März 25th, 2020

Skateboarding Is Punkrock. The History Of Skaterock Part III aus #97, 2002

Posted in artikel by Jan

SKATEBOARDING IS PUNKROCK

The History of Skaterock Part III: 1978 – ´84 (… so ungefähr zumindest)

Dieser Mehrteiler über Skaterock erschien bereits in dem Skatermag „Boardstein“, er wurde uns freundlicherweise von Florian, dem Autor, zur Verfügung gestellt.

Liebe Schüler, liebe Eltern!

Ich habe Sie zusammen hierher beordert, weil es heute um ein sehr brisantes Thema geht. Um etwas destruktives und dennoch kreatives. Um etwas gefährliches und trotzdem oder gerade deshalb anziehendes. Um etwas lautes, agressives, rohes und sehr ehrliches: den Skatepunk.
Die Hippies verseuchten die späten 60er und die 70er Jahre mit ihren utopischen Wunschvorstellungen einer friedlichen, heilen Welt. In ihrer Milchmädchenrechnung vergasen sie dummerweise den Egoismus der Menschen dazu zu addieren.

Und somit kam bei der ganzen Sache und aus den von Drogen unbrauchbar gewordenen Matschbirnen nicht viel mehr als heiße Luft raus. Es wurde Zeit, daß mal wieder jemand Arsch trat, im Sinne der guten alten Mutter R´n´R. Irgendwann ende der 70er wurde sie wieder einmal schwanger, nur weiß keiner mehr so recht, wer der Vater war. Waren es MC5, die RAMONES oder die SEX PISTOLS? Ich weiß es nicht. Meiner Meinung nach hat keiner von ihnen den Punkrock gezeugt. Das geschah schon viel früher. Ich sach nur SONICS oder JERRY LEE LEWIS zum Beispiel. Richtig unbekannte alte Punkbands findet man heute nur noch auf Samplern, wie z.B. der Back from the Grave Reihe. Aber lassen wir dieses Thema nicht in einer Diskussion ausufern. Wer sich über so was streiten will, soll mal wieder im Kindergarten vorbeischauen.

Circa 1977 wurde Punk zum Trend Nr. 1, insbesondere in England. Jugendliche wollten sich von der kritiklosen Masse und den verpeilten und passiven Hippies distanzieren. Zur selben Zeit ging die Skateindustrie den Bach runter und die Skateszene in den Untergrund. Verbote wurden verhängt und die Skater wurden an den Rand der Gesellschaft gedrängt, weil es kaum mehr legale Möglichkeiten gab, mit dem Skateboard zu fahren. Also existierten zeitgleich zwei Szenen, die in ihrem Lebensstil ähnlich agressiv waren. Bei der Gesellschaft war die eine beliebter als die andere. Die Verbindung oder besser Vermischung war dann reine Formsache. Punks fingen an Skateboard zu fahren und Skater gingen auf Punkshows und gründeten Bands. Plötzlich konnte jeder – auch ohne besondere musikalische Kenntnisse – Musik machen und Konzerte geben.

Da das Skateboard in den 70er Jahren noch nicht wirklich Fuß gefasst hat auf dem europäischen Kontinent, fand diese Vermischung vorwiegend in den USA und da v.a. in Californien statt. Dennoch beweisen Songs wie „Sk8 tough“ von U.K.SUBS, daß es auch in der Punk-Hochburg England skatende Punks gab. Aber seien wir mal ehrlich, in der Standard-Kluft der englischen Punks, Lederklamotten und Springerstiefel, läßt es sich nicht wirklich gut skaten.

Die Punkbands aus Amerika sahen meistens ein bißchen anders aus. In den 70ern herrschte noch ein eher waviger, dunkler Stil vor, wobei sich hier schon wieder die Geister spalten, ob diese Bands denn überhaupt Punk waren. Und dann kam die Skater-Generation. Mit zerrissenen Jeans, T-Shirts und Turnschuhen. Also das, was sie tagsüber beim Abhängen oder beim Skaten trugen. Hier stylte sich – bis auf Mike Ness von SOCIAL DISTORTION, den Jungs von T.S.O.L. oder den MISFITS – niemand groß für ein Konzert auf. Diese Punks waren meist frustrierte Vorstadtstadtkids, die auf der Highschool die Loser waren und ständig verprügelt wurden, weil sie nicht im Football-Team waren oder keinen ordentlichen Haarschnitt hatten. Zumindest erzählt man sich das so. Ich war ja selber auch nicht dabei. Aber irgendwie macht es keinen großen Sinn, 25 Jahre später die Entstehung des Skatepunks mit einem solch banalen Grund erklären zu wollen. Vielleicht war das Ganze auch ein perfekt durchdachter Marketingplan der Platten- und Modemultis. Weiß man´s?

Tatsache ist nur, daß es, seit Punkrock als fester Bestandteil der Musikszene gilt (und das ist nunmal seit 1977 der Fall), kein anderes Acessoire oder Hobby bei Punkbands gab, das so oft vorkam, wie das Skateboard. Von Bier und Frauen mal abgesehen. Alle anderen, wie BMX, Autos, Rollschuhe, Haustiere oder Briefmarken rangieren weit abgehängt auf den hinteren Plätzen.

Es gibt wahrscheinlich einige tausend Punkbands, die entweder ein Skateboard auf dem Plattencover haben, bei denen einer auf´m Photo ein Brett unterm Arm trägt (wer weiß, ob der auch je drauf gefahren ist), jemand ein Thrasher T-Shirt trägt (was statistisch gesehen sehr häufig vorkam), die Lieder übers Skaten singen, Musik zu Skatevideos beisteuern oder schlicht und einfach nur selber skaten.
Bei den Bands, die im Folgenden erwähnt sind, bin ich mir oft gar nicht sicher, ob da auch wirklich ein Bezug zum Skaten existiert. Aber bei kalifornischen Bands kann man eigentlich grundsätzlich davon ausgehen, daß mindestens eines der Bandmitglieder selber mal geskatet ist. Dieses mal sind auch kaum Cover dabei, auf denen ein Rollbrett zu sehen ist, aber das spielt auch keine große Rolle. Dafür ist die Musik umso besser. Wenn ich Punkrock höre, dann vorwiegend aus der Zeit 1978 bis etwa 1983 oder ´84. Labels wie z.B. POSH BOY, FRONTIER, TRIPLE X, TOUCH & GO, SST oder DISCHORD waren die großen Namen im Untergrund und sind es meist auch heute noch.

Die Musik ist natürlich in erster Linie punkig, oft melodisch, aber nicht so zuckersüß, wie z.B. heute NO FUN AT ALL. Auch nicht so schnell und hart, aber irgendwie rauher, nicht ganz so glatt geschliffen. Man hört, daß nur in den seltensten Fällen in teuren Studios aufgenommen wurde, was meiner Meinung nach aber das ganze erst glaubwürdig erscheinen läßt und diesen gewissen Spirit und Charme erzeugt.
Es ist eigentlich völlig unmöglich auf zwei Seiten jede einzelne Band genauer zu beschreiben. Deshalb erzähl ich immer nur das Nötigste und wenn Euch eine Band davon interessiert, könnt ihr euch selber auf die Suche machen, in Eurem Plattenladen, in Mailorder-Katalogen oder im Internet.
Zu meinen meinen Favoriten zählen definitiv die ADOLESCENTS.

Ein paar durchgeknallte Teenager aus Orange County, im Großraum L.A.. Unter ihnen Rikk Agnew, Casey Royer und Tony Cadena, welche später noch bei einigen anderen Bands mitmischten. Rikk & Casey gründeten die Skate- und Surfpunklegende D.I., während Tony die Adolescents weiter am Leben erhielt und irgendwann in den 90ern ADZ ins Leben rief. Auf ihrer ersten, unbetitelten LP von ADOLESCENTS befinden sich so zeitlose Punk-Klassiker wie „Amoeba“ oder „Kids of the Black Hole“, die man einfach kennen muß, wenn man sich für Punk interessiert. Auch die anderen Songs, wie „No Way“, „Creatures“ „Democracy“ oder „Who is who“ sind Lieder, an denen sich jede mittelmäßige Band die Finger abschlecken würde. In einem der Photobände von Glen E. Friedman ist auch ein Bild von einem scheinbar recht wilden Konzert der Adolescents im legendären Upland Skatepark abgebildet. Auf ihrer zweiten, nicht mehr so genialen LP „Brats in Battalion“ befindet sich auch ein Song übers Skaten namens „Skate Babylon“. Die dritte LP „Balboa Fun Zone“ ist bis auf ein oder zwei Songs gar nicht mehr erträglich.

Eine ebenfalls sehr wichtige Band sind AGENT ORANGE, die aus der Surf- Skate- und auch ein bißchen aus der Hot Rod-Szene kommen. Die Jungs um Mike Palm waren eher von der melancholischen bis pessimistischen Sorte, trugen oft schwarz und auch der Plattentitel „Living in Darkness“ macht klar, daß es sich hier nicht um oberflächliche Sunnyboys handeln kann. Hierin besteht meiner Meinung nach auch ein bedeutender Unterschied zwischen den damaligen und den heutigen melodischeren Punkbands. In den Anfangstagen war noch viel mehr Wut, Kritik und Zynismus vorhanden. Zumindest wirkte es damals echt.

Auf der „Living in Darkness“, der ersten LP von AGENT ORANGE finden sich solche Klassiker wie „Bloodstains“, „Too young to die“, „No such thing“ oder das Dick Dale-Cover von „Miserlou“, den Song den auch jeder Nichtsurfmusikbegeisterte spätestens seit PULP FICTION kennt. Von allen Songs der Band gilt „Bloodstains“ innerhalb der Punkszene als bester, obwohl er meiner Meinung nach eher untypisch für den Stil der Band ist. Alle andere Songs sind weit weniger punkig und wütend und bringen eher eine düstere Stimmung rüber. In diese Richtung haben sie sich auch auf der „When you least expect it “ MLP (1987 ????? ) und der „This is the voice“ LP (1986) weiterentwickelt und spielen diesen Sound heute immer noch.

Ihre aktuelle CD „Virtually indestructable“ (1999) und die Europatour vor zwei Jahren beweisen, daß sie noch nicht tot sind. Sie waren es auch nie, obwohl es für alle den Anschein hatte. Tatsache war nur, daß sie von ihrer Plattenfirma nicht mehr unterstützt wurden und in einem Plattenvertrag steckten, aus dem sie nicht raus kamen. Auf jeden Fall sind sie jetzt wieder richtig aktiv und im Gegensatz zu vielen anderen „Dinosaurier-Bands“ sind sie immer noch frisch. Mike Palm ist einfach ein kleines musikalisches Genie. Er kommt live noch viel besser rüber als auf Platte und variiert hier und da mal spontan ganze Songparts. Sollten sie mal wieder auf Tour kommen, schaut sie euch unbedingt an!

Als nächste Band hätten wir die oben bereits erwähnten Surfpunks von D.I.. Eine Band, die etwa zur Hälfte düstere und zur Hälfte melodische Songs hatte, wobei aber auch die melodischen Songs düstere Texte haben, wie z.B. „Richard hung himself“, „Falling out“, „Johnny´s got a problem“ oder „O.C. Life“. Auch D.I. sind immer noch mehr oder weniger aktiv und das obwohl inzwischen über 25 verschiedene Leute bei der Band mitgespielt haben. Nur Casey Royer ist fester Bestandteil. Das letzte was von ihnen erschien, war die „Zwei Frau und Eins Stein“ 7″ auf SESSION Records. Und das ist jetzt auch schon wieder über drei Jahre her.

Dann machen wir mal im Schnelldurchgang weiter. Da wären noch JFA, die Skatepunklegende aus Phönix, Arizona, die es immer noch gibt und über die es irgendwann hoffentlich mal eine extra Story geben wird. Oder die BIG BOYS aus Texas. Eine sehr einzigartige und eigenartige Band, sowohl von der Musik, die mit Swingelementen und Bläsern verfeinert wurde, als auch von der Cover-gestaltung und vom ganzen Outfit her. Ihr Song „Fun fun fun“ ist mit Sicherheit ein zeitloser Klassiker. Dann BLACK FLAG, auch eine Band, die aus der US-Punk-Geschichte nicht wegzudenken wäre. Mir persönlich gefallen aber nur die wenigen Aufnahmen, bevor Henry Rollins zur Band kam. Also die „Nervous Breakdown“ 7″, die „Louie Louie“ 7″, die „Jealous Again“ 12″ und die T.V. Party“ 7″. Die „Damaged“ LP kann man sich auch noch ganz gut anhören, aber alles danach wird mir zu psychomäßig. Einer der drei oder vier Sänger vor Henry war Keith Morris, der nach seinem Ausstieg bei BLACK FLAG die CIRCLE JERKS gründete. Er schrieb einige Klassiker wie „Wasted“, die er mit beiden Bands spielte.

Ein anderer Klassiker sind YOUTH BRIGADE, die aus L.A. wohlgemerkt, nicht die aus Washington D.C.. Dahinter stecken die drei Stern Brüder, die in diversen Bands spielten (THE BRIGADE, THAT´S IT …) und B.Y.O. Records betreiben, wo u.a. eine LP der Skatepunklegende AGRESSION aus Oxnard veröffentlicht wurde. Doch dazu mal in einem späteren Text. Auf POSH BOY Records erschienen so geniale Bands wie die SIMPLETONES oder THE CROWD. Langsamer melodischer Punkrock, bei CROWD zusätzlich mit Surfeinflüssen. Oder TRUE SOUNDS OF LIBERTY, kurz T.S.O.L., die Gruft-Punks aus L.A. an denen sich schon immer die Geister schieden. Zwischen den vielen lahmen Depri-Songs verbergen sich auch ein paar echte Punkperlen (BSP.!!!!).

Später drifteten sie dann in die Hardrock-Ecke ab, mit allem was da so dazu gehört: toupierte Haare, Piratenohrringe, Lederjacken, Leggins, etc. Die „Hit and Run“ LP finde ich sogar richtig gut. Definitiv besser als der frühe Deprimüll, aber trotzdem sicherlich nicht jedermanns Sache. In eine ähnlich gruftige Ecke schlugen die MISFITS, nur waren die Jungs um Saftnase Glenn Danzig noch ein bißchen extremer in ihrem Outfit als T.S.O.L.. Wenn es eine Kultband aus dem Ami-Punk-bereich gibt, dann sind das die MISFITS. Ich möchte nicht wissen, wieviele hundert Bootlegs (also illegale Plattenveröffentlichungen) es von ihnen gibt.

Weitere Bands, auf die ich nicht näher eingehen will wären: RIK L RIK, DESCENDENTS, PARIAH, AVENGERS, M.I.A., YOUTH GONE MAD; GERMS, DEAD KENNEDYS, MINUTEMEN, REDD KROSS, RF-7, CHANNEL 3, 7 SECONDS, CHINA WHITE, die obergenialen ANGRY SAMOANS und tausend andere, die alle in eine ähnliche Sparte fallen, aber meist kaum Bezug zum Skaten haben. Wenn ich jetzt eine wichtige Band vergessen habe, dann ist das entweder reines Versehen oder vollste Absicht. Zum Beispiel Bands wie ILL REPUTE oder RICH KIDS ON L.S.D. werden dann in einem extra Oxnard-Artikel behandelt.

Ab jetzt handle ich die Skaterock Geschichte nicht mehr chronologisch ab, sondern gehe auf die einzelnen lokalen Szenen ein. Also Oxnard, San Jose, Venice Beach oder New York. Nach Deutschland kommen wir natürlich auch noch irgendwann. Aber vorher geht´s erst noch um die THRASHER Skaterock Tape Serie.

Also, kommt gut nach Hause!

Euer Dr. Skaterock (alias Flow Hofmeister)

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