Dezember 31st, 2024

Lobsterbomb (#222, 2023)

Posted in interview by Jan

Seit dem Jahr 2020 rauscht ein bunter Wirbelwind in Berlin. Der farbenfrohe Sturm zieht immer weitere Kreise, und verstreut überall Bewegung und gute Laune. Die Rede ist von LOBSTERBOMB, der neuen Garage Rock Sensation aus der Hauptstadt. Nach einer EP und vielen Musikvideos ist im Juli 2023 bei Duchess Records das erste Album „Look Out“ erschienen. Zu diesem Anlass haben wir uns über Musik und Werdegang, aber auch über weiterführende Gedanken zu Szene und Fortschritt unterhalten.

Hallo und vielen Dank, dass ihr euch Zeit nehmt. Könnt ihr euch den Leser*innen des TRUST Zines kurz vorstellen? Wer ist LOBSTERBOMB?
Lobsterbomb besteht aus Nico Rosch (Gesang, Gitarre), Vik Chi (Schlagzeug) und Crayon Jones (Gitarre). Wir sind eine Band, die sich 2020 in Berlin gegründet hat und gerade unser erstes Album „Look Out“ veröffentlicht hat.

Es heißt, ihr hättet euch über die Sozialen Medien getroffen. Könnt ihr die Anfangsphase der Band rekapitulieren? Wie habt ihr zueinander gefunden und seid zur Band geworden?
Die Band GURR hat eine Instagram-Seite „weformedaband“ erstellt, auf der Leute handgeschriebene Anzeigen für die Suche nach Mitmusikern posten konnten. Nico und Vik haben dort gepostet und schließlich kamen wir zusammen. Es stellte sich heraus, dass wir alle innerhalb nur 5 Minuten voneinander entfernt lebten! Die Anfangsphase unseres gemeinsamen Spielens wurde durch die Pandemie unterbrochen, aber wir waren alle motiviert, wieder zu spielen, sobald es möglich war.

Wann habt ihr gemerkt, dass sich da etwas Ernstes anbahnt, und dass LOBSTERBOMB mehr als nur ein Projekt für Zwischendurch sondern eine ambitionierte Band ist?
Viki: Ich hatte von Anfang an das Gefühl, dass wir drei die gleichen Ambitionen hatten. Ich selber habe in ein paar Band-Projekten gespielt, bei denen ausprobiert und abgehangen wurde. Das hatte absolut seine Daseinsberechtigung, aber wir drei kannten uns vorher nicht, es ging also immer um die Musik und Konzerte spielen.

Nicht nur eure Musik, sondern auch eure Video- und Fotoaufnahmen sind prall gefüllt mit Farbe, Glitzer und Blitzlicht. Könnt ihr uns kurz in die farbenfrohe Welt entführen, in der die Kunst von LOBSTERBOMB geboren wird?
Wir sind alle visuell denkende Menschen. Jeder von uns bringt seinen eigenen Stil mit und wir finden es schön, zusätzliche Anstrengungen zu unternehmen, um auf der Bühne optisch interessant zu sein. Bei den Videos freut es uns besonders, wenn wir mit Regisseur*innen zusammenarbeiten konnten, die ihre eigene Vision in den Mix einbringen konnten, wie zum Beispiel bei unseren Videos zu „What About Never“ oder „Gravitation“.

Und welche Botschaften oder Nachrichten überbringt ihr mit euren Liedern?
Die meisten unserer Songs sind sehr beobachtend. Wir schreiben über das, was wir sehen und fühlen, und hoffen, dass sich die Leute damit identifizieren können.

Ihr verbreitet nicht nur ermutigende und aufbauende Inhalte, sondern richtet euch auch an diejenigen, die von patriarchalen Strukturen profitieren oder die sie nachhaltig befördern. Im Song „What about never“ singt ihr Are you no ashamed to be a creep in the 21st century. Mal generell betrachtet: wie schätzt ihr die derzeitige Situation hinsichtlich Freiheiten, Feminismus und Safe Spaces im subkulturellen Raum ein?
Mit diesem Liedtext in „What About Never“ fordern wir die Menschen auf, über ihr eigenes Verhalten nachzudenken und persönliche Verantwortung dafür zu übernehmen. Die Verantwortung für die Lösung des Problems sollte nicht bei den Opfern toxischen Verhaltens liegen. Im Allgemeinen geht der Trend zu Safe-spaces in die richtige Richtung, aber es kann immer noch mehr getan werden, insbesondere von anderen Cis-Männern, um unangemessenes Verhalten sowohl in der Musikszene als auch in der Gesellschaft allgemein anzuprangern. Dass es überhaupt einen Safe-spaces geben muss, zeigt, dass noch ein langer Weg vor uns liegt.

Könnt ihr an bestimmte Momente denken, in denen ihr das Gefühl hattet, dass diese Welt langsam zu einem besseren Ort wird? Und wie ist es mit ernüchternden Geschenissen?
Es ist sehr leicht, Dinge zu finden, über die man desillusioniert ist, zum Beispiel die Apathie gegenüber der Klimakatastrophe. Für Optimismus sorgt die jüngere Generation, die in allen möglichen gesellschaftlichen Belangen sehr engagiert und aktiv zu sein scheint. Und auch der Aufstieg der FLINTA-Künstler in der Musikszene ist sehr inspirierend und bringt viele großartige neue Songs und Perspektiven hervor.

Viki, du hast im Buch „Punk as F*ck“ (herausgegeben von Diana Ringelsiep und Ronja Schwikowski) geschrieben, ein zentrales Problem mit Sexismus im Punk sei, dass viele Punks Regeln hassen. Kannst du detailliert beschreiben, inwiefern eine prollige No-Rules-Attitüde sich damit beißt, die Subkultur als sicheren Ort für Menschen aller Geschlechter zu gestalten?
Viki: Ich finde, in der Theorie klingt Anarchie und Freiheit für alle super gut! Nur leider ist ein respektvolles Miteinander ohne Regeln nicht möglich, wenn deine Freiheit die einer anderen Person einschränkt. Z.B. Pogo gehört zum Punk dazu. Aber es sollte aufgepasst werden, dass alle Platz haben und keine Unbeteiligten verletzt werden. Aufpassen ist nur leider etwas schwierig, wenn man total besoffen ist. Viele FLINTA haben gezwungenermaßen ein Bewusstsein für ihre Umgebung; wenn ich einen Raum betrete, registriere ich, wie viel Platz ich in Anspruch nehme, neben wem ich stehe, ob es sicher ist für mich etc. Ich würde mir wünschen, dass auch cis dudes sich bewusst machen, wie viel Raum sie einnehmen und ob sie für andere störend oder sogar bedrohlich wirken könnten.

Solidarität auszudrücken durch ein „no sexism“ Patch ist schon mal gut, aber anti-sexistische Arbeit ist, sein eigenes Verhalten zu reflektieren und mit seinen Kumpels darüber zu sprechen und ggf. zu handeln.
Welchen schönen Moment verbindet ihr mit LOBSTERBOMB? Denkt beispielsweise an Fans, die euch gesagt haben, ihr hättet ihr Leben verändert oder an spektakuläre Erfahrungen auf Tour etc. Wir hatten gerade unsere Album-Release-Party in Berlin und ein volles Haus voller Menschen zu haben, die unsere Musik unterstützen und schätzen, ist sehr ermutigend und stärkend.

Bevor wir zum Ende kommen, möchte ich das Wort noch einmal ganz euch überlassen. Was möchtet ihr den Leser*innen des TRUST Zines mit auf den Weg geben?
Nur dass wir es wirklich cool finden, dass es auf der Welt immer noch einen Platz für Zines wie TRUST gibt. Obwohl sich unsere Band über soziale Medien kennengelernt hat, gefällt uns die reale Welt viel mehr!

Interview: Raphael Lukas

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