Januar 1st, 2024

Trust Issues (#215/August/September 2022)

Posted in interview by Jan

Interview mit einer Band namens „Trust Issues“ im Trust. Ich spare mir mal in der Hinsicht mittelmäßige namensbezogene Gags (besser für uns alle) und sage: Im April erschien das Debüt „Timekeeping starts right now“ von Michael Aka Gurke, Guschtel, Steven und Ralle und sollte wirklich gehört werden! Mit den drei Erstgenannten sprach ich u.a. über die womöglich unterschätzte Rolle der saarländischen Punk- und Hardcore-Szene und deren Historie. Da gibt es schließlich viel zu erzählen, Trust Issues könnte man schon fast als eine Art Supergroup der Region bezeichnen, spielten ihre Mitglieder in den letzten teilweise gut 35 Jahren vorher doch in Bands wie Crowd of Isolated, Bushfire, Oaks, Stick Boy und und und. Ob es auch einen spezifischen Sound gibt, quasi die saarländische/südwestdeutsche Schule, wurde ebenfalls versucht zu klären, ebenso wie man es schafft einfach gleichzeitig unterschiedliche Dinge zu singen und es trotzdem gut klingt. Und es gibt ein paar Tipps für Bands, die vielleicht etwas lange für das Songwriting brauchen. Denn eins sind Trust Issues: irre effizient.

Schön dass ihr euch Zeit genommen habt! Es passt ja auch namentlich einfach.
Michael: Genau, das war auch die Frage! Wir haben gestern geprobt und ich hab noch gesagt, es kommt bestimmt die Frage.

Guschtel: Metal Hammer Issues.

M: Da muss man doch bestimmt was erklären.

G: Fans der ersten Stunde (hält die 1.(!) Trust-Ausgabe von 1986 in die Kamera)!

Ach Leute, das ist ja der Hammer!
G: Ich hab die erste Ausgabe quasi live gekauft.

Da war ich noch nicht mal geplant. Dann lasst uns doch einfach mal mit einer kleinen Vorstellungsrunde anfangen. Wer seid ihr und was macht ihr in der Band?
G: Ich bin Guschtel und spiel Gitarre.

Steven: Guschtel ist der Mann, der hauptsächlich die Riffs bringt.

G: Gut, ich spiel auch Gitarre.

S: Ja, aber das ist ja in anderen Bands vielleicht eher anders gewichtet. Bei uns ist da Guschtel unser Kreativchef.

G: Ja und ich hab meine Riffs aus dem Computer. Ne das stimmt nicht.

S: Jo, um es kurz zu machen, ich bin Steven und spiel Schlagzeug.

M: Michael, oder auch Gurke. Früher gab es ja sowas wie Nicknames, um die bürgerliche Identität im Punkzeitalter abzulegen. Da war das natürlich nicht schlecht so einen Nickname zu haben. Mittlerweile hat sich das aber bisschen rausgewachsen. Also ja, ich singe bei Trust Issues.

G: Naja, singen?

M: Also, ich bringe mein Mikro mit.

Ihr kommt alle aus dem Saarland. Das ist ja jetzt nicht unbedingt die große Metropolregion und nicht unbedingt das, woran man denkt wenn man an Punkrock denkt, wenn man mal von so Lee Hollis Bands oder Pascow absieht. Ihr habt jetzt reichlich Banderfahrung und seid schon länger dabei, wie ist das wenn man aus einer Ecke kommt wo man vielleicht nicht so die Strukturen hat wie z.B. in den großen Metropolen?
M: Joa, ich denke mal das ist so eine Historie wenn man die mal kurz anschneiden will. Das Saarland hat glaube ich in dem ganzen Kontext über den wir hier reden schon eine ganz entscheidende Rolle gespielt. Und natürlich nicht nur das Saarland, Guschtel hat eben das Trust von 1986 reingehalten, genau zu der Zeit waren es Käffer, in denen halt die Hardcore-Szene…

G: Ja, Konzerte in Homburg im Saarland!

M: Und Homburg AJZ sag ich mal als eine der Locations, die ein stückweit, was der Helge Schreiber beschrieben hat, das „network of friends“ hochgehalten hat und so ein stückweit die europäische Punk- und Hardcoreszene zusammengehalten hat. Also hier ganz in der Provinz im Saarland. Deshalb gibt es da so eine Historie aus der eine Menge Bands entstanden sind. Du hast gerade eben Lee Hollis genannt, natürlich sind Steakknife und Spermbirds auch nicht so weit von hier entfernt. Ja klar, Strukturen gibt es hier im kleinen, da würde ich schon sagen dass es hier eine ganz gute Kulturszene ist. Es ist natürlich nicht so vernetzt oder nicht so weit mit Clubs hier wie das in Köln, Berlin oder Hamburg ist.

G: Man kann sogar sagen, unser früheres Facebook war Trust Fanzine. Es kam zwar nur alle 2 Monate, also irgendwie ziemlich drauf gewartet immer. Aber da gab es die neuesten News. Natürlich auch auf den Konzerten, die Community, die Leute mit den Bauchläden die Platten verkauft haben und Briefkontakte und so. Das ging alles bisschen langsamer, aber als der Ami-Hardcore rüberschwappte, das waren dann immer nur so 100 Leute auf den Konzerten. Aber man kannte sich irgendwie. Oder man hat sich kennengelernt ziemlich schnell, Kontakte geknüpft. Genau so ist die Community entstanden. Bis die Major Labels das dann so aufgesaugt haben.

M: Aber um wieder auf deine Frage zu kommen, das war halt schon so dass die Leute die in dieser Community waren nicht so aus den Metropolen kamen, sondern aus der Südpfalz oder aus irgendwelchen Käffern in Hessen und die haben sich dann getroffen. Das waren alles aktive Leute. Das hat natürlich einen bestimmten Hintergrund warum die Leute aktiv waren, weil eben keine Großstadt in der Nähe war wo kulturell was geboten wird, sondern man muss den Arsch selbst hochkriegen. Das ist das was heute so als d.i.y. verkauft wird und damals auch schon existiert hat und einiges angeschoben hat, aber noch gar nicht d.i.y. hieß. Den Begriff hat kaum jemand benutzt, den benutzt man jetzt erst so als Schablone. Aber deine Frage ist natürlich: Hat man es als Band die gerade angefangen hat schwerer wenn man im Saarland wohnt? Kann schon sein. Aber man ist ja ganz gut vernetzt und ist näher zusammengerückt und hat natürlich mit den „neuen Medien“ nicht mehr so Schwierigkeiten an Leute heranzukommen. Da ist man ganz schnell vernetzt. Hier im direkten Umfeld klappt das auch so mit spielen, aber klar, wir sind auch immer am gucken dass wir an Gigs rankommen.

G: Das gibt es aber auch in Großstädten, so kleine Gruppen, oder kleine Szenen, oder Kieze oder wie auch immer.

Ja es kann ja auch ein Vorteil sein, wenn jeder jeden kennt, dass man sich gegenseitig supported und nicht vielleicht etwas untergeht wie in einer Großstadt.
M: Ja das ist auf jeden Fall so, das kann ich nur bestätigen. Wir kennen natürlich wahrscheinlich weniger aus der „Musikszene“, was auch immer das ist, das ist ja keine feste Gruppe, wahrscheinlich Leute die eher in unserem Alter sind oder bisschen jünger. Die ganz jungen Leute, die gerade angefangen haben mit Bands, da ist die Nähe natürlich nicht mehr so da. Aber im Grunde ist das alles ganz gut vernetzt und man kennt diese Leute natürlich seit vielen Jahren die Booker sind, die Technik machen, die Studios oder Labels betreiben.

G: Letztendlich ist die Band ja auch ein Hobby, also wir machen das halt weil wir extrem bock drauf haben, weil es unheimlich Spaß macht sich einmal die Woche zu treffen oder wenn das dann irgendwie nicht läuft, dann ist das nicht so schlimm. Es war damals ja auch schon so, Kommerz war irgendwie verpönt und man hat das gemacht, weil es irgendwie geil war. Und das ist heute immer noch geil. Das ist eigentlich das Hauptding. Und wenn das läuft, umso besser. Wenn man gut ist läuft das und man muss dann Termine kriegen für außerhalb spielen, wenn man dann Familie hat ist das aber natürlich nicht ganz einfach.

M: Ist natürlich immer ein stückweit Arbeit, aber ist ja Arbeit die Spaß macht sich um die Band zu kümmern und zu gucken, wie kann man Kontakte aufbauen, wo kann man Platten verkaufen. Und was kann man sonst noch organisieren, wen kann man vollquatschen und nerven bis man hat was man will. Aber wie Guschtel schon sagt, das Ganze macht Spaß und das ist einfach so in uns drin. Guschtel und ich haben ja bei Crowd of Isolated gespielt, die Gründung ist 35 Jahre her, wir waren Jugendliche und dann stellt man sich die Frage, wenn man fast Mitte 50 ist und man stellt sich da hin, wie wirkt denn das auf einen selbst? Da darf man berechtigterweise ganz kurz drüber nachdenken, haben wir auch bevor wir damit auf die Bühne sind, aber das ist einfach in einem drin und das läuft dann so ab wenn du da stehst. Das ist keine Show, nichts Aufgesetztes und das muss auch nicht sein, sondern das hat sich irgendwie dann schon so verselbstständigt und das wird dann im Grunde einfach so abgespult und hat sowas Authentisches, um das böse Wort zu sagen.

Du hast ja gerade schon gesagt, ihr habt schon reichlich Banderfahrung. Was hat euch denn da nochmal den Impuls gegeben zu sagen, wir machen jetzt nochmal ein ganz neues Projekt?
G: Also mein Sohn kam auf die Welt vor 10 Jahren, und da hat sich gerade die Band von mir aufgelöst und dann hab ich 5, 6 Jahre gar nichts gemacht und dann hab ich irgendwie nochmal bock gekriegt was zu machen und dann herumgefragt. Niemand hatte Zeit, alle schon 2 Bands und dann hab ich auf so ein Inserat geantwortet und bei so Emos mitgemacht, das war aber nichts. Und dann hab ich in der Kneipe Steven und Ralle getroffen und dann haben wir das irgendwie festgenagelt. Dann haben wir die erste Probe abgemacht und gesagt: ja wenn es gut ist, wenn es funktioniert, dann fragen wir den Gurke ob er irgendwie drübernöhlt.

S: Ja, die Idee mit Gurke kam nach der zweiten Probe oder so. Wo wir überlegt haben, irgendjemand muss singen. Dann hat Guschtel gemeint: Ja, ich könnte ja theoretisch mal Gurke fragen. Gurke hat vorher schon mit Ralle in einer Band gespielt, der hat sowieso mit jedem schon Musik gemacht im saarbrücker Umfeld. Den gibt es hier schon seit 1000 Jahren und mit dem spiel ich noch in einer anderen Band, in einer…ich würde es mal als Noise Big Band bezeichnen. Jedenfalls hat Ralle irgendwann gemeint dass er auf sowas nochmal bock hätte.

S: Ja, dann war auch der Spruch: Der einzige, mit dem ich hier noch nie in einer Band gespielt habe ist der Guschtel. Guschtel hat mir paar Monate vorher mal so eine Art Bandangebot gemacht für seine Band, auf die er mit der Annonce reagiert hat und hat mir Sachen geschickt. Von daher wussten Ralle und ich dass der Guschtel in Not ist. Der war leicht zu haben.

G: You are right.

S: Dann war es das, dann ging das alles tatsächlich relativ schnell.

M: Dann haben wir uns irgendwie zusammengesetzt und ich hatte schon seit Ewigkeiten keine Band, war irgendwie nicht mehr mein Thema, es gab ganz andere Sachen die für mich wichtig waren.

G: Ja, du bist Reservist und wenn es gefordert wird, musst du antreten.

M: Hier kommt man aus dem Hardcore Ding nicht raus. Ja ich hatte halt bock, die hatten mir 2 Songs vorgespielt, ich hab gesagt das ist saugeil und hab am gleichen Tag noch 2 Texte geschrieben die irgendwie gepasst haben und dann konnten wir in den Proberaum und hatten direkt schon 2 Songs fertig. Und dann haben wir die Devise abgesteckt, in jeder Probe werden 2 neue Stücke gemacht, das hat auch funktioniert. Das hat dann auch irgendwann gepasst halt. Es ist ein Hobby, es macht Spaß, aber es ist auch eine gewisse Ernsthaftigkeit drin. Es hat noch nie irgendjemand eine Probe verpennt, es ist noch nie irgendjemand länger als 3 Minuten zu spät gekommen, also es ist ganz schön strukturiert.

Nicht übel, das kenn ich aus persönlicher Erfahrung anders. Ihr hattet dann ja auch relativ schnell Kontakt zu Last Exit Records?
M: Genau, den Mike von Last Exit Records kennen wir auch, weil der ist zwar jetzt in Hamburg ansässig, aber Exil-Saarländer. Und er ist glaube ich 20 Jahre jünger als wir, wir kannten ihn aber auch aus dem Saarland durch Gigs organisieren. Ich hab früher Sachen gebucht und da hab ich ihn kennengelernt, weil er auch mit Crowd of Isolated eine Show gemacht hat als wir vor 10 Jahren manchmal gespielt haben und wir waren immer noch in Kontakt und er hat irgendwann gesagt: Ah, ihr habt eine neue Band, gibt es da schon ein Release? Da hab ich gesagt: Nö. Und dann hat er gesagt: Wollt ihr? Dann machen wir. Haben wir gemacht. Direkt ins Studio, aufgenommen und dann hat es ja nur 2 Jahre gedauert bis die Platte raus war. Die Gründe sind bekannt warum sich da alles bisschen verschoben hat.

G: 3 Tage haben wir aufgenommen.

S: Direkt bevor es dicht gemacht hat.

M: Hat sich jetzt auch niemand in die Hosen gemacht deswegen, aber wir wollten natürlich auch dass es irgendwie rauskommt. Und mit Platten pressen und so, was da so momentan los ist mit den Presswerken, die immer weniger werden und dann auf eine 200er Auflage von Trust Issues auch nicht unbedingt gewartet haben…wir waren auf jeden Fall froh, als die Platte vor ein paar Monaten rauskam und bis jetzt hat es auch den meisten gefallen.

Absolut, ich reihe mich da ein.
M: Und das meine ich auch, dass den Leuten die Platte gefällt und sie die Platte haben und woher auch immer ist egal, aber sich das Zeug anhören und ihnen das Spaß bereitet.

Würdet ihr denn sagen es gibt sowas – um nochmal auf das geografische Thema zurückzukommen – wie einen „Südwestdeutschen Stil“ im Punk?
M: Hörst du den so raus? Also wir haben jetzt öfter gelesen dass es so wäre, ich kann das gar nicht so beurteilen. Es hat öfter dann schon jemand geschrieben: Ah ja klar, Trust Issues, und da gab es ja mal Crowd of Isolated und es gibt auf jeden Fall auch Steakknife und da wurden Vergleiche angestellt, wir hören das selbst jetzt gar nicht. Ich pass auch jedes mal bei der Probe auf, ob da irgendwie was nach Steakknife klingt.

G: Vielleicht hört man das nur von außerhalb. Oder man bildet es sich ein, wenn man irgendwie mal guckt was da sonst noch so herkommt. Kann ja sein dass das irgendwie eine Einbildung ist. Oder vielleicht gibt es wirklich irgendwas Bestimmtes, keine Ahnung.

M: Du hattest ja Anfangs gesagt Steakknife oder Pascow oder so, da seh ich jetzt nicht die Nähe, vielleicht noch eher bei Steakknife.

G: Aber guck mal, Washington D.C., die klingen ja auch irgendwie alle anders untereinander, aber trotzdem gibt es da so eine Verbindung. Also wenn, dann ist es ziemlich kompliziert.

Ja total. Aber ich glaube der Punkt mit der Einbildung, das ist glaube ich schon da. Ich würde mir auch einbilden das rauszuhören, aber ich bin mir halt selber nicht sicher, ob ich es raushöre, weil ich es auch direkt gelesen habe und weil die geografische Nähe da ist, ob das dann wirklich das reine Raushören ist.
S: Ich meine, das wäre auch nicht schlimm, wenn jetzt eine Gemeinsamkeit da wäre.
M: Nö, ich find es cool eigentlich.

S: Man kennt sich ja auch und sind alles nette Leute.

M: Vielleicht ist es aber auch so, dass viele sich kennen und immer auch begegnet sind und es gab mal ein Raster, wo aufgelistet wurde, wer in welchen Bands gespielt hat. Das ist ein Wahnsinn, das ist ein Spinnennetz, das ist nicht mehr nachvollziehbar. Und viele haben schon miteinander gespielt, vielleicht prägt das natürlich auch sowas wie einen Sound, das könnte schon sein.

G: Ja so eine kleine Stadt birgt da auch ein gewisses Risiko von Inzucht.

Aber wie ist denn das so mit eurer ganzen Banderfahrung im Songwritingprozess, mit durchaus auch verschiedenen Stilen? Ich finde die Platte klingt sehr konsistent ohne langweilig zu sein oder eintönig, aber ist es vielleicht im Prozess des Songwritings ein Problem, wenn zu viel Verschiedenes reinkommt?
G: Also da muss ich sagen, da haben wir ja den Ralle, unseren Bassisten, der eigentlich Gitarre spielt, aber eigentlich vom Bass kommt und quasi wegen mir Bass spielt. Und der ist schon sehr ungeduldig und hat aber auch ziemlich gute Ideen für Arrangements. Also wenn ich ein Riff absondere, das mir die ganze Zeit im Kopf herumschwirrt, da hat er schon ziemlich schnell eine Idee, wie man das in ein Arrangement einbauen kann. Was ziemlich förderlich ist für Songwriting in einer Band. Das läuft ziemlich gut muss ich sagen. Aber so großartige Gedanken machen wir uns irgendwie gar nicht.

S: Das geht eigentlich alles ganz schnell.

G: Das ist ziemlich viel Spontanität muss man sagen. Aber auch das Strukturelle stimmt, also wie man Songs erarbeitet.

S: Also ich würde mal so sagen: Ralle ist ganz zentraler Teil unserer Band, und er ist ein sehr entscheidungsfreudiger Typ und das verhindert, dass man sich irgendwann verzettelt. Oder es gibt Bands, die arbeiten 3 Wochen lang an einem Song.

G: Wenn es bei uns nach 20 Minuten nicht funktioniert, dann schmeißen wir das weg.

S: Das tut dem Ganzen echt super gut.

M: Ralle ist denke ich schon die zentrale Person, weil er auch musikalisch sehr gut aufgestellt ist, weil er auch viele Instrumente spielt. Er kann auch Saxophon spielen und gut singen und deshalb strukturiert er das relativ schnell, muss man einfach mal zu Gute halten. Auf der Platte hört man es vielleicht raus, da sind viele unterschiedliche Stilistiken drin verwurschtelt, aber ich glaube das kommt von einer ganz anderen Geschichte. Weil wir sind halt alle relativ große Musiknerds und bei uns geht wirklich alles von Soul, Funk über Hardcore, Noise. Wir sind relativ breit aufgestellt und das spiegelt sich irgendwann wider und dann ist da eine Idee, die wird ganz schnell aufgegriffen, umgesetzt und wenn sie doof ist auch weggeworfen. Das dauert nie länger als eine viertel Stunde, zwanzig Minuten. Jamsessions oder so haben wir nie gemacht oder rumgelärmt.

S: Das meiste ist eigentlich Zufall kann man sagen, das ergibt sich aus der Personenkonstellation. Ich kenne ganz andere Bands, wo das viel schwieriger ist, was fertig zu kriegen. Das ist sehr angenehm, dass das hier so ist. Man macht es deswegen zusammen, weil man festgestellt hat, dass es passt was wir zusammen machen. Was der Guschtel von der Gitarre her macht finde ich immer automatisch super.

G: Dito!

S: Ja, da gibt es nicht viele Diskussionen. Und wir proben relativ konzentriert. Wir haben keine Couch im Proberaum.

G: Überhaupt keine Sitzmöglichkeiten.

S: Genau. Die einzige Sitzmöglichkeit hab ich.

Das ist sportlich!
S: Es gibt ja viele Bands die im Proberaum abhängen, und dann steht da ein Kühlschrank drin, 3 Couches, ein paar schöne Lampen und was weiß ich was. Oder noch ein Fernseher, und dann wundert man sich nicht drüber wenn da nie was aus dem Proberaum rauskommt.

M: Wir proben im Luftschutzbunker aus dem 2. Weltkrieg, der ist ungefähr so 25 Meter unter dem Boden in Saarbrücken und da ist konstant die gleiche Temperatur, Sommer wie Winter. Wir haben keine Heizung drin, die Wände sind dick und es ist ungemütlich drin. Nein, eigentlich ist es gemütlich, aber man kann sich nicht setzen und es hat nur 9qm und es sind 800 Gitarrenverstärker und 2 komplett aufgebaute Schlagzeuge ständig drin. Also es hilft nur ganz pünktlich treffen, ganz konzentriert proben und dann wieder raus.

Ja, ich kenne das nur zu gut dass man im Proberaum doch gerne mal versackt.
M: Und dann ist noch Bier im Kühlschrank.

Das kommt dazu!
S: Früher als man noch jünger war, war das nicht so schlimm. Da war man noch nicht so eingespannt in Sachen. Da konntest du abends um 6 Uhr anfangen zu proben und konntest nachts um 4 wieder raus. Bei uns war das oft so, ich hatte Bands wo wir mehrere Blöcke an einem Tag durchgeprobt haben und wir dann was Essen gegangen sind und weiter geprobt haben. Das kannst du aber nicht machen wenn du am nächsten morgen zur Arbeit musst und Kinder hast. Das sind dann andere Zeiten. Also so lange wie man das kann soll man das ausnutzen.

Jetzt haben wir schon ganz viel über das Songwriting geredet, da fehlt natürlich noch die Textebene. Was bewegt euch denn thematisch gerade oder generell? Seid ihr eine Band, die über eine Albumlänge eher einen roten Faden haben will oder schreibt ihr einfach drauf los?
M: Ja das ist eine schwierige Frage. Nein, also das ist jetzt kein Konzeptalbum. Natürlich sind wir irgendwann gestartet und dann müssen auch irgendwann Texte her, aber dann werden Songs geschrieben und um irgendwie weitermachen zu können schreibt man dann 8 Texte. Aber im Grunde sind die Ideen für die Texte immer da, die schwirren ja im Kopf rum und das sind Themen, die im Grunde seit 30 oder 40 Jahren im Kopf rumschwirren und immer nochmal im anderen Modus im Laufe der Jahre auch mit drin sind und verarbeitet werden. Und die Themen stehen immer nochmal unter anderen Vorzeichen.

Es gibt Sachen, die immer wieder auftauchen und die verändern sich natürlich mit dem Alter. Das sind Sachen, die gesellschaftlich, politisch verankert sind, aber auch ein ständiger Abgleich: Wo stehe ich oder wo stehen wir denn noch nach all den Jahren zu so einem Thema. Um dann immer noch auf den Punkt zu kommen, eigentlich an der gleichen Stelle, nur die Vorzeichen haben sich verändert. So frisst sich das dann auch durch das Album. Ich mache mir da ständig auch Gedanken drüber, was haben wir denn da eigentlich geschrieben und im Grunde geht es immer wieder darum sich ständig zu reflektieren wo die eigene Position ist.

Klar, natürlich sind das immer wieder Themen wie Kommerzialisierung, Kapitalismus, Gewalt und Krieg und schlechte Politik und von welcher Seite man die beleuchtet. Also kann ich natürlich stundenlang reden halt. Aber um konkret auf das Album zu kommen, war die Idee nicht so in eine bestimmte Richtung das Ganze zu bringen, sondern das hat sich so entwickelt.

G: Ich dachte wir hatten ein Konzeptalbum gemacht?

M: Sollte eigentlich eine dreifach Live-LP werden, ja (lacht). Nein, aber da passt dann schon irgendwas und je mehr Stücke man schreibt und Texte dazu schreibt, dann entwickelt sich eins aus dem anderen. Und die Texte bauen auch ein stückweit aufeinander auf, also so sehe ich es auf jeden Fall. Manchmal ist es völlig kryptisch, manchmal ist es völliger Schwachsinn auch der da zusammenkommt und man greift irgendwelche Phrasen auf und wir lachen uns auch manchmal einfach kaputt. Ich singe einen Refrain, ihr versteht was ganz anderes und ihr singt dann aber auch Chorgesang, aber was ganz anderes als ich singe und das lassen wir dann aber auch so. Wird dann auch so aufgenommen und auf Platte gepresst, das merkt dann nur niemand. Oder man findet einen witzigen Satz von den Marx Brothers und den bauen wir auch ein. Da muss man so ein bisschen Selbstironie dann mal mitbringen.

Wie beim „Breakfast at Tiffanys“ Einspieler. Wie seid ihr darauf gekommen?
M: Genau. Keine Ahnung warum das genau. Da gibt es einfach nur das „get the mean reds“ (auch Name des Songs; Anm. d. Autors) und das sagt sie halt in dem Original und das war einfach so ein Satz, der blieb dann hängen und dann haben wir einen Text draus gemacht und haben gesagt: Ok, dann können wir auch die Sequenz davon samplen. Und das machen wir auch live mit einem Fußgerät und mein Sohn hat das irgendwann zusammengeschnitten auf die Sequenz, die auf der Platte ist. Ich hatte einfach den Satz im Kopf und da ging es um das Thema: Ich fühl mich so schlecht und weiß nicht warum und die Welt ist so schlecht und die Depression unserer Gesellschaft und dann haben wir gesagt, da war doch der Satz und dann basteln wir das alles zusammen. Wenn dann irgendwie was dabei herauskommt freuen wir uns alle.

Ich hab seitdem übrigens die ganze Zeit diesen 90er One Hit Wonder Song „Breakfast at Tiffanys“ im Kopf.
M: Ja genau, wer ist denn das eigentlich?

(Wilde Einwürfe von 90er One Hit Wonder Bands folgen bis mal Suchmaschinen bemüht werden).
Deep Blue Something hießen die.
G: Die können da heute noch von leben.

Wahrscheinlich. Aber um mal auf euren Bandnamen zurückzukommen: Was ist denn euer größter Trust Issue momentan?
G: That’s the fucking Bandname, oder? Der klingt so ein bisschen Hardcore…

S: Der Name hat sofort klick gemacht. Die Idee vom Ralle glaub ich war es.

G: Ja, der hat dann irgendwie erklärt, dass viel im Zusammenhang steht mit Donald Trump, als der Stress gemacht hat von wegen die Wahl ist gestohlen, bla bla bla. Da hat er das irgendwo gelesen.

S: Genau. Und was ist denn heute? Heute ist es schwierig mit den ganzen Filterblasen und Social Media und Fake News, ich finde das ist eigentlich das zentrale Thema unserer Zeit wenn man so will. Da muss man sich jetzt langsam mit arrangieren irgendwie, wie man damit umgeht.

G: Krieg und irgendwelche Typen, die so 1000-jährigen Scheiß nochmal aufwärmen und das dann militärisch in der Ukraine voll durchziehen.

Anlässe für Trust Issues gibt es genug auf jeden Fall.
M: Ja, genug Anlässe um kein Vertrauen mehr zu haben gibt es auf jeden Fall. Aber vielleicht nochmal um das positiv auszudrücken, wir haben noch vertrauen in uns, in unsere Kreativität und deshalb machen wir jetzt immer noch was zusammen und da kann auch aus diesem negativ belegten Bandnamen auch was positives für uns gemacht werden. Wobei es tatsächlich so war als wir uns entschieden haben für den Namen, musste ich immer ans Trust Zine denken! Weil seit ’86, ich hab immer noch das Trust im Abo. Also ich bin das, kannst du mal so sagen (lacht).

Das ist Kundentreue, das loben wir uns! Aber mal zurück zu euch: Wo wollt ihr noch hin mit Trust Issues? Gab es vielleicht Sachen mit euren vorherigen Bands, bei denen ihr euch sagt: Das haben wir mit denen nicht geschafft? Also ich rede jetzt nicht von großen Hallen füllen, aber so kleine Sachen bei denen man denkt, das wäre vielleicht einfach ganz cool wenn wir das machen.
G: Also was ich denke ist, dass wir das Material für das zweite Album schon fertig haben und das hatte ich vorher noch nie in dieser Geschwindigkeit. Und das ist eigentlich so das nächste, was wir vorhaben. Also schnellstmöglich die Sachen aufnehmen und auf Vinyl pressen.

M: Klingt schon irgendwie ein bisschen merkwürdig. Wir haben gerade die Platte herausgebracht, haben aber schon genügend Songs um ein zweites Album zu machen. Finden wir natürlich auch alle saugut, früher hat man immer gesagt: Oh die neuen Songs sind noch viel besser! Würde ich jetzt nicht sagen. Die sind auch sehr gut, nur anders vielleicht. Das hat sich schon irgendwie weiterentwickelt. Das Wesentlichste ist aber eigentlich für mich und ich glaube für die anderen auch, relativ viel zu spielen. Und das ist im Moment gerade ein bisschen schwierig. Viele Bands sind jetzt gerade alle wieder am Start, sind alle wieder auf Tour, auch Bands von Übersee und so. Gerade als Band, die da nochmal neu auf dem Tableau ist und mit einer neuen Platte und so nochmal reinzukommen ist natürlich ein ständiger Kampf. Aber wir haben bock so viel wie möglich zu spielen. Und genau hier, alle die Trust lesen, bei uns melden und Gigs mit uns abmachen!

Auf jeden Fall, macht das!
M: Aber so, dass wir unbedingt ein Ziel hätten, da und da müssen wir hin, das ist natürlich Quatsch. Guschtel hat es gesagt, es ist ein Hobby von uns, wir sind alle Familienväter bis auf einen und alle irgendwie relativ crazy in Jobs drin mit ganz viel Arbeit und da kann man natürlich nicht einfach 4 Monate auf Tour. Das ist völlig illusorisch und will auch niemand. Oder? Ich hätte gerne einen Nightliner für mich alleine, wo ich Yoga machen kann und so!

Also halten wir fest: Kleine Tour oder zumindest einige Gigs sind für die nächste Zeit auf jeden Fall noch geplant.
M: Genau, wir werden jetzt ein paar Gigs spielen, machen im Juli eine Release-Party hier in Saarbrücken in einem Club. Sowas ganz kleines. Im September spielen wir mit Spermbirds, also so ein paar Sachen stehen schon. Und klar, wir sind immer so ein bisschen die Fühler am ausfahren, da an Locations heranzukommen. Wir kennen natürlich noch ein paar Leute, die früher schon was gemacht haben und heute was machen. Ist aber schwierig, viele Bands wollen spielen. Ist auch ok.

Hoffen wir das Beste! Leute, vielen Dank für eure Zeit und hoffentlich bis bald!

Interview: Nils Dornhauser

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