August 26th, 2019

SLEATER KINNEY (#119, 2006)

Posted in interview by Jan

SLEATER-KINNEY + Feminismus = Gerücht?

Benannt nach einer Ausfahrt bei Olympia, dem Hauptsitz der amerikanischen Riot-Grrls wurden Sleater-Kinney schnell in einen Topf mit Bands wie Bikini Kill geworfen. Spätestens mit dem Wechsel von Kill Rock Stars zu Sub Pop im Jahre 2005 beweisen die drei Frauen jedoch, dass sie erwachsen geworden sind. Gitarristin Carrie Brownsteins unenthusiastische Herangehensweise an dieses Interview stellt klar, dass die Band sich sehr von ihrem Frühwerk distanziert.

Etwas wundert mich das schon, zumal die Energie und die Wut, die schon den Sound von Call the Doctor bestimmt, gerade bei The Woods, nach einer Spanne von 10 Jahren, wieder sehr deutlich herauszuhören ist. Carrie stimmt mir zu, wenn ich von Rohheit spreche, auch wenn die Gitarrenparts sehr viel ausgefeilter sind als noch zu Beginn, denn die Band bleibt sich selbst nach 7 Alben ja noch treu, auch wenn beim neuen Album laut Carrie sehr viel mehr Wert auf ein Gesamtkonzept gelegt wurde als je zuvor. Dies macht auch den Grund dafür aus, dass es bis zu dessen Veröffentlichung 3 Jahre gedauert hat, und nicht etwa eine Motivationskrise, wie man hätte vermuten können.

Auch Live wird sich auf The Woods konzentriert, „selbst bei diesen Songs verschwindet langsam die Aufgeregtheit, aber sie sind immer noch eine besseres Spiegelbild unserer selbst als ältere Alben“, sagt sie, und lässt mich bangen, ob das nun heißt, dass die Band am Ende ist, oder nur schon wieder eifrig beim Schreiben neuer Songsi. Der klare Bruch war aber intendiert und mit dem Wechsel des Labels und Produzenten hofft Carrie „den Leuten, die dachten zu wissen wer wir sind, etwas vorzusetzen womit sie uns erstmal nicht in Verbindung bringen würden.“

Das dies ein Seitenhieb auf die Riot-Grrl Schublade ist, in die die Band nach Carries Empfinden wehrlos hineingedrängt wurde, ist kaum zu übersehen. Dennoch frage ich nach und siehe da: „Wir haben uns nie als Girlband gesehen“ – fair enough, so interpretiere ich „the best man won’t hang out with the girl band“ eben als Ironie, doch auch hier macht mir Carrie einen Strich durch die Rechnung: „Wir benutzen keine Ironie, wir sind bloß indirekt in unseren Botschaften, und überhaupt soll jeder selbst sehen was er aus unseren Texten zieht“. Als ich dann trotzdem Fragen zu einigen Texten stelle, sagt sie nur „den Song habe ich nicht geschrieben“. Schwierig mit der Frau, extrem schwierig.

Eigentlich will ich schreien, ihr sagen, dass ich ihr nichts Böses will, sondern, dass Sleater-Kinney nun mal meine Lieblingsband ist, und mich die Antworten auf die Fragen interessieren würden, und ich sie nicht in irgendwelche Fallen locken will. Ich tu’s nicht und auch sie bleibt wortkarg und betont nur ständig wieder, sie hätte bessere Dinge zu tun als Musik zu machen oder sich damit zu beschäftigen wie diese rezipiert wird. Wenn die Band vorbei ist will sie auch mit der Musikindustrie nichts mehr zu schaffen haben. Warum? „Na ja, dass habe ich jetzt echt schon lange genug gemacht“.

Im Video zu You’re No Rock’n’roll Fun wird erst der Anschein erweckt man hätte es mit einem normalen aufpolierten Rockvideo zu tun, das wird aber zur Mitte hin karikiert indem im Prinzip das Making Of in den Clip integriert wird, was ich für eine ziemlich geniale Aussage halte. Sie auch, jedoch „war das nicht meine Idee, ich konzentriere mich auf die Musik und was darüber hinausgeht sollen andere machen“.
Den Job macht sie auch verdammt gut, aber, wie passt das alles jetzt mit „If you’re here because you want to be entertained please go away“ zusammen? Sogar Time Magazine hat Sleater-Kinney zur besten Rock Band Amerikas gekürt. „Ja, keine Ahnung wie das passieren konnte, das ist schon recht bizarr“.

Die Drei wohnen nun wieder alle in Portland, das immer noch das Mekka für viele Künstler der Westküste ist. Hier kann man sein wer man ist, und muss sich nicht erzählen lassen, dass man seine Kinder durch Touren vernachlässigt. Der perfekte Boden also, um gute Musik zu kreieren. Was gehört sonst zu dem Geheimrezept. Die drei Individuen? „Nein. Ein gute Platte ist deswegen gut weil die Musik gut ist, und wie auch immer unsere 3 Persönlichkeiten geartet sein mögen, bei der Kombination kommt gute Musik heraus“.

Was ist denn mit der DIY Ethik? „Leute die beschissen spielen und dann auch noch nicht neues kreieren, kann ich mir nicht ansehen, aber man sollte schon Leute ermutigen ein Instrument zu betätigen und auch wenn sie vielleicht technisch miserabel sind, können gute Ideen dabei herauskommen“. Sleater-Kinney haben ihre Karriere bewusst gelenkt. „Würden wir öfter nach Europa kommen, würden wir hier auch größere Clubs spielen, aber so bin ich überrascht, dass wir nicht noch kleinere Clubs spielen. Wir hatten natürlich auch sehr viel Glück, dass Leute uns mochten und gepusht haben und das hat hauptsächlich über Mundpropaganda funktioniert“.

Na immerhin doch DIY – die Frage, ob die fälschliche Verbindung mit Riot-Grrl da nicht doch eher hilfreich war hab ich mir dann verkniffen.  Der Grund warum viele Frauen sich stark mit Sleater-Kinney identifizieren ist ja nicht primär, dass es sich um weibliche Musikerinnen handelt, denn hier gebe ich Carrie Recht, den Unterschied hört bei einem Instrumentalstück niemand, sondern weil sie Erfahrungen in den Texten verarbeiten, die von einem weiblichen Hintergrund stammen, und Themen ansprechen, die viele Männerbands nun mal nicht ansprechen. Darum geht es Carrie bei guten Bands aber nicht, „da kommt es nicht auf Inhalte an, sondern auf gute Sounds, kreative Melodien, erfinderische Songstrukturen“. Was soll ich sagen, macht es einen Unterschied das Sleater-Kinney aus drei Frauen besteht? Jetzt nicht mehr.

Interview/Text. Alva Dittrich

Both comments and pings are currently closed. RSS 2.0