November 30th, 2022

Punk as Fuck – Die Szene aus FLINTA-Perspektive, Diana Ringelsiep & Ronja Schwikowski (Hrsg.)

Posted in bücher by Dolf

Ventil Verlag, Boppstr. 25, 55118 Mainz, www.ventil-verlag.de

Falls es jemand noch nicht mitbekommen hat: Das Akronym FLINTA steht für „Frauen, Lesben, Intersexuelle-, Nicht-Binäre-, Transgender- und Agender“-Personen. Ein toller Sammelband, der die Perspektiven von FLINTA-Punks aufzeigt. Denn, und daran gibt es keinen Zweifel, die Punkszene ist nach wie vor sehr männlich geprägt. Hier kommen nun 50 FLINTA‘s zu Wort um ihre Geschichten mitzuteilen. Es gibt sehr unterschiedliche Texte von sehr unterschiedlichen FLINTA‘s. Das ist alles gut zu lesen und immer dann sehr traurig bis verstörend wenn über sexuelle Übergriffe und Gewalt berichtet wird. Da kein Blatt vor den Mund genommen wird, gibt es vor jedem Text eine „Content Note“ um zu vermeiden das die Inhalte unangenehme Erinnerungen und Retraumatisierungen hervorrufen.

Viele FLINTA‘s berichten aus ihrer Jugend und wie sie aufgewachsen sind und ihren Weg in die (Deutsch) Punk-Szene oder auch über Erfahrungen mit ihren Projekten oder Bands. Haarsträubende und lustige Geschichten werden erzählt, einiges banales gehört genauso dazu wie super spannende Geschichten, aber alles lohnt sich zu lesen. Auf einzelne Texte einzugehen würden den Rahmen dieser Rezension sprengen, deshalb hier mal eine Übersicht aller AutorInnen: Jeri von FAUCHKRAMPF!, Andrea, Sängerin der Pestpocken, Ronja Schwikowski, Plastic Bomb Chefredakteurin und Mitherausgeberin dieses Buches, Lisa Lebuser von Sit’n’Skate, Saskia Lavaux von Schrottgrenze, Patti Pattex von Scattergun und Cut My Skin, Kyra Palberg über Polizeigewalt, Schlossi von RilRec Punkrock Family und Bierschinken, Freed von Harnleita, Liz Rampage, Herausgeberin vom Rampage Zine, Suzy über Punk und Antifa, Arnica Montana: Warum wir uns von Diagnosen und Prophezeiungen nicht manipulieren lassen dürfen, Diana Ringelsiep: Journalistin, Autorin und Mitherausgeberin dieses Buches, Nele P.: Moderatorin der Radio-Punk-Show KLUB KRACH, Anne Waffel, Sängerin der Trash Torten Combo, Ulrike Lettermann, Systemische Coachin im Kultur- und -Medienbereich, Tante Kerosine, Bookerin beim Fusion Festival, Mia, Sängerin bei Oi!ronie, Riot Spears im Interview, Ines Bartl, Tourmanagerin von Bad Cop/Bad Cop, Ronny über ihre Punkrock-Adoleszenz vom Rheinland bis nach -Sachsen, Veronika Kracher, Wissenschaftlerin und »Incels«-Autorin, Mary Mojito über ihre Reise durch verschiedene Subkulturen, Annette Benjamin von Hans-A-Plast, Anna-Lena Klapp, Ernährungswissenschaftlerin und Autorin von »Food Revolte«, Sévérine Kpoti, Fotografin und Veranstalterin aus Freiburg, Victoria Hiebsch über sexistische Diskriminierung im Musikjournalismus, Tessa Ganserer, Mitglied des Deutschen Bundestages, Sammy Fröbel, Herausgeberin vom BOYS CLUB ONLY ZINE, Fini von Black Square, Liza Sew, Inhaberin des gleichnamigen Labels für Punkrockkleidung, Rina V. Drängler über Retraumatisierungen auf Konzerten, Dani über ihre Dorfpunksozialisation in Baden-Württemberg, Bianca Kollinger vom Okapi Riot Zine, Angelika vom JUZI Göttingen, Chrissi, Autorin der Interviewreihen »Frauen im Musikbusiness« und »Grrrlz* to the Front«, Sabrina, Wissenschaftlerin und Trust-Autorin, Bettina Flörchinger von Östro 430, Katha Marks, Psychologin, Johanna Bauhus, Gründerin des Labels Ladies & Ladys, Lisa über das toxische Verhalten von Punkrock-Dudes, FaulenzA im Interview, Jennifer Hilgert, Poetin und Autorin, Tina Katzmann vom Black Cat Fanzine, Atti Attillerie, Sängerin bei Bluttat und Payback, Viktoria Cichoń, Illustratorin und Drummerin bei Lobsterbomb, Taylor Snifft, Sängerin der Angerboys, Liz Dork, Sängerin bei Die Dorks, Suse Schröder, Autorin und Mitbegründerin eines Punkrocktresens und Peppels von PerlenAnDieSäue und Stahlschwester.
Viele der Geschichten und Biographien spielen sich tatsächlich in der sogenannten „Deutsch Punk Szene“, auch gern „Assi-Punk“ genannt, ab. Leider hat sich dort offensichtlich nicht sehr viel getan, in den letzten 30 Jahren, das ist schade und es bleibt zu hoffen das sich hiermit vieles vielleicht verbessert. Denn, und das schreiben ja auch viele AutorInnen, es gibt sie natürlich schon lang, die eher aufgeklärten Szenenstränge des Punks, deshalb umso überraschender das zum Beispiel eine Band wie Fugazi oder Chumbawamba nur einmal genannt wird und die Riot Girrrl-Szene der frühen 1990er Jahre auch kaum eine Rolle spielt. Oder man denke nur an die Frauenband Fire Party, die von 1986 bis 1990 existierten, (vgl. Trust # 12, 1988). Aber gut, das ist ein anderes Thema. Noch anmerken möchte ich das am Ende im Glossar steht „Sexismus: …Weiße Männer können daher zwar unter Vorurteilen, Mobbing und Gewalt leiden, sie können jedoch weder Sexismus noch Rassismus erfahren.“ Das stimmt sicher in der „westlichen Welt“ zu großen Teilen und das darf man auch gern glauben, wenn man das möchte und kann das auch in seinem eigenen Glossar so schreiben. Die Fakten sehen aber in der Realität anders aus.
So oder so, bei mir, und natürlich auch beim TRUST, werden mit diesem Buchprojekt natürlich offene Türen eingerannt, weil wir ja schon sehr lange, sehr gerne nicht nur cis-Dudes in der Szene, in Bands, auf der Bühne und hinter den Kulissen, sehen wollen. Deshalb gibt es hier die volle Punktzahl, für das Projekt, das Buch und die ganzen Texte. 444 Seiten, Paperback, 24,00 Euro (dolf)

Isbn 978-3-95575-187-6

[Trust # 216 Oktober 2022]

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