Januar 22nd, 2020

THE MONTESAS (#138, 2009)

Posted in interview by Thorsten

Anwesend:
Marcel Bontempti
Ira Lee
Maria Mariachi
Judy Belafonte

Die Montesas sind überaus herzliche Musiker. Die elegant gekleideten Mitglieder sind höflich, charmant und zuvorkommen und ich bin auch sofort mit ihnen warm geworden und hätte gerne die gesamte Nacht mit ihnen verbracht. Zum Abschluss boten sie mir sogar eine kleine Life- Performance im Hotelzimmer dar.
Und nun auf akademisch: Diese grandiose Beat Band ist Teil der Postmoderne, die sich durch Pastichearbeit auszeichnet und ihre musikalisch-kulturellen Interpretationen althergebrachter Stile auf teilweise ironische Art und Weise in die Gegenwart transferiert. Meiner Meinung nach passt die Band in eine konsumkritische Zeitschrift, weil sie sich den ständig wechselnden Moden verwehrt und veraltete Güter sowohl wieder verwertet (seien es Schallplatten, Kleidungsstücke, Musikstile, Coverdesigns) als auch in neue Sinnzusammenhänge bzw. (um es mal ganz trocken auszudrücken) Wertschöpfungsketten stellt.

Womit habt ihr bisher Eure Zeit in Stuttgart verbracht?

Marcel: Halte das Mikro bitte nicht so nah an meine Nase, nicht, dass es wie bei Ran and Stimpy „plopp“ macht und es in meinem Nasenloch hängen bleibt.

Du bist ja nervös!

Marcel: Ich werde sogar gerade rot, peinlicherweise!
Ira: Ich habe die Zeit mit Husten und Schlafen verbracht.
Maria Mariachi: Ich kann mich da nur anschließen, denn ich habe die Zeit mit Husten, Schlafen und mit Essen verbracht.
Judy: Ich habe mich durch das Husten wach halten lassen und habe was gegessen.
Marcel: Ansonsten waren wir bis um 5 Uhr auf dem Lets Get Wild – Festival.

Von Stuttgart habt Ihr nix mitbekommen?

Ira: Ist das Stuttgart hier?

Auf dem Letsgetwild gab es einen Rock n Roll Bazar. Was habt Ihr Euch gekauft?

Ira: Einen ganz tollen Kinder- Countryanzug!!!
Maria: Eine herzallerliebste Bluse mit eingenähten Kreisen.
X: Ike and the Capers, Rare Rockers from Small 1950s Labels Volume 2, 16 heiße Rythmus- und Blueslieder… 10 €s pro Platte.
Marcel: Du hast ne Spinne auf dem Rücken sitzen!

In unserem ländlichen Radiosender sind wir Taranteln gewöhnt.

Marcel: 2-3 Platten von denen man nicht so genau weiß, wie sie klingen. Zuhause höre ich sie mir dann an.

Wie viel verdient Ihr denn im Moment?

Marcel: Das trägt sich selbst: Bus, Verschleiß unserer Instrumente, Essen während den Veranstaltungen, Proberaum, Aufnahmen, Merch. Das Geld kommt in einen Pool, von dem wir dann so etwas finanzieren. Wir füllen unsere eigenen Taschen nicht damit.
Ira: Der Veranstalter verdient oftmals auch nicht so viel.

Woher kommt den Eure Verbindung zum Lets Get Wild- Rock ´n Roll Festival? Ihr seid doch eine Beat Band!

Ira: Die Hälfte der Originalbesetzung hörte immer schon Rock ´n Roll, Western Swing und Rockabilly. Wir sind auch musikalisch tief in diesen Stilen verwurzelt, allerdings haben wir uns im Vorfeld auch gefragt, ob das überhaupt passen würde. Außerdem hatte einer der Veranstalter eine starke Neigung zu unserer Musik. Es war uns klar, dass The Montesas einen deutlichen Break darstellen würden und wusste nicht, ob die Rechnung aufgehen würde. Insgesamt waren wir dann sehr angenehm überrascht von dem, was uns da entgegenschlug und seitdem ist die Verbindung da.
Marcel: Wir wurden in der Schweiz auf einem der größten Oldtimer-Automobil Festivals entdeckt und waren sehr froh darüber, dass wir dort gut angekommen sind. Das Rockabilly Publikum hat in der Regel einen sehr hohen Anspruch und wir waren im Vorfeld sehr nervös. Auf dem Hangar Rocking hat uns der Peter Donnerbauer (Hot Poppa Pete, Inhaber des Zwölfzehn) aus Stuttgart gesehen und so hat sich das dann entwickelt.

Was haltet Ihr denn von den auf dem Lets Get Wild auftretenden Bands?

Marcel: Wir sind eine Gilde und werden uns nicht über die Bands aus unserer Sparte unterhalten. Gerne werde ich aber ein paar Kommentare über Punkbands vom Stapel lassen, ha, ha.

Heute Abend spielen im Landespavillion (Stuttgart) „Les Terribles“ und der Sounflatmogul Traxel legt auf.

Ira: Bei Traxel musts Du aufpassen, dass er Deinen Kopf nicht auf seinen nassen Bauch drückt.
Marcel: Das macht er gerne mit Gitarristen von Bands. Er passt sie von hinten ab und stülpt sein T-Shirt über ihre Köpfe.

Eric The Red von „Middle Class Pig“ Records meinte immer, Traxel würde auf seinem großen dicken Bauch rumtrommeln.

Marcel: Mit Eric habe ich das skurrilste Banderlebnis gehabt. Nach einem Konzert im Epplehaus (Tübingen) feierten wir noch ein bisschen im Dachgeschoss und ich legte Rock ´a Billy Kassetten ein. Ein Mann, der sich als Punk bezeichnete, meinte: „Das ist doch ein Lied von den Stray Cats“. Ich erwiderte: „Das ist eine Originalversion. Jetzt merkst Du es auch.“ Daraus zog er fälschlicherweise den Schluss, dass ich ihm einen Trip ins Glas geworfen haben müsse. Ich konnte es ihm nicht ausreden und nachdem ich mich schlafen gelegt hatte, wollte er mir Fußtritte verpassen. Das ist dann irgendwann völlig eskaliert und zählt zu meinen abstrusesten Erfahrungen.

Nur zur Information, Epple war ein Fahranfänger während der RAF Zeit und man hat ihn durch die Fensterscheibe erschossen.

Was zeichnet einen Beatnik aus?

Marcel: Wir kommen eher aus dem Rockabilly bzw. Western Swing Bereich und haben uns in die Anfang der 1960er hinein getastet. Der klassische Klischee- Beatnik ist ein Künstler, der abstrakt malt und ein bisschen Bongo spielt. Mit den Montesas hat das so rein gar nichts zu tun, denn im Grunde ist unsere Musik an die 60 Jahre College Bands angelehnt, die Tanzmoden kopierten und die Charthits nachspielten. Es gab aber natürlich auch lokale Hits oder Singles die sich gut verkauft haben. Diese Lieder wurden ohne Rücksicht auf Stile gecovert, ganz unabhängig davon, ob das jetzt Blues, Swing Beat oder Halli Galli war. Das nennt sich Fredrock. Wir müssten uns also folglich als Fredrockband bezeichnen.

Wie viele Mitglieder hat die Halli Galli Gang?

Marcel: Wir stehen kurz vor hundert Mitglieder.

Wen kennt Ihr persönlich?

Marcel: Ab wann kennt man eine Person? Dich kennen wir jetzt auch.
Ira: Es ist auch spannend, wenn man eine Person nicht persönlich kennen gelernt hat und sie dann mit Buttons und Aufnähern auf unseren Konzerten trifft. Man macht den Hully Gully Gruß und aus der Situation heraus entspinnt sich meist ein natürliches Gespräch und man weiß im Vornherein, dass man Gemeinsamkeiten hat.

In Stuttgart hat mir mal eine Person erzählt, dass man in Punkkreisen keine Hände schüttelt.

Ira: Was? Das klingt nach Psychopathologie!
Marcel: Diese Person muss die Schwerpunkte falsch gesetzt haben. Ist leider sehr häufig der Fall in Subkulturen.

Was wäre denn ein optimal gesetzter Schwerpunkt?

Marcel: Freundlichkeit, Höflichkeit, Ehrgefühl und Sauberkeit etc., etc. (lacht).

Was bedeutet Retro für Eure Alltagsgestaltung?

Marcel: Der Begriff Retro erzeugt falsche Vorstellungen in den Köpfen der Leute. Ich bin so wie ich bin und lebe nicht in der Vergangenheit und ich entwickele mich auch permanent weiter. Man kann so tief graben in der Musiklandschaft zwischen 1945 und 62 und sich somit kulturell und musikalisch immer weiterbilden. Ich bin immer am lernen und entdecke immer neue Zusammenhänge, auch zwischen verschiedenen Modeerscheinungen.

Ihr lest keine Beatpoeten?

Marcel: Von Kerouac habe ich mal was gelesen, aber wir denken nicht speziell über die Beatkultur nach und führen uns auch selten Beatwerke zu Gemüte. Ich kann nicht genau sagen, was ich bin. Andere Leute müssen uns ein Label geben und sehen, ob es passt.

Eure Koffer sehen so aus, als wären sind mindestens 40 Jahre alt!

Ira: Die leiden immer so bei der Gepäckausgabe, wenn wir Auftritte im Ausland haben.
Marcel: Wie wir leben verkörpert eine Wertschätzung des Althergebrachten. Wir verleiben aus der Mode gekommen Dingen einen neuen Wert ein.

Ihr seht kleidungstechnisch auch aus wie aus den 1960er Jahren und dazu auch noch im Einheitslook!

Marcel: Wir gönnen uns den Spaß in Marineuniformen aus dem Haus zu gehen. Das ist zugegebenermaßen sehr bürgerlich, sehr bourgois (lacht)!

Mein Eindruck ist, dass Monsieur Bontempti der Chef ist. Wie sind Eure Entscheidungsstrukturen? Könnt Ihr mir bitte ein paar Tipps geben?

Ira: Er trifft viele Entscheidungen und wir wissen, wie damit umzugehen ist. Wenn wir etwas wollen, dann sagen wir einfach das Gegenteil von dem, was wir eigentlich wollen. Das funktioniert meistens.
Marcel: Einer muss bei so einem Projekt die Zügel in der Hand halten, allerdings müssen die Aufgaben klar verteilt sein und jeder geht mit einer gewissen Ernsthaftigkeit seinen Verpflichtungen nach. Wir lieben uns und beeinflussen uns gegenseitig. Grundsätzlich steckt ganz viel Arbeit hinter unserer Band und es gibt 1000 Probleme die bewältigt werden müssen. Das funktioniert ohne großen Streit und ganz selten nur wird genörgelt. Ich bin sehr, sehr glücklich in dieser Band spielen zu können.
Ira: Alle Bandmitglieder wollen im Groben dieselben Ziele erreichen und deswegen arbeiteten wir mit Freude zusammen. Da gibt es nicht viel zu diskutieren. Wir haben klare Vorstellungen davon, was wir wollen und das deckt sich wunderbar.
Judy: Ob eine Band funktionieren kann, hat mit der Akzeptanz der anderen Meinung zu tun. Man stellt sich aufeinander ein, bietet mit eigenen Vorschlägen auf und richtet sich nach den anderen Musikern und das wird dann zum Selbstläufer. Die Arbeit der Band basiert auf gegenseitigerer Wertschätzung und wenn Marcel beispielsweise das Cover gestaltet, dann sagen wir: „ Wow, toll!“ Es ist selbstverständlich, dass wir uns uns ganz herzlich bedanken.

Was steht heute noch an?

Maria: Wir werden einen steppenden Matrosen beobachten.
Marcel: Annabell, herzlich willkommen in UNSERER Welt!

Ich wünsche Euch noch einen wunderschönen Abend. Vielen herzlichen Dank für das Interview.

Interview. Annabell Weimar

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