist da echt ziemlich crazy. Aber abgesehen davon, dass während der Zeit die Clubs wahrscheinlich zugemacht haben oder die Venues, die benutzt wurden für Konzerte, habe ich das Gefühl, dass manchmal die Art von Bands, die wir kennen, sich eh so im Underground bewegen, wo natürlich das politische Thema mega wichtig ist, dass man eine Meinung zum ganzen hat, aber ich glaube nicht dass sie groß betroffen waren im Bezug auf Konzerte.

Vico: Ja, aber man hat schon mitgekriegt, gerade von einem Freund aus Chile zum Beispiel, da hat man Videos gesehen auf seinem Instagram oder so, wo es in Chile richtig heftig abging. Davon abgesehen, dass er auch auf den Protesten war zum Beispiel. Von den Freunden aus Brasilien weiß ich, dass sie ziemlich happy waren, jetzt wo der Bolsonaro endlich weg ist. Man kriegt über Social Media doch einiges mit was das angeht.

Ihr hattet in der angesprochenen Doku auch gesagt, dass es als schweizer Band nicht so einfach ist, international zu touren. Was sind oder waren für euch denn da die größten Hürden, im Gegensatz vielleicht zu Bands aus UK oder Deutschland?
Vico: Ich glaube da waren jetzt weniger die Mittel oder so angesprochen, sondern eher das Wahrgenommen werden. Du hast UK erwähnt, ich glaube eine Band aus UK oder den USA, die hat einfach dadurch dass sie von dort kommt, zumindest bei uns aus Europa einen anderen Stempel und wird anders wahrgenommen, denke ich mal. Ich glaube es gibt einfach eher wenige schweizer Bands, die ins Ausland touren gehen. Es ist auch ein kleines Land, deswegen ist es wahrscheinlich auch ein bisschen normal, aber man ist nicht so auf dem Radar von vielen denke ich. Ich glaube dass man dann entweder etwas lauter schreien muss oder sich selbst mehr um Kontakte bemühen muss, damit mal jemand überhaupt auf die Idee kommt, man könnte ja mal eine Show machen.

Ian: Zum Beispiel Deutschland war für uns zum Anfang schon ein hartes Pflaster. Die ersten fünf bis sieben Jahre vor allem.

Vico: Ja man musste sich so Herantasten. Zuerst irgendwie im Bodensee-Raum, dann bis Stuttgart oder so, dann hat man da ein paar Leute gekannt und dann ging es so ein bisschen weiter und es war wirklich so ein sich langsames Herantasten an die weiteren Bundesländer.

Ian: Aber wenn man dann aktiv spielt, dann ist es mega cool!

Ihr hattet ja auch noch eine Asien-Tour geplant durch Länder wie Kasachstan für 2020, die dann ausfallen musste. Habt ihr Pläne, das nochmal zu versuchen?
Ian: Ja das Ding ist, der Typ, der das organisiert ist ein sehr guter Freund von uns aus der Ukraine. Der organisiert seit Jahren Bands in der Ukraine und hat auch für Russland Tourneen gemacht und der hat unglaublich bock mit uns dahinzugehen. Der schreibt auch monatlich wieder: Lass da hin! Nur, sich zwei Wochen Zeit zu nehmen, nach Kasachstan, ist nicht so einfach im Moment und darum wollte es noch nicht stattfinden.

Vico: Ja ich glaube dieses Jahr ist es auch so, dass wir unsere Kapazitäten und freien Tage besser nutzen um was in der Nähe zu planen, was sicherer in dem Sinne ist, dass es auch stattfinden wird, gerade auch mit dem neuen Album. Aber grundsätzlich hätten wir alle auch schon bock wieder mal auf ein solches Abenteuer und vielleicht wäre das auch was für nächstes Jahr. Aber es ist halt ein Projekt, was noch ein bisschen mehr Vorlauf und Planung braucht und es gibt glaube ich auch einen recht kurzen Zeitraum, wo das überhaupt Sinn macht das generell machen zu können. Das beläuft sich so auf einen Zeitraum von zwei Monaten.

Ian: Ja weil sonst ist es zu kalt oder so. Vielleicht liegt es auch ein bisschen an der Sprachbarriere, ich weiß nicht. Die Messages von ihm sind meistens sehr lustig und kryptisch. Man darf auch nicht vergessen, das ist wahrscheinlich auch eine Tour wo man alles selber zahlt und es muss alles Sinn machen. Wir haben mega bock, aber ja, mal schauen ob es 2024 klappt.

Wenn wir nochmal so am Rande vom Thema touren bleiben: Ihr, bzw. die anderen drei von Überyou haben ja noch eine Zweitband namens The High Times. Plant ihr da Touren so, dass ihr möglichst zusammen tourt, damit man sozusagen sich nicht noch mehr freischaufeln muss, um mit beiden Bands möglichst viel unterwegs sein zu können?
Vico: Ja, also zum Beispiel beim letzten Booze Cruise haben beide Bands gespielt. The High Times sind ja noch relativ neu, also sie haben eigentlich mehr oder weniger während Corona ihr erstes Album herausgebracht und deswegen war es bis hierhin mit dem zusammen touren noch kein großes Thema. Das wird jetzt erst in Zukunft zu solchen Fällen kommen wie du es beschrieben hast.

Ian: Also meistens – ich habe ja jetzt nicht viel mit The High Times zu tun – ergibt sich das einfach und natürlich ist das cool wenn das cool für alle ist, weil es sind halt alles super gute Freunde und es ist immer ein guter Grund dafür, zusammen Party zu machen. Ich glaube es ist nicht bewusst, manchmal fragen die Veranstalter: Hey, hättet ihr bock? Und manchmal ist es so, dass man sagt: Komm, wir hätten auch Zeit. Aber ja, es kommt wie es kommt.

Vico: Ich glaube auch wenn es jetzt nur zwei zusätzliche Leute wären, die dazu kämen für das Ganze, das ist für uns Fünf schon immer sehr schwierig, dass alle dann Zeit haben für einen Weekender oder eine Woche Tour, was freischaufeln zu können und ich glaube jede weitere Person, die dazu kommt macht es irgendwie noch komplizierter. Also im Moment zumindest plant Überyou die Konzerte für sich und The High Times ihre für sich und klar gucken wir, dass man sich nicht in die Quere kommt, aber das hat bis jetzt eigentlich ganz reibungslos geklappt.

Ian: Es gibt auch noch ein drittes Sideproject, wo ich ein großer Fan von bin, aber was niemand kennt. Da spielen unser Gitarrist Marc, Vico, unser alter Drummer Lars, der die Südamerika-Tour gemacht hat und Hasu von den Peacocks. Und die haben auch schon aufnahmen, aber ich hoffe die kommen irgendwann mal raus.

Vico: Ja wer weiß. Die liegen seit 2017 oder so rum.

Ian: Ich beschreibe es wie so ein Überyou-Peacocks-Mix.

Ok, also jetzt nicht nochmal was komplett neues wie Black Metal Post sonst was?
Ian: Ne ne (lacht).

Kommt man sich da auch musikalisch manchmal in die Quere, wenn man sich sagt: Ich habe hier z.B. ein richtig gutes Riff geschrieben, ich würde das gerne für die eine Band nehmen und die anderen würden das aber gerne für die andere Band nehmen?
Vico: Marc schreibt eigentlich die meisten Songs für beide Bands und ich glaube in seinem Kopf hat er schon ein bisschen so die Idee, das wird jetzt ein High Times Song und das wird eher ein Überyou Song.
Ian: Das kriegen wir wahrscheinlich gar nicht so ganz mit. Also es kam auch schon vor bei der Überyou Probe, dass er meinte: Oh lass mal das probieren. Ich wollte das eigentlich für High Times, aber ach fuck it. Also bis jetzt kam man sich da nicht in die Quere, das funktioniert ziemlich gut so wie es ist und ich bin riesen High Times Fan. Auch die neue Platte ist mega mega gut.

Ihr habt ja auf euren Social Media Kanälen einfach nur die Beschreibung „Band with a plan“. Wie läuft denn der Plan?
Vico: Diesen Code kann man durchaus auch ein bisschen sarkastisch verstehen (lacht).

Ian: Ja ich glaube, wenn man uns gut kennt, weiß man dass wir sehr sarkastisch sind und vieles nicht ernst meinen. Das war eigentlich ein Spruch, den wir seit Anfang an da haben. Wir hatten jahrelang keine Social Media, nur einen Blogpost, da war der auch schon drauf. Hey und sonst ist der Plan, so aktiv zu sein wie es nur geht. Mit dem Privatleben, mit Freunden, irgendwie wird das immer schwerer Zeit zu finden, und doch haben wir alle bock, so viel wie möglich zu spielen und auch immer wieder an die Orte zurück zu kommen, wo unsere Freunde sind und zusammen eine gute Zeit zu haben. Das ist schon abgesehen von den Live Shows das Schönste. Ich freu mich schon das nächste Mal mit dir einen Shot zu saufen!

Auf jeden Fall, ich hab bock! Dann bis dahin und vielen Dank für eure Zeit!

Interview: Nils Donhauser

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