Dezember 31st, 2021

Optimal Records (#207, 2021)

Posted in interview by Jan

Wir fertigen Vinyl, weil wir Vinyl lieben!

Interview mit optimal media über nachhaltigeres Vinyl!

Als Gesellschaft stehen wir aktuell vor vielen Herausforderungen. Neben vielen sozialen Krisen wachsen auch die ökologischen, an vielen Orten sind sie sogar so stark ineinander verschränkt, dass eine getrennte Betrachtung keinen Sinn ergibt. Seit soziale Bewegungen wie Ende Gelände, Hambi Bleibt oder Fridays For Future große und langanhaltende Proteste auf die Straßen, in die Minen oder in die Wälder tragen und es damit in die Medien schaffen, liegt ein großer Augenmerk auf der Bekämpfung der Klimakrise. Das Thema beschäftigt viele, sei es auf einer politischen, einer unternehmerischen oder einer privaten Ebene.
Für Punk- und Hardcore-Kids ist die Vielzahl sozialer und ökologischer Krisen sicherlich nichts Neues. No Future, Ausbeutung von Mensch und Natur, Antifaschismus, Antikapitalismus, Öko-Feminismus oder DIY als Konsumkritik, es finden sich immer wieder politische und persönliche Anknüpfungspunkte in der „Szene“. Auch viele Protagonist*innen handeln schon längst praktisch. Seien es Vertriebe und Mailorder, die seit langem damit werben, ihre Pakete CO2-neutral zu verschicken, wie z.B. Tante Guerilla oder Flight 13.

Längst Standard sind bei vielen Bands öko-faires Merchandise, wie T-Shirts. Als Beispiel sei hier nur Fairtrademerch genannt. In UK gibt es mit „Punk Ethics“ (Twitter: @PunkEthics) sogar ein DIY-Kollektiv, dass versucht Sweatshop-Merch aus der UK Punkszene zu kicken. In dem Kontext kann man nur Alex von Pascow zustimmen, wenn er in der aktuellen Ausgabe des Human Parasit betont, dass Bands „die Verantwortung (haben) für das was in ihrem Namen passiert“. „Es gibt wenig, was ich schlimmer finde als Bands, die auf der Bühne und in ihren Platten gegen Ausbeutung wettern und genau das durch Shirts aus Sweatshops unterstützen.“

Im Veranstaltungsbereich bin ich nicht so firm, bin aber vor längerer Zeit mal auf das „Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit“ (https://aktionsnetzwerk-nachhaltigkeit.de) gestoßen, dass staatlich gefördert versucht, Veranstaltungsorte zu beraten, damit diese nachhaltiger werden. Tatsächlich geht es bei denen v.a. darum, Wassernutzung zu minimieren und Öko-Strom zu nutzen. Ich würde vom Gefühl sagen, dass einige DIY-Lokalitäten schon wesentlich weiter sind. Ich denke nur an die „Pfandsysteme“ in den örtlichen A(J)Zs, in denen direkt die Flaschen verkauft werden. Und häufig an der Beleuchtung gespart wird.

Ein Thema, was aber fast gar nicht aufgegriffen wird, ist die Frage nach den materiellen Grundlagen abseits von Textilien. Wo kommen eigentlich die Rohstoffe für Musikproduktion und -konsum her? So haben zum Beispiel weder Marshall, Orange noch Fender bei einer kurzen Recherche eine Menschenrechts- oder Nachhaltigkeits-Policy auf ihrer Website. Dabei dürften in deren Produkten (Verstärker, Gitarren, etc.) metallische Rohstoffe verbaut sein, deren Abbau Menschenrechte gefährdet, wenn nicht gar verletzt, haben. Wie Marshall, Orange oder Fender ihre Risiken minimieren, wird aus deren Websites nicht ersichtlich. Viele Elektronikkonzerne, darunter Apple, Intel oder HP sind da durchaus schon weiter. Als Best Practise im Elektronikbereich kann hier vor allem Nager IT aus Süddeutschland oder auch das Fairphone gelten. Bei Gibson kann man immerhin die J45 Akustikgitarre finden, die mit „verantwortungsvoll geerntetes Wallnussholz“ gefertigt wurde. Genauere Nachweise, was denn an dem Holz der Gitarre „verantwortungsvoll“ ist, bleibt der Konzern auf der Website allerdings schuldig.

Einen Teil des Musikbusiness, den diese Debatte beschäftigt, ist die Plattenproduktion. Ziele sind sicherlich, den Energieverbrauch zu senken und auch Verpackungen von Vinyl ökologischer zu gestalten. Aber über das eigentliche Pressen von Vinyl war mir bislang nichts begegnet, bis ich auf einen Artikel über optimal media stieß. optimal media bezeichnet sich selbst auf seiner Website als „führender unabhängiger Mediendienstleister“ und als „Spezialist für die Herstellung von Büchern, Magazinen, Medienverpackungen und hochwertigen Druckerzeugnissen sowie für die Fertigung von Datenträgern wie Schallplatten, CDs, DVDs und Blu-ray Discs.“

Bekannt waren sie mir unter anderem, da in meinem Plattenregal Pressungen von Die Liga der Gewöhnlichen Gentlemen, Superpunk, Oma Hans, EA80, Slime, Turbostaat, Trend, Bernadette La Hengst, Tocotronic, Muff Potter, The Slits, Hard Skin, J.M.K.E., SNUFF, Sleater-Kinney, Julie Ruin, Pisse, Joy Division, Hüsker Dü, oder Samiam stehen, die von ihnen produziert worden sind. optimal media betreibt unter anderem an der Müritz ein Presswerk und bietet „nachhaltiges Vinyl“ an. Als ich das Schlagwort gelesen habe, war ich erstmal skeptisch. Doch beim Besuch der Website wird deutlich, dass sich hier (nicht nur) ein Presswerk auf den Weg macht. Also nachgefragt, was es mit dem „nachhaltigen Vinyl“ so auf sich hat. Und ohne zuviel spoilern zu wollen, könnte es in nicht allzu ferner Zukunft Musikgenuss ohne Erdöl geben. Vielen Dank an Andreas (er ist übrigens auch für „Exile On Mainstream Records“ verantwortlich) für die Beantwortung der Fragen und an Petra für den Kontakt.

Auf Euch gestoßen bin ich über einen Blog-Eintrag bei Vinyl-Fan.de und weil das kleine, sympathische Label Elfenart auf selbiges verwiesen hat. Ihr habt ja eine recht ausführliche Nachhaltigkeitssektion auf Eurer Homepage. Wie kam es dazu? Womit seid ihr angefangen? Wie hat sich das entwickelt? Was motiviert Euch?
Das Thema Nachhaltigkeit gehört schon lange zum Bestandteil unserer täglichen Arbeit. Dabei steht die kontinuierliche Verbesserung unserer Ökobilanz, die Steigerung der Energieeffizienz und Reduktion von Produktionsabfällen im Fokus. Wir beziehen zum Beispiel bereits heute 65 Prozent unseres Stroms aus erneuerbaren Energien. Die Abwärme aus der Produktion bereiten wir durch technisch aufwändige Prozesse auf und nutzen diese zur Klimatisierung, Beheizung und Luftentfeuchtung von Produktions-, Büro- und Lagerräumen. Wir sind hinsichtlich Qualitäts-, Umwelt- und Energiemanagement zertifiziert. Wir offerieren unseren Kunden verschiedenste Möglichkeiten für nachhaltige Produktion an und so war es ein logischer Schritt, auch eine ökologische Vinylfertigung anzubieten.

Welchen Einfluss haben soziale Bewegungen, wie Fridays For Future, auf Eure Entscheidung?
Umweltbewusstes Handeln ist immer auch beeinflusst von sozialen Bewegungen, insofern hat uns die „Fridays For Future“-Bewegung sicher bestätigt, dass wir mit unserem Engagement für nachhaltige Herstellung von Produkten auf dem richtigen Weg sind.

Um sich ein Bild zu machen: Habt ihr Werte, wie viel z.B. eine Pressung einer 500er oder 1000er Auflage von Vinyl an CO2 emittiert? Sagen wir mal Pressvorgang und Verpackung ohne Vertrieb? Wie groß ist der ökologische Fußabdruck einer Vinylscheibe?
Die Frage lässt sich nicht so einfach beantworten. Für diese Bewertung müssen etliche Komponenten berücksichtigt werden. Dabei geht ist eben nicht nur um die Stückzahl, sondern auch um folgende Aspekte: Ist es eine schwarze oder farbige Vinyl, wie ist die verpackt – mit bedruckten Innentaschen, in ein einfaches Cover oder Gatefold – mit welchen Druckverfahren wurden die Drucksachen und Verpackungen hergestellt, wird die Platte als Einzelprodukt oder Bestandteil z. B. einer Box verpackt, wie viele Maschinen laufen in der Produktion, wie und wohin wird die Platte transportiert, woher kommt das Rohmaterial (also z.B. die Pressmasse, der Karton für das Cover, die Druckfarben).

Die Berechnung ist überaus komplex und erfordert enthusiastische Partner, die sich der Sache widmen. Die Firma ClimatePartner hat sich zu unserer Freude dieser Aufgabe angenommen, die wir alleine sicher nicht hätten stemmen können – übrigens auch ein Grund, weshalb so eine umfassende Kompensation bisher von keinem anderen Presswerk angeboten wird. Um aber wenigstens eine vage Antwort zu geben: Die Vinylproduktion ist sicher kein besonders ökologisches Verfahren. Hinsichtlich des CO2-Fußabdrucks waren wir aber überrascht, dass er letztlich kleiner ist, als wir vermutet haben.

Ihr habt euch jetzt geschickt um konkrete Zahlen bei den CO2-Emissionen für eine Platte gedrückt, aber die Komplexität der Berechnung aufgezeigt. Im Netz auf einer US-Wissenschaftsseite (The Conservation.com) habe ich gelesen, dass allein das PVC im Vinyl ungefähr 0,5 kg CO2-Emissionen verursacht. Also nur das 135 g PVC für die Platte, ohne den Produktionsprozess und ohne Pressen berechnet, ohne Verpackung und Transport. Bei einem Auto habe ich auf edison.media gefunden, dass der Produktionsprozess bei ca. 4,5 Tonnen anfängt. Ökologisch gesehen könnte man also einige Platten pressen, bevor man die Emissionen eines Autos erreichen würde. Haltet ihr diese Zahlenspiele für hilfreich?
Wir „drücken“ uns keineswegs um konkrete Zahlen. Wir sind nur dagegen, pauschalisierend verkürzte und modellhafte Informationen in die Öffentlichkeit zu pusten, die mit der Realität nichts zu tun haben und ein falsches Bild ergeben können – insbesondere und gerade bei so einem Thema, das gerade in der heutigen Zeit möglichst exakte Behandlung verlangt.

Gerne ein ausführliches Beispiel: Die angesprochenen 0,5 kg CO2-Emissionen beziehen sich auf eine einzelne Platte in 135 g Vinyl, wie Du schreibst. Ein solcher Wert ist sehr optimistisch (unser Wert läge höher) und kein Anhaltspunkt, weil er nicht der Realität entspricht. Es wird nie und nirgends nur eine einzige, nackte Platte produziert. Die ausgestoßene Menge CO2, die man kompensiert, muss aber an der Realität ausgerichtet sein. Und die Realität bedeutet: Um eine Platte ausliefern zu können, muss eine wesentlich höhere Menge produziert werden, weil das technologisch in einem industriellen Prozess so ist. Es muss vorher eine Überspielung und ein Schnitt angefertigt werden, ohne den es eine Platte nicht gäbe.

Es müssen in einem elektrogalvanischen Prozess Presswerkzeuge angefertigt werden. Die Platte muss transportiert werden, sie muss verpackt werden. Es geht sogar noch weiter: Der Auftrag der Platte wird telefonisch oder per Email angenommen. Die Computer und Telefone dafür müssen irgendwann mal hergestellt worden sein, ihr Betrieb nutzt Strom und Internet-Leitungen, dasselbe gilt für Produktionsprozesse, Auslieferung, Weiterverkauf … und so weiter und sofort. Alle diese Prozesse und Bestandteile sorgen für weitere Emissionen.

Es wäre in etwa so, wie wenn man am Preis einer einzelnen Tomate ablesen wollte, was die gesamte Pizza kosten wird. Die Kurve selbst ist außerdem nicht linear. Man kann nicht einfach eine Konvention festlegen, sagen wir ruhig 0,5 kg/Platte – also emittieren 1.000 Platten dann 0,5 Tonnen? So ist es nicht, es wäre einfach inkorrekt, so eine Information zu geben oder zu kommentieren. Darüber hinaus ist es auch nicht legitim, Verpackung und Transport zu vernachlässigen, weil die Platte natürlich und immer verpackt und transportiert wird. Es ist sogar so, dass im Gesamtprodukt die Verpackung sogar den Löwenanteil bei CO2-Emissionen stellt.

Ein Vergleich mit einem Auto ist vor diesem Hintergrund natürlich vollkommen abzulehnen, weil er ebenfalls keine Aussagekraft hat – eine nackte Platte einem hochkomplexen Produkt wie einem Auto gegenüberzustellen, ist natürlich Nonsens. Mal ganz davon abgesehen, dass der Wert nicht stimmt. Der CO2-Fußabdruck in der Herstellung eines Autos ist nämlich ähnlich komplex und liegt bei einem Kleinwagen wie z. B. einem Fiat Panda bei circa 6 bis 7 Tonnen, bei einem Mittelklasse-Wagen wie einem VW Passat oder Ford Mondeo bereits bei 18 Tonnen und bei einem SUV wie dem Land Rover Discovery bei sagenhaften 38 Tonnen. Und auch diese Werte sind arg pauschalisierend, weil sie nämlich immer nur für eine bestimmte Menge einer bestimmten Baureihe gelten, für die sie von einer Gesamtemission auf jedes Stück runtergerechnet wurden.

Um euch dennoch etwas zu veranschaulichen hier ein paar Zahlen zum Vergleich, eingeschränkt und limitiert auf diese spezifischen Konfigurationen: Eine Auflage von 1.000 Stück von 140 g schweren LPs in einfacher, unbedruckter Innentasche, mit einer Standard Außentasche, nicht eingeschweißt, emittiert circa 2 Tonnen CO2. Eine Auflage von 1.000 Stück von 180 g schweren LPs in dicker, bedruckter Innentasche, mit einem Gatefold-Cover und Download-Card und noch einem Poster dazu, eingeschweißt, emittiert circa 3,9 Tonnen CO2.

Danke, das war noch mal super hilfreich als Erklärung und Ergänzung. Ihr bietet mit Re-Vinyl eine nachhaltige(re) Alternative zur konventionellen Vinylproduktion. „Re-Vinyl wird auf Basis von 100-prozentigem Recyclingmaterial gepresst, welches aus der betriebsinternen Materialrückgewinnung direkt an unserem Produktionsstandort in Röbel/Müritz entsteht.“ Wie kam es zu der Idee? Wie läuft die Umsetzung? Was sind Herausforderungen? Welches Material recycelt ihr in dem Prozess?
Wir bieten die Fertigung mit 100-prozentigem Virgin Vinyl an, wollten unseren Kunden eben auch die Möglichkeit geben, Schallplatten nachhaltig zu fertigen. Und so haben wir mit Kollegen aus verschiedenen Bereichen intensiv an diesem Projekt gearbeitet und vor gut einem Jahr unser Re-Vinyl etabliert. In jeder Vinylfertigung fällt ja eine bestimmte Menge an Ausschuss an. Aus diesen Platten werden die Etiketten ausgestanzt und sie werden zusammen mit den in der Produktion anfallenden Randabschnitten geschreddert. Wir recyceln also direkt am Produktionsstandort und gewinnen so unser Re-Granulat.

Die wesentliche Herausforderung lag darin, den Produktionsprozess an die Verwendung des Re-Granulats anzupassen, also z. B. Druck und Temperatur der Pressautomaten entsprechend zu optimieren. Das war eine große Herausforderung, der wir, um ganz ehrlich zu sein, anfangs selber skeptisch gegenüber standen. Letztlich haben wir es aber hinbekommen. Unser Anspruch an die Qualität unserer Platten ist generell sehr hoch und wir sind froh, dass die Re-Vinyl Scheiben hier mithalten können und wir sie auf fast demselben Niveau wie die Virgin Vinyl Platten fertigen können.

Wenn ihr da alte Platten schreddert, warum kann ich nicht die alten Schlagerplatten meines Großvaters zu Euch bringen und bei Euch daraus eine neue Hardcore-Platte erstellen lassen?
Dafür gibt es verschiedene Gründe. Das wichtigste zuerst: In der Schallplattenfertigung wird seit einigen Jahren nach den Vorgaben des europäischen REACH Abkommens gearbeitet, das bestimmte Zusätze im PVC ausschließt, die als gesundheitsgefährdend eingestuft sind. Bei den Platten deines Großvaters könnten wir diese Anforderung nicht gewährleisten, weil wir nicht kontrollieren können, wann, wo und von wem sie hergestellt wurden. Gemäß geltender europäischer Rechtslage dürften wir diese Platten gar nicht verarbeiten – eben aus gutem Grund. Darüber hinaus gibt es noch andere Gründe. So sind die Maschinen jedes Herstellers auf einen spezifischen Materialmix kalibriert, der nicht immer gleich ist.

Wenn wir fremde Platten verarbeiten würden, müssten wir das wieder testen und entsprechend anpassen und optimieren, was in der Kosten/Nutzen-Kalkulation die ganze Idee ad absurdum führen würde – ebenso wie die Tatsache, dass diese Fremdplatten ja auch wieder zu uns transportiert werden müssen, der ökologische Aspekt sich aber eben auch zu einem beträchtlichen Teil daraus ergibt, dass wir mit dem Recycling im eigenen Hause zusätzliche Transportwege vermeiden.

Ist das Re-Vinyl teurer? Wenn ja, wie viel?
Nein, eine Platte aus Re-Vinyl kostet genauso viel wie eine herkömmlich produzierte Platte.
Wer fragt momentan dieses „ökologischere Vinyl“ nach? Sind es eher kleinere Labels oder eher größere?

Sind es eher Hippierock-Bands oder doch die Death-Metalbands, die heimlich doch den Planeten retten wollen?
Die Nachfrage kommt aus allen Bereichen, von kleinen und großen Labels und für alle Musikstile.
Könnt ihr sagen, wie viel Re-Vinyl schon in Prozent am Vinylumsatz ist? 0,1 % oder eher 50 Prozent?
Wir verzeichnen hier seit Einführung der Re-Vinyl ein wachsendes Interesse und haben bereits etliche Aufträge gefertigt. Genau beziffern lässt sich das bisher noch nicht, weil die entsprechenden Aufträge sich in der Auflage unterscheiden und natürlich auch nicht perfekt regelmäßig kommen. Da wäre dann die Frage, welchen Zeitraum man zugrunde legt. Je nach Perspektive gäbe es dann unterschiedliche Gewichtungen.

Experimentiert ihr auch mit anderen „ökologischen Grundstoffen“? Kann es eine Vinylpressung abseits von Erdöl basierenden Rohstoffen geben? Keine Ahnung, vielleicht aus Rapsöl, Hanföl oder Palmöl (wobei sich hier natürlich gänzlich neue ökologische Herausforderungen stellen)?
Ja, es gibt Versuche, mit anderen Materialien zu arbeiten, wir forschen und arbeiten daran und gehen davon aus, dass es in naher Zukunft neue Erkenntnisse dazu gibt. Zunächst geht es hierbei darum, das Ethylen im PVC aus anderen Rohstoffen als Erdöl zu gewinnen, was theoretisch und auch bereits praktisch möglich ist. Die Schwierigkeiten liegen hier vor allem darin, ein solches Material gleichbleibend und konstant verfügbar herzustellen. Das tun wir natürlich nicht selbst, sondern müssen hier entsprechende Lieferanten finden und mit ihnen zusammen Konzepte entwickeln. Das ist eine Herausforderung, die uns bereits aktiv beschäftigt.

Das überrascht mich jetzt positiv, da ich nicht damit gerechnet habe, dass tatsächlich schon mit alternativen Grundstoffen experimentiert wird. Könnt ihr ein positives und / oder realistisches Szenario entwerfen, ab wann erdöl-freies Vinyl vielleicht für die normale Produktion schon möglich ist?
Wie bereits geschrieben: Wir sind bereits in ernstzunehmenden Tests und guter Hoffnung, entsprechende Pressungen bald anbieten zu können. Eine deutlichere Prognose können wir leider nicht geben, aus folgenden Gründen: Wir befinden uns in einer diffusen wirtschaftlichen Situation. Die Schallplattenindustrie verarbeitet PVC in einer Menge, die sich gemessen am gesamtwirtschaftlichen Aufkommen im Promillebereich bewegt. Wir sind ein ganz, ganz kleiner, fast durchsichtiger Fisch. Man denke nur mal an andere Wirtschaftszweige wie z. B. die Automobilindustrie, die Elektrogeräte-Industrie – hier werden wesentlich höhere Mengen nachgefragt – und diese sind nötig, um die Kosten auch für uns Plattenhersteller überhaupt im Rahmen zu halten.

Ein Teil dieser Industrien sieht sich aber in der derzeitigen Situation großen Herausforderungen gegenüber, die die Innovationslust gerade jetzt erheblich bremsen. Oder um es salopp zu formulieren: Die Rohstoff-Hersteller können ihre bereits produzierten Mengen an erdöl-basierten Kunststoffen derzeit nur schwer absetzen. Da werden sie höchstwahrscheinlich ihre Investitionen in Forschung zu neuen Technologien erstmal herunterfahren. Hersteller solcher neuen Werkstoffe werden es schwer haben, überhaupt Absatz zu generieren.

Von dieser Seite lässt sich leider kein „Druck“ aufbauen. Demgegenüber steht eine krasse Nachfrage nach Schallplatten, die dazu führt, dass wir derzeit an und über unserer Kapazitätsgrenze fahren, immer auch unter dem Eindruck der Pandemie, die auch unsere Produktionsprozesse beeinflusst. Wenn wir also unsere Kunden und damit letztlich auch die Käufer von Schallplatten in den nächsten Monaten ordentlich bedienen wollen, bleibt schlicht keine Kapazität um massiv in eine neue Technologie zu investieren und sie marktreif zu machen.

Das gefällt uns natürlich auch nicht, aber hier muss man Realist bleiben. Oder um es auch hier deutlicher zu formulieren: gerade jetzt einem kleinen Punk-/Hardcore-Label oder einer Band zu erklären, sorry, du kannst deine Platten jetzt leider nicht bei uns fertigen, weil wir gerade mit neuen Werkstoffen experimentieren, aber in ein paar Monaten bekommst du dann vielleicht ganz tolle Platten auf erdölfrei produziertem PVC, kann nicht die Lösung sein.

Wie verfolgt ihr die Debatte in Eurer Branche? Die Vinylpressen sind ja weltweit sehr übersichtlich geworden. Gibt es bei Eurer Konkurrenz oder gar in Eurem Verband solche Diskussionen? Gibt es Pläne, gemeinsame Wege zu bestreiten, oder seht Ihr Euch erstmal als Vorreiter?
Bis 2016 war die Kapazität für die Schallplattenfertigung tatsächlich vor allem durch die Pressmaschinen begrenzt. Mittlerweile werden Vinylpressen aber wieder von mehreren Herstellern angeboten. Was die Re-Vinyl betrifft – für uns war es vor allem Teil unseres Selbstverständnisses, nachhaltige Vinylfertigung anzubieten. Natürlich freuen wir uns, wenn auch andere Player der Branche da mitziehen.

Wir haben über Anfänge und aktuelle Tätigkeiten gesprochen. Mich würde interessieren, was ihr als nächstes noch vorhabt und was Eure Utopie für einen nachhaltigen Musikgenuss ist?
Wir werden uns dem Thema Nachhaltigkeit weiter widmen und wie schon in der Vergangenheit auch immer wieder schauen, was es an Trends oder Möglichkeiten der Optimierung gibt. Neben der Herstellung selbst, in der es in Sachen ökologischer Konzepte noch Luft nach oben gibt, versuchen wir uns aber auch anderweitig zu engagieren und uns an nachhaltiger Umverteilung zu beteiligen. So unterstützen wir z. B. ein lokales Aufforstungsprojekt in einem nahegelegenen Naturschutzgebiet und bieten darüber hinaus CO2-neutrale Produktion an, mit entsprechender Förderung weltweiter, zertifizierter Projekte.

Unsere Utopie für den nachhaltigen Musikgenuss? Auch wenn wir hier vorrangig über ökologische Aspekte sprechen, stehen wir dafür, dass es Musik auch künftig auf Schallplatte und auch CD gibt. Denn ein haptisches Produkt ist schon deshalb nachhaltig, weil man es lange besitzt und immer wieder nutzen bzw. verwenden kann. Die Schallplatte ist praktisch die Antithese zu schnelllebiger Musiknutzung und schon deshalb ein Stück weit nachhaltig. Im Vergleich zur Energiebilanz bekannter Streaming-Angebote steht die Schallplatte überdies exzellent da. Sie ist ein Kulturgut und Träger einer künstlerischen Äußerung. Vor allem aber gilt für uns: Wir fertigen Vinyl, weil wir Vinyl lieben!

Vielen Dank für Eure Zeit die Fragen zu beantworten. Und viel Erfolg mit Re-Vinyl. Die alten Platten der (Groß-) Eltern-Generation müssen also doch auf die Flohmärkte und in die Second Hand Shops gebracht werden, wo sie hoffentlich interessierte Käufer*innen finden.
(Mika)

Kontakt: optimal media GmbH, Petra Funk, Tel. 039931/56 516, Mail: petra.funk@optimal-media.com www.optimal-media.com.
Zu Re-Vinyl: https://www.optimal-media.com/press/re-vinyl/

Both comments and pings are currently closed. RSS 2.0