Juli 29th, 2023

Liebe – Vom höchsten der Gefühle, Lone Frank

Posted in bücher by Dolf

Kein & Aber Verlag, Bäckerstrasse 52, 8021 Zürich, Schweiz, www.keinundaber.ch

Die Autorin arbeitet in Dänemark als Wissenschaftsjournalistin und Neurobiologin. Vor ein paar Jahren verstarb ihr Partner unerwartet und plötzlich, ein Ereignis das sie mehr mitgenommen hat als gedacht. Dieses Buch (in Dänemark 2020 unter dem Titel „Størst af alt“ erschienen) ist sicher auch noch Teil der Trauerarbeit und man begleitet sie gerne auf diesem Weg – so seltsam das auch klingen mag. Lone Frank dringt tief in ihre eigene Familiengeschichte und ihre eigene Psyche vor um zu verstehen warum sie so liebt (oder nicht). Verknüpft diese subjektiven Erlebnisse mit Erkenntnissen der Neurobiologie, Soziologie und Psychologie verwoben mit evolutionären, genetischen, hirnphysiologischen, hormonellen, historischen, und kulturellen Informationen und heraus kommt ein vielschichtiges Bild der Liebe.

Wo sie herkommt, was sie sein könnte, wie sie empfunden werden kann, warum manche Menschen so und andere ganz anders lieben. Auch Themen wie Eltern/Kind Liebe, Brutpflege bei Säugetieren, Polyamorie, Eifersucht, digitale Partnersuche, Tierliebe oder die aktuelle Einsamkeits-Debatte werden ausgeführt. Aber auch wie die Liebe gesellschaftlich modelliert wurde, ohne jemals ihren Kern zu verlieren. Viel machen können wir Menschen, dafür oder dagegen, sowieso nicht. So schreibt Frank auf Seite 203: „Es heißt, Gefühle verfügten über eine Intelligenz, die unsere Vernunft übersteigt, und je stärker sie sind, desto klüger sind sie auch. Das ist eine geradezu verrückte Vorstellung. Gefühle sind automatische Reaktionen und Bewertungen, die aus unserer evolutionären Vergangenheit stammen und in anderen Kontexten entstanden sind als die, in denen sie heute auftauchen. Aber damit nicht genug. Wir müssen uns eingestehen, dass unsere Gefühle, genau genommen das, was wir überhaupt fühlen können, unter dem Einfluss der mentalen Schemata steht. Diese wurden ohne unser Wissen installiert und aktivieren sich ohne unser Zutun, und ohne dass wir etwas dagegen unternehmen können.“ Und auch das ist sicher bei jedem unterschiedlich und kann sich jederzeit ändern. Das Buch hat kein Inhaltsverzeichnis und auch keine wirklichen Kapitel, es gibt einen Prolog dem der Buchtext folgt und dann am Ende einen Epilog. Außer dem roten Faden der Liebe, gibt es den hier nicht. Die Autorin lässt uns an Sitzungen mit ihrem Psychiater teilnehmen, greift wissenschaftliche Untersuchungen zum Thema auf und erklärt wie es in ihrer Gefühlswelt so aussah und – sieht. Wahrscheinlich wollte die Autorin versuchen der Liebe auf den Grund zu gehen, was ihr auch gelungen ist, weil man danach viel mehr weiß als zuvor. Dennoch kann es nicht gelingen die Liebe zu entschlüsseln oder in Zahlen zu fassen, weil es eben Liebe ist. Unerklärlich, mystisch und oftmals auch ziemlich unlogisch. Dadurch aber auch erfüllend, Freude bereitend und natürlich verletzend. Liebe kann wunden reißen deren Narben niemals ganz verheilen aber auch in Vergessenheit geraten können. Das sind in Teilen keine bahnbrechenden Neuigkeiten, aber die Art und Weise wie die Autorin hier schreibt ist ein großes Vergnügen – auch wenn es oftmals eben genau das nicht ist. Eine schöne Mischung aus Sachbuch und eigener Biografie das ihr hoffentlich geholfen hat mit der Situation besser zurecht zu kommen. Wer Hilfe benötigt, oder auch nicht, um die Liebe zu verstehen, oder besser: zu verstehen das es nichts zu verstehen gibt, der ist mit diesem Buch bestens beraten. 271 Seiten, gebunden, 25,00 Euro (dolf)

Isbn 978-3036958897

[Trust # 220 Juni 2023]

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