Dezember 2nd, 2019

KINK RECORDS aus #188, 2018

Posted in interview by Jan

„Kink Records war und ist ein zeitintensives Hobby, das sich mittlerweile immerhin selbst trägt. Wenn Gewinn gemacht wird, dann fließt der auch direkt wieder in den Mailorder oder in anstehende Veröffentlichungen. Natürlich wäre es traumhaft, davon leben zu können und keinen anderen nervigen Job machen zu müssen, aber in dieser Form ist das völlig unrealistisch. Mein Anspruch mit Kink Records ist es, die Platten zu fairen Preisen anzubieten und dabei coole DIY-Punk/Hardcore Labels und Bands zu unterstützen. Um davon leben zu können, müssten die Preise deutlich erhöht werden und ich müsste viel zu viele Kompromisse eingehen und Bands/Labels verkaufen, mit denen ich nichts anfangen kann. So wie es momentan läuft, trägt sich das Ganze selbst und ich kann mir einen Teil meiner eigenen Plattensammlung dadurch finanzieren. Das ist super und auf diesem Level wird sich Kink Records wohl auch in Zukunft bewegen“.

Interview mit KINK RECORDS

Es gibt zahlreiche klassische Aktionsformen im DIY-HC-Punk: neben Vokü/Food not Bombs und anderen politischen Aktionsformen haben wir da folgendes: Band – das machen die meisten. Konzerte organisieren – machen auch nicht wenige. Fanzine – machen ein paar. Label – das machen auch wieder viele. Mailorder – das hält sich wiederum in Grenzen, deshalb ist es mir eine große Freude, euch mit Kink Records einen guten Mailorder und cooles Label empfehlen zu können.

Wenn ich drüber nachdenke, wieviel Geld ich in den 90er bei Mailordern wie Frontline, Lost & Found oder A.M. Music für T-Shirts, Longsleeves und Musik gelassen habe, da kommt ein recht hübsches Sümmchen zusammen. A.M. Music, das aus dem Aktuellem Mülleimer Fanzine hervorging, gibt es nicht mehr, Frontline macht heute nur noch Bekleidung (bzw. sind wohl kürzlich insolvent gegangen, so spekuliert es das Netz)… und Lost & Found macht auch nur noch Klamotten und scheint heute ebenfalls zu zu sein. Heute heißen die bekannten großen Mailordern eben Flight 13, Plastic Bomb oder Green Hell und im DIY-Bereich sind es dann zum Beispiel Punk-Distro in Hannover, X-Mist in Nagold, Schwarze Socke in Recklinghausen und noch einige andere…

Aber mein Lieblingsmailorder (neben X-Mist Records) ist eben Kink Records aus Heidelberg. Offiziell fungiert Kink Records als „Label, Fanzine & Mailorder für Punk-Rock“, d.h.: der alleinige Macher Ralf veröffentlicht Platten und Tapes von zum Beispiel His Iro Is Gone, Lipkick, Slump, Life Ends (die ich auch für Trust #152 von 2012 interviewte, RIP Sänger Daniel Blage), Blood Patrol, Liberty Madness, Kommando Vollsaufen, Idiophon, Panzerband, Kick it!, Diagnosis? Bastard!, Nakam, Ravaged, Routeens, Lost World, Weiche (die Frankfurter Band, bei der Matze Bass spielt und singt, mit ihm machte ich auch einige Trust-Interviews zusammen) und Reiz. Laut Homepage (abgerufen im August 2017) bringt es das Label auf knapp 40 Veröffentlichungen.

Und darüber hinaus gibt es natürlich noch ein fettes Mailorder-Programm bezüglich (DIY-) Punk und HC, massig große und kleine Fanzines (er vertreibt zum Beispiel auch das MaximumRocknRoll, das Trust (das ist nicht der Grund für dieses Gespräch!) und bald auch das Razorcake, politische Zeitschriften (wie die PHASE 2 oder das Antifaschistische InfoBlatt) und Plattenzubehör wie zum Beispiel Schutzhüllen.

Auf der Homepage gibt es aber auch noch kostenlose MP3s von allen möglichen Bands (Ralf schreibt: „Ich werde hier nur Bands anbieten, die keine sexistische, homophobe, rassistische, antisemitische oder faschistische Scheisse von sich geben. Auch mit total stumpfem Deutsch-Punk und mit irgendwelchen Oi-Bands kann ich nicht wirklich viel anfangen“). Und weiterhin gibt es auf Kink Records online noch politische Texte, Termin-Hinweise und einige ältere Interviews mit zum Beispiel Micha vom Plastic Bomb, Beatsteaks oder Campary Records (die Interviews haben teilweise einige Jährchen auf dem Buckel).

Kink Records heute ist ein Hobby-Gewerbe als Ein-Mann-Operation und nicht wie so viele andere eine kleinere Firma mit mehreren Angestellten. Viel zu selten laufe ich Macher Ralf zum Beispiel im JUZ Mannheim oder auch mal in Frankfurt über den Weg, ich bin Fan von seinem Schaffen, schreibe für ein Fanzine, deshalb dieses Interview. Ralf wurde auch vor einiger Zeit für das ROMP-Zine aus der Schweiz interviewt, ich kannte das Gespräch allerdings nicht und hoffe, das für die, die das schon kennen, trotzdem hier vielleicht neue Aspekte angeschnitten werden. But anyway: support your local DIY-Dealer, baby!

Hi Ralf, wie läuft es momentan im Business?
Hey Jan, erstmal sorry für die lange Wartezeit auf meine Antworten. Das liegt u.a. daran, dass das „Business“ momentan ganz gut läuft – also viele neue Veröffentlichungen auf Kink Records, ein paar Nachpressungen und auch im Online-Shop wird gut bestellt. Hier kommen fast täglich neue Platten, Tapes und Fanzines an und glücklicherweise bekomme ich die auch ganz gut weg. Daneben gab’s dieses Jahr bereits vier neue Veröffentlichungen auf Kink Records, eine davon wurde schon nachgepresst und drei weitere sind im Presswerk bzw. gehen in den nächsten Wochen ins Presswerk. Für meine Verhältnisse ganz schön viel …

Wie ist dein Mailorder/Label eigentlich entstanden?
Kink Records ist hauptsächlich entstanden, weil ich selbst günstig an Platten und CDs kommen wollte. In dem Ort, in dem ich aufgewachsen bin, gab’s zum damaligen Zeitpunkt keine aktive Punk-Szene mehr, die CD-Auswahl im Müller ließ stark zu wünschen übrig und an Vinyl ranzukommen war nicht so einfach. Daraufhin habe ich angefangen, bei verschiedenen Labels ein paar CDs, Tapes und Platten für mich und meine Freunde zu bestellen. Dadurch kam ich nach und nach in Kontakt zu verschiedenen Labels und kam dann irgendwann auf die Idee, auch selbst mal ein Tape rauszubringen, das war nämlich nicht sonderlich teuer, wenn man die Tapes selbst überspielt hat und man konnte auch erstmal nur zehn überspielen und dann wieder welche, wenn die weg waren. Das Tape wurde mit anderen Labels getauscht und somit wuchs der Mailorder immer mehr und irgendwann kam dann auch die erste 7″ raus auf Kink Records.

Kläre uns doch mal über deine „Geschäftsbereiche“ auf, es gibt von dir geführte Interviews, dann dein Label, natürlich den Mailorder, es gibt einen fetten MP3-Bereich, politische Hinweise, aktuelle Termine… läuft das alles parallel?
Also eigentlich gibt’s nur noch Label und Mailorder und die Termine werden nach wie vor aktualisiert. Der Rest ist zwar noch online, wurde aber schon seit Jahren nicht mehr aktualisiert und da kam auch nichts Neues mehr hinzu. Früher gab’s auf der Homepage neben den von dir genannten Bereichen auch noch Reviews und Konzertberichte. Liegt aber alles auf Eis und wird wohl auch nicht nochmal wiederbelebt, da ich meine Zeit lieber in das Label und den Mailorder stecke. Das macht mir wesentlich mehr Spaß und für Interviews/Reviews gibt’s andere Leute/(Online)-Fanzines, die das wesentlich besser und unterhaltsamer können als ich.

Hast oder hattest du eine Art Vorbild für deine Aktivitäten, zum Beispiel AK Press, X-Mist oder so?
So richtige Vorbilder gab’s damals eigentlich nicht. Ich hatte zu Beginn recht viel mit dem Tobi von Twisted Chords zu tun und auch mit Höhnie, also in gewisser Weise sind die beiden sowas wie Vorbilder. Später fand ich dann auch die Herangehensweise von Skuld Releases (RIP Kleister), Profane Existence oder Havoc Records super – also Platten in toller Aufmachung zu günstigen Preisen und bei Bedarf schnell nachpressen. Daran versuche ich mich eigentlich bis heute zu orientieren. X-Mist kannte ich damals noch gar nicht, als ich mit Kink Records angefangen habe. Aber Armin bewundere ich mittlerweile auch sehr für seine Herangehensweise und sein Durchhaltevermögen.

Wie kamst du überhaupt auf die Idee, aktiv zu werden, die meisten begnügen sich mit Konzerten und saufen, warum dieser Stress?
Ich fand das ganze DIY-Ding an der Punk-Szene von Anfang an sehr faszinierend und wollte ein Teil davon sein. Da ich selbst kein Instrument spiele und es in dem Ort, in dem ich aufgewachsen bin, keinen passenden Ort gab, um DIY Punk/Hardcore-Shows zu organisieren, blieb nur noch ein Label/Mailorder übrig, um aktiv zu werden. Die ganzen netten Menschen, die ich über die Jahre durch meine Aktivitäten kennengelernt habe, sind den Stress auf jeden Fall wert. Aber als Stress empfinde ich das Ganze auch nicht, macht nach wie vor großen Spaß und es ist schön, ein aktiver Teil der Szene zu sein und diese mitzugestalten! Up the punx!

Kann man sagen, dass du nicht vom Mailorder und Label leben möchtest, aber auch nix dagegen hättest, wenn es so wäre?
Kink Records war und ist ein zeitintensives Hobby, das sich mittlerweile immerhin selbst trägt. Wenn Gewinn gemacht wird, dann fließt der auch direkt wieder in den Mailorder oder in anstehende Veröffentlichungen. Natürlich wäre es traumhaft, davon leben zu können und keinen anderen nervigen Job machen zu müssen, aber in dieser Form ist das völlig unrealistisch. Mein Anspruch mit Kink Records ist es, die Platten zu fairen Preisen anzubieten und dabei coole DIY-Punk/Hardcore Labels und Bands zu unterstützen. Um davon leben zu können, müssten die Preise deutlich erhöht werden und ich müsste viel zu viele Kompromisse eingehen und Bands/Labels verkaufen, mit denen ich nichts anfangen kann. So wie es momentan läuft, trägt sich das Ganze selbst und ich kann mir einen Teil meiner eigenen Plattensammlung dadurch finanzieren. Das ist super und auf diesem Level wird sich Kink Records wohl auch in Zukunft bewegen.

Bei dir kann man auch MaximumRocknRoll (MRR)-Abos kaufen, wie kam es dazu, wieso kriegst du die Abos für 70 Euro, direkt bei denen in den Staaten kostet es ja fast das Doppelte? Nutzen das viele?
MRR-Abos biete ich hauptsächlich deswegen an, damit ich immer ein Heft für mich habe. Bevor ich das Heft selbst angeboten habe, hatte ich knapp drei Jahre lang ein MRR-Abo über verschiedene andere Label/Mailorder in Deutschland, aber das war immer eher nervig und das Heft kam unregelmäßig. Nur ein Heft in den Staaten direkt zu bestellen war zu teuer und daher habe ich ein paar Leute zusammengesucht und angefangen, selbst immer zehn Hefte zu bestellen. Mittlerweile bin ich bei 15 Heften angekommen, wovon 12 an Abonnenten gehen, eins für mich und die restlichen zwei Hefte werden dann über den Online-Shop verkauft. Also falls jemand Interesse an einem MRR-Abo hat: gerne an mich wenden! Ab der kommenden Ausgabe ist übrigens auch das Razorcake über Kink Records zu bekommen …

Überhaupt, du bietest viele Zines an, verkaufst auch dankenswerterweise das Trust… werden Hefte überhaupt noch nachgefragt?
Ich lese selbst viele Zines und daher versuche ich auch, so viele Zines wie möglich anzubieten. Ich höre in den letzten Jahren immer wieder von Leuten, dass das Interesse an Fanzines immer geringer wird und kaum mehr Leute Fanzines kaufen. Dass die Leute weniger Fanzines lesen, liegt für mich auf jeden Fall auch daran, dass immer weniger Mailorder Fanzines anbieten und diese somit – im Vergleich zu Platten – sehr schlecht vertrieben sind. Dem versuche ich bei Kink Records etwas entgegenzuwirken und biete viele unterschiedliche Fanzines an, die auch ganz gerne gekauft werden. Es gibt zwar auch immer mal wieder Hefte, von denen ich kein einziges verkaufe, dafür aber auch welche, von denen ich zehn bis zwanzig wegbekomme. Also: ja – eine Nachfrage an Fanzines besteht nach wie vor!

Erzähl doch mal etwas über deine Label-Bands, wie entscheidest du, wen du veröffentlichst?
Anfangs gab’s zwei oder drei Bands, die ich nicht persönlich kannte und bei denen ich befreundeten Labels bei der Veröffentlichung geholfen habe, in den letzten Jahren dann aber nur noch befreundete Bands oder Empfehlungen von befreundeten Bands/Labels. Musikstil ist erstmal nicht so wichtig, Hauptsache die Musik gefällt mir und die Menschen dahinter auch. Von Folk/Country/Bluegrass (Battenkill Ramblers) bis hin zu Thrash-Metal (Blood Patrol) war schon alles dabei. Einzige Gemeinsamkeit sind da halt die DIY-Punk/Hardcore-Wurzeln der beteiligten Menschen. Persönliche Kontakte sind aber nicht zwingend die Voraussetzung, um auf Kink Records eine Platte oder ein Tape zu veröffentlichen, machen das Ganze aber wesentlich einfacher und fühlt sich besser an! Network of friends und so …

Ich schätze, bei deinem Mailorder-und Label-Betrieb wird viel getauscht, ist das Fluch oder Segen?
Ich tausche tatsächlich sehr gerne und da mein Mailorder recht gut läuft, ist das für mich auf jeden Fall Segen. Tauschen ist für mich eine sehr gute Gelegenheit, meine eigenen Releases in Umlauf zu bekommen und mit den getauschten Platten andere Labels beim Vertrieb ihrer Releases zu unterstützen. Leider gibt’s in den letzten Jahren aber immer mehr Labels, die keine Lust mehr auf tauschen haben und nur tauschen, wenn sie sich hundert prozentig sicher sind, die Platten auch wegzubekommen. Das finde ich auf der einen Seite sehr schade für neue, unbekannte Bands, ist aber natürlich auch verständlich, wenn sie die getauschten Platten nicht wegbekommen.

Wie steht es um die Zahlungsmoral deiner Kunden, ich könnte mir das als nervigste Arbeit vorstellen….
Ha, um die Zahlungsmoral steht’s eigentlich ganz gut. Verschicke fast nur gegen Vorkasse und nur bei Stammkunden auf Rechnung und in den ganzen Jahren hatte ich nur einmal eine Bestellung über knapp 50 Euro, die ich an einen Stammkunden verschickt habe, aber nie das Geld erhalten habe. Das ist aber auch schon sicher zehn Jahre her und seither gab’s da keine Probleme mehr und ging in der Regel auch immer ziemlich schnell.

Hier kannst du dem Trust mal sagen, was du immer sagen wolltest…
Auch wenn ich so ewig fürs Beantworten der Fragen gebraucht habe, freue ich mich sehr, mit einem Interview im Trust vertreten zu sein. Ich lese das Trust selbst seit circa 15 Jahren und find’s super! Sympathisches Heft mit einer sympathischen Herangehensweise und sympathischen Menschen, die da mitmachen. Also: weiter so!

Wie ist die Punk-Szene in Heidelberg sonst so, das AZ gibt’s ja schon lange nicht mehr oder? Was gibt’s für geile Kneipen, Konzertläden …? Oder bist du viel in Mannheim, Freiburg und Karlsruhe unterwegs?
Eine Punk-Rock-Szene in Heidelberg gibt’s leider nicht – weder Bands noch irgendwelche Locations für DIY-Punk/Hardcore Konzerte. Mit der Räumung des AZ 1999 ist eigentlich auch die komplette Punk/Hardcore-Szene weggebrochen. Kurz nach der Räumung des AZ wurde zwar das Café Gegendruck gegründet, das es bis heute gibt und auch den Infoladen Heidelberg beheimatet, wegen der Größe und der Lage ist das Café Gegendruck für Konzerte aber leider völlig ungeeignet. Dann gibt’s noch die Villa Nachttanz, aber auch da findet höchstens einmal im Jahr ein interessantes Konzert statt. Mein Kumpel Chris, der hier in Heidelberg wohnt, betreibt auch ein kleines DIY-Punk/Metal-Label namens Argh.fuck.kill. Records. Ansonsten ist Punk hier aber leider tot. Zum Glück liegt Mannheim direkt ums Eck und da geht’s rund. JUZ Mannheim = beste!

Junge, wann machst du endlich dein Studium zu Ende, deine Mutter meldete sich schon bei mir, weil sie besorgt ist, dat der Jung´ einfach nicht erwachsen werden will!?!
Tja, leider habe ich viel zu lange gebraucht, um deine Interview-Fragen zu beantworten und somit ist die Frage nicht mehr aktuell – seit Frühjahr 2017 bin ich nach 26 Semestern kein Student mehr, da die Magister-Studiengänge ausgelaufen sind und ich deswegen exmatrikuliert wurde. Seither gilt: kicking ass for the working class! 🙂

Am Ende noch die beliebten Kurzfragen… Egal ob tot oder lebendig, wen würdest du gerne mal veröffentlichen?
Natürlich die Beste Band Der Welt – Die Ärzte!

Slayer oder Misfits?
Misfits.

Molotow Soda oder Canalterror?
Canalterror! „Saufbauch“ und „Staatsfeind“ dürfen auf keinem Deutschpunk-Mischtape fehlen!

NWA oder Cypress Hill?
Cypress Hill.

KISS oder AC/DC?
Detroit Rock City!!

Interview: Jan Röhlk
Kontakt: kink-records.de, kink-records.de/catalog

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