März 21st, 2020

GRNDNTNL BRNDS aus #84, 2000

Posted in interview by Jan

GRNDNTNL BRNDS
Eine starke Zukunft in Rck, pardon, Rock…

Ich habe euch ja nun schon mehrmals mit Geschichten über Bands behelligt, die aus Oakland kommen und auf Vaccination Records ihre Platten veröffentlichen. Und ich werde es weiterhin tun. Zumindest, solange es so hervorragende Gruppen sind, wie Ninewood (waren, muss man leider jetzt wohl sagen, wo sie unlängst im „Bottom Of The Hill“ in San Francisco ihre letzte Show spielten) oder so gute, wie es seit kürzerem GrndNtnl Brnds, sprich: Grandnational Brands, eine sind, und ganz besonders dann, wenn sie so hervorragende Platten machen, wie „Communicating For Influence“ eine ist, das Debüt dieser neuen Band um Label-Guy Dren MacDonald, erhältlich wie der übrige VacRec-Katalog bei Flight13.

Was so toll an dieser Platte ist, habe ich bereits im letzten Heft angedeutet, von wegen überzeugende Koexistenz von Tradition und Fortschritt, die Weiterführung einer Tradition, die nicht nur eine musikalische ist, sondern sich hier auch persönlich manifestiert. Bei GrndNtnl Brnds spielen, unter teils gefälschten Namen, eine der beiden Sängerinnen der nicht mehr existenten Avant-Rock-Band Fibulator, deren Platten eine echte Entdeckung sind, Dren von Giant Ant Farm, die zwei Alben auf Vaccination mit rumpelndem Folk, Klezmer-Rock und rollenden Moritaten veröffentlichten, Rich Wells, der in Bands wie Little My und Din Triptych wirkte, und nicht zuletzt Tom Scandura, der in einer Unzahl von Bands spielte und spielt, von denen die Bekannteste vielleicht The Molecules sind, über die ähnliches zu sagen wäre wie über Fibulator. Ganz dicker Tip!

Auch diese Band gibt es leider nicht mehr, und auch hier schlummert angeblich noch eine Menge Stoff in den Archiven. Schätze, die möglicherweise niemand ans Licht der Öffentlichkeit heben wird. Scandura, wie gesagt, spielt in verschiedenen Bands, wie Spezzo Rota, die, wie man hört, vertrackten Rock, wie ihn auch Eskimo oder Ebola Soup spielten, aus denen Spezzo Rota hervorgingen, mit italienischem Belcanto verzieren. Aber auch auf Abenden experimenteller Musik lässt er sich blicken, wo er dann in gänzlich freier Form mit anderen Verwandten im Geiste spielt.

Es gibt übrigens einen hervorragenden Sampler, der auf zwei Platten dokumentiert, was in der „Afterworld-Lounge“ in den Jahren von 1991 bis 1993 in Oakland und Umgebung geschah und zwar seither dieses offensichtlich legendären Clubs beraubt nicht mehr so konzentriert zu beobachten, jedoch immer noch eng ineinander verzahnt.

Zusammen spielen GrndNtnl Brnds jedenfalls, wie erwähnt, Rockmusik, die manch einen an Souled American erinnert, die mal ergreifend schön, mal schroff, mal schräg, mal kraus und manchmal alles zur gleichen Zeit ist. Und immer ist da auch diese Ironie und das weitläufige Interesse an den verschiedensten Sorten von Musik, wie es auch den Rest der weit verzweigten Familie auszeichnet. Noch Fragen? Wie wär’s mit einem Interview…

Das alte Spiel: Wer seid ihr, woher kommt ihr, wohin geht ihr, und warum habt ihr den Bandnamen von GrndNtnl in GrndNtnl Brnds geändert?
Irena: Wir haben den Namen geändert, weil wir unheilbar Unzufriedene sind, die nie mit etwas sehr lange glücklich sind, vor allem mit so etwas wie einem Namen, der etwas von dem verwirrenden Selbst erfassen soll. Erfinde etwas, zerstör‘ es, erfinde etwas, zerstör‘ es, was gibt’s zu Mittag? Alles isst… warum sollte man sich mit einer Sache begnügen? Und in dieser Hinsicht habe ich bei dem was ich tat immer das gleiche gemacht, immer und immer wieder.

Rich Wells: Fortschritt bedeutet in der industrialisierten Gesellschaft, in der wir leben, nie zurückzuschauen und selten vorwärts. Die Mitglieder von GrndNtl Brnds sind nach verschiedenen Kriterien ausgewählt: Wie sie mit Rückschlägen umgehen, wie mit Lob, wie sie Arbeitsstandards weiterentwickeln, und wie sie die Rockmusik-Industrie herausfordern. All dies sind wichtige Überlegungen. Der Namenswechsel war das Ergebnis einer zweijährigen Studie, in der mehr als 5.000 Teilnehmer befragt wurden.

Mir kam es vor, als entwickelte sich eure Platte von den etwas harscheren Stücken am Anfang hin zu eher schönen, zum Teil wirklich verdammt schönen, fast balladesken Stücken. Wolltet ihr Mainstream-Hörer abschrecken und so die süßen Sachen für abenteuerlustige Konsumenten aufbewahren?
Irena: Das ist passiert, weil wir der normalen Schablone für Rock-Alben gefolgt sind, nach dem du mit den drei zugänglichsten, eingängigsten Stücken beginnst und von dort aus immer schlechter wirst. Ich schätze, wir sind zu ängstlich, um es irgendwie anders zu machen. Außerdem ist es gut, in der Frühphase der Produktentwicklung nach solch einer Formel zu verfahren als Grundlage für weitere Hypothesen.

Nach deinem Kommentar vermute ich, wir könnten eine üble Fehlkalkulation hinsichtlich der Zugänglichket gemacht haben. Hmmm…Aber du bist nur einer von sechs Milliarden, und langsam erhalten wir mehr Daten, die dieses Thema erhellen werden. Ich bin recht zuversichtlich. Mindestens acht oder neun andere haben das Produkt erworben. Das höchste Ziel ist es natürlich, den durchschnittlichen Hörer zu gewinnen. Wir möchten die Welt zusammenbringen, weißt du?! Selbst wenn das eine Reduktion in totaler Masse bedeutet.

Rich: Wie Irena fest stellte, folgten wir der Schablone für Rock-Platten – die über die Bücherei des Kongresses der Vereinigten Staaten erhältlich ist; auch ihr solltet problemlos in der Lage sein, sie in Deutschland zu finden. Wir haben eine geringe Anzahl kleinerer Modifikationen bei der Abfolge vorgenommen, wobei wir auf die Ergebnisse zurückgriffen, die wir aus unserer Studie gewonnen haben.

Ihr sagt: „Rockmusik wird weiterhin die Art und Weise verändern, wie wir arbeiten, leben, spielen und lernen. Es gab bei euch in der Ecke mal ein paar Typen, die vermittels Rock das Ende von Rock bewerkstelligen wollten. Könnte die Unterstützung von Rock quasi zwangsläufig zu seiner Auslöschung führen…
Irena: Oh ja, die Typen. Hm. Ich habe diese ganze mathematische Propaganda nie verstanden, die die drauf hatten. Ein Teil davon war wohl, dass die Punktgröße zu klein war… Rich?

Rich: Während wir eine freundschaftliche Arbeitsbeziehung mit der „Rock Against Rock“-Fraktion haben, pflegen wir diese rein als Ergebnis der sich verlagernden Kräfte in unserer freien Marktwirtschaft. Während Grndntl Brnds nicht über die Zukunft der Rock Musik spekuliert, arbeiten wir auch in keiner Weise aktiv auf ihre Zerstörung hin. Ganz im Gegenteil sogar. Unser Anliegen als Organisation ist, zum Teil, auf eine starke Zukunft in Rock hinzuarbeiten. Man könnte sogar sagen, dass uns das Team von „Rock Against Rock“ hilft, unser Ziel zu erreichen, ob sie das mit Absicht tun oder nicht, ist eine andere Sache.

…und was würde an sein Stelle treten? Rock?
Irena: Ich würde hier gerne einen Seitenaspekt einbringen. Eines Tages hörte ich Radio – das hilft mir, meine Gedanken abzuschalten -, und sie hatten einen Beitrag über das Schreien. Ich war erstaunt, diese Leute bei einem Wettbewerb zu hören, wo sie laute, lange Schreie ausstießen. Sie erklärten, dass, bevor es das Telephon und so gab, Gemeinschaften sich miteinander verständigten, indem sie brüllten, und man konnte diese Leute meilenweit hören. Und, ja, sie erwähnten, dass es manchmal zu etwas anderem als direkter Kommunikation wurde, die Sorte von „wir sind hier, wir sind hier“-Schreien, die der unmittelbare Ursprung von Rockmusik sind. Man kann kaum dem Versuch widerstehen, aus so einer tief verwurzelten menschlichen Tendenz Kapital zu schlagen und sie für die eigenen Zwecke zu gebrauchen. Und all das wird eines Tages zusammenbrechen. Beton, weißt du, und Dinge, die sich bewegen.

Rich: Zum Glück sind wir keine „bottom-line“-Company, also nochmal, die Zukunft, die Aktualität vo Rock ist nicht unser Anliegen. Ich würde gern hören was die Leute in der Abteilung Forschung und Entwicklung sagen würden, wenn wir sie darüber fragten, was Rock werden wird. Sie sind ziemlich kopfstark, weißt du.

Es scheint mir eine Gemeinsamkeit bei den Bands aus eurem Umkreis zu sein, dass es starke folkloristische Einflüsse gibt. Bei GrndNtnl Brnds gibt es einen deutlichen Country-Einfluss, wie ich finde. Ich fühlte mich manchmal an Geraldine Fibbers erinnert, die Rockband von Nels Cline und Carla Bozulich. Von denen abgesehen fielen mir nicht viele Bands ein, bei denen aus vermeintlich konventionellen Mitteln fortschrittliche Rockmusik entsteht. Ich habe mich kürzlich mit einem Bekannten über Sachen wie Steelye Dan und die Westküste und die spezifisch souveräne und lockere Handhabung musikalischer Virtuosität unterhalten. Ist es das Wetter? Ist es ein falscher Eindruck? Ein Zufall? (Ich glaube, ich schweife ab…)
Irena: Ja, ich finde mich da nicht ganz zurecht. Ich mag Steelye Dan, aber ich habe noch nie die Geraldine Fibbers gehört, falls doch habe ich sie nicht gemocht. Nicht, dass das wichtig wäre. Vielleicht willst du darauf hinaus, dass es schwierig ist, jedem zu gefallen. Darauf läuft es hinaus, wenn du viele verschiedene Dinge magst oder versuchst, eine Menge Leute zu erfreuen oder zu beeinflussen. Was „progressiv“ angeht, betrachte ich das als Defekt. Auch wenn es manchmal angenehm ist. Aber ich denke, in Wirklichkeit willst du wissen, ob wir noch Bands kennen, die du gern hören würdest, deshalb gebe ich weiter an Dren. Solange er nicht vergisst, Wintermittens und Art Of Flying Lirds/Lords Of Howling zu erwähnen…

Rich: Steely Dan sind ein hervorragendes Beispiel für gute Musik, wenn auch nicht für Rock. Geraldine Fibbers und Scarnella, die Essenz der Geraldine Fibbers snd Beispiele für Rock für Intellektuelle. Wintermittens sind ein anderes gutes Beispiel dafür. Die Westküsten-Verbindung ist jedoch eine unbedeutende, denn obwohl Steelye Dan in L.A. aufnahmen, hatten sie eher eine New York-Essenz.

Interessanterweise kommen Wintermittens von Überall und Nirgendwo. Ich hörte, sie seien aus Frankreich, und ich hörte, sie kämen aus Kentucky. Was ist wahr?
Dren: Offengesagt hasse ich Steelye Dan wirklich, aber ich hörte sie, als ich zur Highschool ging – und das finde ich ziemlich peinlich. Die Fibbers mag ich seit ich sie in kleinen Clubs in Long Beach spielen sah, als ich dort lebte. Aber wahrscheinlich habe ich sie seit 1996 nicht mehr gehört. Es gefällt mir, dass du Country- und Folk-Einflüsse bei uns hörst, obwohl niemand daran dachte, als wir an dieser Musik arbeiteten. Ich liebe Hank Williams und Patsy Cline und höre eine Menge Hawaiianische Steelguitar-Musik aus den 20ern und 30ern.

Ähm, „the roctelsat hot bird“, der Investitionsrückfluss an die Kunden, wovon auf dem Cover eurer Platte zu lesen ist… Ich verstehe das nicht. Könntet ihr das kurz erklären, für potenzielle Kunden? Wie können unsere Leser von euren Produkten profitieren?
Irena: Gosh, so wie du das sagst, hört es sich wie der Phönix an. Das ist ziemlich lustig. Ich würde sagen, was eure Leser von unseren Produkten an Gewinn haben könnten ist, Gedanken an sich selbst für einen Moment beiseite zu legen, Das Denken ganz allgemein zu blockieren. Aber Rich…

Rich: Interessierte Parteien sollten mich über die Vaccination-Website für mehr Roctelsat-Information kontaktieren. Ohne langwierige technische Erklärungen der Hot Bird-Serie könne wir hier sagen, dass es eurer Firma Rentabilität in einer Umgebung mit breitem Austausch ermöglicht.

Ich fand es amüsant, dass ihr jemanden in der Band habt, der als Avantgarde-Komponist geführt wird. Was macht er bei GrndNtnl Brnds, außer avantgardistisch zu komponieren. Und wer komponiert den Rest, der nicht Avantgarde ist? Was komponiert Rich Wells, wenn er nicht für euch komponiert? Was macht er bei den Konzerten? Und wer ist für den Hank Williams-Einfluss zuständig?
Irena: Nun, Rich komponiert keine Avantgarde für GrndNtnl Brnds, das sind andere Sachen, die er in der Vergangenheit gemacht hat. Wir haben ihn in die Band geholt, weil diese Art von Arbeit dein Maß technischer Zweckmäßigkeit erhöht, und wir brauchten jemanden, der nicht nur „rocken“ kann, wie man so schön sagt, sondern auch die physischen Realitäten von Rockmusik, wie Vibrationen und Wellen, auseinander nehmen konnte und mit der Rekonstruktion und Übertragung in andere Manifestationen von Teilchen beginnen konnte. Weißt du, so dass wir uns alle etwas ähnlicher fühlen können, ein bisschen mehr gemeinsamen Boden haben, und ein bisschen glücklicher sind, ohne es auch nur zu bemerken. Gibt es Hank Williams-Einflüsse? Oh, das ist ein ziemlicher Fortschritt! Ich war mir dessen nicht bewusst.

Rich: Irena hat meine Position gut getroffen. Ich glaube nicht, dass ich das weiter ausführen kann, außer zu sagen, dass nicht genug Avantgarde-Komponisten – zumindest hierzulande – das Maß von Wagemut und „self-aggrandizement“ haben, das nötig ist, um dieser Profession gerecht zu werden.

Wer sind die drei kleinen Männer auf dem Cover?
Rich: Es sind drei Berater, mit denen wir auf einer regelmäßigen Basis arbeiten. Die Photos entstanden während eines technischen Gipfels, den wir im letzten Jahr abhielten.

Auf der Website von Vaccination steht, GrndNtnl Brnds würden keine Club-Shows mehr in der Bay Area machen. Warum? Sind die Clubs in der Bay Area so schlecht?
Irena: Nein, Clubs sind ganz grundsätzlich beschissen. Nein. Wir machen immer noch gelegentlich Club-Shows, aber wir sind sehr daran interessiert, die Leute zu ermutigen, Rockmusik und jede andere Musik an neue Orte zu bringen. Du kannst bei jemandem zuhause spielen, und so weiß plötzlich dein Nachbar etwas über dich, was er vorher nicht wusste, und Babys können auf eine Party kommen, aber nicht in einen Club.

Und was passiert, wenn du Rockmusik zu einer anderen Tageszeit hören kannst? Und so weiter. Ich denke, das verändert es. So wie Musik anders klingt, wenn du sie im Auto hörst, wenn du durch Utah oder Arizona fährst, wo all die großen Steine herumliegen. Du bist in deinem Apartment und dann gehst du in einen Club und kommst völlig durcheinander, weil du kein Konzept von deinen eigenen Maßstäben hast. Wirklich, du bist sehr klein in der Welt, und das kann eine große Stütze sein, wenn du leidest. Fortsezung folgt möglicherweise…

Rich: Die Clubs in unserem Land leiden an einem Mangel an technischem Wissen und Equipment, und wir haben oft das Gefühl, dass es unseren Kunden gegenüber nicht fair ist, einen Service unter Standard zu stellen, gefiltert durch einen Mittelsmann. Durch Auftritte bei privaten Parties und Firmenfeiern kann GrndNtnl Brnds eine „turn-key“ Lösung anbieten, die bei weitem den Service überschreitet, den wir in einer Club-Umgebung anbieten könnten.

Dren: Ich denke, sie haben das bestens beantwortet. Ich persönlich habe einfach die mittelgroßen Clubs hier satt, hauptsächlich, weil sie keine echten Musik-Clubs sind. Es sind Bars, wo Leute hingehen, um Darts oder Billard zu spielen und Bier zu trinken, und so gestalten sie den Raum. Die Musik kommt immer erst danach. Die Bands sind da, um den Getränkeumsatz zu steigern, und wir wollen nicht mehr anderen Leuten helfen, Getränke zu verkaufen. Ich spiele lieber in jemandes Hinterhof oder Wohnzimmer und lasse ihre Hunde um meinen Amp herumlaufen und die Mikrokabel verfolgen.

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