März 25th, 2020

LOS DE ABAJO aus #96, 2002

Posted in interview by Jan

Los de Abajo

Schon klar, dass Los de Abajo aus Mexiko jetzt hier erst mal fast niemand kennt.
Ansonsten werden sie auch eher in Worldmusic-Kreisen geschätzt. Nichtsdestotrotz sollen sie auch in unserer kleinen feinen Publikation vorgestellt werden. Sänger Liber Teran und seine Mitstreiter(innen) tun nämlich das, was viel zu wenige Bands auf der Bühne schaffen: Sie gehen ultra ab. Eine Mischung aus Ska, Punk, Hip-Hop und Latin mit viel Salsa lässt das Tanzbein erwachen und den Boden erzittern. Berührungsängste gibt es bei ihrem mitreißendem Stilmix nicht. Und sie haben auch etwas zu sagen.

„Die von unten“

Das Buch „Los de Abajo“ von Mariano Azuela ist Pflichtlektüre in Mexikos Schulen. Es handelt von der mexikanischen Revolution mit Zapata und Pancho Villa, wobei die Probleme der einfachen Leute in den Mittelpunkt gerückt werden. So handeln auch die Texte der Band von den Problemen in der mexikanischen Gesellschaft, die sich nicht ändern: Korruption, Armut, Arbeitslosigkeit, schlechte medizinische Versorgung…Egal ob der Präsident des Landes dann Vincente Fox oder sonstwie heisst.

Es hat sich eigentlich nur die Partei geändert, die eben seit 75 Jahren das Land regiert hat. Ansonsten ist auch mit Fox alles beim Alten geblieben. Wir haben sehr wenig Vertauen zu den politischen Parteien. Die Ideale der politischen Rechten sprechen uns sowieso nicht an und die Linke ist in sich zerstritten. Wir versuchen, nicht mit Institutionen zusammen zu arbeiten, sondern unterstützen eher Gruppierungen wie die Zapatistas. Dennoch sind die Texte nur Teile der Songs, die wir spielen. Primär sind wir Musiker, auch wenn wir in Liedern politische Meinungen äußern und verschiedene Gruppen durch unsere Musik unterstützen.

Luaka Bop

Dass wir übrigens Los de Abajo überhaupt in Europa genießen dürfen, haben wir David Byrne (Ex-„Talking Head“) und seinem Label „Luaka Bop“ zu verdanken. Generell ist es in Mexiko für junge Bands sehr schwer, ihre Musik zu veröffentlichen. CDs kosten bei uns fast zwanzig Euro und die Leute haben meistens nicht so viel Geld, um sich das leisten zu können. Uns gibt es auch schon seit über zehn Jahren und 1996 schickten wir einfach ein Demotape der ersten Platte zu David Byrne. Er mochte es sofort und nahm uns glücklicherweise unter Vertrag. Er hat uns auch mit dem Macao-Bandkollektiv aus Barcelona bekannt gemacht, mit dem wir unsere aktuelle CD „Cybertrophic Chilango Power“ aufgenommen haben.
Somit werden unsere Platten gut vertrieben und auch mal im Radio gespielt, was viel Geld kostet. Das Zensurproblem, das früher einmal schlimm war gibt es übrigens so nicht mehr.
Lustigerweise hat die Band zwar auch schon die USA und Europa diverse Male betourt, der eigene Kontinent geht jedoch leer aus. Leider sind die Entfernungen in Lateinamerika einfach riesig. Wir würden sehr gerne in Brasilien, Argentinien oder sonst wo spielen, weil das sehr wichtig für uns ist, aber bisher haben wir das leider nicht geschafft. Auch die schlechtere Infrastruktur als beispielsweise in Europa und die wirtschaftliche Armut in Südamerika macht das Touren dort sehr schwierig.
Aber wir wollen auf jeden Fall bald dort spielen.

Subcomandante Marcos lässt grüßen

In ihrem Heimatland Mexiko spielen sie natürlich ab und zu auch mal. Und sei es nur, um auf die Menschen in Chiapas aufmerksam zu machen. Denn das Schicksal der Zapatistas liegt der Band ganz offensichtlich sehr am Herzen. Viele junge Menschen in Mexiko sind für die Zapatistas. Die Lage dort ist schrecklich. Unser Song „Nada“ („Nichts“), der von Melancholie handelt, entstand in Chiapas. Es geht dort wirklich um Grundbedürfnisse – Essen, Kleidung, Medikamente.

Das Militär hat sich zwar zurückgezogen, aber jetzt gibt es dort viel Geheimpolizei. Wir nennen sie „ guardias blancas“ („weisse Soldaten“). Die Indios dort haben andere Ansichten als die Staatsregierung. Sie kämpfen für eigenes Land, lokale Selbstbestimmung, Autonomie. Die Regierung sieht das als illegal an.  Liber Teran hofft sogar auf eine Art sanfte Revolution. Vielleicht passiert in den nächsten Jahren etwas in Mexiko. Eine Änderung der politischen Strukturen ohne Gewalt. Ich weiss zwar nicht wo und wann, aber der Druck wird einfach immer stärker. Die Menschen besitzen immer weniger und irgendwann knallt es, wie man in Argentinien und Uruguay gesehen hat. Diese Regierungen sind einfach den falschen Weg gegangen. Wenn die Leute nichts mehr zu Essen haben, wird es gefährlich
Denn eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage durch die Erweiterung der NAFTA in Südamerika dürfte wohl höchsten für die USA greifen.

Adios, adios, que te voy a ver

Trotz all der Probleme wird es die Band im Oktober wieder nach Europa schaffen und das Publikum zum Wiederkommen auffordern. Welches bessere Kompliment könnte man als Band bekommen, wenn ein Publikum wie das beim diesjährigen Nürnberger Bardentreffen trotz strömenden Regens ausharrt und ausgelassen feiert?  Eben.

Interview: Christoph Lottes

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