März 16th, 2007

NO MEANS NO (#62, 02-1997)

Posted in interview by sebastian

Alles was ihr schon immer über die ältesten Hardcoremusiker der Welt erfahren wolltet, einschliesslich ihrer philosophischen und musikalischen Vorlieben, sowie Bekenntnissen zu Vans und Michael Jackson.

Es ist jetzt auch schon wieder Monate her, damals konnte man noch in kurzärmeliger Strickjacke draussen vor dem Schlachthof sitzen, ohne zu frieren, zumindest bis die Sonne unterging, da kamen No Means No in die Stadt, die niemals schläft (naja, zumindest findest du zu jeder Zeit eine Kneipe wo du deinen Arsch auf einen Barhocker packen kannst) und gaben eines ihrer beliebten Konzerte.

Und weil ich nicht der einzige mit dem Ansinnen war, ein Interview zu führen, wurde flugs ein Joint Venture mit drei Siegenern beschlossen, deren Interesse darin bestand, altgediente Punkrock-Recken nach ihrer Punkwerdung und anderen Themen zu befragen, mit dem Ziel einer Abschlussarbeit über Subkulturen am Beispiel von Punkrock. (übrigens durfte auch ein gewisser Dolf H., einigen sicherlich nicht unbekannt, vorher erzählen, wie das denn mit dem Punkrock bei ihm so angefangen hat). Beginnen wir mit einem historischen Abriss der Karriere in Punkrock von No Means No. John Wright stand uns für den überwiegenden Teil der Fragen zur Verfügung.

***

Bitteschön, wie wurdest du also damals zum Punkrocker?

J.: Robbie brachte Platten von den Sex Pistols und den Ramones heim und hörte sie. Das war `78 oder `79, da war ich 16 oder 17. Erst hasste ich es. Ich spielte Jazzmusik in der Schule, und meine Reaktion auf die Ramones war: Was ist das? Das ist völlig verstimmt… und Devo… I couldn`t get my head around that record. Aber Robbie fuhr total darauf ab. Er stand auf die Power-Riff-Gitarre, no fancy solos, no stupidity, just really basic sound. Er mochte keinen Rock & Roll mehr, weil alles so Scheisse geworden war. Als er das erste Mal die Ramones hörte, dachte er, Wow das ist toll! Das ist phantastische Musik.

Er hatte darüber im Rolling Stone gelesen, sah diese Ramones-Kritik 1977 und ging und kaufte sich das Album und fuhr darauf ab. Er kaufte alles was rauskam. Ich war eher ein Spätkommer, was das angeht. Aber als ich 18 war, war das alles, was ich mir anhörte, all diese Bands, Buzzcocks, Undertones, Ramones, Sex Pistols, The Clash, D.O.A., Subhumans, viele Bands aus Kanada. (…) Ich hatte vorher schon immer Musik gemacht und Robbie machte einfach nur so herum.

Er brachte sich das Gitarrespielen selbst bei. Er hatte nie Unterricht oder so. Er ist acht Jahre älter als ich, und erst als ich ungefähr 17 war, konnten wir etwas miteinander anfangen. Vorher war ich immer nur der kleine Bruder. Andererseits hatte er vorher mit Musik auch nicht allzu viel zu tun gehabt. Wir fingen beide zur gleichen Zeit an, uns für Musik zu interessieren.

Und die Band No Means No?

J.: Im Grunde genommen fing ich in der Schule an, Musik zu machen, und um 1978 herum fingen ich und mein Bruder an, Musik zusammen zu schreiben, im Keller unserer Mutter. Und wir fuhren auf all die Punkrock-Bands ab, die zu der Zeit rauskamen, D.O.A. aus Vanvouver… Und es kamen damals eine Menge Bands aus Vancouver. Und natürlich all die englischen und amerikanischen Bands, die Ramones und die Sex Pistols und all das.

Das war, was uns wirklich inspiriert hat, eine echte Band zu sein. Das war die Musik, die am meisten Spass gemacht hat, und wir sagten uns: Hey, das könnten wir machen. Wir machten eine Split-single 1980 mit einem Song „Look Here Come The Wormies“, was einfach ein alberner Song ist, nicht sehr indikativ für uns. Und dann fingen wir an, Live-Shows zu spielen als Zweimann-Band, Bass und Drums, denn wir kannten niemanden, der Gitarre gespielt hätte.

Wir entschieden, es allein zu machen, beeinflusst von Bands wie Gang Of 4, PIL, eine Menge bass- und rhythmusbetontes Zeug, das sehr geeignet schien für Bass und Drums. Also schrieben wir ungefähr zwölf Songs, machten ein Platte namens Mama (kürzlich auf Konkurrel wiederveröffentlicht – d.V.), pressten 500 Exemplare, brachten sie selbst in die Läden in Victoria und Vancouver und verkauften vielleicht 300 oder so. Ich war noch in einer anderen Band mit Andy Kerr. Die Band löste sich auf, und wir fragten, ob er nicht mit uns spielen wolle. Er war ein guter Gitarrist und ein guter Sänger. 1982 oder 83 kam er dann in die Band. Von da aus ging es los.

Wir tourten auf der ganzen Welt, machten diverse Platten bis 1991, was unser letztes Jahr mit Andy war. Er verliess die Band. Jetzt ist er verheiratet und lebt in Amsterdam. (…) Dann machten Rob und ich das Album „Why Do They Call Me Mr. Happy“, das wir 1992 veröffentlichten. Wir machten das allein, mehr oder weniger so, wie wir „Mama“ gemacht hatten, ausser, dass es mehr Gitarre hatte. Ich denke es ist eine unserer besten Platten, das Songwriting, die Songs sind nicht sehr zugänglich, es ist nicht wirklich eine zugängliche Pop-Platte, aber ich denke, es ist eine unserer Besten.

Dann beschlossen wir, die Hanson Brothers zu machen, was eine Idee war, die wir 1984 hatten. Sie kommt von diesem Paul Newman-Film „Slapshot“ über die B-Liga Hockeymannschaft. Die Hanson Brothers waren die Typen, die immer die Prügeleien abzogen. Es ist ein toller Film, in den Top 10 auf meiner Liste der besten Filme aller Zeiten.

Wir wollten etwas in der Art der Ramones machen. Und irgendwer meinte, wir sollten uns die Hanson Brothers nennen. Da die Ramones falsche Brüder waren, dachten wir, wir könnten auch falsche Brüder sein. Dann beschlossen wir, ein Album zu machen. Greg Workman von Alternative Tentacles in San Francisco hatte uns jahrelang genervt, ein Album als die Hanson Brothers zu machen, denn er liebte das Zeug. Wir machten es mit Tom Holsten, der auch unser neuer Gitarrist ist. Er ist auch aus Victoria, und wir kennen ihn seit Jahren.

Wir nahmen also mit ihm dieses Hanson Brothers-Album auf, gingen auf Tour und nahmen auch Ken Kempster als Schlagzeuger mit. Danach fragten wir die beiden: Warum spielt ihr nicht bei No Means No?! Tom war anfangs ein bisschen widerstrebend, weil sein Gitarrenspiel überhaupt nicht zu unserem Stil passte. Er ist im Grunde genommen ein Akkordeschrupper. Also musste er hart arbeiten, und praktisch neu Gitarre zu spielen lernen. Aber er tat es, und dann gingen wir Ende `93 nach Australien.

Das war seine erste Tour mit uns. Kurz danach kam Ken zu uns, um das zweite Schlagzeug zu spielen. Das war auch eine alte Idee, für ein paar Songs zwei Schlagzeuge zu haben. Wir hatten uns nur nicht darum gekümmert. Aber da Tom neu bei uns war, und wir eine Weile nicht gespielt hatten, dachten die Leute, wir hätten uns aufgelöst, weil Andy die Band verlasen hatte. Das war eine gute Gelegenheit für uns, mit etwas Anderem zurückzukommen.

Somit wären wir bei No Means No, wie sie heute sind. Eine Band, die als Zugabe gern die Ramones covert. Da darf dann der neue Schlagzeuger sein Instrument verlassen und sich als Sänger betätigen.

J.: So sind wir Schlagzeuger. Wir sehnen uns nach dem Rampenlicht. Wir stecken irgendwo hinten, und keiner weiss, wer wir sind und was wir machen. Alle Schlagzeuger sind gute Frontmänner. There`s a star waiting to be born in every drummer.

Und die Hanson Brothers als Ramones-Hommage, geht`s da irgendwie weiter?

J.: Wir haben eine neue Platte aufgenommen, die im Herbst (1996) rauskommt und für die wir nächstes Jahr in Nordamerika touren werden. Aber ich glaube nicht, dass wir nach Europa kommen, wir werden sehen. Aber! Es gibt darauf einen Song, namens „You Can`t Hide The Heino“, der in Deutschland auf Sawblade Rec. erscheinen wird, und dieser Song wurde hier in Bremen geboren, beim letzten Mal als wir hier waren. Wir wohnten bei diesen Leuten, und sie hatten ein paar Heino-Platten und Tom fuhr auf diese Heino-Platten ab und sagte:

Ich hätte so gern eine davon. Und da gaben sie ihm eine Heino-Platte, und er sagte: Wow, das ist toll! Tom liebt schlechte Popmusik, je schlechter sie ist, desto mehr mag er sie. Er steht auf all die käsigen amerikanischen Sänger, die in Las Vegas auftreten. So lange es schrecklich ist, liebt er es. Und er war wirklich glücklich. Und dann wollten wir ausgehen, und wir gingen in eine kleine Punkrock-Bar, und er hatte seine Heino-Platte in der Hand und plötzlich war es ihm unangenehm, dass er diese Platte dabei hatte, weil er dachte, jeder würde ihn für einen Idioten halten.

Er wusste nicht, wohin damit, und Craig drehte sich zu ihm um und sagte: You can`t hide the heino! Nirgendwo sonst auf der Welt versteht jemand den Witz. Wenn wir zuhause jemandem den Song vorspielen, fragen die Leute: Was ist ein Heino? Sie verstehen es nicht, man muss es ihnen erklären und der Witz geht kaputt. Nicht viele leute in Nordamerika wissen, wer Heino ist.

(Die folgende Frage erwächst in erster Linie dem wissenschaftlichen Anliegen der anwesenden Mit-Interviewer, gibt mir aber auch die Möglichkeit zu dem zweiten Teil des Interviews überzuleiten, der deutlich inkohärenter ausfällt, als der erste Teil. Das hat seinen Grund in der Fülle an Informationen, die das Gespräch barg, die gleichwohl hier keinen Niederschlag in Gänze finden soll, weil sie den Rahmen schlicht sprengen würde. Hier nun also die äusserungen des John Wright zu ausgewählten Themen:)

HAT PUNK DEIN LEBEN VERäNDERT?

J.: Definitiv, ja. Es ist wesentliche Sache für Teenager, dass sie anfangen (schreit): Hey, everythings fucked up, i`m gonna change it! Und dann, wenn sie älter werden … Well, now, whatever… (zieht resigniert die Schultern hoch). Verstehst du?! Aber es ist wie dieses ganze Teenage-Ding, wenn du wirklich einen point (i.e. Sinn oder Zweck, auch wenn, bzw. weil das nicht das Gleiche ist – d. ü.) im Leben suchst, denn jeder Teenager sucht verzweifelt nach einem Point und Punkrock schien so offensichtlich zu sein, die Politik und das Gefühl.

WER ODER WAS IST DENN ABER NUN DIESER PUNK?

J.: Du fragst zehn Leute, was Punk bedeutet und bekommst zehn verschiedene Antworten. Ich weiss nicht, was Punk bedeutet. Es war einfach eine Attitüde gegenüber diesen Posermusikern, die eine Musik spielten, die elitär war. Rock & Roll war extrem elitär und ist es immer noch in vielerlei Hinsicht. Aber Punk war eine Chance für jeden, ein Instrument zu nehmen, auf die Bühne zu gehen und zu spielen, und man interessierte sich dafür, denn plötzlich waren die Leute offen für alles. Nicht jeder natürlich, denn die andere attraktive Sache an Punkrock war, dass es gefährlich war, Punk zu mögen. Und du fühltest dich im Besitz eines Geheimnisses, das sonst niemand kannte.

Du wusstest etwas, was die nicht wussten. Und Biker oder Rocker, oder einfach Jocks (John Wright erklärt den Begriff `jock` folgendermassen: „a sportsguy, professional sportsplayers have to have been jocks all their lives to become professional sportsplayers“ – d. ü.), deren Mentalität war oft: Oh, lustiger Haarschnitt, lass uns die Scheisse aus ihm herausprügeln! Und so war es irgendwie gefährlich, `on the edge`. Du fühltest dich als Minderheit, und ich denke, es war auch augenöffnend, dass Leute sich bewusster wurden über Rassismus, Sexismus und derlei Dinge, und es wurde früh ein Thema, und dadurch fühltest du auch eine gewisse Wichtigkeit darin.

Punk nahm sich politischer Themen an. Ich glaube nicht, dass es ursprünglich irgendetwas mit Politik zu tun hatte, als es begann, aber es wurde sehr schnell ein linker Blickwinkel adaptiert. Besonders in den frühen Achtzigern im Hardcore. Da fing ich an, einige Bands nicht mehr zu mögen, weil sie so sehr in diese linke politische Ideologie gingen. Was an dieser Musik wirklich aufregend ist, ist die Musik, nicht die Politik, und die Politik ist Teil davon, aber Politik ist ein Teil von allem und jedem, sie ist nicht eigentümlich für Punkrock.

VON DER WICHTIGKEIT DER MUSIK (ALS SOLCHER)

J.: Musik ist eine komische Sache. Sehr kraftvoll, und gleichzeitig ist sie nicht so wichtig, wie die meisten Leute zu denken scheinen. Musik ist nicht so wichtig, aber andererseits ist sie wichtig. Es ist eine Art Paradoxon. Leute legen sehr viel Wert auf Musik und Tanz, und ich denke wenn du dein Geld damit verdienst, ist sie auch sehr wichtig. Es sind Millionen Dollar im Spiel. Ich vermute, dass lässt auf eine gewisse Wichtigkeit schliessen.

Sie ist so wichtig, weil sich soviel Geld damit verdienen lässt.

J.: Ja richtig. Aber das ist nicht wirklich, wofür Musik wichtig ist. Musik ist wichtig als ein Ereignis wie heute Abend. (…) Das Beste ist live, auch wenn es nur zwanzig Leute sind und einer, der Gitarre spielt. Am nächsten Tag ziehst du vielleicht weiter, aber du kannst definitiv einen Moment fühlen in der Musik. Und das ist das Schöne daran und das Anziehende für mich. Vielleicht könnte ich auch malen, oder andere künstlerische Dinge tun, aber ich glaube, nichts wäre so befriedigend, wie Musik.

WAS HAT SICH IN DEN LETZTEN JAHRZEHNTEN IN DER PUNKROCK/HARDCORE-WELT VERäNDERT (was sich ja quantitativ ziemlich einfach feststellen lässt, aber es sind ja die angeblichen qualitativen Veränderungen, die zur Diskussion stehen. Ein Thema, über das mittlerweile sogar schon Bücher existieren, und das in Kolumnen diverser Fanzines, im Fernsehen und an Hardcore-Stammtischen ausgiebig diskutiert wurde/wird, ohne dass gar zu viele Diskutanten zu einigermassen schlauen Ergebnissen gekommen sind.)

J.: Die Musik ist viel mehr Mainstream, als sie es war. Auf eine Art ist es traurig, denn warum waren die Buzzcocks nie die Nummer 1 in den Charts? Und jetzt, wo Green Day eine Nummer-1-Single haben, macht jeder mmmh… Es ist nicht mehr soviel Spass. Das ist es, was alternative Musik verloren hat, dass sie nicht länger eine Alternative ist. Sie ist jetzt der Mainstream, der Status Quo.

Und es ist eine Schande, weil es tonnenweise gute Bands gibt. Aber der ganze Hype um Nirvana, die am Anfang dieses Alternative/Punk-Dings waren, zeigt, dass ein Bedarf da war, und wie langweilig die anderen Sachen waren. Du redest mit einem Sechzehnjährigen, und Green Day sind die Buzzcocks von heute.

Dann könnten ja alle froh sein. Wenn es diese ganze Musik gibt, wenn jeder sie im Radio, im Fernsehen hören kann, dann braucht man doch gar keine Alternative dazu (oder?).

J.: Das ist die Frage. (Ist das die Frage? Wo doch ganz offensichtlich der Begriff mittlerweile nur etwas anderes bedeutet? – d.V.)

Es gibt eine Menge Leute, die sich nicht mehr für Gitarrenmusik interessieren, die zu Techno und anderen Spielarten elektronischer Musik gewechselt haben. Vielleicht ist das die neue Alternative?

J.: Vielleicht. Man kann nicht vorhersagen, was die nächste Form von vitaler Musik ist. Rap-Musik war extrem vital als sie herauskam, aber sie wurde schnell aufgesogen. Punkrock scheint immer noch eine grosse Menge Energie zu haben, und diese Energie ist eine dauerhafte Qualität. In den Siebzigern gab es soviele Bands ohne Leben, die Musik war bäääh, sie hatte nichts, die Songs waren irgendwie dumm und die Energie war nicht da.

Es gab ein paar gute Hardrock-Bands wie AC/DC, aber Punkrock hatte diese Waaa!-Energie, und die hat er immer, und das wird immer wichtig sein für Teenager. Sie brauchen diese Hyperaktivität in der Musik. Und gibt es Boom-Blitzlichter und Video-Maschinen, Bam Bam Bam und all das… Es macht dich äääää…

Aber für viele ist das neu und aufregend.

J.: Exakt. Das ist die Attraktion dabei, du bist hyped up.

Kann Punkrock dann vielleicht einfach nicht mehr das sein, was er war, weil er nichts Neues ist?

J.: Ja, definitiv.

(Dann wäre es also einfach nur der Verlust einer einzigen Eigenschaft, nämlich des Neuigkeitswertes. Bliebe noch die Frage, inwieweit der wichtig ist, aber für John Wright sind sowieso andere Dinge an Musik wichtiger, wie zum Beispiel die:)

BüHNENPERSöNLICHKEIT

J.: Manche Leute haben das angeborene Talent, ein Publikum zu ergreifen (to grab) und seine Aufmerksamkeit zu fesseln. Andere Leute haben das nicht. Manche Leute entwickeln es, und manche tun das nie. Die Showbiz-Seite und die Kraft der Persönlichkeit ist unglaublich wichtig in der Musik, wenn du performen willst. Und es wird immer die geben, die diese Bühnenpräsenz haben, die Anziehungskraft, sei sie hässlich oder was immer.

Sie werden immer aus der Menge herausragen. Und es gibt auch grossartige Pop-Musiker wie Michael Jackson, er ist der vollendete Pop-Star, und er ist es, weil er so gut dabei ist. Er ist toll darin. Und das kannst du nicht leugnen. Er ist eine unglaublich talentierte Person. Auch wenn du seine Musik vielleicht hasst, aber er ist so populär weil er die Leute in Trance versetzt.

DIE RAMONES – LIEBLINGSPLATTE

J.: Ich glaube, es ist Road Ro Ruin. Sie hatte alles, was die Ramones sein mussten. Tolle Songs, eine tolle Produktion, ein klassisches Album.

Ist das der Grund, weshalb die Hanson Brothers-Platte sehr nach Road To Ruin klingt?

J.: Ja, wir vergleichen sie definitiv mit Road To Ruin und versuchten das auf eine gewisse Weise einzufangen, aber wir benutzten extrem billiges Equipment (lacht). Wir nahmen diese Platte für 3000 Dollars auf, es war also wirklich billig. Definitiv war Road To Ruin unsere Referenz.

DIE RAMONES-ABSCHIEDSTOUR

J.: Es ist immer die letzte Tour, bis zur nächsten… (…) Ich wollte immer, dass sie diesen Song covern, You Are Not For Me, von den Hanson Brothers. Ich wollte immer die Ramones diesen Song spielen hören.

WAS DENKST DU üBER DIE SEX PISTOLS-REUNION?

J.: Uä…, nicht viel. Es hat übrigens nicht so gut funktioniert, wie erwartet. Viele Shows wurden gecancelt. Jeder dachte, es würde grösser werden als es dann wirklich wurde. Aber sie haben bestimmt gut verdient. Und sie waren nie an etwas anderem interessiert. Sie haben das von Anfang an gesagt. Und dieses völlige „I don`t give a fuck!“ machte den Appeal aus. Nicht sehr erfreulich, aber wenigstens ehrlich. Nicht wie die CLASH-REUNION sein wird. Es gibt Gerüchte. Clash, nächstes Jahr (Und das bedeutet dieses Jahr, da ja das Interview noch im letzten Jahr entstand, warten wir`s ab – d.V.). Und das wird so pompös und selbstgerecht sein, wie sie waren als…, Clash waren sehr gross in den Staaten im Gegensatz zu den Sex Pistols. Sie waren die wichtigste Band. Es muss funktionieren. They`re back! Endlich! Wo wären wir ohne euch?!! (lacht sich einen ab) Mir ist das eigentlich egal. Es entscheiden die Leute, die die Tickets kaufen. Wenn du glaubst, dass sie es nicht verdienen, Geld zu machen, dann geh eben nicht hin! Ich habe kein Verlangen, die Sex Pistols zu sehen. Es wäre nur ein blasser Abklatsch von etwas, dass aufregend gewesen wäre. Es war das richtige Ding zur richtigen Zeit. Es hatte dieses Gefühl von GEFAHR an sich. Du warst nicht wirklich ein Teil des Mainstreams, wenn du zu so einer Show gingst. In meiner Heimatstadt riskiertest du deine Gesundheit. Denn in Victoria wurde man dafür zusammengehauen, Punkrocker zu sein. Du konntest nicht einfach mit Sicherheitsnadeln herumlaufen und so. In Kanada gibt es eine Menge Rednecks, nicht unbedingt Rassisten, einfach konservative Workingclass-Typen. Sie sägen Bäume um und trinken Bier, und sie mögen keine Leute, die anders aussehen, aber das ist nicht mehr so. Jetzt kannst du dein Haar in jeder Farbe färben, die du willst und keiner interessiert sich dafür. Und das ist das andere Ding. Du siehst all die IROS und denkst: Was ist der point, was versuchst du zu sagen? Es ist irgendwie alt, sah noch nie gut aus, und deshalb weiss ich nicht, was das jetzt noch soll.

(Gelächter)

Hattest du jemals einen?

J.: Nein, ich habe mich nie für Mode interessiert. Ich habe mir mal die Haare mit Henna gefärbt, um das Grau loszuwerden (lachen). Ich habe mich nie gross darum gekümmert, wie ich aussehe, ausser… Ich wasche meine Klamotten. Ich weiss nicht, ich war nie ein Punkrocker auf so eine Art. Für mich hiess es, Musik zu spielen und das war alles, was mich daran interessierte. In Bezug auf mein Aussehen war ich immer eher konservativ. Naja, eine Weile trug ich Armyhosen und `ne Menge T-shirts, trug Lederjacken, aber es war eher funktionale Kleidung als irgendetwas anderes.

HENRY ROLLINS (den sie neulich in Roskilde sahen)

J.:  Er ist immmer noch der Alte. Er ist ein erstaunlicher Performer, ein unglaublich kraftvoller Performer. Er ist einer dieser Typen, die einfach `boum` machen. Du kannst nicht anders, als ihn anzuschauen, ihm zuzuhören, er ist so powerful. Aber ohne die Musik von Black Flag… Es ist so riffy-funky Musik, das ist das Problem bei der Band.

WIE IST ES MIT WERBUNG (Rollins hat neulich Werbung für Macintosh gemacht)?

J.: Echt? Wir würden das wahrscheinlich nicht machen. Obwohl ich nicht strikt sage, für ein Produkt zu werben, sei eine schlechte Sache. Wenn GMC kämen und mich bäten, ihre Vans zu endorsen, würde ich ja sagen. Es sind gute Vans. Wir hatten zwei davon und reisten Hunderttausende Meilen mit diesen Dingern und es sind grossartige Vans. Aber einen Modefilm oder so würden wir wohl nicht machen.

Wahrscheinlich würde euch darum auch niemand bitten.

J.: Nein nein, darüber brauche ich mir überhaupt keine Sorgen zu machen.

Als wir über die Kleiderfrage sprachen, musste ich an die Minutemen denken. Einer von ihnen hat einmal gesagt, sie seien die Kids gewesen, mit denen niemand spielen wollte, weil sie nicht so cool aussahen. Und deswegen seien sie Punkrock geworden.

J.: (lacht)

Kannst du dem irgendwie zustimmen?

J.: Ja. Wir hatten nie wirklich mit der regulären Menge zu tun. Wir hatten unseren eigenen Freundeskreis. Ich war nie ein Teil von Moden, ein bisschen natürlich, wie jeder, aber ich war nie einer aus der angesagten Clique.

***

NACHSPIEL (AUS DEM AKADEMISCHEN LEBEN)

Für die Bildungsbürger unter Euch sei hier noch ein Thema angesprochen, das zwar eher abseits der behandelten Themen liegt, aber doch den einen oder anderen interessieren könnte. Wer nämlich das Cover von „The Worldhood Of The World (As Such)“ etwas genauer studierte, der stiess auf eine Danksagung an Martin Heidegger. Der wiederum ist nicht gerade als integere Bezugsperson für heranwachsende wie herangewachsene Punkrocker bekannt, und so gestattete ich mir die Frage, wie dieser Dank gemeint sei, schliesslich sind No Means No ja durchaus auch einmal zu Spässen aufgelegt. John fühlte sich aber nicht zuständig und verwies uns an seinen Bruder, der sei derjenige, der all diese Bücher liest. Nun denn.

Also Herr Wright: Wie verhält es sich nun?

Rob lacht herzhaft.

Ich wusste nun nicht, ob das ein Witz ist.

R.: Denken ist ein Hobby von mir. Insoweit ist es ernst. Aber Heidegger… The worldhood of the world as such, the worldhood of the world as such (schnippt mit den Fingern), Heidegger liebt es, Wörter aneinanderzureihen, und manchmal ist das sehr rhythmisch. Die Songs auf dem Album scheinen über äusserliche Dinge zu sein. Und so schien es einfach ein netter pompöser, ironischer, ein bisschen lustiger Titel zu sein, der zu den Songs und der Musik passte. Aber zu dem anderen Punkt, dass von Heidegger etwas hineinkam… Ich denke, dass Heidegger ein toller, kleiner Denker ist. Politisch war er ein bisschen peinlich, aber… (bricht in Lachen aus)

Das ist ein sehr einfache Trennung…

R.: Ich habe eine Menge darüber gelesen, was in den Dreissigern im akademischen Deutschland passierte, und es scheint, dass eine Menge Leute verschiedener philosophischer Richtungen auf diesen nationalsozialistischen Zug aufsprangen, weil sie dachten sie könnten ihrem akademischen Stand und ihren Gedankensystemen politisch zu mehr Prominenz zu verhelfen. Im Grunde war es ein Machtding, eine politische Sache.

Und Heidegger als eher ein Denker denn ein Politiker, und solche Leute sind normalerweise politisch sehr naiv, geriet leider auch in diese Sache. Er wurde, glaube ich, Vorsitzender der philosophischen Fakultät einer sehr wichtigen Universität. Und die meisten von ihnen fanden sich total kompromittiert durch ihre Positionen. Das ist eine Schande, denn ich denke, dass er vielleicht der grösste Denker des 20. Jahrhunderts ist. Aber politisch war er, fürchte ich, ziemlich naiv. Und ich denke er hat eine Menge getan, um seine Philosophie zu diskreditieren, was schade ist, weil es wirklich eine sehr subtile, einmalige und aufregende Denkweise ist. (…)

Heute scheinen die Leute eher daran interessiert zu sein, Gedanken und Text zu zerstören. Es ist alles sehr zirkulär und selbstreferentiell. Sie scheinen nichts wirklich herausfinden zu wollen. Sie versuchen anscheinend diese Fragen beiseite zu schieben und zu sagen, wichtig ist, wie man sie fragt. Dekonstruktivismus… Eine Menge französischer Leute, die glauben, dass zu untersuchen, wie etwas gesagt wird sei wichtig, anstelle dessen, was gesagt wird. Es scheint sehr, sehr feige zu sein (lacht).

***

Wir danken recht herzlich für diese Stellungnahme. Das Konzert war übrigens geil. Nur dass zu meinem ärger der NMN-Hit „Now“ gespielt wurde, der noch beim letzten Bremen-Auftritt den tobenden Horden verweigert wurde. Wahrscheinlich aber war ich mal wieder der einzige, den`s gestört hat. Also sei`s drum.

Interview: Henning, Boris, Sascha (die hiermit nocheinmal gegrüsst seien!), Tim und Stone.

Text: Stone

Photos: Christoph Lottes

Links (2015):
Wikipedia
Homepage
Discogs

 

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