Pink Wonder (#220, 2023)
Pink Wonder aus Berlin
Erst letztens konnte ich wieder einmal Pink Wonder aus Berlin live in Berlin sehen. Ich kannte die Band schon von Konzerten im mensch meier und aus dem Schockoladen. Es war einfach Zeit und das timing passte. Verabredet im Gefahrengebiet traf ich mich Anfang des Jahres mit den dreien und konnte ihnen Fragen stellen, die mir schon lange zur Band auf den Nägeln brannten. Eine, wie ich finde, sehr erfrischende und sympathische Band. Dieser Sound! Einfach herrlich. So kam ich dann an, man ließ mich rein und die Band war gerade dabei noch für das letzte Lied der neuen Aufnahmen etwas einzusingen. Und kaum hatte ich das erste Bier auf, wurde ich auch schon eingeladen, etwas mitzusingen… Es sollte der Beginn eines fantastischen Abends werden. Aber lest selbst.
Es gibt die Band ja schon ein Weilchen…
Caro: … Ja, oh Gott…
Aber wie ist das denn überhaupt zustande gekommen? Also mit welcher Idee ging’s los? Wie habt ihr zueinander gefunden?
Stix: … machst du quasi ne Audioaufnahme?
Ja, läuft schon! Ich transkribiere später und mach dann daraus was.
[Feuerzeuge zum Bieraufmachen werden rumgereicht]
Caro: Also ich erzähl einfach mal: Ernesto hat vorher bei Gutterbaby gespielt und ich habe die mal entdeckt, sofort geliebt, und dann mal für ein Soli-Konzert gebucht. Ich hatte selber eine Punkband, hab Ernesto das mal geschickt und er meinte sofort: Boah, geil! Haste Bock noch in einer anderen Band Bass zu spielen? Ich konnte eigentlich kein Bass (mittlerweile schon), aber Noten usw. kaum…
Ernesto: Bei der ersten Probe musstest Du dir die Finger mit Gaffa tapen…
Du spielst ja auch heute immer noch ohne Plektrum. Statement? (lacht)
Caro: Ich kann halt nicht mit Plek spielen, das ist alles. (lacht) Ja, bei dem Konzert damals jedenfalls haben wir uns kennengelernt und hatten dann bald unsere erste Probe zusammen. Damals noch mit Liam am Schlagzeug. Wie hießen wir nochmal?
Ernesto: Jizzmo hießen wir!
Caro: Und dann waren wir mal einen Tag im mensch meier [in Berlin] beim Punkrocktresen und da meinte ich dann, ich würde uns gern Pink Wonder nennen, wäre das ok? Sperma und Menstruationsblut gemischt ergibt Pink. Ein bisschen was… hm… spirituelles…
Ernesto: Black Magic.
Ha! Den Bandnamen hätte ich jetzt gar nicht weiter hinterfragt, aber das ist natürlich eine spitzen Erklärung!
Caro: So ist es, ein besoffener Abend im mensch meier…
Wie war es denn mit der Musik und dem Sound? Musstet ihr euch groß unterhalten wie das klingen soll oder kam das alles sehr intuitiv? Gibt’s evt. bestimmte Vorbilder, die ihr umsetzen wolltet oder spielt das einfach überhaupt keine Rolle? Also, mein Eindruck ist der: die meisten angesagten Bands machen heute Garage, Synthi-Deutschpunk, Grunge. Angesagte Sounds eben. Die habt ihr irgendwo auch, versteckt, aber ihr setzt nicht auf dieses eine Pferd, diesen einen Sound, und treibt das dann bis zum Gehtnichtmehr durchs Dorf… Versteht ihr? Sagt mal was zu eurem Sound. Ist euch z.B. Equipment wichtig?
Ernesto: Ja, genau! Der Sound kommt von unserem Equipment. Der Sound von Caro ist dieses Bass-Pedal. Das ist selbstgemacht von einem Typ aus unserem Proberaum.
Caro: Am Anfang war es Ernesto, der mir viel Kreativität gegeben hat, damit ich mich selbst ausdrücken kann. Dann erst wusste ich wie ich das mache, wie ich nen Song schreibe usw. Ernesto hat mich da auf alle Fälle total gepusched. Und dann konnte ich auch meine Energie und auch meine Wut ordentlich auf die Bühne bringen.
Ernesto: So haben wir dann auch angefangen, den Gesang mehr aufzuteilen.
Caro: Naja, und dann irgendwann hat uns der Drummer verlassen… andere Geschichte… auch ne ganz scheisse Art und Weise… Aber Stix kam dann dazu und kannte Ernesto und mich schon sehr lange…
Stix: Fan der ersten Stunde!
Caro: Durch Stix kam auch nochmal der Deutschpunk, aber auch der Drum and Bass in die Band und der Noise.
Ernesto: Bei Caro ist es eher so der Stoner und Doom, der in die Band kommt. Bei mir ist es eher der Australian Punk, aber aus Amerika vor allem auch Dead Kennedys.
Stix: Und natürlich auch Nirvana und: Schleimkeim! Einer meiner ersten wirklich bewussten Einflüsse.
Interessant. Kennt ihr diesen von Frank Willmann und Anne Hahn veröffentlichten Band zu Schleimkeim?
Caro: Ja, Satan kannst Du mir nochmal verzeihen, dieses Buch ne? Das gibt’s schon länger oder?
Ja genau das.
Caro: Ich meine, der Typ [Otze von Schleimkeim] war sicher auch problematisch, aber ich liebe dieses aus der Notgeborene. Die hatten halt nichts, Equipment aus Scheisse selber zusammengebaut, wie geil ist das denn, alter?!
Stix: Unglaublich kreativ. Und dann haben die ja auch immer diese ganzen Tapes selber gemacht. Und später dann kam die Kirche, muss man sich mal vorstellen, da haben die sich dann eingezeckt und konnten Konzerte veranstalten. Bekehrt worden sind die dadurch bestimmt nicht, aber spannende Geschichte einfach.
Caro: Kirche von unten!
Ja, wirklich spannend. Die Kirche der DDR hat staatlich natürlich weniger eine Rolle gespielt und fand sich automatisch in der Opposition wieder.
Caro: Ja, mein Vater z.B. war während der DDR auch in der Kirche. Der durfte dann natürlich auch nicht studieren, wie viele andere auch.
Einen interessanten Nachhall dieser, ich sag mal, einst evangelischen Haltung, habe ich aus der Ecke in Brandenburg aus der ich komme, auch kennengelernt. Mit einer früheren Band von mir (nach der Wende) haben wir immer wirklich mitten im Zimmer unseres Gitarristen geprobt. Mitten im Pfarrhaus. Hat die Eltern nur selten wirklich gestört. Die haben uns da machen lassen. Die haben Anfang der 90er als es mit Rostock-Lichtenhagen etc. hoch her ging mit den Fascho-Übergriffen auch linke Konzerte bei sich auf dem Pfarrgelände organisiert. Obwohl es keinerlei musikalische Berührungspunkte damit gab, wurde das gemacht.
Caro: Ja, heute hat sich das grundlegend geändert. Kirche, ich bin absolut kein Fan davon, aber da im Zuge der Wende war das interessant, was da veranstaltet worden ist.
Für die Punks war das in der DDR sicher auch Mittel zum Zweck. Eine Bedarfsgemeinschaft. Mit Bekehrung (höhö) war da ja nicht viel.
Caro: Klar, und gerade wenn du deine Meinung nicht frei artikulieren kannst, nutzt du natürlich solche Bühnen, um es zu tun. Hätten wir, hätte ich auch getan! Heutzutage ist das sicherlich anders. Ja, jedenfalls, weil es ja um musikalische Vorbilder eigentlich ging: P.J. Harvey natürlich. Die liebe ich. Hans-A-Plast natürlich [allgemeine Zustimmung!]. Und ja, auch Hendrix und Led Zepplin [Uhhhh :D]. Und ich muss sagen, mit Stix am Schlagzeug kam echt nochmal so ein Energievibe bei uns in die Band rein, so eine Atombombe bääm!
Das muss man an der Stelle auch nochmal sagen, euer Schlagzeug ist schon von vielfacher Seite gelobt worden!
Stix: … danke, schön zu hören…
Caro: Wir sind ja mit Uranus Front [Stix’ andere Band aus Berlin] auch gut befreundet und wir kannten ja seinen Stil und dachte uns immer nur, wow, was für eine Ehre, wie geil!
Stix: Ich kannte die beiden ja auch aus dem Uranus Front Umfeld. Mit Gutterbaby hatten wir damals eine Live-Collaboration im Tief (in Berlin). Das hatte damals schon sofort gut funktioniert! Und beim ersten Pink Wonder Gig stand ich im Publikum. Und dachte dann immer so: Alter, was macht denn der Drummer da?! (großes Gelächter) Lass mich das machen!
Wenn ich da noch was sagen kann, mir gefällt diese Verzahnung von Inhalt und Form, die ihr manchmal macht. Beim Song Hamma z.B. dieser hämmernde Rhythmus und der Text dazu, der das Ganze rahmt. Geht ihr auch von dieser Richtung her konzeptionell an eure Musik heran?
Stix: In erster Linie funktioniert das wirklich organisch, ohne großes Überlegen. Es passiert einfach.
Ernesto: Vieles ist einfach feeling.
Stix: Textfetzen kommen dann schon beim Proben einfach dazu. Es wirkte noch nie wirklich anstrengend bei Pink Wonder Lieder zu schreiben.
Ernesto: Naja, aber bei Hamma z.B. das ist schon anstrengend, nicht nur für Stix aufgrund des Rhythmus. Ich erinnere mich noch wie er im Proberaum dann etwas an die Wand malte und ständig sagte: „Zählen, Leute, ihr müsste zählen! Könnt ihr zählen?!“ Und Caro und ich so „Huh?“ (lachen).
Caro: Ja, wenn ich dann beim Spielen immer Stix grinsen sehe, weiß ich, Arrrgh, Du wirst es niemals hinkriegen, niemals! (lachen wieder)
Stix: Das Problem bei dem Song Hamma ist einfach, er funktioniert nur, wenn alle zur richtigen Zeit das richtige machen. Sonst knallt der einfach nicht.
Vielleicht noch eine Frage zu einem anderen Song. FOKO. Helft mir mal weiter, was heißt das? Fear of Knockout?
Ernesto: Es ist ein politischer Song. Es bezieht sich tatsächlich auf die Fokustheorie, wie sie etwa von Che Guevara und anderen propagiert worden ist. Grundsätzlich also diese Idee revolutionärer Entschlossenheit, aber der Song hat multiple Ebenen.
[Anmerkung: Wie man selbst zu Che Guevara steht, steht dann wieder auf einem anderen Blatt]
Caro: Die meisten unserer Songs sind sehr politisch. Auf der Bühne ist es immer nur die Frage, kommt es rüber, wenn man auch mal schreien muss usw.
Ernesto: In Foko geht es weniger darum den konkreten politischen Hintergrund zu verherrlichen. Die Aussage des Songs ist allgemeiner: „Love me when we are burning tanks, love me when we are burning banks. You better run, cause here we come, you better run, cause here we come!“
In letzter Zeit habt ihr ja ziemlich viel in Berlin gespielt. Seid ihr außerhalb Berlins mal länger unterwegs gewesen? Wollt ihr häufiger dieses Partydorf auch mal verlassen?
Caro: Also, man muss sagen, vor Corona waren wir ziemlich verwöhnt, weil wir ständig irgendwo eingeladen worden sind.
Ernesto: Was ist mit Irland?
Caro: Stimmt! In Irland spielen wir viel, weil Ernesto da Connections hat.
Da fahrt ihr dann richtig regelmäßig hin?
Caro: Ja, schon. Immer in Dublin, dann in Cork, Galway usw.
Das heißt Leute in Irland kennen euch.
Ernesto: Ja, ich habe dort länger gelebt. Das nächste Mal sind wir da dann auch in Belfast auf so einem Hippie-Festival (dickes Gelächter). Wir freuen uns drauf. Dublin wird bestimmt wieder geil.
Caro: Die Leute da rasten so aus.
Ernesto: Das eine Mal sind sie die Wände hochgeklettert und haben von der Decke gehangen und dann so eine Menschenpyramide gemacht. Absoluter Wahnsinn das alles! (wildes Gelächter). Und der eine Veranstalter meinte dann danach: „You have to see: We don’t get that many bands out here…“
Bevor die aktuelle Platte jetzt im Sommer 2022 rauskam gab es vorab auch schon mal das Ganze als Tape in pink besprüht, das dann auch sehr wohlwollend im Plastic Bomb besprochen worden ist. Aber was mich überrascht hat ist, dass die aktuelle LP „Der schwebende Hund vor meiner Tür“ (Gelächter) komplett self-released ist. Hat sich da kein Label gefunden oder war das ne bewusste Entscheidung? Große Pluspunkte auf alle Fälle, dass ihr euch nicht über Neustart Kultur von Bundesregierung und GEMA habt finanzieren lassen! Es tauchen ja immer mehr Bands auf, die hinten dieses Logo von Neustart Kultur drauf haben. Da hast du dann hinten in Streifen dieses Logo, das im Original ja schwarz, rot, gold ist. Die vermeintlich coole Variante ist dann die in nur schwarz. Nun ja, wer’s mag, oder?
Caro: Wir haben uns ehrlicherweise nie ausgereichend genug um Labels bemüht. Es war so für uns einfacher. Wir hatten einen privaten Sponsor. Einen guten Freund, der die Musik so gut fand, dass er einen Großteil der Vinylproduktion vorgeschossen hat. Das bekommt er natürlich zurück.
Stix und Ernesto: … Wenn die Platte sich gut verkauft! (allgemeines Lachen)
Ernesto: Das Aufnehmen, Mixen und Mastering hat uns zum Glück ja nichts gekostet, weil wir da einen guten, engen Kontakt hatten. Headcleaner hat das gemacht und da sind wir überaus dankbar für.
Stix: Der hat einen sehr guten Job gemacht.
Ernesto: Während Corona war das für ihn auch eine gute Beschäftigungstherapie.
Caro: Spitzen Typ!
[An der Stelle folgte ein längeres Sinnieren über GEMA und unabhängig davon vor allem über die Frage was Musik kosten sollte, wie man sie angemessen schützt und wie am Besten dafür gesorgt werden könnte, dass Geld auch bei den Künstler*innen und an der Musik Involvierten (wie etwa den Läden oder Toningineur*innen selbst) hängen bleibt. Letztlich ging es auch darum, wie Künstler*innen sich finanzieren. Es ging um Hartz, es ging um Bürgergeld, um Rundfunkgebühren, auch um die üblichen kapitalistischen Zwänge, den drohenden Ausverkauf von Subkultur an nationalstaatliche Instanzen. Einfach um sehr vieles. 15min intensives Gespräch und nebenbei Recherche ließen uns aber etwas ergebnislos zurück und das Gespräch setzte hier wieder ein, während Caro zwischenzeitlich in die Küche zum Telefonieren verschwunden war:]
Wollen wir noch die letzte Frage schnell machen?
Ernesto: Caro! Caro!
Caro: Ja! Ja! Ich komme schon!
Aufnahmen habt ihr jetzt ja auch wieder gemacht. Ist da denn jetzt eine neue Veröffentlichung in Planung? [allgemeines Erschrecken, Blitze, Donnergrollen, bedrohliche Musik]
Ernesto: Ja, klar. Und Du bist drauf! Hast ja vorhin schon mitgesungen als wir den Gesang aufgenommen haben! Das war tatsächlich der letzte Song, jetzt können wir mit dem Mixing beginnen.
Caro: Wir planen ein Album. Es soll schon ein Longplayer werden. Die LP, die wir zuletzt rausgebracht haben, „Der schwebende Hund vor meiner Tür“ war schon auch ein Album, aber eher kompakt und kurz.
Ach Du, ich kenne Bands die eine beidseitig bespielte 12inch rausgebracht haben mit je 3 Liedern pro Seite. Davon zehren die auch seit Jahren. Alles möglich! 😀
Stix: Ja, wir haben auf jeden Fall genug Material [gesprochen in Beckenbauerschem Akzent]
Materiaaal?! [allgemeines Gelächter]
Stix: Wir haben halt hier und da immer mal was aufgenommen und Ernesto wird sich jetzt ans Mixen setzen und dann schauen wir mal. Ein Vorgeschmack gibt es auf alle Fälle schon auf dem „Bruno ist dagegen“-Sampler, zu hören. Da ist ein neuer Song von uns mit drauf. Im Februar war da ja im Tommy-Haus in Berlin die Veröffentlichungs-Gala sozusagen. Da waren wir dann auch mal wieder live im Schicksaal zu erleben.
Ich würde sagen damit haben wir’s! Danke euch!
Stix: Hast Du noch Bier?
Ja, ich hab noch. Aber lass mal los in die Pinte!
[and the rest, as they say, is history]
Links:
pinkwonder.bandcamp.com
pinkwonderpuke.com
brunoistdagegen.bandcamp.com
[Link zum Sampler des Berliner „Bruno ist dagegen“ Konzert- und Musikkollektivs, auf dem Pink Wonder vertreten sind]
Das Interview führte Benni mit Carol Fresh, Erno Inferno und Stix von Pink Wonder