Juli 29th, 2023

Islam – Eine kritische Geschichte, Hamed Abdel-Samad

Posted in bücher by Dolf

dtv, Tumblingerstr. 21, 80337 München, www.dtv.de

Eigentlich ist es ja überflüssig wie ein Kropf, jede einzelne Religion anhand ihrer Widersprüche und Ungereimtheiten oder einfach weil sie eben oft total falsch liegen, Punkt für Punkt auseinander zunehmen. Denn, es ist egal welche Religion es ist, sie ist immer von Menschen erfunden worden vor einer Zeit, als die Menschheit noch entfernter von der Zivilisation war als sie es jetzt ist – oder die Menschheit ist immer gleich weit von der Zivilisation entfernt, weil sie das Ziel eben nie erreichen kann. Und da steht natürlich jede Religion im Weg. Nachdem ich schon einige Bücher zum Thema Christentum und Judentum in der Vergangenheit las, dachte ich mir, tu ich mir das auch mal mit der dritten monotheistischen Religion an.

Und ich wurde nicht enttäuscht, genau so hatte ich es erwartet. Ehrlich gesagt schildert der Autor (der schon seit zehn Jahren unter permanenten Polizeischutz lebt!) es aber auch sehr drastisch, auch wenn das wahrscheinlich sehr realistisch ist. Eine seiner Kernaussagen ist, das der Islam im Kern auf den völlig falschen Säulen aufgebaut ist (Gewalt, Sippendenken, Krieg….) und natürlich kann man in einer 1400 Jahre alten Überlieferung kaum mehr Wahrheiten finden, was eine Reform oder eine Selbstreflexion schwierig macht. Aber – ich wiederhole mich – hier ist diese Religion keine Ausnahme. Dennoch interessant ist natürlich mal die Geschichte des Islams zu lesen, wie er wohl entstanden ist, wie viele verschiedene Strömungen sich im laufe der Jahrhunderte entwickelt haben, wie diese verschiedenen „Muslime“ sich untereinander bis aufs Blut bis heute bekriegen. Für mich als Laien ist oft nicht erkenntlich was jetzt gesicherte historische Fakten und was religiöse Annahmen oder sonstige erfundenen Geschichten sind, hier wäre eine klarere Trennung gut gewesen. Ansonsten, kann man das gut lesen, außer man ist natürlich gläubig, dann will man das alles nicht hören oder wahrhaben. Und so stellt sich mal wieder die Frage für wen dieses Buch geschrieben ist, oder was es bewirken soll. Ich glaube nicht, das jene die es lesen sollten, lesen werden und die wenigen die das tun, fallen sicher nicht vom Glauben ab oder überlegen mal was da so alles nicht stimmt, mit ihrer Religion. Und jene welche es beklatschen, hätten es nicht lesen brauchen. Vereinfacht gesagt. Aber zurück zum Buch. Hier ein aussagekräftiger Ausschnitt von Seite 261 „…doch der ursprüngliche Funke liegt in der Ideologie, in der Lesart der Geschichte und im Dauergekränktsein vieler Muslime, das sie anfällig für Hassideologien macht. Der Islamismus ist die natürliche Folge der Selbstisolation und der Aufteilung der Welt in Gläubige und Ungläubige. Er ist die natürliche Folge der Erziehung zu Angst vor Gott, vor der Sünde und vor der Hölle und zum Hass auf Andersgläubige. Er ist eine Folge der strengen Sexualmoral, die eine natürliche Begegnung zwischen Mann und Frau nicht ermöglicht. Er ist eine natürliche Folge des Märtyrerkultes, der den Tod für die Sache Gottes auf die höchste Stufe des Glaubens stellt. Er ist das Ergebnis einer Bildungspolitik, die Selbstverherrlichung fördert und Selbstkritik unterbindet. Er ist das Ergebnis der Erhöhung der Emotionen über die Vernunft und der Mythen über die Fakten. Er ist das Ergebnis des Despotismus und des Stammesdenkens, die den Eintritt der islamischen Welt in die Moderne verzögerten und den Aufstieg eines gebildeten, politisch interessierten und engagierten Bürgertums verhinderten. Er ist das Ergebnis des Ausbleibens der Aufklärung in den islamischen Gesellschaften. Und damit meine ich die Aufklärung als politische und gesellschaftliche Praxis, nicht nur als Gedanke.“ und dann ein paar Seiten weiter auf Seite 266 über die fehlende Aufklärung: „Aufklärung bedeutet, es steht keine Autorität über der Vernunft außer der Vernunft selbst. Aufklärung bedeutet die klare Trennung von Religion und Staat, von Wissenschaft und Glauben, und sie bedeutet, dass sich die Gesetzgebung nicht um die Religion des Menschen kümmert, nicht um seine Zugehörigkeit zu einer Ethnie oder einem Geschlecht. Sie bedeutet die Gleichberechtigung von Mann und Frau, die von Gläubigen und Nichtgläubigen, sie bejaht Religionskritik und Selbstkritik und nimmt dem Menschen die Angst vor der Hölle, vor den religiösen Institutionen und vor Gott höchstpersönlich. Wann hätte es all das auch nur im Ansatz in der islamischen Welt gegeben? Nicht nur in Gedanken, sondern als politische, juristische und gesellschaftliche Praxis? Kann man überhaupt eine Phase in der langen Geschichte ausmachen, in der es so etwas wie eine islamische Aufklärung gegeben hat?“ Interessant ist das, wie ja hinlänglich bekannt, es eine Zeit im Mittelalter (ca. 9. Jh.) gab wo Bagdad die reichste Stadt der Welt war und nicht nur in finanzieller Hinsicht, sondern auch im Bezug auf Wissenschaft, Philosophie, Kunst und Unterhaltung. Die ganze Gegend profitierte davon während es hier in Europa ganz christlich unterirdisch aussah. Es kann sich über die Jahrhunderte eben immer wieder alles ändern, auch hier! Das Buch ist voll mit interessanten historischen Informationen, die sich aber natürlich nur jene werden merken können die das Thema studieren und das lohnt sich ja nicht. Und natürlich warnt der Autor auch davor das man in der Gegenwart die Problematik des politischen Islams auf keinen Fall auf die leichte Schulter nehmen darf, aber das ist ja jetzt auch nichts neues. Bis jetzt solltest du wissen ob das Buch was für dich ist, oder eher nicht. 217 Seiten, gebunden, 24,00 Euro (dolf)

Isbn 978-3423290418

[Trust # 220 Juni 2023]

Both comments and pings are currently closed. RSS 2.0