Dezember 12th, 2019

MARY TIMONY (#118, 2006)

Posted in interview by Thorsten

Auch wenn sie sich wahrscheinlich schütteln wird, wenn sie das hört, ist Mary Timony für mich immer eine der starken Frauen des Rock gewesen. Nachdem ihre erfolgreiche Band Helium sich auflöste und Matador ihr nach dem ersten Soloalbum weitere Unterstützung verweigerte, beschloss sie sich eben nicht unterkriegen zu lassen und trotz mangelnder finanzieller Unterstützung ein Album aufzunehmen, das sie ganz ihr eigen nennen könnte. Während der Vorgänger sich vieler mittelalterlicher Melodien bediente ist „Ex Hex“ eine Irrfahrt durch das Land des Indie-Pop auf dem Teppich des innovativen Rock. Sleater-Kinneys Carrie Brownstein wusste eben, was sie tat, als sie Mary in ihr Nebenprojekt The Spells berief. Marys Partner im Leben und der Liebe so wie auf dem aktuellen Album ist Devin O’Campo, Gitarrist und Sänger der Medications. Ob es an ihm liegt, dass eine ganze Ecke Dischord-Charme auf Ex Hex abgefallen ist wird wohl nicht zu klären sein, tut aber auch nichts zur Sache. Mit einem neuen Label im Rücken wird Mary diesen Sommer erneut ins Studio gehen und das Ergebnis wird von Kill Rock Stars dieses Mal hoffentlich gebührend gewürdigt.

Menschen die sich Rock’n’Roll zum Beruf gemacht haben, und irgendwie hast du das ja schon auch, sind oftmals deswegen so beliebt, weil ihre Fans ihre eigenen Leben auf sie projizieren, was häufig auf falschen Annahmen beruht. Würdest du sagen, dass es meine Projektion ist, wenn ich dich für verträumt halte? Wenn nein, stimmt auch meine Vorstellung, dass du in der Schule ständig mit Tagträumen beschäftigt warst, und dass du im Film Dancer in the Dark Björk gut ersetzen könntest?

Du bist witzig. Du hast das schon ganz richtig erkannt, ich war eine totale Tagträumerin in meiner Schulzeit, vor allem als ich noch ein kleines Kind war. Ich habe immer Ärger dafür bekommen, weil ich ständig auf meinen Aufgaben rummalte anstatt sie zu machen. Ich habe erst damit angefangen mich auf die Schule zu konzentrieren als ich anfing Musik zu studieren. Als Musikerin in meinen Zwanzigern habe ich viele beschissene Aktensortier- und Bürojobs gemacht, da ich während dieser Tätigkeiten über musikalische Ideen nachdenken konnte, weil sie so langweilig waren, dass meine Gedanken woandershin wandern konnten. Dennoch denke ich nicht, dass ich die Hauptrolle in Dancer in the Dark hätte übernehmen sollen. Heh, Heh, das ist echt lustig.

Wer wird auf dem neuen Album mit von der Partie sein? Warum veröffentlichst du die Musik eigentlich unter deinem Namen, wo doch Devin zu Ex Hex sehr viel beigetragen hat? Ist das eine Art Anlehnung an die 90’s Women ala Alanis, Tori, etc.?

Nein, ich hasse deren Musik und möchte mit solchen Leuten nicht assoziiert werden, bloß weil ich eine Frau bin, das macht gar keinen Sinn. Ich veröffentliche Platten und die tragen meinen Namen, weil das auch der Name des Projekts ist. Devin wird auch auf dem nächsten Album mitmachen.

Du verkörperst ja so ziemlich den Künstlertyp, hast du Kunst studiert oder so? Ist Musik für dich ein Teil der Kunst, der für sich selbst steht, oder ist das Artwork und die Bühnenshow ein ebenso wichtiger Teil?

Ich mag Künstler und Kunst sehr gerne und versuche so viel wie möglich in einem künstlerischen Umfeld zu verkehren. Ich habe zunächst Englische Literatur studiert, aber später bin ich zurück ans College und habe einige Design- und Filmkurse besucht. Ich glaube nicht, dass es einen bestimmten Leitfaden gibt, wie Musik präsentiert werden kann. Es gibt Musiker, die sehr viel Wert darauf legen wie die Bühne dekoriert ist, anderen ist das ganz egal – man sollte einfach machen was man will und sich damit wohl fühlen können.

Du scheinst eine Art Essensfetischist zu sein. Kann man auf Tour dadurch auch einiges über die jeweiligen Länder erfahren?

Touren ist harte Arbeit, es kann dir wirklich viel abverlangen, vor allem wenn man sehr lange unterwegs ist. Mir ist gutes Essen auf Tour sehr wichtig, man wird sonst verrückt und krank. Darüber hinaus hat man kaum Zeit andere Dinge zu tun außer zu fahren, soundcheck zu machen… so kann es ziemlich enttäuschend sein, wenn man nach Europa auf Tour kommt und erwartet, dass man ganz viel an Sehenswürdigkeiten und so zu sehen bekommt.

Ich habe einige Geschichten über deine Zeitarbeitsjobs gehört und das klingt alles immer so lustig, aber ist es nicht auch eine totale Qual sich immer neue Jobs zu suchen und Kompromisse auf Grund von Geld machen zu müssen? Es scheint als müsste man so viele komische Jobs annehmen nur um überleben zu können und das kann einen doch auch viel der kreativen Energie kosten. Hast du damit einfach Glück gehabt oder lässt du lediglich die negativen Teile der Geschichten aus, wenn du sie erzählst?

Genau das, ich lasse den Teil der nur aus Beschwerden besteht einfach weg. Ich habe Jahre damit verbracht Scheißjobs anzunehmen, die entwürdigend und langweilig waren und auch noch schlecht bezahlt, nur damit ich jederzeit kündigen konnte um auf Tour zu gehen. Mittlerweile habe ich einen neuen Job als Gitarrenlehrerin für Kinder und der ist großartig. Ich kann immer noch jederzeit weggehen, weil ich mein eigener Boss bin.

Du bist ja sehr fasziniert von Gitarren, die mehr als 6 Saiten haben. Würdest du auch eine Doubleneck spielen?

Nicht auf der Bühne, da sie sehr schwer sind und bescheuert aussehen aber wenn wir dazu einen passenden Song schreiben würden, vielleicht doch. Ich weiß nicht genau, ich habe noch nie eine gespielt aber sie sind ja dafür gedacht, dass man live schnell zwischen verschiedenen Sounds wechseln kann.

Welche Tiere werden auf dem neuen Album Platz finden?

Meine Texte sind voller Metaphern, nicht Tiere.

Viele Leute legen großes Augenmerk darauf, wer ein Album produziert hat. Hat der Fakt, dass du mit Fugazis Brendan Canty gearbeitet hast dich für eine neue Hörerschaft interessanter gemacht und ist das neue Album dank der Inner-Ear-Aura mehr „DC“ geworden?

Nicht dass es mit aufgefallen wäre. Es hat Spaß gemacht mit Brendan im Inner Ear zu arbeiten, weil alle Leute dort so talentiert und kompetent sind und voller Leidenschaft für Musik.

Was geschieht eigentlich gerade mit Lookout, sind das wirklich noch die gleichen Leute, die damals Operation Ivy entdeckten? Als ich deine Platte hörte dachte ich sofort, das muss Kill Rock Stars doch eigentlich herausbringen.

Danke. Ja, es ist das gleiche Label, sie bringen nun aber keine Platten mehr heraus und werden lediglich den Back Catalog aufrechterhalten. Ich bin sehr glücklich nun mit Kill Rock Stars zu arbeiten.

Denkst du je darüber nach, was andere Leute von deiner Musik erwarten und lässt du dich auch manchmal davon beeinflussen, indem du versuchst es diesen Leuten recht zu machen.

Ja das passiert tatsächlich manchmal und dann schreibe ich ganz furchtbare Musik. Ich muss versuchen zu ignorieren was mein Gehirn darüber sagt, was andere Leute denken, da ich sowieso nie wissen werde was sie wirklich denken und wenn ich versuche meinen Output danach zu messen verarsche ich mich selber total und schreibe beknackte Songs.

Noch eine Frage zu deinem neuen Label, ich persönlich würde mir wahrscheinlich vor Freude in die Hose machen wenn sie mich signen würden, ging es dir ähnlich?

Ich habe KRS immer total respektiert und sie sind wahrscheinlich mein Lieblingslabel aller Zeiten. Ich bin sehr glücklich mit ihnen arbeiten zu dürfen. Es ist großartig.

Interview: Alva Dittrich

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