September 30th, 2023

Mehr als nur Atome – Was die Physik über die Welt und das Leben verrät, Sabine Hossenfelder

Posted in bücher by Dolf

Siedler Verlag/Random House, Neumarkter Straße 28, 81673 München, www.siedler-verlag.de

Nach einem kurzen Vorwort gibt es eine Warnung der Autorin, dort schreibt sie unter anderem: „Wenn Ihre Überzeugungen mit empirisch belegtem Wissen im Widerstreit stehen, dann suchen Sie nicht nach Sinn, sondern wiegen sich in einem Wahn. Vielleicht möchten Sie lieber an Ihrem Wahn festhalten. Das kann ich durchaus verstehen, glauben Sie mir – aber dann ist dieses Buch nichts für Sie. In den kommenden Kapiteln werden wir über freien Willen, das Leben nach dem Tod und die ultimative Suche nach Sinn sprechen. Das wird nicht immer einfach sein. Ich selbst habe mit einigen der Konsequenzen, die sich aus nachweislich gut belegten Naturgesetzen ergeben, zu kämpfen gehabt, und ich vermute, dass es einigen von Ihnen ebenso ergehen wird.“

Nun ganz so schlimm war es jetzt nicht – für mich, aber in den folgenden zehn Kapiteln wird dem Leser schon einiges abverlangt und auch einiges an Physik zugemutet. Deshalb hier nur mal die Kapitel in der Übersicht: „Existiert die Vergangenheit im Jetzt?“, „Wie ist das Universum entstanden? Wie wird es enden?“, „Ist Mathematik alles?“, „Warum wird niemals jemand jünger?“, „Sind wir nicht mehr als ein Haufen Atome?“, „Ist Wissen vorhersagbar?“, „Gibt es Kopien von uns?“, „Hat die Physik den freien Willen unmöglich gemacht?“, „Ist Bewusstsein berechenbar?“, „Wurde das Universum für uns geschaffen?“, „Denkt das Universum?“, „Können wir ein Universum erschaffen?“, „Ist menschliches Verhalten vorhersagbar?“ und zu guter Letzt: „Was ist eigentlich der Sinn von allem?“ Da kann man erst mal durchatmen und sacken lassen. Soviel vornweg, wenn man kein Interesse an Physik und kein gewisses Grundverständnis (so wie ich) hat dann ist die ganze Physik auch während und nach dem lesen unverständlicher Kauderwelsch – trotzdem kann man das Buch lesen, weil man auch ohne Physikkenntnisse viele Antworten bekommt. Ob die dann, im physikalischen Sinne korrekt sind, sollen die ExpertInnen unter sich ausmachen, so behauptet ein Dr.Th.W. im Internet: „Hossenfelder behauptet in ihrem Buch, der freie Wille sei eine Illusion. Und dies sei eine Tatsache, die aus den Naturgesetzen folge. Diese Behauptung ist aber falsch: Ihre These beschreibt nicht eine objektive Tatsache, sondern beruht vielmehr auf einer meta-physischen Annahme, nämlich die des deterministischen Materialismus. Dass ihre Behauptung, es gebe keinen freien Willen sei eine naturwissenschaftliche Tatsache, nicht stimmt, zeigt sich übrigens auch daran, dass prominente Physiker, wie etwa der Nobelpreisträger Anton Zeilinger, eine völlig andere Meinung als Frau Hossenfelder vertreten (Zeilinger ist der Ansicht, dass die Annahme des freien Willens essenziell dafür ist, überhaupt Wissenschaft zu betreiben). Die Annahme des deterministischen Materialismus ist eben keine naturwissenschaftliche, sondern eine philosophische Position, die überhaupt nicht neu, sondern etwa schon von Thomas Hobbes vertreten worden ist.“ Da steig ich aus, verweise aber darauf das die Autorin sagt, das es drauf ankommt wie man „freier Wille“ definiert. Und das ist es auch, worum es hier viel geht, um die Deutungshoheit in der Wissenschaft, einerseits, andererseits sagt Hossenfelder das es eben nur die eine Wissenschaft geben kann. ExpertInnen bitte übernehmen. Tatsächlich hat mich ein Satz in Kapitel 6 (Hat die Physik den freien Willen unmöglich gemacht?) am meisten beschäftigt: „Nach den derzeit anerkannten Naturgesetzen wird die Zukunft von der Vergangenheit bestimmt, abgesehen von zufälligen Quantenereignissen, die niemand und nichts beeinflussen kann.“ Was ich so verstanden hab, das der einzelne eben nie seine Zukunft selbst bestimmen kann. Aber hab ich es auch richtig verstanden? Denn man muss aufpassen, in der Physik werden manche Worte und Zusammenhänge ein wenig anders gesehen als bei nichtPhysikerInnen und so steht am Ende des Kapitels der Satz zum wiederholten mal, aber mit dem Zusatz: „Ob Sie das so verstehen, dass es keinen freien Willen gibt, hängt von Ihrer Definition von freiem Willen ab.“ Aha. Das Buch wirft viele Fragen auf, beantwortet viele mit „Wir wissen es nicht“ und klärt einiges. So es denn zu verstehen ist. Aber und das ist das gute, nach der langen, ausführlichen Erklärung, zu jedem Thema gibt es am Ende jedes Kapitels immer eine „Die kurze Antwort“ – wo es auch nichtPhysikerInnen schnallen können. Ist jetzt die Frage ob man den ganzen Physik-Kram lesen muss, oder auch die kurzen Antworten reichen und ob es sich „lohnt“ das ganze Buch zu kaufen, wenn man nur immer gleich die kurzen Antworten liest. Musst du selbst entscheiden. Ich habe es auf jeden Fall nicht bereut mich durchgearbeitet zu haben, wurde gut unterhalten, weil ich den Schreibstil der Wissenschaftlerin mag und natürlich hab ich auch einiges gelernt – nämlich das wir ganz schön viel nicht wissen. Und das auch eine wissenschaftliche Theorie, nur das ist, eine Theorie. Und das auch WissenschaftlerInnen gern so tun als wüssten sie mehr als die Wissenschaft tatsächlich weiß – prominentestes Beispiel ist wohl die Theorie vom Urknall. Und es ist auch gut, das man durch das lesen des Buches nochmal darauf aufmerksam gemacht wird das wir nur so Krabbelwesen auf einem relativ kleinem Planeten sind in einem unendlich großen Universum und das es davon noch Millionen andere gibt – also sich selbst nicht überbewerten.
Derweil kannst ja mal überlegen ob jetzt grade – also in der Gegenwart – die Vergangenheit noch existiert oder die Zukunft schon? Wenn das von Interesse ist, dann ist dieses Buch für dich. 319 Seiten, gebunden, 26,00 Euro (dolf)

Isbn 978-3827501660

[Trust # 221 August 2023]

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