Punk Paradoxon – Eine Autobiografie, Greg Graffin
Koch International/Hannibal, Gewerbegebiet 2, A-6604 Höfen, www.hannibal-verlag.de
Das Buch beginnt in der Kindheit des Autors in Milwaukee, das ist so interessant wie andere Kindheiten auch, aber gute Psychologen können hier vielleicht schon erkennen warum sich Graffin so entwickeln wird wie er es tut. Ansonsten ist das alles ziemlich banal und langweilig. Interessant wird es dann erst wenn der junge Greg in Los Angeles, wo er mittlerweile mit seine Mutter wohnt, die ersten Punk Konzerte besucht. Er stellt fest das die Szene dort in den frühen 80ern geprägt ist von Drogen, Alkohol und Gewalt beziehungsweise Dummheit. Da hat er nicht so viel Bock drauf. So weit, so gut. Das es zu dieser Zeit auch schon in den USA und dem Rest der Welt Punk-Szenen gab die sich genau dieser Dummheit und dem destruktiven Konsum widersetzten, hat er wohl nicht mitbekommen – kann passieren.
Die Gründung von Bad Religion wird ausführlich beschrieben und wie es dann weitergeht. Hier wird es dann für den Fan wohl interessant, da es um den weiteren Werdegang der Band geht. Wie sie vorankommt, oder eben nicht. Wie sie sich selbst mit dem unsäglichen zweiten Album ins Aus schießen und wie es dann mit der Karriere, am Anfang sehr schleppend, aber ab „Suffer“ dann eigentlich immer nur in eine Richtung geht – Aufwärts, was Zahlen (Zuschauer, Geld) angeht. Neben seiner Karriere als Musiker der Punkrock spielt, schafft er es auch noch eine wissenschaftliche Ausbildung zu absolvieren. Immer wieder betont er wie aufgeklärt und intellektuell er ist und er meint auch sich selbst treu zu bleiben. Und dem ist wohl auch so, denn dem Punkrock, zumindest was Inhalte betrifft, ist er und seine Band mehr als untreu. Dies beschreibt der Autor ausführlich und sehr detailliert. Angefangen von einem Agenten, über einen Manager zu Buchaltern, Anwälten bis zum persönlichen Assistenten – all das ist eine ganz normale punkige Entwicklung im Verständnis von Greg. Und hier liegt auch der ganz große Fehler des Buchs beziehungsweise des Autors. Zurecht weist er darauf hin das er nicht religiös ist, auch weil er schon so erzogen wurde. Zurecht erkennt er das Religion ein Problem darstellt. Aber schon der Titel des Buches stimmt nicht, denn nicht der Punk ist ein Paradoxon, sondern der Mensch an sich. Dies zeigt Graffin am besten dann, an sich selbst, wenn er beschreibt wie er glaubt, und zwar aus voller Inbrunst und totaler Überzeugung, das er und seine Band immer noch eine Punkband sind. Es sei ihm geglaubt das er das glaubt, es ist aber eben nur (s)ein Glaube. Das was er am religiösen Glauben kritisiert widerfährt ihm ebenso, nur eben nicht mit einer klassischen Religion, sondern einer anderen Überzeugung. Deshalb macht es hier, wie bei anderen überzeugten Gläubigen, auch keinen Sinn mit Kritik anzusetzen – man kann es eh nicht ändern. Man kann es nur schade finden, das ein sogenannter Wissenschaftler nicht in der Lage ist sich selbst so sehr zu reflektieren um dieses Paradoxon zu erkennen. Nun gut, hier ist Graffin, wie wir wissen, nicht allein. Besonders „lustig“ wird es wenn er seine Eindrücke über die ersten beiden Europa Touren beschreibt – wer will, kann das gern in diesem Buch nachlesen. Ebenso schade ist das sein, laut eigenen Worten, aufklärerisch entwickeltes Weltbild, bei genauer Betrachtung nicht sonderlich weit vorn ist. Aber gut, man kann auf jeden Fall sagen das er ein Musiker ist, soviel steht fest und über Musikgeschmack kann sich streiten wer will. Für Fans von Bad Religion und Künstler-Autobiografien ist das Buch sicher der Knüller. Für mich war es interessant wie der Autor in seinem Glauben Punk zu sein, all das beschreibt was eben beweist das er das nicht sein kann. Und ich hab auch neues gelernt, immerhin! Aber gut, wer will soll das selbst lesen. Es ist auch so das viel zu viel geschrieben steht und zu wenig gesagt wird. Außerdem ist es erstaunlich, wie in solchen Bücher üblich, an wie viele Details sich aus der lang zurückliegenden Vergangenheit erinnert wird – das muss man wohl eher als Schreibstil verstehen, nicht als authentische Dokumentation, eher aus der Erinnerung in Form gebracht. Es gibt ja Menschen die verschlingen solche Bücher, die werden sich auch hier daran nicht verschlucken. 416 Seiten, Taschenbuch, 29,00 Euro (dolf)
Isbn 978-3854457459
[Trust # 219 April 2023]