Dezember 31st, 2021

Tape Shapes (#203, 2020)

Posted in interview by Jan

#PunkToo ist der Titel einer neuen Reihe an Interviews. Es geht um die Themen Sexismus und Geschlecht in der Punk Rock Szene. Und natürlich darf auch Musik im Rahmen der Gespräche nicht fehlen.

Als erstes ist die Hamburger Band Tape Shapes an der Reihe. Das Quartett aus der Hansestadt spielt eine krachig-fuzzige Mischung aus Grunge, Stoner und Punk Rock. Im Interview haben wir uns über neben Sexismus in der Subkultur auch über die Ende Mai 2020 erschienene EP „Overload“ unterhalten.

Hallo liebe Tape Shapes! Vielen Dank, dass ihr euch Zeit nehmt. Ich hoffe es geht euch gut in diesen sehr bizarren Zeiten. Wie gestaltet ihr den Band Alltag im derzeitigen Chaos?
Hi, uns geht’s gut, danke. Wir haben schon ein paar Projekte, an denen wir gerade arbeiten und ab und zu treffen wir uns im Videochat, auch um ein paar Sachen besprechen.

Das Thema meiner Interview Reihe ist #PunkToo. Das heißt, es geht um Sexismus in den Szenen Punk Rock, Hardcore sowie artverwandten Subkulturen. Ihr seid eher im Grunge sowie im Stoner Rock unterwegs. Daher wäre meine erste Frage, wie intensiv eure Berührpunkte mit der Punk Szene aussehen.
Wir haben viele Livekonzerte gespielt und auch sehr oft mit Punk Rock Bands die Bühne geteilt.

Und seht ihr Unterschiede, was sexistisches Handeln innerhalb der Gruppen angeht? Also, erzeugt ein Auftritt im Punk Rock JUZ eine andere Erwartungshaltung als Konzerte in Läden, die grundsätzlich mehr von Grunge und Stoner Publikum geprägt sind?
Wir haben sowohl Konzerte mit Punk Rock Bands in JUZ gespielt als auch in anderen Clubs. Einen Unterschied in puncto Sexismus haben wir nicht wirklich erlebt. Insgesamt fällt aber auf, dass Frauen in der Punk Rock Szene präsenter sind als im restlichen Rockbereich.  Natürlich wird die gesamte Bandszene immer noch von Männern dominiert. In Einzelfällen trifft man aber schon auf Bands mit weiblichen Mitgliedern, meistens Sängerinnen.

Gibt es Erfahrungen, die ihr mitteilen möchtet, bei denen ihr als Band sexistischen Äußerungen oder sogar Handlungen ausgesetzt wart? Das kann bei Gigs, beim Booking, bei der Promo oder in den Weiten des Internets sein.
Es gab hin und wieder einige Kommentare nach dem Motto: „Warum versucht die Sängerin wie ein Mann zu singen?“. Und das nur, weil wir nicht in das typische Schema „Band mit Sängerin“ reinpassen, da wir durchaus härtere Musik machen und unsere Sängerin oft zwischen Melodie und Screamen wechselt. Es ist auch schon passiert, dass wir für Gigs nicht gebucht wurden und anschließend schaut man, wer alles genommen wurde. Dann sieht man vor sich eine Liste mit Bands, wo keine einzige Frau mitspielt. Das empfindet man dann schon als eine Art von Sexismus und gleichzeitig macht es einen auch wütend. Mittlerweile sieht man viele Grunge und Stoner Bands mit weiblichen Bandmitgliedern, aber auf den Festivals ist nur ein winziger Teil davon vertreten.

Das Rockmilieu mit all seinen Sparten wirkt nach außen hin immer noch sehr maskulin, obwohl es tonnenweise nicht-männliche Personen in der Szene gibt. Inzwischen haben Bestrebungen, die Sichtbarkeit weiblicher und diverser Acts zu verstärken, ganz langsam Anklang gefunden. Glaubt ihr, wir sind auf einem guten Weg?
Wir sind der Meinung, dass Frauen langsam in verschiedenen Szenen präsenter werden, nicht nur im Rock/Pop. Und wir sind auch froh, dass wir so gut vernetzt sind und schon als Vorband für viele coole Bands mit Frauen spielen konnten. Es ist ein schleichender Prozess und ein weiter Weg bis dahin, dass das Publikum ohne Vorurteile eine Band mit weiblichen Mitgliedern sieht und sich nicht sofort denkt: „Mal sehen, was die können“…

Und gibt es etwas, was ihr anderen Personen im Musikgeschäft jeden Geschlechts noch mit auf den Weg geben möchtet?
Wir denken, dass jeder Künstler gleich gefördert werden sollte, unabhängig davon, welches Geschlecht er hat. Dass nur Männer in Bands spielen, ist ein altmodischer Gedanke und wir wünschen uns, dass in Zukunft mehr Bands (vielleicht sogar die Hälfte?) mit Frauen für Festivals gebucht werden. Das Thema sollte größere Aufmerksamkeit in unserer Gesellschaft und im Speziellen in der Musikbranche bekommen.

Zum Abschluss soll es nochmal um Musik gehen. Eure neue EP „Overload“ klingt äußerst überzeugend. Ich finde, ihr habt deutlich mehr und krachiger auf den Putz gehauen als auf „Divine“. Habt ihr neue Energie getankt? Und wenn ja, wo kommt sie her?
Für unsere neue EP „Overload“ haben wir uns von vielen Themen und Musikrichtungen inspirieren lassen. Wir haben beispielsweise gemeinsam viele Stoner-, Alternative-, Metal- und Grunge-Konzerte besucht und wollten diese Live-Energie unbedingt aufs Album bringen. Die Songs sind auch etwas Stoner-lastiger geworden, anders als bei den Vorgängern, die mehr im Alternative angesiedelt sind.
In den Lyrics geht es nun auch mehr um soziale Themen, die in unserer Gesellschaft teilweise noch Tabu-Themen sind, wie Homosexualität, Gewalt gegen Frauen und Flüchtlinge. Aber die Songs machen auch Hoffnung und klingen daher gefühlvoll und gleichzeitig kraftvoll.

Wie entstehen eure Songs für gewöhnlich? Im Proberaum, am Schreibtisch, in der Kneipe oder doch ganz anders?
Wir treffen uns zweimal in der Woche im Proberaum und manchmal hat einer von uns schon eine Idee wie ein Riff, ein Rhythmus oder ein paar Lyrics. Meistens Jammen wir dann und kommen dadurch auf viele Ideen und das inspiriert uns für neue Songs.

Wenn ihr euch drei Bands oder Künstler*innen aussuchen könnt, mit denen ihr unbedingt mal eine Bühne teilen möchtet, wer wäre das?
Hindernisse wie, ob diese Menschen noch leben, sollen eure Entscheidung dabei nicht beeinflussen.
Das ist nicht so einfach, da wir alle unterschiedliche Musikgeschmäcker haben. Wenn wir uns aber einigen müssten, hätte keiner von uns etwas gegen eine Tour oder ein Konzert mit 1000mods, System of a Down oder Nirvana ??

So weit, so gut. Ich bedanke mich für das Interview, wünsche euch alles Gute für die Zukunft und hoffe, wir sehen uns in einfacheren Zeiten mal auf einem Konzert. Zum Schluss lasse ich euch noch Raum für Kommentare, Shoutouts oder dergleichen.
Wir bedanken uns sehr für euer Interesse und eure Mühe. Wir sind glücklich, dass es solche Plattformen wie eure gibt und dass wichtige Themen wie Frauen in der Musikszene dort öffentlich diskutiert werden.

Vielen Dank und hoffentlich bis zum nächsten Konzert!!
LG, Tape Shapes (Elena, Dominik, Simone und Laura).

Interview: Raphael Lukas Genovese

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