Februar 19th, 2020

TITO & TARANTULA aus #71, 1998

Posted in interview by Jan

Während einer nächtlichen und verregneten Autofahrt von Herford/Iggy Pop-Konzert nach Frankfurt/Schlafengehen habe ich die Idee geboren, ein Interview mit Tito Larriva zu machen. Dieser nette, mexikanische Gentleman könnte mir nicht nur Geschichten über den Auftritt seiner Band Tito & Tarantula im kultigen Robert Rodriguez-Streifen „From Dusk Till Dawn“ erzählen, sondern bestimmt auch eine Menge über die absolut kultigen Plugz, die in der Punkszene von LA Ende 70/Anfang 80 gehörig mitmischten und von ihm mitbegründet wurden. Einziger Haken an der Sache: Das Konzert von Tito & Tarantula sollte schon drei Tage später in der Batschkapp/Frankfurt stattfinden.

Hemmungsloser Einsatz für die Sache und glühende Ohren vom Telefonieren führten dann zu einem positiven Ergebnis. Und weil die Musik von Tito & Tarantula weder Punk noch Hardcore noch Alternative ist, macht es mir besonderen Spaß, mit dem Interview eine Band hier vorzustellen, die die musikalische Spannbreite im Trust erweitert. Klar denkt jeder bei Tito & Tarantula erst einmal an die Vampirband aus „From Dusk Till Dawn“, an einen unnötigen Hype, an eine Major-Label-Band, die vielleicht noch nicht mal richtig live spielen kann.

Letzteres kann ich guten Gewissens in das Reich der Legenden verweisen, denn die Musiker sind erstklassig ebenso wie das Konzert in der Batschkapp war. Die Antworten von Larriva auf die Fragen nach dem „From Dusk“-Rummel um die Band halte ich für relativ glaubwürdig, denn der Mann ist einfach schon zu lange im Geschäft und hat zuviel erlebt, um sich Grimms Märchen für die Interviewer auszudenken. Aber selbst wenn die Band von ihrem aktuellen Bekanntheitsgrad kommerziell profitieren sollte, gönne ich Tito Larriva die paar Mäuse, die er macht, von ganzem Herzen, denn so kann er sich vielleicht endlich mal seine Rente verdienen…

Als erstes muß ich dich was Provokantes fragen: Was sagst du den Leuten, die euch für ein One-Hit-Wonder halten?
TITO: Ich habe nicht gewußt, daß wir einen Hit haben…

Sicher habt ihr das….
Nein, wir wußten das nicht, bis wir vor einer Woche nach Deutschland auf Tour kamen. Wirklich.

Werdet ihr hier anders aufgenommen, als in den Vereinigten Staaten?
Ja, völlig anders. Wir haben treue Fans in den USA, aber wir existieren als Band auch schon länger als der Film „From Dusk Till Dawn“. Die kannten uns schon viele Jahre davor. In Deutschland hingegen denken viele Leute, daß wir aufgrund des Filmes die Band gründeten. Ich glaube, 1991 haben ich und Peter (Atanasoff) angefangen. Da kannte ich Robert oder Quentin noch gar nicht. Erst letzte Woche habe ich realisiert, daß der Song bzw. die Band in Deutschland so abgehen. Das ist eine große Überraschung für mich, und wenn das nur ein One-Hit-Wonder ist, werden wir es herausfinden.

Bist du dankbar für den Ruhm durch den Auftritt im Film?
Ja, sicher. Er hat uns geholfen, hierher zu kommen…

Hast du den Eindruck, daß das Publikum eine Art ‚Tarantino-Band‘ sehen will?
Manchmal, aber bisher ist die größte Überraschung, daß das Publikum so etwas wie eine Vampirband erwartet und was völlig anderes bekommt. Dann realisieren sie aber, daß das ok ist. Vor drei Tagen haben wir in einem Club in Münster gespielt. Nach dem Auftritt kam die Besitzerin zu uns und sagte, sie habe so große Angst gehabt, daß wir gemein wären, richtig abscheulich und ihren Club zerstören würden, aber jetzt seien wir ja wirklich nett…

Die schaut zuviel Fernsehen…
Ja, ja, ich hätte sie würgen und in den Hals beißen sollen, darüber wäre sie vielleicht glücklich gewesen…

Was denkst du darüber, als Band aus „From Dusk Till Dawn“ vermarktet zu werden. Die Auftritte werden ja z. B. als ‚Titty Twister‘ Tour angekündigt…
Ja, wie ich schon sagte, die Band existiert schon weitaus länger als der Film. Trotzdem ist es gut, der Film ist hier wohl ein halbes bis ein Jahr später als in Amerika herausgekommen…. Für uns fängt es jedoch erst jetzt an, sich in den Staaten zu ändern. Die Platte läuft dort gut, und die Leute fangen an, Interesse an uns zu bekommen, denn wir haben das Album zuerst in Deutschland veröffentlicht, nicht in den USA…

Und warum?
Wir hatten die Joe-Cocker-Tour in Deutschland mitgemacht, und da wir deswegen einige Zeit hier waren, entschieden wir uns, die Platte zuerst in Deutschland rauszubringen. Wir wurden promotet und zwei Monate später kam sie in den Staaten raus. Das ist der Grund, weswegen es für uns dort gerade jetzt anfängt zu brummen, z. B. mit Radio, Auftritten usw.

Erzähl‘ mir was über deine Verbindung zu Rodriguez. Hast du schon in „Desperado“ mitgespielt?
Ich spielte als Schauspieler mit und komponierte die Hälfte der Filmmusik, Los Lobos die andere. Getroffen habe ich Robert durch Cheech bei einer Benefiz-Veranstaltung, auf der Geld gesammelt wurde für die Collegeausbildung von Latino-Kids, und wir haben uns sofort angefreundet. Er sagte dann, daß ich in seinem Film mitspielen würde und so kam ich dazu, Quentin zu erschießen…

Singt Robert auch die Backgroundvocals zu „Angry Cockroaches“?
Ja.

Und ist er auch der Produzent von „Tarantism“?
Ja, teilweise.

Der Name des Albums klingt sehr nach Tarantino. War das beabsichtigt oder was bedeutet „Tarantism“ überhaupt?
Es bedeutet, daß wenn du von einer Tarantel gebissen wirst, mußt du tanzen. Du hast keine andere Wahl. Das ist die Folge aus dem Biß. Du tanzt unkontrollierbar herum, und wenn es ein wirklich starker Tarantulabiß ist, stirbst du entweder lachend oder tanzend. Das fanden wir wirklich interessant, wir wußten das vorher nicht. Peter hat es im Wörterbuch nachgeschlagen und wir dachten, daß das lustig sei. Später, als wir hierher kamen….

In den Staaten hat niemand diese Verbindung zu Tarantino gezogen, weil sie wußten, daß wir schon länger dabei sind, aber hier denken die Leute, daß wir zu „Tarantula“ während „From Dusk Till Dawn“ wurden, deswegen denken sie, daß wir damit die Verknüpfung mit Tarantino hergestellt hätten. Aber das haben wir nicht, es war nur ein Zufall. Ein großer Zufall, es ist fast unglaublich. Ich habe das nicht gewußt, bevor ich nach Deutschland kam und in Interviews dazu befragt wurde, ob das Album so wegen Tarantino heißt. Ich hätte es wohl besser „Goofy’s Christmas“ genannt…

Wahrscheinlich liegt in Deutschland auch ein sprachliches Verständnisproblem vor…. Was hast du nach dem Split der Plugz gemacht?
Ich hatte die Stücke für den Film „Repoman“ geschrieben. Und wir hatten diesen neuen Sound mit den Spaghetti-Gitarren geschaffen, den wir sehr mochten. Zu der Zeit war die Punkszene in LA irgendwie am Sterben, am Auseinanderfallen. Die Screamers gab es nicht mehr, die Weirdos hatten sich aufgelöst, Darby starb, alles wurde anders, es gab eine Menge Surfbands, Black Flag waren noch dabei und ich glaube, die Circle Jerks hatten gerade angefangen. Also entschlossen wir uns zu einem Wechsel, denn wir mochten den Sound mit der Spaghetti-Gitarre.

Wir änderten unseren Namen in Cruzados, bekamen einen Plattenvertrag und brachten zwei Alben raus, die schlecht produziert waren. Nicht richtig schlecht, es war ein guter Produzent, aber schlecht für uns, denn er produzierte normalerweise ‚Southern-Rock‘ und veränderte unseren Sound. Aber wir haben zwei Alben gemacht und es war der Lauf der 80er Jahre, daß es viel Drogen gab und all das. Wir kamen da nicht raus, wir hatten so etwas wie einen kleinen Hit, deswegen spielten wir diese Art von Musik, aber es war wirklich frustrierend. 1989 haben wir uns dann aufgelöst. Ich saß für 2, 3 Jahre herum bis ich Peter traf und wir mit Tito & Tarantula anfingen.

Du spielst zur Zeit noch in einer anderen Band, den Psychotic Aztecs, die sehr punkig sind, spanisch und auf Grita. Hingegen sind Tito eher Desert Rock, englisch und auf BMG. Welche Rolle spielen die beiden Bands in deinem Leben in kommerzieller und musikalischer Hinsicht bzw. was bedeuten sie für deine „Roots“?
Ich und Johnny (Vatos) sind bei den Psychotic Aztecs. Der Grund, weswegen wir mit der Band angefangen haben, ist ein Freund bei Grita. Der meinte, daß „Secret Agent Man“, was die Plugz für „Repoman“ gemacht hatten, genau perfekt wäre für ‚Rock En Espagnol‘ und all das. Also hat er mich gefragt, ob ich eine Band zusammenstellen würde. Ich sagte dann ok, das ist eine gute Idee. Ich liebe es, in spanisch zu schreiben, hatte aber nie die Gelegenheit dazu. Daher ist diese Abkehr von Tito, um mit den Aztecs etwas völlig anderes zu machen, ganz gut.

Fühlst du dich besser bei Tito oder den Aztecs aufgehoben?
Es ist nicht zu vergleichen. Mit den Aztecs haben wir noch nie gespielt… höchstens drei Shows. Aber wir werden Ende des Monats in Texas spielen, und wir sind dabei, unser Album zu vollenden. Nachdem es veröffentlicht ist und wir sehen, was dabei rauskommt, wird sich entscheiden, ob wir live spielen oder nicht.

Jetzt ist nur eine EP draußen?
Ja, da sind nur zwei Stücke drauf. Wir haben das Album eingespielt, aber noch nicht fertiggestellt. Mack, ein deutscher Typ, mixt es noch. Er ist ziemlich cool, ein Münchner.

Was denkst du über Grita als Label, das sich für die Verbreitung von Latino-Punk/Hardcore einsetzt?
Ich kenne Jay (Ziskrout) wirklich gut, er hat gute Ideen und eine größere Vision, diese Musik international bekannter zu machen und nicht nur auf einen einzigen Markt zuzuschneiden. Nur ein verrückter Typ wie er kann sich ein ‚Rock En Espagnol‘ Festival in Belgien vorstellen.

Was hälst du von der aktuellen Latino-Punk/Hardcore-Szene, wie z. B. in LA durch die Crudos vertreten. Ist die stärker geworden bzw. das Interesse daran?
Das dachte ich, und ich habe eine Menge Freunde, die darin verwickelt sind, inklusive Jay. Aber es scheint zu einer großen Stagnation gekommen zu sein, denn die größeren Sachen, die sich viel verkaufen wie z. B. Manar, sind eher Pop. Die Hardcore-Szene wird nicht größer, denn sie hat Probleme damit, daß diese ganzen neuen popigen Sachen reinkommen, z. B. Bastilla, eine neue Band, die Hardcore und Pop mischt. So etwas fand in der Punkszene auch statt. Um 1980 kamen die ganzen New Wave Bands dazu, die waren ein klein wenig hart, aber nicht allzu sehr.

Damit fing die Szene an, anders zu werden. Aber… es war erfolgreich Hardcore mit Pop zu mischen, die Leute kauften es, weil dadurch Hardcore nicht mehr so bedrohlich auf sie wirkte. Ich denke, die Latino-Szene oder der Hardcore kommen an einen Punkt, an dem die Jungs ihren Sound ein wenig ändern wollen. Aber ich bin nicht ganz sicher, weil ich nicht in die Live-Clubs gehe. Ich urteile nach dem, was ich im letzten Jahr gesehen habe. Sie ändern ihren Sound ein wenig.

Die neuen Bands sind poppiger, sind jüngere Kids. Die Bands aus Mexico City, Argentinien oder ein Freund von mir, Gustavo (Santaolalla), ein großer Punkproduzent (u. a. Cafe Tacuba) sind alle schon seit 6, 7 Jahren dabei. Das ist also ein völlig neues Ding, was gerade abgeht. Cafe Tacuba ist meine Lieblingsband, die sind klasse, ich habe sie live gesehen. Die sind wirklich erstaunlich, gute Musiker mit endlos viel Energie, nicht so wie wir alten Fürze…

Findest du, daß spanisch eine Sprache ist, die gut zu Rock’n’Roll paßt?
In den Siebzigern war ich in Mexico City und es gab eine Menge Bands, die in spanisch gesungen haben, aber es waren Coverversionen. Das fand ich ziemlich lustig, denn ich kam aus den Staaten und dachte, daß das wirklich blöde ist. Aber nach einer Weile habe ich realisiert, daß das in Ordnung war. Das ist wie deutscher Rap, wie diese deutsche Underground-Band, die ich im Kölner Radio gehört habe. Kennt ihr das, „Jesus is cool“… ich habe den Namen der Band vergessen, aber das ist ein cooler Rap und er ist in deutsch.

Aber wenn du richtig guten Rock’n’Roll spielst, muß du auf englisch singen…. Du kannst es nicht auf französisch, auf deutsch, vielleicht auf portugiesisch, aber das würde ich nicht erkennen, vielleicht wäre finnisch ganz cool, aber deutsch ist eine häßliche Sprache für Rock.

Möglicherweise wäre Heavy Metal gut dafür oder Deathrock…. Es hat gut gepaßt in diesem Rapsong. Aber spanisch…. es ist schwer, manchmal höre ich Bands, und bei denen mag ich es nicht. Ich denke, es liegt sehr viel am Texter und wie er die Worte zusammenfügt und Bedeutungen wählt, und hat weniger damit zu tun, ob die Sprache passend ist für das Lied. Aus irgendeinem Grund hört es sich bei einigen Bands schlecht in spanisch oder sonst einer Sprache an.

Für mich persönlich gilt, wenn ich kein Gefühl dafür entwickel‘ und ich singe in spanisch… es muß einfach klick machen… wenn nicht, mache ich es nicht. Mit „Secret Agent Man“ z. B. hatte ich lange Zeit ein Problem, aber es scheint zu funktionieren. Genauso wie bei „La Bamba“ von Richie Valence…. warum funktioniert das? Aber es funktioniert aus irgendwelchen Gründen. Es liegt entweder an der Gitarre, seinem Gesang…. Oder unser „La Bamba“ in spanisch…

Ich habe mit Leuten gesprochen, die normalerweise nur Hardcore hören, die meinten, daß das die beste Version des Stückes ist, die es gibt.
Weißt du, im „Playboy“ haben sie es zur schlechtesten Version gewählt, was ich gut fand….

Warum singst du in Tito außer bei „Angry Cockroaches“ nicht auf spanisch?
Wir spielten früher noch eine alte Ballade auf spanisch, die wir jedoch nicht mehr im Programm haben. Aber ich freue mich darauf, das Album der Aztecs rauszubringen, weil es komplett in spanisch sein wird und meine erste Platte ganz auf spanisch überhaupt. Ich bin glücklich mit den Texten und die Band ist wirklich gut. Steven Hufsteter war schon bei den Original-Plugz dabei… er hat diese Gitarre auf „Repoman“ gespielt… Er ist wirklich ein guter Gitarrist, und wir waren schon immer ein gutes Songwriter-Team. Ich habe „After Dark“ zusammen mit Steven geschrieben.

Also gibt es eine Plugz-Wiedervereinigung?
Nein.

Warum nicht? Jeder tut es, selbst die Leute, die gesagt haben, daß sie es niemals täten…
Ja, selbst X sind zurück. Die waren eine meiner Lieblingsbands.

Was machen die anderen ehemaligen Plugz-Mitglieder. Stehst du noch in Kontakt mit ihnen?
Ja. Der Original-Bassist Barry McBride ist nach Frankreich gegangen und hat versucht, eine Band zusammenzubekommen, irgendein Name mit „Lizard“, ich weiß es nicht mehr, aber das hat nicht funktioniert. Dann kam er zurück nach LA, heiratete und hat ein Kind. Charlie Quintana spielte mit Cracker, Joan Osborne… er ist in ihrer Band, Bob Dylan… er hat mit den Großen gespielt. Tony Marsico, der andere Plugz-Bassist, spielt bei Matthew Sweet. Kennt ihr den? Der macht Pop. Der Original-Bassist jedoch ist verheiratet, hat Kinder, ich weiß nicht einmal, ob er eine Reunion überhaupt mitmachen wollte…

Nicht mal als einmaliges Ding? Drei Konzerte im „Coconut Teaser“ in LA?
Du fängst an, mich auf eine Idee zu bringen… Aber ich weiß, daß Charlie, der Drummer, nach Kanada gezogen ist. Vielleicht eines Tages…

Hoffentlich sind wir zu der Zeit gerade in LA…
Ich halte euch auf dem laufenden…

Interview & Photos: Andrea Stork & Al Schulha

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