Januar 1st, 2024

24/7 Diva Heaven (#216/Oktober/November 2022)

Posted in interview by Jan

24/7 Diva Heaven

Ein Album hat mich im letzten Jahr gleichermaßen überrascht wie begeistert: „Stress“ von 24/7 Diva Heaven aus Berlin. Der Sound aus vornehmlich Grunge mit leichter Punkkante und immer wieder ein wenig Pop klang zwar ungewohnt, holte mich aber aus dem Stand ab und begleitete mich durch das zweite pandemische Jahr. Ich informierte mich über die Band und stieß dabei auf etliche spannende Aspekte, über die ich unbedingt mehr erfahren wollte. Einer Interviewanfrage stimmte die Band umgehend zu. Aufgrund von Corona, damit zusammenhängenden aber auch davon unabhängigen Krankheiten, Touren und anderen Terminfindungsschwierigkeiten blieb es zunächst bei einem sympathischen Mail-Austausch. Schließlich fanden wir einen Termin, und so traf ich mich an einem der ersten richtig heißen Sommertage mit Kat im Schatten vom Rockhouse in Berlin-Lichtenberg, wo 24/7 Diva Heaven ihren Proberaum haben. Wir hatten beide eisgekühltes alkoholfreies Bier mitgebracht, womit wir bestens versorgt waren für ein sehr entspanntes und anregendes fast zweistündiges Gespräch.

Hi Kat, schön, dass es geklappt hat. Erzähl doch zum Einstieg erstmal was zu euch als Band. Wer sind 24/7 Diva Heaven?
Kat (24/7 Diva Heaven): Hallo, freut mich auch. Also, 24/7 Diva Heaven sind Karo, Mary und Kat. Und uns gibt es seit 2017. Da hab ich mich mit Mary, unserer Drummerin, hier im Rockhouse in unserem jetzigen Proberaum getroffen und gejammt. Wir haben dann ziemlich schnell gemerkt, wir wollen auf jeden Fall jemanden dabei haben und wollen ’ne richtige Band draus machen. Irgendwie hatten wir beide die Eingebung, wir hätten gern ’ne weitere Frau dabei. Also gar nicht nur super politisch motiviert, sondern auch vom Gefühl her dachten wir: So ’ne Frau am Bass würde uns gut komplettieren. Und wir hatten dann über Bekannte und Ecken erfahren, dass Karo, die wir so von der Theke und von Konzerten kannten, Bass spielt. Das wussten wir gar nicht. Wir haben sie direkt angesprochen, und dann kam sie ein paar Monate später dazu. Und ich würde sagen, so ab Mitte/Ende 2017 haben wir dann das erste Mal zu dritt gejammt. Und dann haben wir 2018 unsere erste EP aufgenommen. Und im Jahre 2021 kam dann unser erstes Album „Stress“.

Und die EP war „Superslide“, ne? Ist die eigentlich nur auf Tape erschienen oder auch auf CD?
Die EP war „Superslide“, genau. Und die ist auf Tape und auf CD erschienen, aber nicht auf Vinyl. Aber wir haben die auf so einer alten analogen Bandmaschine aufgenommen. Das liest man häufiger im Internet, weswegen auch manche denken, das wär nur auf Tape rausgekommen. Vinyl kam dann erst später mit dem ersten Album.

Da kommen wir auf jeden Fall auch noch drauf zu sprechen – ein wahnsinnig gutes Album wie ich finde. Noch eine Rückfrage: Karo war quasi eine Tresenbekanntschaft. Aber Mary und du, ihr kennt euch schon länger? Und hattet ihr auch schon vorher mal musikalisch miteinander zu tun?
Also, es ist jetzt nicht so, dass Mary eine alte Kindheitsfreundin oder so von mir wäre. Aber wir hatten uns vor einigen Jahren, vielleicht so drei Jahre vor der ersten Probe, auf ’nem Festival kennen gelernt über Freundinnen und Freunde. Und dann haben wir uns immer mal auf Parties gesehen oder auf Konzerten getroffen. Das war eher so eine lose Bekanntschaft, und haben auch nie zuvor Musik zusammen gemacht. Wir hatten auch gar nicht über Musikmachen gesprochen am Anfang. Irgendwer hatte Mary dann aber erzählt, dass ich Gitarre spiele und singe.

Und sie suchte schon länger Leute für ein neues Projekt, und dann hatte sie mich irgendwann angesprochen und meinte: Mensch, ich wusste gar nicht, dass du auch spielst. Haste nicht Bock? Bock hatte ich schon, aber ich hab mich nicht getraut und hab Mary glaube ich ein halbes bis dreiviertel Jahr hingehalten. Nachdem sie immer wieder nachgefragt hat – was gut war, habe ich mir irgendwann ein Herz gefasst und hab gedacht: Na gut, okay, machen wir’s! Ich hatte jahrelang auch nicht mehr wirklich viel gemacht. Ich hatte als Teenie irgendwie Teeniebands, aber ich hab dann mit 20 oder Mitte 20 kein eigenes Projekt mehr gemacht und ich habe nie eine eigene Band gegründet. Aber ich war immer neidisch, wenn ich Bands auf der Bühne gesehen hab und hab dann gedacht: Scheiße, eigentlich kann ich auch was spielen. Warum mach ich das eigentlich nicht? Und dann dachte ich: Oh ne, kann ich überhaupt Songs schreiben? Weiß ich nicht, krieg ich nicht hin. Ich glaub das kann ich nicht. Und Mary hat mich so lange genervt, bis ich gesagt habe: Na gut, probieren wir’s. Und ja, seitdem sind wir nicht mehr auseinander gegangen.

Ja, megagut! Großartig, dass Mary so hartnäckig war.
Ja, Mary ist verdammt hartnäckig – in allem! Das kannst du gern reinschreiben. Hahaha!

Und wie war das bei Mary?
Mary hat sich glaub ich hier in Berlin relativ viel durchgejammt durch verschiedene Projekte, ist aber nirgendwo fest hängen geblieben. Da will ich jetzt nicht für sie sprechen und kann nicht sagen warum nicht. Irgendwie hat das nicht so richtig gefunkt, das hat dann erst in unserer Dreier-Konstellation so richtig hingehauen. Sie hat aber auch schon als Teenie angefangen, so wie ich. Wir waren damals jeweils eine der wenigen Mädchen sag ich mal, die als Teenie Musik gemacht haben in der Schule. Und wir hatten dann beide ähnliche Erfahrungen, dass wir die einzigen waren, die dann da gestanden haben auf ’ner Bühne vor Jungs. Mary hatte als Teenie schon ihre Konsequenz draus gezogen und hat sich andere Mädels gesucht und hatte schon ’ne Teenie-Mädelsband früher gehabt. Die hießen „Quergestreift“. Das war dann aber glaub ich auch das letzte Projekt, in dem sie fest war.

Wie bist du oder wie seid ihr denn überhaupt zur Musik gekommen? Gab es diesen Impuls: Ich hab Lust ein Instrument zu spielen und zu lernen oder ich bring mir das selbst bei. Oder war es so: Da sind immer nur Typen auf der Bühne, und andere machen es auch. Oder kam das von der Familie aus? Denn so war es bei mir zum Beispiel: Ein Instrument zu lernen, wurde da sehr früh nahegelegt und habe ich dann auch gemacht.
Wenn ich jetzt an mich zurückdenke, also ich war immer schon ein krasser Musikfreak. Als ich jünger war, waren das durchaus auch so Girlbands. Mit 12, 13, 14 war es dann knallhart Nirvana. Ich war so richtig im Grunge-Fieber, habe aber auch alles Mögliche wie z.B. Metal gehört. Ich komm ja vom Dorf, da wird gerne sehr viel harter Metal gehört. Meine Mutter und mein Stiefvater kommen auch aus dem Rockmusikbereich, also die hören das selbst und haben mich damit sozialisiert. Ich hab immer Tapes bekommen, bin zu Metallica eingeschlafen uns sowas. Es wurden mir so Mixtapes aufgenommen und zum Schlafengehen habe ich das dann gehört.

Auch mit Led Zeppelin und viel so Classicrock. Also ich bin auch ordentlich mit Metal sozialisiert worden. Aber diese Grunge-Nummer, das war richtig krass mein Ding. Und dann war es so, dass ich so’n richtig nerviger Teenager war für meine Eltern. Und als ich dann irgendwann mal Mist gebaut hatte, so mit 12 oder 13, hatte ich einen ziemlich langen Hausarrest bekommen von meiner Mutter, weil es ihr gereicht hat, auch wenn sie an sich sehr cool ist. Und dann war mir langweilig, ich war frustriert, und es war Sommer. Und dann hatte meine Mutter gesagt: Du hörst doch soviel Musik. Und dein Kurt Cobain, der da überall hängt, der spielt doch Gitarre.

Dann spiel doch auch mal Gitarre. Du musst dich jetzt ja irgendwie beschäftigen, du hast ja Hausarrest. Und dann hab ich gesagt: Ach, das find ich glaub ich ganz gut. Und dann hat sie mir eine Gitarre vom örtlichen Elektrofachgeschäft geholt. Und dann hab ich angefangen Gitarre zu spielen, und das hat mich dann nicht mehr losgelassen. Ich hab dann wirklich die ganze Zeit gespielt, auch schon morgens beim Aufstehen und so. Das war der beste Tipp ever, ich war dann richtig in love mit der Gitarre. Und ich glaube bei Mary, so wie sie es immer erzählt, war es so gewesen, dass sie auch immer sehr viel Musik gehört hat und viel mit Deutschpunk sozialisiert ist.

Gerade viel mit Wizo und Die Ärzte, so wie ich auch. Da sind wir uns sehr ähnlich. Und sie hat dann einfach gesagt: Das will ich auch! Ich will auch so geil spielen auf der Bühne. Also sie hat Leute auf der Bühne gesehen und wollte das auch. Das finde ich so erstaunlich an Mary. Ich hab mich damals eher noch so’n bisschen geschämt, und Mary hat es einfach gemacht und hat sich dann auch noch andere Mädels gesucht. Das finde ich immer noch sehr bewundernswert an ihr, dass sie sich was in den Kopf setzt und sagt, sie macht das jetzt. Und so hat sie das damals auch gemacht. Und das waren auch nicht nur weibliche sondern auch männliche Vorbilder. Sie hat es einfach so gesehen: Krass, das will ich auch, und das mach ich jetzt.

Gerade was du zuletzt beschrieben hast ist ja ein ganz wichtiger Punkt, wenn wir uns das Genderverhältnis und Sexismus in der Rockmusik angucken. Da kommen wir später noch zu. Es ist ja cool, dass deine Mutter dich damit bestärkt oder überhaupt dazu gebracht und gesagt hat: Pass auf, Kat, ich kauf dir jetzt ’ne Gitarre. Dann spielst du einfach mal selber. Es nervt mich, dass du immer nur Musik hörst. Eigentlich ja stark und cool. Daran anschließend die Frage: Wie war sonst die Resonanz? Was für’n Feedback habt ihr von euren Friends und anderen Teenies bekommen? Jungs machen ja oft einfach. Und dann kann sich die Band noch so blöd und scheiße anhören, und sie werden trotzdem dafür gefeiert. Bei FLINTA*-Bands wird oft ein doppelter Standard angelegt, und es wird sich eher darüber mokiert und lustig gemacht. Gerade im Teenie-Alter stelle ich mir das unglaublich schwer vor. Und deshalb die Frage: Was waren eure Erfahrungen? Gab es auch andere Ermutigungen aus euren Freund*innenkreisen oder wie sah es da aus?
Also erstmal stimme ich dir zu. Es wird total ein doppelter Standard angelegt, und man muss sich immer eins mehr beweisen. Was dazu führt, dass sich die Leute auch weniger trauen. […] Also das gilt jetzt nur für mich, weil ich ja hier nicht für die anderen beiden sprechen kann. Ich war wirklich das einzige Mädchen auf meiner Schule, das ein Instrument gespielt hat, das nicht Blockflöte oder Geige war. Und da hat man einen Sonderstatus auf jeden Fall. […] Also ich hab ja dann mit vielen Jungs zusammengespielt, und die haben das glaub ich erstmal ganz gut hingenommen und sich auch überwiegend ganz cool verhalten. Im Nachhinein fallen einem immer Sachen ein, die nicht in Ordnung waren, die einen getroffen haben, aber die man damals noch nicht als abwertend wahrgenommen hat. Was regelmäßig passiert ist, dass irgendjemand „ausziehen“ gerufen hat. Das war immer so. Gut, Teenies machen dumme Witze, aber tatsächlich hat das ja nie jemand bei den Jungs gerufen.

Und dann stehst du mit 15 auf der Bühne, deine Eltern gucken beim Konzert zu, und irgendein Heini ruft „ausziehen“. Und dann denkst du nur so: Oh man, jedes Mal derselbe Scheiß! Ich hab dann irgendwann auch angefangen, provokativ damit umzugehen und hab dann in meinem jugendlichen Leichtsinn gern auch wirklich mal blank gezogen und hab gesagt: So, hier bitteschön. Biste jetzt zufrieden? Und dann war es ihnen immer peinlich. Ja, das war dann in meinem Übermut, das würde ich jetzt nicht mehr so machen, aber das hab ich eben damals so gemacht. Tatsächlich hab ich mich nie so richtig wohl gefühlt, muss ich sagen. Ich hatte immer dieses Gefühl ich muss immer ein bisschen mehr liefern. Nicht weil immer jemand gekommen wäre und immer was Schlechtes gesagt hätte. Aber allein die Tatsache, dass immer zu mir was gesagt wurde und zu den anderen vielleicht dann nicht.

Also immer dieses extra Feedback. Entweder ist es gut gemeint: „Für ne Frau oder für’n Mädchen spielst du richtig gut.“ Oder dieses: „Du, das war schon richtig gut. Aber wenn du das noch ein bisschen so machst und das andere so, wird es nochmal ein bisschen besser.“ Und ich meine, die anderen Dudes, mit denen wir zusammen gespielt haben, die haben auch rumgerumpelt wie die letzten Besoffenen. Die waren auch nicht alle tight. Wir waren halt Teenies. Das merkt man aber erst im Nachhinein, was man da eigentlich für einen Sonderstatus eingenommen hat. Mir war das damals nicht so bewusst. Aber was du auch gesagt hast, mit diesen Vorbildern: Also ich hab damals regelmäßig Konzerte besucht bei uns im Jugendzentrum. Das war so eine wichtige Anlaufstelle für mich und ein wichtiger Treffpunkt auch für mich und meine Freund*innen auch. Und da waren immer Underground-Konzerte – Props ans Juze Sulzbach an dieser Stelle.

In Hessen in der Nähe von Frankfurt am Main im Main-Taunus-Kreis. Also im Jugenzentrum in Sulzbach wurde sich jeden Freitag getroffen, es wurde Musik gehört, es waren immer Jams, es gab nen Proberaum, es gab Konzerte. Und da haben auch viele Metal- und Alternative-Bands gespielt und die meisten, also ausnahmslos alle bis auf eine – Pillow Fight Club, das war die einzige Mädelsband, die es gab und die ich hart gefeiert hab – gab es nur Typen auf der Bühne. Und ich glaube, wäre das anders gewesen, hätte ich da auch mal jemanden gesehen und als Vorbild nehmen können, dann hätte es sich ein bisschen normaler angefühlt.

Und ich hab mich, also wenn ich zusammenfassend sagen würde, wie ich mich da eingefügt oder wie ich mich gefühlt hab, dann habe ich mich immer ein bisschen geschämt. Und ich hab immer gedacht: Ich bin noch nicht gut genug. Dabei haben die anderen genau das gleiche gemacht wie ich, und die sind einfach auf die Bühne gegangen und haben gespielt. Aber ich sag das gerne mal dazu: Die meisten Leute meinen es nicht böse. Ich hab viele Gespräche, weil es jetzt ja wie gesagt gerade der Zeitgeist ist. Wir reden darüber und die Dinge liegen auf dem Tisch. Und ich hab viele Diskussion geführt auch mit der Generation meiner Eltern. Meine Eltern haben so einen kleinen Rockmusikverein in Schwalbach am Taunus und machen einmal im Jahr so ein Open Air, auf dem wir dieses Jahr auch spielen, und ansonsten machen sie so kleine Konzerte.

Mit den Leuten aus dieser Rockmusikszene, die jetzt so um die 60 bis 70 sind, mit denen diskutier ich da gerne drüber. Und viele empfinden das als Angriff – und nicht nur Männer, sondern auch Frauen, wenn ich sage: Das und das solltet ihr vielleicht nicht sagen, weil das nicht gut aufgenommen wird oder weil das nicht fair ist. Und ich verstehe, dass das auch nicht böse gemeint ist, aber man unterschätzt wirklich wie unterbewusst Leute Dinge machen oder sagen, die nicht böse gemeint aber dennoch ätzend oder verletzend sind. Wir haben mal in Augsburg gespielt, was ein sehr schönes Konzert war. Und der Laden hatte ner Lady gehört.

Da hat ne Band vor uns gespielt, und als ich rausging, hab ich gehört wie sie gelästert hat über das Mädel, das gesungen hat: „So eine Quietschstimme, das kann man sich ja nicht anhören. Oh, diese schlimmen weiblichen Quietschstimmen.“ Das ist auch so’n Ding, was sehr oft gesagt wird: „Musik mit weiblichem Gesang mag ich gar nicht.“ Und dann kamen die Leute aber zu mir, als unser Album rauskam und sagten: „Also normalerweise hör ich gar keine Musik mit Frauen, aber du gefällst mir, weil du besonders rough singst.“ Das wird auch oft gesagt. Und das fühlt sich nicht gut an. Und man vergisst oftmals bei dem, was man sagt: Wo kommt das eigentlich her? Warum sag ich das? Und reproduzier ich da nicht ständig irgendwelche alten Strukturen und merk das gar nicht, mein es nur gut und will nur einen guten Tipp geben.?

In dem Fall sind es jetzt sexistische, aber ähnlich ist es ja auch mit rassistischen Klischees und Stereotypen, die sich gerade ja bei Älteren aber auch bei vielen Jüngeren immer noch bis heute halten. Auch wenn wir uns da in Teilen gesellschaftlich ein Stück bewegen und einige mehr auf Sprache achten, wird mensch ja doch auch mit soviel Mist konfrontiert, wenn die eigene Bubble verlassen wird. Man wird sich da dann immer wieder an dem gleichen Scheiß abarbeiten.
Es ist ein langer Prozess. Ich mein ich wohn aufm Dorf in Brandenburg, ich weiß wovon ich spreche. [lacht]

Sicher ein ganz schöner Realitätscheck.
Ja, aber ich finde es auch wichtig. Es kommt manchmal so rüber, als ob wir so ne elitäre Gruppe von drei Feministinnen wären, die sagen: Wir wollen mit der Außenwelt nichts zu tun haben, und wir leben in unserer Berliner Bubble. Aber das ist nicht so. Ich kann jetzt wieder nur von mir sprechen, aber die anderen beiden würden mir sicher zustimmen, dass ich sehr bemüht bin, mit allen in einen Dialog zu gehen. Natürlich hat man nicht mehr auf alles Lust, und manchmal muss man abblocken. Aber generell will ich ja gar nicht, dass die Welt nur so ist wie in Berlin, sondern es soll all das drumherum geben. Aber wir müssen schon versuchen, auf einen gemeinsame Zweig zu kommen und uns als Gesellschaft weiterzuentwickeln.

Was auch bedeutet, dass man auch mit den Nachbar*innen in Brandenburg vernünftig darüber reden kann, ob es jetzt ok ist, dass man immer noch das N***-Wort nutzt. Ob man das mit einem Zeigefinger machen muss, und sie dann per se nicht zuhören, oder ob man andere Mittel und Wege findet, ist die Frage. Mir ist immer wichtig, auch nicht zu sagen „Ihr seid die. Wir sind die“, sondern nach Möglichkeit einen Konsens zu finden. Einigermaßen. Sehr hippiesk ausgedrückt. Aber manchmal geht‘s auch nicht, und es wird nur schlimmer.

Ja, genau. Manchmal geht’s eben auch nicht. Und manchmal ist es auch der viel bessere Weg, nicht mit den Leuten zu reden. Sobald ich merke, dass es ideologisch motiviert oder gefestigt ist, verweiger ich die Kommunikation mit solchen Leuten. Aber was du beschrieben hast in Bezug auf rassistische oder sexistische Wortwahl, diese Diskussionen habe ich mit meinen Eltern durch. Und natürlich habe ich mit denen geredet. Wobei ich es in meiner Kindheit und frühen Jugend auch einfach so hingenommen habe. Aber als ich mich politisiert hab als Teenager, hab ich sie dann konfrontiert. Anfangs war ich sicher wütend. Aber ich bin dann mit ihnen in Dialog getreten und hab ihnen in Ruhe erklärt, was an bestimmten Begriffen problematisch ist und warum sie die tunlichst nicht nutzen sollen. Das war ihnen bisher nicht bewusst gewesen oder sie hatten sich keine Platte gemacht. Aber sie haben es verstanden und gehen heute sehr bedacht mit ihrer Wortwahl um.
Es kann auch sein, wenn du ihnen das erklärst, dass sie es nicht gut finden. Aber wenn sie es immer wieder hören von verschiedenen Seiten und man versucht, dass auch mal ein bisschen auseinander zu nehmen und dahinter zu blicken, warum solche Worte nicht mehr benutzt werden sollen, hat das einen Effekt. Und je mehr Erfahrungsberichte man auch im Fernsehen sieht und hört von Leuten, die sich dadurch angegriffen fühlen, desto mehr passiert da. Man kann auch nicht erwarten, dass dir irgendwer ihre/seine Weltsicht präsentiert und du es direkt verstehst und auch annehmen kannst. Es dauert eben ein bisschen, und ich bin zwar nicht guter Dinge, aber ich würde sagen es geht zumindest einen Schritt voran. So langsam hab ich den Eindruck. Es geht in den Dialog und es liegt was auf dem Tisch. Das ist schon mal gut. Und es lag schon viel früher auf dem Tisch, hoffen wir also mal, dass es jetzt dabei bleibt, Veränderungen anzustoßen.

Ich vermute du meinst damit die Diskussion um Sexismus im Punk bzw. in der Rockmusik. Da würde ich gern später nochmal genauer drauf eingehen, habe aber vorher noch ein paar Fragen zu eurer musikalischen Entwicklung. Du hast ja schon angedeutet, dass Grunge für dich megawichtig war im Teeniealter. War das für die andern beiden auch so und war es klar, dass es bei euch musikalisch in diese Richtung gehen soll? Denn ihr macht ja zweifelsohne Grunge. Zwar mit Punkeinschlag und durchaus melodisch, aber im Kern ganz klar Grunge.
Also wir haben uns nicht festgelegt und haben uns nicht getroffen und gesagt: Das wird jetzt eine Grunge-Band. Zumal Grunge – jetzt hatten wir ja richtig Glück, dass das wieder im Kommen war – vor fünf Jahren doch ein bisschen uncool war. Also alle Bands, die ich kenne und die annähernd sowas gemacht haben, tauchten in irgendwelchen Magazinen gar nicht auf. Und wenn haben sie vermieden, das Wort Grunge zu nennen. Das war dann Alternative-Rock oder so. Aber auch das war lange ziemlich uncool. Also wir haben uns nicht hingesetzt und gesagt: Das wollen wir machen! Am Anfang sind wir da total unbedarft rangegangen und haben einfach erstmal gejammt.

Und weil ja Punksachen immer einfach zu spielen sind, und wir es auch gerne laut und schnell mögen, haben wir erstmal so punkige Sachen gemacht. Unseren allerersten Song, den wir jemals geschrieben haben, spielen wir auch immer noch live. Der ist ein 1A-Punksong. Dass es dann in diese jetzige Richtung gegangen ist, ist dem geschuldet, dass ich die Gitarre spiele und auch singe. Meistens habe ich schon zu Hause eine Riff-Idee oder eine Textzeile oder meistens eine Gesangsmelodie und bring das dann mit in den Proberaum. Und dann gibt es entweder ein Veto oder wir probieren es mal aus. Da ich eben überwiegend das Songwriting vorbereite, hört man schon meine musikalische Sozialisierung sehr dolle raus. Karo und Mary haben das auf jeden Fall auch alles gehört, wobei Mary glaub ich noch mehr ausm Punk kommt.

Und Karo ist schon immer so ein Musikfreak-Kiddo gewesen, ihre Eltern waren schon krass musikalisch und der Vater ist auch Musiker. Karos Eltern haben so einen ähnlichen Musikgeschmack wie wir eigentlich. Sie ist aber auch viel mit New Wave und Malaria und solchen Sachen aufgewachsen. Auch Electropunk und so Kram findet sie richtig geil, aber auch viel so 70ies-Rock. Das war bei ihr sehr vielfältig. Aber auf Nirvana und so Sachen können wir uns einigen. Und Karo ist einer der größten L7-Fans, die ich kenne. Die sind ja auch im Grunge-Spektrum zu finden, ein bisschen mehr mit Metaleinschlag. Ich weiß noch, als wir angefangen haben zu jammen, hab ich gerade viel so Bands wie Deep Valley gehört. Das ist so’n Duo aus den USA, und die machen eher so garagige Sachen mit so’nem bisschen bluesigen Gesang.

Am Anfang haben wir auch eher so ein bisschen punkig und garagig gespielt. Und dann kam aber irgendwie mein Gen durch. Das was ich an Nirvana so toll fand, das war dieser Krach. Ich liebe Krach. Ich liebe es, wenn es laut wird. Und ich liebe es auch, wenn geschrien wird. Diese Energie, die brauch ich auch. Das liebe ich bei allen möglichen Bands. Und was ich immer mochte, war diese Kombination mit Melodien. Wir wollten und wollen nicht klingen wie eine andere Band, aber für mich ist ein Song super, wenn er Energie rüberbringt, irgendwie noisy und nicht zu gefällig ist, aber gleichzeitig so eine Melodie hat. Und dieses Konzept von Nirvana-Songs: Mit wenig Mitteln etwas sehr präzise auf den Punkt bringen, ein Gefühl oder irgendetwas.

Ich glaub das war auch so’n Anspruch. Am Anfang haben wir uns manchmal an komplizierteren Sachen und längeren Songs versucht. Einen Song von unserer EP, „Half Moon“ heißt der, spielen wir heute immer noch manchmal live aber ganz anders. Der war viel länger und viel verschachtelter. Und dann haben wir gemerkt: Nein, stopp! Wir müssen es auf den Punkt bringen. Außerdem wollte ich kein Album machen, jetzt als Songwriterin der Band, was sich einfach so durchhört, und du kannst dich am Ende an keinen einzigen Song erinnern. Ich mag es, wenn Songs eine Identität haben oder ne Hook oder du irgendwas wiedererkennst, eine Melodie oder ein Riff oder so. Der Anspruch ist natürlich hoch. Und diese Mischung – nicht zu gefällig, nicht zu poppig, aber auch nicht zu krass, dass man nichts mehr wiedererkennt – das war der Leitfaden für unser erstes Album „Stress“.

Du hast ja eben L7 angesprochen. In anderen Interviews hab ich regelmäßig gefunden, dass die Interviewenden L7 immer wieder angeführt haben, du du aber jedes Mal erwidert hast: Das war für mich gar nicht so der Bezugspunkt.
Hole fand ich klasse.

An Hole hab ich auch eher gedacht, als ich euch das erste mal gehört hab. Ich hatte gar nicht L7 im Kopf, sondern es hat mich eher an Hole erinnert, vor allem bei den Gesangsmelodien.
Ja, würde ich auch eher sagen, wenn man mich jetzt danach fragen würde. Aber im Endeffekt habe ich nicht versucht, an irgendwas zu denken und irgendwas nachzuahmen. Denn ich finde das hört man immer, und das macht auch keinen Spaß. Es macht mir auch keinen Spaß, wenn ich andere Bands höre und sehe und dann denke: Ah, die sehen genauso aus, die machen den gleichen Sound wie die Band, die sie gerade nachahmen wollen. Das ist doch doof. Dass man Elemente nimmt und die mischt oder Einflüsse hat, ist ganz normal. Aber ich würde mich nicht hinsetzen und studieren: Wie geht ein Hole-Song? Und so mach ich den jetzt. Oder wie geht ein Nirvana-Song?

Und genauso muss das jetzt immer klingen. Dass man sich da Ideen gern rauspickt vom Songrwriting, das ist klar. Aber L7 war für mich tatsächlich nicht so ein Thema. Ich find sie auch richtig richtig gut, hab sie aber erst später kennengelernt. Karo ist wie gesagt Riesen-Fan. Das ist auch einer ihrer größten Einflüsse, den sie in die Band mitbringt. Ich hab irgendwann Babes in Toyland gern gehört. Da hab ich alle Vinyls zu Hause. Die hab ich aber auch erst später mit Anfang 20 kennengelernt. Gut, ich kannte die vielleicht vorher auch schon, aber mir wurde erst später bewusst: Ach so, diese Bands gibt es ja auch, und die sind ja genauso geil. Warum wurden die eigentlich nicht oder nur wenig gespielt? Es ist auch hier wieder so typisch, dass die vier großen Jungsbands im Fokus standen.

Ja, auch auf dem Höhepunkt der großen Grunge-Welle haben wie so oft wieder nur die Typen-Bands die Aufmerksamkeit bekommen, die großen Touren gespielt und den finanziellen Erfolg eingefahren. Bemerkenswert ist ja auch, dass die Grunge-Welle zwar riesig aber eben auch eine relativ kurze Episode Anfang der 90er Jahre war. Ihr habt die aufgrund des Alters [Anm.: Kat ist Jahrgang 1989] zu der Zeit ja gar nicht direkt mitbekommen und auch ich war erst 12 als ich Nirvana mit Nevermind das erste Mal gehört habe. Aber nicht nur 10 Jahre später für euch hat die Band noch so eine große Rolle gespielt, sondern bis heute setzt sich das fort. Noch heute rennen ja die Kids mit Nirvana-Shirts rum.
Die Teenies hören den Shit. Ich sitze auch nicht mehr zu Hause und höre mir die ganze Zeit Nirvana an. Für mich ist das auch eher was aus meiner Jugend. Aber ich genieße es immer noch, wenn es läuft. Und manchmal mach ich es auch mal bewusst im Auto oder zu Hause an. Ich kann auch alles in- und auswendig. Aber irgendwann hatte ich mich auch ein bisschen satt gehört.

Klar, vor allem an den Songs, die auf jeder mittelmäßigen Party und ständig im Radio gespielt wurden und immer noch werden. Aber es gibt natürlich starke Songs wie Polly zum Beispiel.
Ja, so viele gute Songs! Hammer, was für eine Hitmaschine! Bewundernswert, wie sie es mit so einfachen Mitteln so gut auf den Punkt gebracht haben. Jetzt kommt wieder so eine Grunge-Welle. Die Kids rennen alle mit Holzfällerhemden rum und bei H&M gibt es jetzt wieder Nirvana-Shirts. Es ist ein Phänomen, und anscheinend holt es Leute in einem bestimmten Alter im Abstand von ein paar Jahren gleichermaßen immer wieder ab.

Aber auch spannend zu sehen: Wir haben diese kurze, sehr heftige und riesige Grunge-Welle Anfang der 90er Jahre mit Bands, die bis heute getragen werden und immer wieder da sind. Und trotzdem gab es in all diesen Jahrzehnten keine Grunge-Bands, die sich neu gegründet und eine größere Rolle gespielt hätten. Wahrscheinlich gab es die, aber sie sind nirgendwo aufgetaucht und haben keine Resonanz gefunden. Vermutlich haben in Kellern einige existiert, aber eben nicht auf den Bühnen. Umso bemerkenswerter ist, dass es jetzt in den letzten Jahren hier in Berlin neben euch noch Riot Spears und Passionless Pointless aktiv sind – also gleich drei Grunge-Bands. Und in Köln gibt es noch Molly Punch, die punkiger sind aber auch viel Grunge-Bezuge haben. Und alle haben relativ zeitnah eine richtig gute Platte bzw. ein Tape veöffentlicht. Ihr Berliner Bands habt zudem alle eine ausschließlich und Molly Punch eine mehrheitliche FLINTA*-Besetzung. Und da habe ich mich schon gefragt: Hängt ihr alle zusammen? Oder habt euch gegenseitig beeinflusst?
Das ist eine sehr gute Frage. Dass zeitgleich so viele Bands aufgekommen sind, die in dieser Art wieder Musik machen, kann vielleicht mit unserem Alter zu tun haben und dass wir als Teenies Nirvana gehört haben. Außerdem ist jetzt so eine Zeit, wo sich tatsächlich was auf den Bühnen bewegt. Man spürt, dass es eine Bewegung gibt von mehr Frauen, die auf die Bühnen gehen und sich gegenseitig pushen. Als wir unser erstes Konzert gespielt haben, waren ganz viele Frauen da, und wir haben von vielen gehört: „Ich würde eigentlich auch gern eine Band gründen, trau mich aber nicht. Jetzt habe ich euch heute gesehen, und vielleicht gehe ich doch mal in einen Proberaum.“

Und zack: Ein Jahr später hat sich daraus eine Band gegründet. Wie so ein Lauffeuer geht das gerade rum. Da sind viele Leute in unserem Alter oder auch ein bisschen jünger, die vielleicht in ihrer Jugend Grunge gehört haben. Kombiniert damit, dass dieser ganze Style wiederkommt. Wie Bands ihre Plattencover designen und auch wie Musikvideos gedreht werden, das ist schon sehr 90er. Und das kam langsam so ein bisschen auf. Das heißt, man hatte so ein bisschen das Gefühl, man ist nicht ganz so Outlaw, wenn man das mag und diesen Style geil findet.

Also ich will auch, dass es modern klingt und man frische Ideen hat. Aber ich hab mich natürlich schon gefreut, als ich mal wieder so ein geiles Video im VHS-Look mit so geilen grellen neongrünen und -pinken Farben gesehen hab, das so aussieht wie 90er Jahre MTV. Und irgendwie sprangen dann viele auf den Zug auf. Die Frage ist, wie viele dabei bleiben oder inwiefern sich das verändert. Und für 24/7 Diva Heaven gesprochen: Wir sind auf gar keinen Fall festgelegt, dass die Musik immer so bleiben soll. Ich bin ganz klar für Weiterentwicklung, auch was das Album betrifft. Bei „Stress“ wollten wir auch eine moderne Produktion und nicht nochmal wie auf „Superslide“ analog aufnehmen, wie Opa das immer gemacht hat früher. Sondern wir haben 2020 gesagt: Ey, wir haben die technischen Möglichkeiten, und wir machen das jetzt modern und so, wie man es jetzt machen kann.

Wir werden auch nicht klären können, woran es liegt, dass Grunge jetzt plötzlich wieder da ist. Es hätte vor 10 oder 20 Jahren ja auch schon passieren können. Aber da ist es nicht passiert. Deshalb jetzt zu eurem Album „Stress“. Das Ergebnis ist der Hammer! Es sind wahnsinnig gute Songs bei super Umsetzung mit einem krass guten Klang. Du merkst schon, ich bin Fan und hab auch diverse Leute in meinem Umfeld angefixt. Gerade mit „Bitter Lollipop“, dem krassen Hit auf der Platte mit diesem perfekt funktionierenden Wechselspiel zwischen melodisch poppig und dann voll auf die Zwölf. Ich leg ab und zu auf, und bei dem Song kamen immer wieder mal Leute oder Friends an und meinten: „Was ist das? Sag mir bitte sofort, wer das ist.“ Und beim nächsten Mal sagten sie dann: „Hab mir die Platte gekauft. Ich konnte lange nix mit Grunge anfangen, aber das ist stark.“
Oh, geil. Danke schön.

Die Platte ist bei Noisolution erschienen, einem super sympathischen Label aus Berlin. An dieser Stelle ein Gruß an Arne, den ich zwar nicht gut aber seit einigen Jahren ein bisschen kenne.
Spitzentyp!

Ja, Spitzentyp und Spitzenlabel mit einem großartigen Gespür für tolle Bands. Wie ist da der Kontakt zustande gekommen?
Ich war – oder bin aktuell noch 2 Wochen, höre nämlich bald auf in diesem Job – auch beruflich in der Musikbranche unterwegs und hab Bands gebucht, überwiegend so im Bereich Stonerrock, Psychedelic, Doomrock. Arne hat ja auch einige Stonerrock- und Psychedelic-Bands oder ist in dem Genre unterwegs. Daher kannten wir uns und waren uns immer sympathisch. Als wir als Band überlegt haben, wer das Album herausbringen könnte, haben wir erst hin und her überlegt. Wir haben ein Person gesucht, die an uns glaubt, der wir vertrauen und mit der wir gut klar kommen und reden können.

Es war uns wichtig, dass die Person unsere Musik versteht und mag und sie nicht nur rausbringen will, weil wir drei Mädels sind. Arne und Noisolution als Berliner Underground-Label mit super Bands kam uns da direkt in den Sinn, weil da auch einige Freunde mit ihren Bands sind. Es war irgendwie naheliegend, als Berliner Underground-Band zu Noisolution zu gehen. Und dann haben wir Arne gefragt, und er hat ja gesagt. Es war sehr überraschend für uns, wie schnell es ging und dass es geklappt hat, und wir waren natürlich super happy. Es ist uns wichtig, mit allen Leuten, mit denen wir arbeiten, irgendwie ne coole Ebene zu haben. Das ist für uns nie nur Business, sondern auch eine Herzensangelegenheit.

Das passt ja auch megagut – perfect match sozusagen. So habe ich Arne auch kennengelernt und immer vertanden, dass es ihm mit das Allerwichtigste ist, dass er die Bands, mit denen er Platten macht, nicht nur musikalisch geil finden sondern auch menschlich mögen muss.
Und du wurdest da eben auch nicht so vollgeschleimt. Und es gibt ganz viele, die dir den Arsch pudern wollen und die denken: Drei Mädels, Zeitgeist, das passt irgendwie, egal was die machen. Es gibt Leute, die so denken. Ich weiß auch, wie das Musik Business funktioniert. Und das wäre uns da nicht wert gewesen, das so zu verscherbeln, sondern das sollte jemand bekommen, der sich darum kümmert und das wertschätzt. Und so landete es bei Arne.

Sehr gut. Auch wenn das Album erst im März letzten Jahres erschienen ist: gibt es schon neue Songs und vielleicht sogar weitere Pläne?
Unbedingt wollen wir neue Songs und ein neues Album. Wir schreiben schon. Wir haben ja das Album in der Pandemie rausgebracht, das heißt wir können eigentlich erst seit diesem Jahr zum ersten Mal die Songs richtig live spielen. In 2021 war es ja eher ein Phänomen, dass es geklappt hat, unser Album so gut zu promoten ohne live spielen zu können. Darüber sind wir sehr glücklich, aber jetzt müssen wir alles nachholen. Das heißt dieses Jahr ist voll gepackt. Da ist es nicht so einfach, konzentriert ans Songwriting zu gehen, aber wir sind trotzdem schon dabei. Und nach Möglichkeit würden wir gerne nächstes Jahr das neue Album aufnehmen. Wann es rauskommt, müssen wir dann sehen. Und dann wieder bei Noisolution würde ich sagen.

Schön zu hören, dass ihr schon wieder im Songwrtiting-Prozess seid und ein neues Album perspektivisch ansteht. Ich bin gespannt und freu mich jetzt schon auf jeden Fall.
Ich freu mich auch, und vor allen Dingen bin ich gespannt, wie es werden wird. Denn es ist ja auch für uns das erste nächste Album und spannend, wo die Reise hingeht. Aber momentan ist es schön, dass Interesse da ist und wir coole Shows spielen können und Möglichkeiten haben Interviews zu geben. Wir sind aber auch froh, wenn wir mal neue Songs spielen und präsentieren können. Wir gehen also ein bisschen mit dem Flow jetzt gerade.

Es sind ja auch schon größere Shows dabei gewesen und stehen auch noch an mit den Beatsteaks zusammen.
Ja, das ja das kam überraschend und war und wird auch noch ganz, ganz toll. Es steht noch eine Show mit den Beatsteaks an in Darmstadt. Da hab ich studiert, weshalb es für mich so ne Hometown-Show wird, was sehr cool ist. Und in Potsdam und Wolfsburg haben wir schon zusammen gespielt. Ja, die Beatsteaks sind einfach Spitze, und es ist auch ein Match Made in Heaven.

Das ist schön zu hören. Ein Thema, das wir vorhin schon angerissen haben und auf das ich gern nochmal zurückkommen würde, ist die derzeitige und längst überfällige Diskussion um Geschlechterverhältnisse, Gender und Heterosexismus in der Rockmusik. Auch wenn ich mich jetzt schon länger damit befasse und versuche damit bewusster umzugehen, habe auch ich viel versäumt und hätte proaktiver sein können oder auch sein müssen. Es gibt weiterhin eine krasse Dominanz von meist weißen Cis-Typen. Es ist demnach umso wichtiger, dass diese Diskussion nun geführt wird und teilweise proaktiv Veränderungen angestoßen werden, sei es bei Plattenreleases, oder beim Booking. Es liegt ja nicht daran, dass es nicht coole und genauso gute FLINTA*-Bands oder solche mit diverserer Besetzung geben würde und auch vorher schon gegeben hätte. Aber es ist dann für manche Typen der einfachere Weg, über die Kumpelebene die Dudes-Bands mit ins Booking zu holen.
Das stimmt. Und dann wiederum, was ich noch dazu anfügen will, gibt es auch viele Bands mit FLINTA*-Beteiligung, die eben noch nicht so gut sind und die deshalb nicht gebucht werden. Aber warum die Band vielleicht noch nicht so professionell ist, liegt ja daran, dass sie weniger Chancen für Bühnenerfahrung bekommen hat. Da müsste man halt das Feld mal von hinten aufräumen und sagen: Ok, wir schauen das es immer gut gemischt ist, und dann können sich die Bands auch weiter professionalisieren.

Rock am Ring muss nicht eine Band buchen, die gerade frisch aus dem Proberaum kommt. Aber es gibt so viele professionelle Bands mit FLINTA*-Beteiligung, die sie jetzt schon mit ins Lineup aufnehmen könnten. Und in die unteren Ränge könnten sie ein paar andere Bands dazuholen, damit man anfängt das zu durchmischen. Denn ein Streitpunkt ist oftmals mit anderen Leuten die sagen: Es gibt so viele Bands, die sind voll rumpelig. Dann sage ich: Das ist doch ein Zeichen dafür, dass diese Bands mehr stattfinden müssen, damit sich mehr FLINTA*-Personen in die Proberäume trauen, um sich zu professionalisieren. Und dafür müssen die Strukturen da sein. Einfach zu sagen, die sind schlecht, weil es eine Rumpel-Band ist, bringt die Leute nicht weiter.

Um genau da, was du eben beschrieben hast, anzusetzen, seid ihr proaktiv geworden und habt die Grrrl Noisy Jam Sessions ins Leben gerufen. Ihr habt damit eine empowernde Netzwerk-Struktur und zudem Möglichkeiten geschaffen, sich zu treffen und auszutauschen, sich zu motivieren und auch konkret Musik zu machen. Die Jam Sessions finden direkt in den Clubs statt nach dem Motto: hier sind die Bühnen, los geht‘s. Seit wann gibt es die Jam Sessions genau?
Ich glaube 2019 war das erste Mal. Auch wieder von unserer Schlagzeugerin Mary initiiert – einfach eine Macherin. Ich glaube, es ging erstmal darum, mal so‘n Space für sich zu haben. Es war nicht der Grund, dass man sich unter Frauen jetzt immer wohler gefühlt hätte als mit Männer-Beteiligung. Das soll es auch nicht heißen. Aber irgendwie haben wir FLINTA*-Musiker*innen ja doch schon dieselben Erfahrungen gemacht, was auch öffentliche Jam Sessions angeht, dass man da halt auch wieder so beäugt wird, dumme Kommentare abbekommt und sich deshalb unsicher fühlt.

Und wir haben festgestellt: Immer wenn man so befreit aufspielen kann, macht es viel mehr Bock, wenn man das Gefühl hat, man wird nicht so angeglotzt, und es wird nicht so genau auf deine Finger geguckt, was du da spielst nach dem Motto: Wenn du nicht das Gniedelsolo abziehst, dann weg mit dir von der Bühne! Es war der Wunsch nach druck- und stressfreiem Jammen ohne Kommentare. Und dann haben wir Grrrl Noisy mit so einem kleinen Kernteam auch mit anderen Bands gegründet. Riot Spears und Passionless Pointless waren beispielsweise mit dabei.

Da schließt sich also wieder der Kreis. Und von Isoscope, die wie ihr auf Noisolution sind und vor einigen Monaten ebenfalls eine unfassbar großartige Platte veröffentlicht haben, sind ja auch Menschen mit involviert, oder?
Genau. Bonnie und Merle von Isoscope sind auch mit bei uns im Kollektiv. Ich find die Platte auch richtig super. Gut, dass die auch auf Noisolution gelandet sind. Wir hatten uns in der Anfangszeit von Grrrl Noisy alle so langsam kennengelernt und festgestellt: Ach, du spielst auch in ner Band, du auch und du auch. Mary hatte dann die Idee. Wir hatten damals im Toast Hawaii, einem Club in Prenzlauer Berg, durch einen Freund von uns die Möglichkeit, den Space umsonst zu nutzen und haben unsere Jam Sessions da etabliert. Dann kam Corona und wir haben uns ein bisschen auf online Angebote spezialisiert. Wir haben einen Podcast gemacht, haben auch mal online Schlagzeug-Unterricht angeboten und ein bisschen unsere Strukturen professionalisiert wie die Webseite gemacht.

Und als es dann wieder ging, haben wir angefangen, wieder Events zu machen. Mittlerweile ist das Netzwerk ziemlich stark gewachsen und viele Leute haben davon Wind bekommen. Und es ist auch schon in andere Städte übergesprungen. In Leipzig hat sich ein Kollektiv gegründet nach gleichem Vorbild. FLINT-Tones heißen die und sind sehr cool. Und du bist jetzt der erste Journalist, der es aufschreiben kann: Am 9.10. im Badehaus Berlin machen wir unser erstes Grrrl Noisy-Festival, und das wird im Gegensatz zu den Jam Sessions, die weiterhin einen geschützten Rahmen nur für FLINTA*-Personen bieten sollen, für alle Geschlechter offen sein. Das Festival soll mit einer schönen Sause allen zeigen, was und wen es überhaupt gibt, wie groß die Szene schon ist und mit Stolz nach außen präsentieren, was wir so zu bieten haben.

Das klingt sehr Cool. Kurze Rückfragen: Euch gab es zu Beginn von Grrrl Noisy ja schon, Riot Spears und Passionless Pointless meines Wissens nach auch, richtig? Und es sind dann weitere Bands aus diesen Jam Sessions entstanden, die dann bei diesem Event spielen werden.
Unter anderem. Wir sind gerade dabei das Lineup zu basteln. Es sind auf jeden Fall aus diesen Jam Sessions Bands entstanden – und das nicht zu knapp. Vor jeder Jam Session haben wir einen Opener-Slot, das heißt eine Band eröffnet immer für eine halbe Stunde den Abend. Und ganz oft sind das Bands, die sich bei uns gefunden haben oder Personen, die sich dann ausgetauscht haben. Es haben bei uns letztens Kaos gespielt. Die sind auf jeden Fall aus dem nahen Grrrl Noisy-Umfeld.

Dann zeitgleich haben sich Lobster Bomb gegründet. Die haben sich nicht bei Grrrl Noisy kennengelernt, aber standen immer so vereinzelt bei uns auf der Bühne. Wiki, von Lobster Bomb die Schlagzeugerin, macht auch das Artwork für Grrrl Noisy, und so hat sich das alles ineinander verwoben. Und mittlerweile gibt es einen krassen Austausch durch das Netzwerk, auch was so künstlerische Arbeiten angeht, wenn beispielsweise mal ein Design gebraucht wird.

Oder wir haben Kontakt zu Tontechniker*innen, und da tauschen sich alle aus: Hey, ich kenn wen, die oder der ein Studio hat. Und wir holen uns auch immer mal wieder Input von anderen Gruppen. Wir hatten beispielsweise mal bei Jeri von Fauchkrampf – Music Agency For Angry Feminists ein Awareness Seminar oder Diversity Seminar, was so Sprache angeht, und haben uns da mit ihr ausgetauscht. Es ist ja nicht so einfach, alle die man ansprechen möchte, abzuholen. Auch wir müssen uns immer wieder ständig updaten: Was sind die Wordings? Was sagt man? Was sagt man nicht? Was will man ausdrücken? Wen will man erreichen und wie sagt man das? Und das ist auch für uns ein Thema.

Es ist nicht so, dass wir die Weisheit mit Löffeln gefressen hätten und immer Bescheid wüssten. Deswegen brauchen wir auch diesen Austausch mit Leuten, die sich besser auskennen. Denn wir haben es ja nicht gestartet als eine politische Institutionen, aber natürlich ist es politisch, was wir machen. Und wir wollen uns dann natürlich auch nicht aus der Verantwortung stehlen und ordentlich agieren.

Klar. Es ist ja auch ein ständiger Prozess. Gerade Sprache ist ständig im Fluss und gleichzeitig auch sehr mächtig. Witzig und sehr cool, wie sich weitere Kreise schließen. Mit Jeri von Fauchkrampf und weiteren Friends organisiere ich gerade ein Festival, das le désordre, c‘est moi-fest. Es wird am 2. und 3. September zum zweiten Mal als Open-Air im freiLand in Potsdam stattfinden und hat den Fokus auf Screamo, Hardcore und Punk. Wir versuchen damit proaktiv gegen die Typen-Dominanz und Mackertum auch in dieser Subkultur entgegenwirken. Das aber nur als kurze Anmerkung. Zurück zu euch: Ihr seid ja durchaus eine sehr politische Band. Und es ist nicht nur die politische Aktivität bei Grrrl Noisy, sondern auch in euren Texten bezieht ihr ja durchaus klar Stellung. Ihr verfolgt auch da einen klaren feministischen Ansatz und bezieht Position gegen Heterosexismus sowie gegen Nationalismus und Rassismus, und es ist euch offensichtlich ein wichtiges Anliegen. Gibt es bei euch eine Gewichtung: The music or the message? Oder sagst du: 24/7 Diva Heaven geht nur so in diesem Einklang und könnte gar nicht als Band funktionieren, wenn dieser politische Part reduziert würde.
Also, Musik hat ja auch immer was mit Energie zu tun. Und wenn ich da so vor mich hin brülle, dann kommt das ja aus einer bestimmten Emotion heraus. Und ich wüsste jetzt nicht, wie ich die erzeugen könnte, wenn ich über Spiegeleier mit Speck singen würde. Also ich wüsste nicht, wie das gehen soll. Ich glaube, ich könnte das nicht. Es passiert oft, dass ich wirklich beim Spielen sauer werde. Der Text ist ja schon verknüpft mit der Musik. Und wenn man den Text wegnehmen würde oder dieses angry sein, ich weiß nicht, was das mit der Musik machen würde.

Wir hatten nie den Anspruch, eine besonders politische Band zu sein. Aber ich glaube, man kann es auch nicht wegnehmen, denn dann wäre es auch nicht mehr das gleiche. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jetzt jeder Song ein hochpolitischer Song sein wird in Zukunft. Das kommt ja auch ganz auf die Stimmung an oder was man für einen Song machen möchte. Aber mich zieht es schon auch immer eher zu den düsteren als zu den blumigen Sachen bei den Texten.

Und wenn das mal so blumig dargestellt wird, wie zum Beispiel bei „Bitter Lollipop“, dann ist da schon ein Konzept dahinter, es ist extra so blumig und dieser Kontrast soll so. Nein, ich kann mir nicht vorstellen, nur noch Nonsens zu singen. Dass man vielleicht mal einen Song macht, klar, denn wir haben ja „Topped With Cheese“ auf der Platte. Das ist voll der Nonsens-Text, und irgendwie passt das in die Madness dieses Albums. Aber ja, Musik ist mir glaub ich zu wichtig und transportiert zu viel Gefühl, als dass ich so Nonsense machen könnte ständig. Ohne das diskreditieren zu wollen, denn ich finde das völlig legitim, wenn man das macht. Das ist nur für mich persönlich so. Es kann nur „Yeah, Yeah, Yeah“ gesungen werden, und der Song ist für mich geil. Aber ich selbst könnte das nicht.

Was ich aber bei euch und auch anderen sehr schätze, dass eben das Politische in den Texten nicht so plakativ vor sich hergetragen wird. Es ist der Ansatz erkennbar: Da ist diese Wut und ich schreib das deswegen auch in diesem Text so. Und eben nicht: Ich will unbedingt einen politischen Texte zu dem Thema schreiben und den am besten noch mit die entsprechenden Parolen befeuern. Ich hätte nochmal eine persönliche Frage zu dieser Debatte um Sexismus in der Punk- oder auch Grunge-Subkultur. Es geht dabei ja nicht nur um die Bands sondern um die gesamte Struktur oder das gesamte „Business“. Denn wenn wir uns das angucken, wer die Labels macht oder die Mailorder, wer für das Booking verantwortlich ist oder wie die Konzertläden gendermäßig aufgestellt sind und auch wer in Fanzines schreibt: Es gibt eine krasse Dominanz von meistens weißen CisTypen, zu denen auch ich zähle. Hast du Wünsche oder auch Forderungen, an uns Typen in diesen Strukturen?
Ja, da gibt es natürlich ein paar Sachen. Veranstaltende sollen gerne mal ein Augenmerk darauf werfen, dass sie ihr Lineup bei Festivals oder auch Konzerten diverser gestalten, dass man das bewusst auch forciert. Leider muss man das noch so machen. Es wär natürlich schön, wenn sich gleichermaßen viele Bands bewerben oder angeboten werden von Agenturen. Das ist aber noch nicht der Fall. Deswegen ist es natürlich gut, explizit immer nochmal zu gucken, was kann ich da tun und vielleicht gezielt auf die Suche gehen oder auch Personen ansprechen, die sich auskennen wie beispielsweise Fauchkrampf, die Bands in petto haben oder Kontakte vermitteln können. Es gibt diese Leute.

Was wir uns als Band wünschen würden auch von Magazinen, dass nicht immer explizit erwähnt wird, welches Geschlecht wir haben. Wobei wir manchmal auch zwiegespalten sind. Denn klar, irgendwie ist es natürlich wichtig, dass es berücksichtigt wird. Allerdings ist es damit immer so auf dem Präsentierteller. Wenn wir also einen Wunsch aussprechen könnten, wäre das definitiv, dass die Leute einfach über uns schreiben und nicht explizit unser Geschlecht erwähnen.

Man könnte einfach lässig anfangen, auch die Bands, die im Magazin vorkommen, einfach durchzumischen – drei Bands mit FLINTA*-Beteiligung und vier Bands ohne – ohne nochmal besonders drauf einzugehen. Stattdessen sollte man den Fokus auf die folgenden Fragen richten: Was machen sie für Musik? Was macht die Band aus? Man kann ja schreiben, ob die Personen nett und witzig sind und ob es ein tolles Gespräch war. Und ich glaube, wenn man die Band einfach pusht und mit aufnimmt, dann würde sich das auch ein bisschen normalisieren und man wäre nicht so Exot*in mit einem schönen Foto im Magazin.

Oftmals kommt ja der Vorwurf: „Jetzt darf man ja gar nichts mehr sagen und man weiß überhaupt nicht mehr, wie man so Leuten wie euch begegnen soll.“ Und ich plädiere dafür, dass man vorher erst mal nachdenkt, bevor man irgendwas sagt. Uns würde es freuen, wenn solche vermeintlich gut gemeinten Sprüche wie „für eine Frauen-Band richtig cool“, nicht mehr gesagt werden würden. Aber auch innerhalb unserer Bubble gibt es Dinge, die komisch laufen. Gerade innerhalb unserer Bubble wäre es irgendwie auch gut, wenn sich die Leute um einen Dialog bemühen würden und nicht jeder oder jede glaubt, sie hätte die Weisheit mit Löffeln gefressen.

Dieses Thema ist so sensibel und es gibt kein hundert Prozent richtig. Man muss im Dialog bleiben und irgendwie besser zusammenarbeiten statt in einzelne radikale Lager auseinanderdriften. Das fände ich gut, weil es auch innerhalb dieser Diskussion natürlich Leute gibt, die sich besonders radikalisieren und wo es uns dann auch too much wird. Es gab zum Beispiel auch schon den Vorwurf aus eigenen Reihen, dass wir uns schick anziehen auf der Bühne, damit wir die Aufmerksamkeit bekommen. Und da spalten sich natürlich auch wieder die Lager, was auch normal ist. Aber innerhalb dieser Diskussion sollte man doch eher zusammenhalten, wenn man für das Gleiche kämpft. Das wäre nochmal so ein Appell an die Leute innerhalb der eigenen Bubble, da eher nach einem Konsens zu gucken, anstatt den Teufel im Detail zu suchen.

Zu dem, was du zuerst gesagt hast, ist mir gerade noch was eingefallen. Es wird ja immer wieder von Leuten betont, dass sie es nicht wollen, dass es so betont damit als etwas vermeintlich Besonderes hervorgehoben wird. Vor diesem Hintergrund entstand ja die passende Formulierungen „Female fronted ist keine Kategorie“ oder „Female fronted ist kein Genre“.
Ja, genau. Und das fühlt sich auch Scheiße an. Man sieht das irgendwo auf nem Flyer stehen und denkt sich: ich bin nicht Teil davon. Und das ist gar nicht mal, weil man jetzt ganz besonders picki ist, sondern weil sich das einfach Scheiße anfühlt. Denn oftmals geht es um eine einzige Sängerin in einem Lineup voller Typen und dann hast du da so den Sonderstatus. Und es sind auch Werbezwecke. Das kann ich aus dem Booking sagen, denn es war für mich tatsächlich auch schwierig. In der Stonerrock-Szene gibt es eine verschwindend geringe Anzahl von FLINTA*-Personen auf Bühnen.

Und ich hatte das große Glück zwei der FLINTA*-Bands buchen zu dürfen. Ich weiß, wenn ich kein Pressefoto mitschicke und nur den Bandnamen schreibe, generiert das viel weniger Aufmerksamkeit beim Booking, als wenn ich die Band anbieten würde als „all female“. Was ich natürlich nicht mache, obwohl die Leute ja mehr FLINTA*-Bands buchen sollen. Aber dann macht man damit Werbung. Das ist oft so ein Rattenschwanz oder nicht endender Kreislauf und definitiv nicht einfach. Ich bin dazu übergegangen, das auf jeden Fall nicht zu machen, aber diese Bands trotzdem vermehrt irgendwo bei Festivals anzubieten. Und wenn die Band sich dann angehört wird und das eine super Band ist und die gut ankommt, dann freu ich mich natürlich.

Ich kenn das auch aus eigener Erfahrung bei der Bandauswahl für unser Festival. Da gibt es viele Möglichkeiten Fehler zu machen.
Leider muss man diese Unterscheidung noch machen. Wenn das alles kein Thema mehr wäre, würden wir darüber jetzt nicht reden. Also muss man das schon noch benennen. Es wird Grrrl Noisy gerne mal vorgeworfen, dass das ja auch Sexismus sei, was wir da machen. Diese typische Nummer. Würde es keine Benachteiligung geben und alles wäre super, dann bräuchte es Grrrl Noisy auch nicht. Das Ziel ist, dass irgendwann alles gleichwertig und gerecht verteilt ist.

Aber solange das noch nicht der Fall ist, müssen wir leider diesen Raum für einige eingrenzen und für andere aufmachen mit dem Ziel, dass es sich irgendwann angleicht. Und den Bogen muss man dann erstmal spannen. Das gleiche Probleme hat man dann, wenn man im Booking ist, wenn man für ein Magazin schreibt, wenn man Bands promotet. Ich finde es ok, wenn man guckt, wie viele FLINTA*-Anteile hat eine Band und dann ist es aber auch wichtig, dass einem die Band auch gefällt und irgendwie zum Lineup passt. Mein Ansatz ist dann, die Band einfach aufzunehmen und gar nicht groß zu promoten, sondern einfach mitlaufen zu lassen.

Ja, ein Riesenthema, über das wir noch ewig diskutieren könnten. Es gibt etliche Ansätze und Möglichkeiten, was zu machen und einen bewussten Umgang damit zu finden. Aber es ist eben noch sehr sehr viel zu tun. Leider müssen wir jetzt auch wirklich langsam zum Ende kommen. Deshalb schnell noch der Blick in die Zukunft. Über einige Pläne wie ein neues Album haben wir schon geredet. Habt ihr auch längerfristige Pläne? Wo sind 24/7 Diva Heaven in 10 Jahren?
Haha. Hoffentlich sind wir in 10 Jahren noch gesund und munter. Mein Wunsch wäre es, dass die Band einfach bestehen bleibt auch über stressige Zeiten hinweg, die man auch hat als Band. Denn es ist wahnsinnig viel Arbeit. Ich mache viel administrative Sachen für die Band, das ist fast schon ein Halbtagsjob. Das ist einfach extrem viel, die Kommunikation mit dem Label und Booking-Agenturen, Songs machen, sich Artworks und Content für Social Media ausdenken, dieser ganze Promokram. All das ist superviel Arbeit. Ich wünsche mir, dass die Band Zeit findet, Songs zu machen und wir einfach weiter Bock an der Musik haben. Und wo das landet? Keine Ahnung, das ist alles offen.

Natürlich freut es uns, wenn unsere Fangemeinde wächst und wenn wir eine möglichst gute Zeit mit vielen Leuten haben können. Aber es wird nichts forciert. Wir haben nicht den Anspruch, dass das Ding innerhalb von drei Jahren erfolg- und ertragreich sein muss und ansonsten lassen wir es sein. Dafür steht 24/7 Diva Heaven nicht. Also: We go with the flow. Wir werden sehen, was passiert. Aber Bock auf neue Musik haben wir. Ein neues Album muss her.

Dann die letzte Frage: Es stehen jetzt ja ein paar Shows an, und du sollst ein Mixtape für den Van machen. Was muss da unbedingt drauf? Das müssen keine aktuellen, sondern es können auch alte Sachen sein, die dich gerade oder einfach immer begeistern.
Die Nerven! Ich liebe die Nerven. Für mich eine meiner Favoriten aktuell. Was ich gerade im Auto gehört hab, ist Mia Morgen. Wir haben mit ihr mal zusammen gespielt, und sie kommt eher aus der Ecke, wo ich Drangsal hinschieben würde. Das ist musikalisch was ganz anderes, was ich eigentlich sonst nicht so höre, ziemlich poppig teilweise. Feministischer Elektro-Poppunk. Ich find‘s richtig richtig geil und bin voll der Fan. Sie ist sehr präsent auf Socialmedia aber sehr cool, sehr coole Frau.

Es gibt einige Bands aus unserem Grrrl Noisy-Kosmos, Isoscope würde ich dazu zählen, die so einen geilen, neuen Musik Mix haben, den ich total spannend finde. Wenn man so ein bisschen Party machen will, würde ich auf jeden Fall Lobster Bomb mit reinhauen. Die sind total schmissig und machen voll Spaß. Ich höre im Moment auch viel HipHop. Das ist auch etwas, worauf wir uns in der Band einigen können. Wir mögen gerne tanzbare Sachen, und wir schwofen gerne privat auch mal zu HipHop oder irgendwelchen geilen Sachen ab. Da gibt es zum Beispiel Keke, die ich richtig cool finde.

Sowas würde bei uns immer auf nem Mixtape landen. Also wenn wir im Van Musik hören, gibt es sehr viel HipHop und Girl Bands, gemischt mit Slayer und Co. Also es ist so ein wilder Mix, und so würde dann auch mein Mixtape aussehen. Karo würde auf jeden Fall Pisse mit reinnehmen. Und Mary würde sicherlich irgendwas geiles souliges noch reinpacken oder MaidaVale, eine Psychedelic-Band aus Schweden. Die würde auch drauf kommen – wär ein irre Mix auf jeden Fall. Ich würde auch was von der neuen Kreator raufpacken. Ich bin großer Kreator- und TrashMetal-Fan. Das gibt auf jeden Fall einen schönen Mix. Wenn du es schaffst, von Mia Morgen zu Kreator zu kommen auf diesem Mixtape, dann hast du alles gehört auf jeden Fall.

Oha, sehr gut. Vielen lieben Dank für das sehr spannende und dadurch jetzt doch auch lange Gespräch. Ich bastel mir gleich mal die Playlist und bin sehr gespannt!
Vielen Dank auch dir. Mir hat es total viel Spaß gemacht.

Interview und Text: Roland Brust
Foto: Charlotte Kastner

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