Dezember 31st, 2021

MANTAR (#205, 2020)

Posted in interview by Thorsten

Kompromissloser Abriss
Endlose Brache. Klirrende Kälte. Erdrückende Schwere. Schneidender Schmerz. Hoffnungslose Leere. Endlose Isolation. Gewalt. Zerstörung. Dürre. Hunger.
Der Sound der Band Mantar erzeugt genau solche Bilder in meinem Kopf. Er ist kompromisslos brachial, ein dreckiger Bastard aus Doom, Black Metal, Punk und Sludge. Eine Noisewand, ein mega Low-End-Sound, und dass, obwohl Mantar gänzlich ohne Bass auskommen. Ursprünglich haben sich die beiden Freunde Erinç Sakarya (Schlagzeug) und Hanno Klänhardt (Gitarre) in Bremen zusammengetan um Musik zu machen. Sie wollten einfach „eine gute Band sein“. Mittlerweile leben sie in Hamburg und Gainesville, Florida und touren durch die Welt, wenn nicht gerade Corona-Krise ist.
Ich habe mit Hanno über Kompromisslosigkeit gesprochen. Kompromisslosigkeit, was den Sound angeht, aber auch dabei, in der Musikindustrie sein eigenes Ding durchzuziehen, hart dafür zu arbeiten und sich treu zu bleiben. Und über sich verändernde Ziele, wenn die eigentlichen Ziele erreicht sind. Denn während Mantar beim ersten Trust-Interview noch vom Erfolg träumten, haben sie inzwischen all das erreicht. Lest selbst.

Vor einigen Jahren habt ihr dem Trust ein Interview gegeben. Ihr wart am Ausgangspunkt eures jetzigen Erfolges als Band und damals habt ihr gesagt: „Wir wollen vor so vielen Leuten wie möglich spielen und dabei so viel reisen wie es geht. Das ist der Lohn der ganzen Sache. Das wir uns und unser Schaffen vor so vielen Leuten wie möglich präsentieren können.“ Genau das habt ihr erreicht, würde ich sagen. Kurz nach dem Interview seid ihr zum Label Nuclear Blast gewechselt und ihr wart inzwischen auf einer Tour, auf der ihr durch 7 europäische Länder gekommen seid. Was habt ihr seit dem letzten Interview für das Trust erlebt und habt ihr tatsächlich das erreicht, was ihr Euch als Ziel gesetzt habt?

Ich erinnere mich an das Interview. Ich und wir waren damals sehr stolz auch direkt auf dem Cover gelandet zu sein. Das Heft liegt immer noch bei meinen Eltern in Bremen. Und ja, Ziel erreicht. Das hat tatsächlich alles Ausmaße angenommen, die zum Zeitpunkt des damaligen Interviews völlig undenkbar und absurd gewesen wären. Hättest du mir damals erzählt, wo die Reise hingeht, hätte ich dich ausgelacht. Aber die Magie der Sache war ja wie so oft im Leben unsere absolute Unwissenheit und Naivität. Im positiven Sinne. Wir hatten einfach keinerlei Erwartungen, sondern wollten einfach nur die bestmögliche Band sein, die wir hätten sein können. Dafür haben wir hart gearbeitet, damals schon, jedoch völlig ohne jegliche Erwartungshaltung. Gefühlt ging dann eigentlich alles sehr schnell. Platte nach Platte, Tour nach Tour, weltweit, gleich im ersten Jahr nach der Debüt-Platte haben wir zwei lange US-Touren gespielt, waren überall in Europa und so weiter und so fort. Und eigentlich ging es dann so weiter. Theoretisch haben wir bis auf ein paar Pausen die letzten fünf Jahre getourt und Platten gemacht, ohne jeglichen Abstand oder weiteren Fokus auf andere Dinge im Leben. Das ist und war extrem faszinierend, aber auch etwas erschreckend. Wir haben damals irgendwie diesen Moment verpasst, dass irgendwie „bewusst“ zu entscheiden. Es kam einfach alles sehr natürlich zueinander. Nach und nach. Allerdings haben Erinc und ich auch zu Beginn der Band ganz klar gesagt, dass das hier kein „Projekt“ und Hobby wird, sondern haben die Sache sehr ernst genommen. Nicht zwangsläufig uns selbst als Personen, aber die Band war uns enorm wichtig. Es war von Anfang an klar, dass wir keine Kompromisse machen würden. Und dafür haben wir gerade in den ersten Jahren alles gegeben. Unsere „Karriere“ begann zum Beispiel damit, dass ich aufgrund der immer mehr werdenden Tourerei direkt meinen Job verloren habe und auch 1,5 Jahre keine Wohnung mehr hatte, weil ich sie nicht hätte bezahlen können. Es hieß: „Willst du hier weiter arbeiten oder touren?“ Ich war mir sicher, dass ich die Frage gegebenenfalls zum letzten Mal im Leben hören würde. Somit war die Entscheidung klar. Bei Erinc waren das ähnliche harte Einschnitte, die wir aber völlig selbstverständlich hingenommen haben. Auch das Akzeptieren der Gewissheit mit deutlich über 30 Jahren anfänglich komplett mittellos zu sein und keinerlei geregeltes Einkommen zu haben. Aber irgendwie hatte es sich trotzdem richtig angefühlt. Natürlich war Geld nie der Antrieb für diese Band. Das sollte es für keine Band sein. Die Leute hätten uns ja zurecht für geistesgestört erklärt, allerdings stellt man irgendwann fest, dass man Essen und Trinken muss und auch (manchmal) schlafen. Um es kurz zu machen: Das was wir mit dieser Band erreicht haben, beziehungsweise welche Möglichkeiten sich für uns ergeben haben, stellen natürlich jegliche Erwartung von vor fünf Jahren in den Schatten. Wir haben ganz gut Platten verkauft, viel Liebe erfahren und gelernt was das Gegenteil bedeutet. Unmengen Shows auf der ganzen Welt gespielt und uns als Band etabliert. Das macht stolz und gibt heutzutage auch eine gewisse Sicherheit. Es fühlt sich gut an. Jedoch bin ich ein Mensch, der selten zur Ruhe kommt. Somit betrachte ich unseren Werdegang eher selten, um mir dann selbstgefällig auf die Schulter zu klopfen. Dafür bin ich einfach zu getrieben. Man muss aber auch sehen, dass das was wir machen und die Größenordnung, in der wir uns bewegen für andere „professionelle“ Bands ja immer noch ein Witz ist. Das ist aber auch okay für uns. Ich begreife die Möglichkeiten, die sich uns bieten trotzdem, immer noch als großes Geschenk.

Ist es immer noch euer Traum, nachdem er sich so ziemlich erfüllt hat? Also lebt ihr sozusagen euren Traum oder habt Ihr euch inzwischen neue Ziele gesteckt?

Ein Traum ist schon in Erfüllung gegangen. Das kann man schon so sagen.
Die neuen Ziele für mich persönlich sind aber eher zu lernen, wie man entspannt und sich über das freut, was man hat, anstatt sich und andere ständig weiter antreiben zu wollen. Man verfällt leicht in so einen Wahn, in dem man immer alles besser machen will und man muss sich irgendwann fragen, wohin eine ständige „Optimierung“ führt. Ich habe gelernt wie wertvoll es ist zu wissen wo „Zuhause“ ist. Was Heimweh bedeutet. Was Verzicht bedeutet. Was enorme körperliche und seelische Strapazen mit dir und deinem Umfeld machen. Das klingt jetzt vielleicht etwas doof, aber wir sind auch echt keine 20 mehr. Mich persönlich macht Touren z.B. derbe fertig und ich bin eigentlich deutlich lieber im Studio oder in der Kneipe, in der Küche, im Garten, etc. Es ist toll unterwegs zu sein, aber Zuhause ist auch gut. Wir haben gelernt Nein zu sagen. Auch wenn es um Sachen wie Geld, Erfolg oder Karriere geht. Ich denke, dass mich die letzten 5 Jahre im positiven Sinne auch etwas ernüchtert haben. Ich habe für mich gelernt, was mir wichtig ist und vor allem was nicht. Und dazu gehört zum Beispiel nicht Zucker in den Arsch geblasen zu kriegen. Das stellt erfreulicherweise sehr wenig mit mir an. Dazu bin ich auch zu selbstkritisch und verspüre große Freude am Nörgeln. Ich freue mich sehr, wenn wir Leuten mit unserer Musik Freude machen können. Das ist ein großes Geschenk, aber ich definiere mich null darüber der „Typ von Mantar“ zu sein. Das klingt jetzt alles eher negativ, aber so ist es nicht gemeint. Wir sind mega dankbar für all die großartigen Möglichkeiten, die sich für uns ergeben haben. Die Chance das mit seinem Leben zu machen, was man schon als Kind machen wollte. Frei zu sein. Unabhängig zu sein. Zumindest in diesem Lebensabschnitt das leidige und anstrengende Thema Lohnarbeit vernachlässigen zu können und stattdessen „Kunst“ machen zu dürfen, die sogar noch ein paar Leuten gefällt. Was noch vor ein paar Jahren der Hauptanreiz war so viel Reisen zu können, die ganze Welt zu sehen und viele Shows spielen zu können, ist heute eher das gute Gefühl sich und seinen oft sehr romantischen Vorstellungen vom Leben einigermaßen treu geblieben zu sein. Wir agieren als Band sehr unabhängig und machen nach wie vor fast alles selbst. Es tut gut niemanden etwas schuldig zu sein. Umso wunderlicher ist es dass man mit dem Setup, das wir haben, sowie dem musikalischen Ansatz und Klangfarbe z.B. in die Top 10 einsteigen kann. Da musste ich doch schon etwas lachen. Hoffe aber auch, dass es gegebenenfalls andere Leute inspiriert, dass man durchaus seinen eigenen Weg gehen kann und trotzdem was auf die Beine stellen kann.

War das bei der Gründung von Mantar euer erklärtes Ziel, eine Band zu gründen, die erfolgreich ist?

Ich denke, dass habe ich bereits beantwortet. Wir wollten vor allem produktiv und dahingehend erfolgreich sein, dass wir immer hinter dem stehen können, was wir nach außen hin preisgeben und veröffentlichen. Wir wollten einfach eine gute Band sein. Aber das erklärte Ziel war damals tatsächlich, ein Tape zu veröffentlichen und eventuell ein paar lokale Shows zu spielen. Das Konzept von „Erfolg“ hat sich natürlich über die Jahre gewandelt. Es war für uns ein unglaublicher Erfolg als wir die ersten hundert 7 Inches verkauft hatten. Das konnten wir überhaupt nicht fassen. Ich hatte damals all mein Geld (500 Euro) da rein investiert, da Erinc original gar nix übrig hatte. Und als die hundert Dinger dann vor uns lagen, habe ich mich schon gefragt, wer die denn bitte alle kaufen soll… Genauso als wir unsere ersten Shirts zur Post gebracht haben und auf einmal Leute aus Australien, den USA, Malaysia oder Kiel Shirts bestellt haben. Das waren für mich ganz klar die aufregendsten Momente. Vielleicht auch die schönsten.

Habt ihr eigentlich mal durchgezählt, in wie vielen Ländern ihr inzwischen gespielt habt? Und gibt es noch weiße Flecken auf der Landkarte, Länder, die noch auf der Bucketlist stehen?

Keine Ahnung. Es waren unfassbar viele. Wir waren noch nie in Australien und Neuseeland, ob wohl wir öfters Shows dort angeboten bekommen. Aber heutzutage teilen wir uns unsere Kraft eben besser ein und somit müssen manche Dinge halt auch etwas warten. Aber wir waren wirklich viel unterwegs. Überall in Europa, Japan, Russland, Türkei , Island, Südafrika, überall in den USA, Kanada… Kein Plan. Es waren wirklich viele Länder.

Wie unterscheidet sich das Publikum in den unterschiedlichen Ländern in eurer Wahrnehmung? Gibt es durch die Szenezugehörigkeit so etwas wie einen gemeinsamen Nenner?

Mhh. Schwer zu sagen. Es gibt Länder, die für Mantar immer geil waren und andere Länder, die überhaupt nicht funktionieren. Ganz viel Liebe haben wir von Tag 1 immer in Spanien und Portugal, sowie in Frankreich erlebt. Gerade im iberischen Raum sind die Leute enorm leidenschaftlich, was immer geil ist. Vielleicht liegt das auch daran, dass wir in Spanien und Portugal direkt unsere erste Tour gespielt haben bevor wir überhaupt in Deutschland getourt sind. Auch Türkei und Russland waren sehr beindruckend was die Leidenschaft der Leute betrifft. Das sind im Vergleich zu Deutschland auch nicht immer die größten Shows, aber darauf kommt es auch überhaupt nicht an. Natürlich gibt es auch einen gewissen Szenekonsens, dem wir erfreulicherweise immer mehr entwachsen sind. Das Konzept von „Szene“ war für uns immer mehr gleichbedeutend mit Gleichförmigkeit, Stillstand und Selbstverliebtheit. Sehr unsexy. Mit „Szene“ meine ich auch nicht einen an sich sehr ehrenwerten DIY-Anspruch, sondern eher ein elitäres Miteinander, in dem sich gerade Underground Bands immer wieder verfangen und es nicht schaffen auszubrechen. Wir haben uns lieber von Anfang an überall rausgehalten. Wir sind sehr froh darüber, heute vor möglichst vielen komplett unterschiedlichen Menschen spielen zu können. Das kann im AJZ vor 100 oder eben vor 10.000 Leuten beim großen Metal-Festival sein. Ich finde überall Leute, denen ich glaube, dass es ihnen was bedeutet, was wir da tun. Und das ist sehr wertvoll. Und „Szene“ wertet die Menschen nach Zugehörigkeit und Codes. Das alles wollten wir immer vermeiden. Ich habe großen Respekt vor Leuten, die ich auf den großen kommerziellen Festivals treffe, die mir erzählen, dass sie 5-6 Tage die Woche einer Arbeit nachgehen, die ihnen kaum Zeit lässt, sich um sich selber zu kümmern und für die deshalb Konzerte das allergrößte sind. Die Sachen von dir wollen, die uns immer nochmal fremd erscheinen. Fotos, Autogramme, kaputte Drumsticks oder eben nur ein paar Minuten um zu reden. All das geben wir gern. Das sind sehr „normale“ Leute, denen die Band aber ungemein viel bedeutet. Das macht mich glücklich. Obwohl ich vielleicht privat mit ihrem Leben und Lebensentwurf wenig teile. Und ich weiß, jede Band sagt das von sich… Aber wir haben wirklich krasse „Fans“. Leute die uns in andere Länder hinterher reisen, das Logo tätowieren, alles sammeln, jedes Shirt kaufen und immer wieder zu den Shows kommen. Viele kennen wir seit Tag 1. Man freut sich immer sie zu sehen.

Wo lebt ihr eigentlich aktuell? Ihr lebt beide nicht mehr in der gleichen Stadt, nicht mal mehr auf dem gleichen Kontinent, oder?

Ich wohne seit einigen Jahren in den USA. Durch das viele touren hier, habe ich/wir hier eh schon viel Zeit verbracht und so habe ich auch meinen Lebensmittelpunkt hier her verlegt. Mir gefällt es hier sehr gut. Die Sonne in Florida und der Rückzug aus dem Konzept Großstadt tun mir sehr gut. Erinc ist in Hamburg. Immer auch noch regelmäßig in Bremen, genau wie ich, aber sein Leben außerhalb der Band spielt sich hauptsächlich in Hamburg ab. Was auch cool ist. Ich habe da ja auch lange und gern gewohnt. Aber ich habe bereits vor einigen Jahren gespürt, dass ich zumindest für jetzt mit dem Thema Deutschland durch bin. Ich wollte weg. Die Band hat mir das ermöglicht.

Das klingt nach einer ziemlichen Herausforderung für das Proben und Songs schreiben. Wie macht ihr das?

Das ist weitaus einfacher als es klingt. Wenn eine Tour ansteht treffen wir uns in Hamburg oder hier und proben ein, zwei Tage und dann geht’s los. Ist ja nun auch nicht sooo anspruchsvoll, haha. Die Songs schreibe ich meistens in Ruhe zu Hause hier in Gainesville. Und bringe dann die rohen Entwürfe mit zur Probe, wo auch immer und wir arbeiten gemeinsam an den Skizzen. Für die letzte Platte habe ich zum Beispiel ganz viele Ideen mit nach Deutschland gebracht und dann haben wir uns für 6 Wochen in Bremen, der alten Heimat, im Proberaum eingemietet und ´ne Platte draus gebaut. Welche wir dann wiederum in Florida aufgenommen haben. Die Welt ist klein geworden.

Könnt ihr eigentlich davon leben? Und müsst ihr nicht ziemlich viele Opfer bringen um dieses Leben führen zu können?

Ja, wir können davon leben. Zumindest momentan. Um ehrlich zu sein würden wir die Band auch sonst nicht in diesem Umfang betreiben können. Der Aufwand ist einfach zu hoch. Es geht ja nicht nur darum Musik zu schreiben und Konzerte zu spielen, sondern die Band ist jeden Tag Arbeit. Wenn man die Zügel gern komplett selbst in der Hand hat, so wie wir, dann heißt das eben auch, dass das Team um die Band sehr klein ist und man jeden Tag Zeit für die Band investieren muss. Für beide von uns ist die Band im Alltag oft mehr Büroarbeit als alles andere. Eigentlich sieben Tage die Woche. Mal mehr, mal weniger. Aber neben dem ganzen Touren, Proben, Studio, et cetera ist es nicht selten, dass man Vollzeit im Büro sitzt und an 1000 Sachen gleichzeitig arbeitet. Der administrative Aufwand ist hoch. Wir waren von Anfang an klug genug, kaum Rechte an Musik und Merch abzugeben und so funktioniert das alles eigentlich ganz gut. Man wird damit nicht reich, aber wir kommen gut über die Runden. Vor ein paar Jahren war einem das irgendwie noch unangenehm darüber zu reden, weil gerade in Deutschland aufgrund von vermeintlicher „Szene“-Zugehörigkeit es sich irgendwie nicht gehört, dass Künstler von ihrer Kunst leben können. Das ist in vielen Ländern, so auch hier in den USA, anders. Ich finde das extrem geil, dass so was möglich ist und freue mich für jeden, der in der Lage ist sich und sein Leben selber zu finanzieren ohne einer klassischen Lohnarbeit nachgehen zu müssen, die dich ggf. kaputt und traurig macht. Aber der Tenor ist oft immer noch, dass echte Kunst bitte „umsonst“ sein soll. Dass es dem „authentischen“ Künstler bitte doch scheiße gehen soll. Das ist von außen natürlich leicht gesagt. Als freischaffender Künstler kein Geld zu haben ist aber weder romantisch noch sexy. Es ist scheiße und ungerecht. Ich stehe da mittlerweile drüber und bin stolz drauf, wie unabhängig wir uns aufgestellt haben. Wir wissen jedoch beide, dass auch das nur temporär ist. Denn wir verdienen Geld, weil wir viel unterwegs sind und viele Konzerte spielen können und ein paar Platten und Shirts verkaufen können. Sollten wir darauf in dem Umfang kein Bock mehr haben, geht es halt wieder zurück zur Arbeit. Ist ja nicht so als würden wir das nicht kennen. Auch wenn ich schon in Bands spiele, seitdem ich 12 bin, war ich immer froh, dass sich der Lebensabschnitt als „Berufsmusiker“ eher spät im Leben eingestellt hat. Ansonsten würde uns die Zeit nach der Band sicher härter treffen.

In eurem Sound strebt ihr immer nach mehr Härte. Mit jeder Veröffentlichung steigert sich der Sound und wird brutaler und krasser. Kann man das so sagen?

Empfindest du das so? Ich kann das schwer beurteilen. Es ist nicht so, dass wir bewusst versuchen würden immer extremer zu werden. Ich denke eher, dass das Songwriting besser und besser wird und wir über die Jahre gelernt haben, was wir gut können und was andere Bands besser können. Wir haben unsere Stärken und die schlachten wir eben aus. Wäre ja auch dumm, wenn nicht. Natürlich gehört zu unserem Sound eine gewisse Kompromisslosigkeit und Freude am Abriss. Allerdings sind sowohl Erinc und ich im Herzen eher Popper und wir mögen es schon, wenn die Musik irgendwie eingängig ist, oder es zumindest einen gewissen Wiedererkennungswert gibt. Gerade Erinc ist gut darin zu peilen, wenn Parts in Songs unnötig sind und dann werden die eben rausgeschmissen.

Könnt ihr euren Sound immer weiter treiben und ist das euer Ziel euch immer weiter zu steigern mit jeder Veröffentlichung?

Weiter zu steigern in Qualität ganz gewiss, aber sicher nicht in einem bestimmten Stil. Es ist ja nu auch nicht so als hätten wir gerade „Rock-Musik“ erfunden. Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, wo es soundtechnisch mit der Band hingeht. Und das ist vielleicht gerade auch ganz gut so.

Was beeinflusst eigentlich euren Sound?

Das ist eine gute Frage. Eigentlich weiß ich das nicht so genau. Muss aber sagen, dass Erinc und ich eigentlich wenig Musik hören, die unserer eigenen ähnlich ist. Ich glaube, wir schätzen in erster Linie den brutalen Akt als solchen, die Lust an der Zerstörung. Musikalisch sozialisiert wurde ich vor allem im Punk, Erinc sicher auch irgendwie, obwohl er schon immer ein großes Herz für „Pop“-Momente hatte, was ich an ihm als Musiker sehr schätze. Später habe ich irgendwann Black Metal entdeckt und das war auch irgendwie ein Aha-Erlebnis. Die Kompromisslosigkeit. Dieser Unwillen nach Regeln zu spielen und sicher auch zum Teil die nicht so festgefahrenen „Benimmregeln“, wie im Punk. Heute hat sich leider aber auch das erledigt. Ich denke am meisten hat unseren Sound das Zusammenspiel von uns beiden beeinflusst. Die Freude am gemeinsamen Musikmachen. Ich denke, wir haben halt immer einen gleichen Sinn für Ästhetik geteilt. Also für gewisse musikalische Momente. Stimmungen. Ich würde behaupten, dass vor allem das in der Anfangszeit für MANTAR wichtig war. Wir haben eigentlich nie zusammen gesessen und uns Platten angehört und gesagt: „Ja, geil… das machen wir jetzt auch so“. Aber ich glaube, dass der musikalische Einfluss unserer Jugend jedoch groß ist. Aber so was läuft glaube ich immer eher unbewusst. Ansonsten kann das alles auch nur scheitern.

Was mich noch interessiert: Gab es für Mantar anfangs konkrete Soundvorbilder?

Wie gesagt. Nein. Und ich glaube, dass ist auch gut so. Wenn man versucht sich zu sehr an anderen Bands zu orientieren, kann man eigentlich nur verlieren. Ich bin im Umkehrschluss auch immer etwas zwiegespalten, wenn ich in Reviews lese „Band XY klingt wie Mantar“, oder so etwas in der Richtung. Irgendwie fühle ich mich geehrt, denke aber auch irgendwie immer: Macht doch lieber euer eigenes Ding. Insbesondere dahingehend, dass wir das Rad ja nun wirklich nicht neu erfunden haben. Ich würde mich viel mehr über Bands freuen, die klingen wie sie selbst und nicht wie eine B-Version von anderen.

Was hört ihr eigentlich privat? Ausschließlich Punk, Hardcore und Metal oder gibt es da auch ein paar Überraschungen?

Nun ja, all diese von dir aufgeführten Musikstile sind oder waren zu einem oder zum anderen Zeitpunkt in unserem Leben sicher wichtig für uns. Ich für mich kann sagen, dass ich fast aller (!) Musik etwas Positives abgewinnen kann und sei es nur ein bestimmter Snare-Sound, eine Melodie oder eine gewisse Atmosphäre in einem Lied. Aber ich wäre heute nicht das, was ich bin und würde auch nicht das machen, was ich tue, wenn ich nicht mit ca. 12 Jahren Punk für mich entdeckt hätte. Das war wichtig. Und somit ist es das auch heute noch. Viel mehr aber als Gefühl, als Idee, als Rückgrat, anstatt Frisur, Sound oder auch nur als Wort. Jedoch muss ich sagen, dass ich zu Hause meistens Deutschlandradio Kultur oder Bluegrass und Jazz laufen habe. Das entspannt mich. Ich höre allerdings auch viel Alf-Hörspiele und auch sehr gern Black Metal. Ich schätze Neunziger Rapmusik und bin auch großer Dancehall und (Roots) Reggae Fan, aber verachte Ska in jeglicher Form. Was Erinc privat hört, kann ich dir nicht sagen. Ich glaube viel 80ies-Zeugs. Wir reden eigentlich nie über Musik. Ich lese keine Musikmagazine, gehe selten auf Konzerte und sammle auch keine Platten.

Was ist als nächstes von Euch zu erwarten?

Wir haben tatsächlich zum ersten Mal in unserer Laufbahn ein paar Coversongs aufgenommen. Nur zum Spaß. In Hamburg und hier in meinem Haus in Florida. Das hat erstaunlich gut geklappt und spiegelt ziemlich gut unserer musikalischen Sozialisation wider, denn die Aufnahmen haben so rein gar nichts mit „Metal“ oder so zu tun. Mal sehen was daraus wird. Wir machen ungern langfristige Pläne. Das Leben ist schon Stress genug.

Gibt es etwas, was ich Euch unbedingt fragen sollte?

Nein. Die anderen wissen bekanntlich eh immer alles besser.
Danke für deine Fragen und das Interesse an unserer Band. Peace.

Interview: Claude Müller
Kontakt: www.mantarband.com
Fotos: Mantar, Christoph Eisenmenger

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