Juli 29th, 2022

Über den Menschen – Gerhard Roth

Posted in bücher by Dolf

Suhrkamp Verlag, Postfach 58 01 65, 10411 Berlin, www.suhrkamp.de

Der Autor, geboren 1942, ist promovierter Biologe und Philosoph, außerdem Professor für Entwicklungsneurobiologie und Verhaltensphysiologie am Institut für Hirnforschung der Universität Bremen (Das ist deshalb erwähnenswert, weil dort schon seit vielen Jahren, und immer noch, Tierversuche an Affen durchgeführt werden und Gerhard Roth dies natürlich befürwortet, das geht gar nicht, ist aber ein anderes Thema….). Deshalb beschäftigt sich ein großer Teil im Buch damit ob und wie es nun möglich ist welche Gehirnleistungen zu messen und dadurch jedes menschliche Verhalten zu erklären ist. Für mich als Laien macht einiges davon Sinn, aber es gibt auch Menschen die haben da große Zweifel dran, sollen sich die Wissenschaftler darüber streiten, dies ist meine Sache nicht.

Vereinfacht gesagt denke ich das man schon viel “messen” kann, aber wahrscheinlich nicht alles, oder dann eben nicht alles einordnen und verstehen? Wer weiß. Man muss sagen, das es ein sehr wissenschaftliches Buch ist, welches sich aber verständlich liest, trotz der Genauigkeit der Fakten. Das Buch ist in dreizehn Kapitel eingeteilt, jedes beginnt mit einer Kurzbeschreibung des Inhalts und endet mit einem Fazit – Was sagt uns das? Für eilige Leser könnte es ausreichend sein immer nur genau das, sowie das dreizehnte Kapitel, welches eine Zusammenfassung der Hauptaussagen ist, zu lesen. Da ich es nicht eilig hatte, las ich alles. Nach einer Einleitung geht es zuerst um die Stellung des Menschen in der Natur und ob er etwas besitzt das ihn einzigartig macht. Vereinfacht und verkürzt gesagt, nein. Im zweiten Kapitel “Wie wir werden, was wir sind” erfahren wir wie sich die menschliche Persönlichkeit entwickelt und was für Faktoren (Gene, Umwelt, eigener Gestaltungswille) dabei ein Rolle spielen. Es ist wohl die Wechselwirkung zwischen den verschiedenen Instanzen. Ganz ähnlich sieht es beim nächsten Thema aus, “Was uns antreibt”, also die Motive und Ziele des Menschen und sie könnten nicht unterschiedlicher sein, denn es besteht eine vielfältige Interaktion von interner und externer Faktoren. Sehr spannend auch das vierte Kapitel “Wie veränderbar sind wir” und auch Roth kommt zu dem Ergebnis das klare Argumente nicht ausreichen, vielmehr muss sich der Mensch die Ziele und Zwecke der Veränderung als eigenes Ziel aneignen. Weiter mit dem wichtigen Thema wie man den anderen versteht, also mit sprachlicher und nichtsprachlicher Kommunikation. Die Antwort kennt jeder: nicht alles was Menschen sagen, meinen sie auch so. Im sechsten Kapitel klärt der Autor ob das Ich Herr oder Knecht ist. Hier dazu ein schönes Zitat aus dem Kapitel: “Unser Ich ist nicht der große Steuermann, aber auch nicht ein wirkungsloses Laubblatt im Wind, weder selbstbestimmter Herr noch fremdbestimmter Knecht.” Danach wird geklärt was uns jetzt so intelligent macht. Deutlich interessanter dann das achte Kapitel, wo versucht wird zu klären warum Menschen anderen Menschen was antun, sehr spannend auch wenn das Fazit auch hier wieder ist das es meist die Interaktion aus anlagebedingten und umweltbedingten Faktoren ist. Das neunte Kapitel beschäftigt sich mit Psychotherapie, ist sehr interessant, geht aber oft zu sehr ins Detail. Im zehnten Kapitel wird sich dem alten “Geist-Gehirn” Problem gewidmet, soviel sei verraten, es wird auch hier nicht gelöst. Weiter geht es mit der Möglichkeit der gesicherten Erkenntnis und gleich danach dann mit Kritik an den Neurowissenschaften… äh ja, das wird dann schon sehr speziell. Am Ende dann nochmal die Eingangs erwähnte Zusammenfassung wo die Frage beantwortet wird ob das gesellschaftlich herrschende Menschenbild verändert werden muss. Muss es? Das lies mal selber. Soviel ist klar, nach der Lektüre wird nochmal deutlich das wir nicht so selbstbestimmt sind, wie viele von uns das denken. Und das viele externe, umweltbedingte Faktoren dazu führen können das sich Verhalten ändert und die Menschen das gar nicht bewusst wahrnehmen. Es ist ein spezielles Buch, ich hab es gern gelesen, auch wenn immer so ein schlechter Beigeschmack dabei war, es ist aber sicher nicht für jeden und die Erörterung der Details überlassen wir den Spezialisten. Ich würde dem Autor aber vorschlagen, (ohne leider diese Erfahrung selbst gemacht zu haben), darüber nachzudenken ob das Einnehmen von psychedelischen Drogen ihn nicht ganz schnell sehr viel weiter bringen könnte. Zum Ende kommen möchte ich mit diesem vielsagenden Zitat: “Unsere menschliche Natur ist unausweichlich konflikthaft, denn schon unsere psychobiologischen Grundbedürfnisse stehen oft gegeneinander, zum Beispiel als Widerspruch zwischen dem Streben nach Erkundung der Welt und ihrer Chancen und dem Streben nach Schutz, dem Streben nach Selbstbestimmtheit und dem nach Bindung, dem Streben nach Aufregung und dem nach Ruhe usw.” Der Mensch war ist und bleibt: Mensch. 359 Seiten, gebunden, 26,00 Euro (dolf)

Isbn 978-3518587669

[Trust # 214 Juni 2022]

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