Dezember 31st, 2021

DORKS (#208, 2021)

Posted in interview by Thorsten

Die Dorks aus dem idyllischen Oberbayern stehen mit einem Bein fest im Punk Rock und mit dem anderen im Metal. Dass das ein sicherer Stand ist, beweist die Band mit Bravour. Für die Interviewreihe #PunkToo hat die gesamte Band Rede und Antwort zu ihren Einschätzungen und Erfahrungen mit Sexismus in Metal- und Punk-Kultur gestanden. Im Gespräch konnten wir auch über die neusten Besetzungswechsel, die Pandemie-Situation in Oberbayern und natürlich die neue Musik der Dorks lernen.

Hallo und vielen Dank, dass ihr euch Zeit für das Interview nehmt.

Euer Line-Up hat sich seit dem letzten Album „Der Arsch auf deinem Plattenteller“ nochmal etwas geändert. Möchtet ihr euch den Lesenden des TRUST Zine kurz vorstellen?

Mark von Elend: Ich bin seit Mitte 2020 als Bassist bei den Dorks dabei. Im Laufe der Jahre habe ich bei einigen Bands und Projekten mitgewirkt, darunter u.a. bei Missbrauch und Eschenbach, aber auch beispielsweise Polkahontas ist auf meinem Mist gewachsen.
Pät Durango: Einige Jahre lang durfte ich öfters bei den Dorks aushelfen. 2019 bin ich dann fest in die Band aufgenommen worden. Obwohl ich musikalisch eher im Hardrock/Metal zu Hause war, hatte ich mich als Kid auch für Punkrock interessiert. Ab Ende der 80er war ich in München in der Punkrockband „Durangos“ und später in zahlreichen anderen „punkmäßigen“ Bands, wobei ich immer versucht habe, möglichst viel Metalgitarrenelemente „hineinzumogeln“.
Bons: Seit den Anfangstagen Drummer bei den Dorks.
Lizal: Und last but not least meine Wenigkeit, seit den Anfangstagen Frontfrau, Sängerin und Gitarristin der Dorks.

Neue Mitmusiker:innen bringen ja auch immer ihre eigenen Einflüsse mit. Was ändert sich am Sound der Dorks? Oder können wir sogar von den neuen Dorks sprechen?

Lizal: Es ist wahrscheinlich sogar eine Untertreibung, wenn ich jetzt sage, dass das Album für alteingesessene Fans einiges an Überraschungen bereithalten wird. Ich denke auch, dass sich unsere Hörerschaft über den Deutschpunkhorizont hinaus noch um einiges mehr auf den Metal- und Hardcorebereich erweitern wird. Aber man kann es gar nicht so pauschal sagen. Die Platte ist musikalisch wirklich unglaublich vielfältig und es sind auch sehr spezielle Songs auf ihr zu finden, wie z. B. „Aus demselben Sternenstaub“ oder „Der imaginäre Widerstand“, welche eine ganz andere Stimmung transportieren als der Rest der Songs. Es macht einen großen Unterschied, ob man alles alleine im stillen Kämmerlein komponiert oder ob ein kompositorischer Prozess auf Augenhöhe mit den Bandkollegen passiert. Letzteres macht die Musik erst lebendig und ich finde, dass „Die Maschine von Morgen“ sehr lebendig klingt. Die Dorks sind ja bisher schon bekannt für einen außergewöhnlichen Gitarrensound und eine außergewöhnliche Stimme. Bei den neuen Songs haben wir jedoch genauso viel Augenmerk auf Bass und Schlagzeug gelegt, sodass „Die Maschine von Morgen“ wirklich ein außergewöhnliches Gesamtwerk aller Beteiligten geworden ist.
Pät Durango: Die Abgrenzung Metal zu Punk war eigentlich immer schon ein Schmarrn. Punk mag funktionieren, wenn man nicht besonders genau spielt. Stark ist Punkrock aber schon eher dann, wenn – und ich bin halt Gitarrist – gitarristisch etwas geboten wird, siehe Bad Brains, Fugazi, Descendents, Ruts, Buzzcocks. Metal wiederum muss ja nicht kompliziert sind, quasi nur um der „Musikpolizei“ zu gefallen. Natürlich haben wir jetzt bei den Dorks einen sehr speziellen Sound und Stil gefunden. Voraussetzung dafür war aber, dass eben nicht in Genreschubladen gedacht wird. Oft geht’s ziemlich „Knüppel aus dem Sack“, „voll auf die 12“ und hardcoremäßig ab. Es gibt aber auch melodiöse Passagen mit 70iger Einschlag. Unser Ziel war, Bass und Gitarren insbesondere beim Zusammenspiel mit dem Schlagzeug einerseits sehr klar zu definieren, andererseits kompakt mit dem Gesamtbandsound maximale Wucht zu erzeugen.

Wie wirkt sich das Pandemiegeschehen auf das Leben im ländlichen Oberbayern aus? Hat das Virus auch seine Spuren auf eurem neuen Album „Die Maschine von morgen“ hinterlassen?

Lizal: Bons und ich leben glücklicherweise am Land und können jederzeit auch mal raus in die Natur, das macht alles irgendwie erträglich. Zudem haben wir ein sicheres Zuhause. Man lernt das was man hat erst so richtig zu schätzen, wenn man sieht wie beschissen es in diesen Zeiten anderen Menschen geht, die die Pandemie vielleicht irgendwo in einem Flüchtlingslager ohne ausreichenden Infektionsschutz durchstehen müssen. Inhaltlich geht es auf dem Album zum einen politisch, aber auch sozial- und selbstkritisch zur Sache. Und genau diese Fähigkeit, sich selbst kritisch hinterfragen zu können, braucht man meines Erachtens mehr denn je in Zeiten einer Pandemie. Der Song „Ob ich morgen noch so bin?“ hat es (leider) zufällig wie die Faust aufs Auge zur aktuellen Situation getroffen, obwohl ich ihn wie die meisten Texte der Platte, schon vor Ausbruch der Pandemie geschrieben hatte. Bin ich selbst stark genug meinen moralischen Prinzipien treu zu bleiben, wenn sich mein Leben plötzlich aus irgendeinem Grund zum Negativen ändert? Oder mutiere ich zum ignoranten Arschloch, das plötzlich nur noch an sich denkt, weil es einmal zurückstecken muss? Es macht mir jeden Tag aufs Neue Angst, wenn ich sehe wie viele Menschen gerade komplett durchdrehen und plötzlich zu Querdenkern werden. Stücke wie „Aus demselben Sternenstaub“ oder „Der Mensch ist ein Schwein“ passen aber meiner Meinung nach auch gerade gut und können zur Selbstreflexion anregen: Tragen wir alle direkt auch eine Mitschuld, dass dieses Virus mutieren konnte, weil wir unseren Planeten kontinuierlich zerstören? Weil wir in unserer Konsumgier jahrelang billigend in Kauf genommen haben, dass respektlos mit der Natur oder Tieren umgegangen wird? Wir Menschen zerstören systematisch die Erde und bekommen dafür gerade wohl die erste große Retourkutsche.

In der #PunkToo Reihe geht es um Sexismus und Geschlecht in der Punk Szene. Was sind eure Einschätzungen über den Status Quo und die Entwicklung der Subkultur?

Lizal: Der Beitrag von Diana Ringelsiep „Sexismus geh´sterben, damit Punk nicht noch hässlicher wird“ ist ja momentan in aller Munde und hat eine große Debatte über Frauenfeindlichkeit im Punk losgetreten. Es ist gut und wichtig, dass Veranstalter durch die aktuelle Diskussion für das Thema „Sexismus“ sensibilisiert werden und darüber gesprochen wird, denn es kann nicht sein, dass Frauen auf Punkshows sich nicht sicher fühlen können und insbesondere im „Moshpit“ angegrabscht werden. So etwas würde ja jeder eher auf dem Oktoberfest erwarten als auf einer linksalternativen Musikshow, leider sind aber solche Vorfälle tatsächlich die Realität, die man nicht ignorieren darf und es besteht dringender Handlungsbedarf.

Gibt es Erfahrungen, an denen ihr festmachen könnt, was gut funktioniert und wo es noch Nachholbedarf in der Punkszene gibt, wenn es um Gleichbehandlung geht?

Lizal: Ich muss dazu sagen, dass meine persönlichen Erfahrungen glücklicherweise überwiegend positiv sind und mir die meisten Veranstalter/Musiker aus dem Punkbereich immer sehr wertschätzend gegenübertraten bzw. mich nicht anders behandelten als männliche Musikerkollegen. Es gab aber auch immer wieder Personen/Bands (eher aus diesem unpolitischen/Oispektrum) die meine Wege kreuzten, die sich nicht stark vom besoffenen Bauern um die Ecke unterscheiden und die ihre Frauen auch nicht anders behandeln. Prolliges, unsympathisches Gehabe im Backstage ist nur die eine Sache, widerlicher Weise erfährt man dann auch noch von deren Kontakten nach „rechts“. Es ärgert mich, dass Veranstalter solchen Bands nach wie vor eine Bühne bieten, obwohl hinlänglich bekannt ist wie die drauf sind. Dann erinnere ich mich noch an eines unserer ersten Konzerte: „Eure Sängerin, ist die noch zu haben?“ kam da schon mal als Zitat im Backstage von einem sogenannten „Punksänger“, der auch widerliche Hobbys hat, wie z. B. gerne mal in den Thailandurlaub fahren. Oder ein Frontsänger einer bekannten Punkband, der ständig mit mindestens 20 Jahre jüngeren Frauen im Backstage sitzt, und dort halt seinen „Status“ als Star ausnutzt. Auch solche Personen werden leider über Jahre dann von anderen weiter supportet, weil das halt der Sänger von XY ist und es wird halt von vielen einfach ignoriert, egal ob Veranstalter oder Publikum, dass derjenige menschlich vielleicht ein sexistisches Arschloch ist und seinen „Famestatus“ ausnutzt. Warum kann man solche Leute nicht einfach fallen lassen und dann andere Bands supporten? Ein Fotograf hat mir außerdem mal gesagt, warum ich mich nicht „sexier“ gebe und mehr zurechtmache auf der Bühne. Er fände unsere Musik schon geil, aber ich müsste mich da schon an meinem Äußeren arbeiten, wenn wir bekannter werden wollten. Sowas ist für mich auch der reinste Sexismus und absolut unangebracht in Bezug auf die Wertschätzung der Lieder unserer Band.

Musikalisch seid ihr ja auch im Metal zuhause. Seht ihr grundsätzliche Unterschiede zwischen Punk und Metal hinsichtlich der Sichtbarkeit und der Rolle nichtmännlicher Personen? (Sowohl auf der Bühne wie auch in der Organisation, und unter den Fans)

Lizal: Ich bin nun auch schon einige Jahre als Musikerin und Konzertbesucherin sowohl auf Metal- als auch auf Punkshows unterwegs: Sowohl im Metal, als auch im Punk ist leider gleichermaßen fest zu stellen, dass es nach wie vor mehr Männer als Frauen sind, die man auf oder vor der Bühne sieht.

Welches Publikum empfindet ihr dahingehend als angenehmer?

Lizal: Sexistische Arschlöcher findest du wirklich überall, so dass man das nicht pauschal sagen kann. Ich wurde z. B. wegen Liedtexten wie „System der Schande“, in denen es darum geht, dass Rassismus und Faschismus in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen sind, mal als „Kommunistenfotze“ beschimpft und es wurde gebrüllt: „Die Fotze soll von der Bühne.“ Das kam dann von Männern mit bunten Haaren, die sich als „Punk“ definieren, dies aber nur mit irgendwelchen Saufsongs assoziieren. Auf der anderen Seite wurden wir auch schon von einigen Metalfans gefeiert, dass wir tolle politische, gesellschaftskritische Texte haben, weil das gerade im Metal eher nicht so oft zu finden sei und wir da ein Alleinstellungsmerkmal mit unserem „Metalpunk“ hätten.

Was wünscht ihr euch für die Zukunft der Musiklandschaft, um sie für Menschen jeden Geschlechts zu einem schöneren Ort zu machen?

Lizal: Dass man sich gegenseitig denselben Respekt und Wertschätzung für seine musikalische Kunst entgegenbringt, unabhängig davon ob man sich nun als Frau, Mann oder nicht-binär fühlt. Und ich wünsche mir, dass Securitys und Veranstalter für das Thema besser sensibilisiert werden und bei sexistischen Übergriffen auf ihren Events auch Null Toleranz zeigen.

Ich bedanke mich für eure Zeit!
Möchtet ihr abschließend noch etwas loswerden?

Lizal: Wir danken dir und dem TRUST Zine für das Interview. Checkt doch mal vorbei auf: www.diedorks.de,

Interview: Raphael Lukas

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