Dezember 2nd, 2019

F.O.D. aus #198, 2019

Posted in interview by Jan

Es gibt Bands bei denen schlichtweg kein Mindesthaltbarkeitsdatum zu existieren scheint, die einfach nie schlecht werden, sich immer treu bleiben und nie an Energie oder Attitüde verlieren. So auch F.O.D. alias FLAG OF DEMOCRACY. 1984 erschien ihre erste Single „Love Songs“, darauf zu hören ist auch einer ihrer größten, frühen Hits „Powerload“. Es folgten acht weitere Studio-LP´s, plus einer Live-LP, bei denen es schwer fällt, explizit den besten Tonträger hervorzuheben.

Zum anfixen mögen sich „Shatter yor day“ (1986) und „23“ (1988) gut eignen. Obwohl ich “Hate Rock” von 1994 auch total geil finde. Nicht zu vergessen ihre etwas neueren Platten wie „Fodworld“ und „Home Lobotomy Kit“, welche ab den 2000ern aufgenommen wurden und ihren Frühwerken in nichts nachstehen. 2018 erschien über SRA und Boss Tuneage Records ihr aktuelles Werk „No School No Core“ und erneut kann ich FLAG OF DEMOCRARY einfach nur abfeiern und das Album jeden Menschen ans Herz legen, der auf überdrehten Highspeed-Hardcore abfährt.

F.O.D. schafften es auch trotz der rasend, hohen Geschwindigkeit, noch genügend Melodien einzubringen, die im Ohr hängen bleiben, was sie wiederrum positiv vom Durchschnitt abheben lässt. Alles in allem, sind sie für mich einer der unterschätztesten Hardcorebands aus Amiland. Das die Band zwar vom Familienalltag etwas geplättet ist, aber ihr Herz weiterhin am richtigen Fleck tragen, kommt in dem Interview gut herüber.

Laut Discogs gibt es inzwischen mehrere Bands, die auf den Namen F.O.D. hören, also lasst euch nicht verwirren und hört das Original 😉

Ihr habt euch 1982 in der Kleinstadt Ambler in Pennsylvania gegründet. Wie hast du das Leben als Punk in der Kleinstadt in Erinnerung? Oder anders gefragt, wie vertrug sich die Kleinstadtmentalität mit eurer Punk-Attitüde? Und seid ihr aus Ambler weggezogen?
Ambler ist keine typische Kleinstadt, denn der Ort ist angebunden an der Eisenbahnlinie zur Innenstadt von Philadelphia. Für weniger als einen Dollar Fahrtkosten, konnten wir nach Philadelphia fahren. Alle Mitglieder von FOD kommen aus verschiedenen Vororten von Phily. Weil man in den Kleinstädten nur rumhängen konnte und nichts für uns geboten war, hat es uns in die Stadt gezogen. Wir trafen uns auf Shows und gingen in Philly aus. Amblers einziges Kino war ein christliches Kino, aus dem wir rausgeworfen wurden, weil wir über ihre Filme gelacht hatten.

Die Leute haben Punks damals wirklich gehasst. Unsere Arbeitskollegen haben es gehasst. Die Lehrer haben es gehasst. Wir waren die ersten Punks auf unserer Schule. Es war neu, seltsam und bedrohlich. Ich war sowieso ein komisches Kind, das nicht viele Freunde hatte, also hatte ich als Punk nichts zu verlieren. Später bin ich von Ambler aufs Land gezogen, jetzt wohne ich in einer richtigen Kleinstadt.

Die Punkszene in Philadelphia bekam niemals die Aufmerksamkeit gegenüber der Szene der East oder Westcoast, dabei kamen aus Philadelphia und der angrenzende Szene aus New Jersey, einige geile Bands wie F.O.D., YDI, McRAD, Adrenalin O.D. hervor. Was zeichnete für dich die Phili-Hardcore-Szene aus?
Der Punk und Hardcore aus Philly war schon immer komisch und schwer zu definieren. Bis auf das die Musik ziemlich angepisst war, gab es nie einen typischen „Sound“ in Philadelphia. All die Bands die sich anders anhörten, spielten gemeinsame Shows und hingen zusammen herum. Vielleicht hat das Fehlen eines identifizierbaren Philly-Hardcore-Sounds, die Bands davon abgehalten, so groß zu werden, wie in anderen Szenemetropolen. Jedoch spielten immer wieder bekanntere Bands in Philly, weil wir uns zwischen New York und DC befinden. Es gab viele tolle Shows.

Ihr habt zusammen mit Adrenalin O.D. und YDI ein sehr schnellen, trashigen Hardcore gespielt, als würdet ihr versuchen wollen, die relativ naheliegende HC-Szene aus Boston oder NY zu übertrumpfen. War das euer Anliegen? Oder woher kam dieser Drang zum extrem schnellen?
Meine Lieblingsbands waren die Ramones, Buzzcocks und Dickies. Ich denke, sie waren einer der schnellsten Bands der späten 70er Jahre. Als wir anfingen zu spielen, war der Punksound noch schneller. Die frühen Bands an der Westküste wie Black Flag und Adolescents waren schon sehr schnell, aber dann hatten Gang Green und der „This is Boston Not L.A.-Sampler“ alles weggeblasen. „Land Speed Record“ von Hüsker Dü, war ein weiterer Geschwindigkeitsrekord, der neue Maßstäbe setzte, an extrem schneller Musik. Es gab jedoch nie wirklich einen Wettbewerb, vielmehr beeinflussten sich die Bands untereinander.

Es heißt das Philadelphia wegen seiner geographischen Lage zwischen New York und Washington D.C. und den vielen Clubs wie Elk´s Center, Love Hall, Abe´s Steaks, Starlite Ballroom, die Byo Hall, dem Community Education Center usw. ein guter Ort für Hardcoreshows gewesen ist. Neben den regionalen Bands haben auch die Bad Brains, Black Flag, Circle Jerks, Minor Threat und SS Decontrol gespielt. An welche Locations, Bands oder Konzerte erinnert ihr euch besonders gerne zurück?
Mein bestes Konzert war das Konzert von YDI und Hüsker Dü, in einem winzigen Kellerraum. Oder als ich jung war, die frühen Punkkonzerte von lokalen Bands und es gab Tonnenweise von lokalen Bands.
Wie unterschieden sich damals die Szenen von Philadelphia, zu der in New York und Washington D.C.?
Die Szene in Philly war lustig und seltsam zugleich. Es war keine große Macho-Hard-Guy-Szene. Zwar konnten die Konzerte gewalttätig werden, aber es endete niemals in einem schikanierenden Tyrannenkampf oder solch einer Scheiße. Wir haben uns nicht allzu ernst genommen. Wir hatten nie eine regionale Bewegung oder irgendetwas, woran sich die Leute festhalten konnten.

Der in Philadelphia gebürtige FEAR-Sänger Lee Ving, bezieht sich in dem Song „I don´t care about you“ auf den South Street-Club, dem Zentrum der frühen Philadelphia-Punkszene. Was hatte der South Street Club zu bieten? Und steht ihr im Kontakt mit Lee Ving?
Ich habe Lee Ving noch nie getroffen. South Street ist eine Straße in Philadelphia, die in den 60er Jahren viel Gegenkultur anzog. Es versammelten sich dort viele Freaks und Outsider. In den 70er und 80er Jahren, gab es auch ein paar Punk-Läden. FOD´s alter Bassist Zeke wohnte in der South Street, über dem Laden seiner Eltern, also lungerten wir als Teenager dort oft herum. Jetzt ist die South Street, wie auch überall sonst, sehr auf moderne Trends ausgerichtet.

Ihr werdet oft als die Dead Kennedys auf 45 rpm verglichen. Geht euch der Vergleich auf die Nerven?
Sie sind eine großartige Band, also nehme ich das als Kompliment an. Wir wurden in dem englischen Musikmagazin Sounds rezensiert, als unsere LP „Shatter your day“ erschienen ist und sie behaupteten, wir hätten wie die „Buzzcocks auf 78 rpm“ geklungen. Das gefiel mir sehr gut. Ich denke in unseren Anfangstagen, neigten wir ähnlich wie Devo, vor allem zu Übertreibungen und wollten möglichst verrückt singen, um uns von den normalen, regulären Sängern zu unterscheiden.

Bis zu dem Album „Everything Sucks“ aus dem Jahre 1996, habt ihr alle 2-3 Jahre ein neues Album veröffentlicht, danach verlängerte sich der Abstand zwischen den Releases. Was war der Grund dafür? Und habt ihr euch jemals aufgelöst?
Jeder von uns hat Kinder. Wir waren immer zusammen und haben nie aufgehört zu spielen. Wir sind sehr beschäftigt mit unseren Familien. Meine Kinder und selbst meine 88 jährige Mutter, haben ein aufregenderes, soziales Leben als ich.

Wieso seid ihr in den 90ern auf dem deutschen Label Bitzcore untergekommen? War damals die Interesse aus Europa größer, als in den Staaten?
Ja damals war das Interesse in Europa größer als in den Staaten. Es war verrückt für uns, nach Deutschland zu kommen und durch Europa zu touren. In den Staaten, war schnell gespielter Hardcorepunk nicht sehr beliebt. Es gab zu viele Leute, die es darauf anlegten, ernsthafte Musiker zu sein oder die weit abseits des Punk, als Musiker reifen wollten, um Geld zu verdienen oder große Rockstars zu werden. In Europa war die Punkszene riesig und florierend.

Ist euch das TRUST-Fanzine noch ein Begriff?
Ja! Wir würden das TRUST-Fanzine, zusammen mit Bravo Girl und Pop Rocky kaufen. Im Ernst, wir erinnern uns an das TRUST-Fanzine und freuen uns, interviewt zu werden

Nun beendete das Maximum RocknRoll-Fanzine sein Erscheinen. Was habt ihr zum MRR zu sagen und lest ihr aktuell noch Fanzines?
Das MRR wird nun digital, was es wahrscheinlicher macht, dass ich davon eine Ausgabe lese. Ich mochte MRR schon immer. Es gab sonst niemanden, der Punk weltweit so effektiv abdeckte, wie das MRR …

Ihr habt zum einen in der Tradition früher Hardcorebands extrem schnelle Songs gespielt, wart aber zugleich auch melodisch, besonders der Gesang war mehr gesungen, als geschrieen. Meines Erachtens habt ihr in einer extremeren Version, die Entwicklung vieler Melodiecorebands vorweggenommen. Könnt ihr den Vergleich nachvollziehen und war es für euch ärgerlich, als in den 90er Jahren viele Melodiecorebands den kommerziellen Durchbruch erlangten und ihr nach wie vor, aus dem Undergroundstatus nicht herausreichen konntet?
Ich kann eine Verbindung erkennen. Ich denke, es wäre ärgerlich, wenn wir nach kommerziellem Erfolg streben würden. Ich mag es im Underground zu sein und ich denke, es wäre peinlich zu versuchen, sich zu verändern, um neue „Fans“ zu erreichen. Ich bin froh und dankbar, dass jemand unsere Platten kauft oder zu unseren Shows kommt.

Gibt es in Philadelphia nach wie vor geile Bands und Locations?
Gerade findet das Break Free Fest in Philadelphia statt. Wenn ihr noch nie etwas von dem Fest gehört habt, solltet ihr es auschecken. Erstaunlich gut finde ich Soul Glo auf SRA Records. Ansonsten mag ich noch Machine Gun, Luxe oder Dark Thoughts.

Lasst uns über euer neues Album „No School, No Core“ sprechen. Im Gegensatz zu vielen anderen Bands von früher, scheint ihr nichts von eurer überschüssigen Energie verloren zu haben. Was ist das Geheimnis dahinter, das ihr immer noch so frisch und unverbraucht klingt? Und wie alt seid ihr inzwischen?
Wir sind alle Anfang der 50. Ich glaube, wir haben nie wirklich den Kontakt zu dem verloren, was wir bisher gemacht haben. Wir haben nie versucht, den Musikstil zu ändern, damit wir von einem breiteren Publikum akzeptiert werden. Wir sind nie Metal oder Indie geworden. Es war uns nie peinlich, zu sein wer wir sind. Ich denke wir verändern uns und wachsen weiter. Ich habe mich nie durch Punk eingeschränkt gefühlt und daher können wir aufnehmen was wir wollen und es wird immer wie FOD klingen.

In dem nostalgischen Song „No School, No Core“ beziehst du dich auf deine eigenen Hardcore-Roots und bezeichnest die neuere Szene als eine Fake-Szene. Meinst du damit die Testesterongesteuerte Tough Guy-Hardcorescene? Oder auf welche Fake-Szene beziehst du dich da genau? Und wo liegen für dich die größten Unterschiede zwischen Heute und Früher?
Vor ein paar Jahren gab es in Philadelphia ein Fest, bei dem Mitglieder einer Band, ein Mitglied einer anderen Band angriffen und krankenhausreif schlugen. Ich las darüber auf Message Boards und die Kommentare waren einfach nur beschissen, dumm und homophobisch. Harter Machoscheiß. Dann gab es auf demselben Board einen Thread darüber, ob bestimmte Bands „Hardcore“ waren oder nicht, FOD war auf dem Thread und die Leute sagten, wir wären nicht Hardcore. Ich fand das lustig, denn da ist diese seltsame Art von schicken, kommerziell produzierten Hardcore. Es scheint mir, als würde es vermarktet werden, wie früher der Metal. Ausgefallene Lichtshows und Faustpumpen. Also, ich denke, wir sind dann vielleicht kein Hardcore. Hardcore war irgendwie ein Ort für Freaks und verrückte Leute. Die Musik konnte alles sein, hatte keine Grenzen und bezog sich nicht nur auf Gitarrenriffs.

Welche Themen greift ihr ansonsten in euren aktuellen Songtexten auf?
Wir versuchen alles im Leben aufzugreifen. Einige Songs handeln über Leute, die ich kenne und sich in einer verpfuschten oder vermasselten Situation befinden. Andere Songs bestehen aus Geschichten über dumme Idioten oder über das politische Klima in den USA.

Neben der neuen Studio-LP habt ihr noch mit „Sound Defects“ eine Kassetten-Single, mit 7 weiteren Songs veröffentlicht. Was gibt es über das Tape zu sagen und wo ist es erhältlich?
Ahhh, weil schon alle Tapes weg sind, musst du dir das Tape nun auf Bandcamp oder YouTube anhören. An einem Samstagmorgen gingen wir in den Proberaum von Bruce, der auch das Label SRA Records betreibt und nahmen die Songs auf. Abgemischt wurde das Tape einen Monat später, ebenfalls von Bruce. Wir benötigten bisher immer einige Jahre, bis wir eine Platte aufnahmen, nun wollten wir einfach auf die Schnelle, eine Aufnahme machen.

Wie hat sich die USA seit dem Amtseintritt von Donald Trump verändert?
Die Situation ist komisch, bizarr und erschreckend. Ich mache mir Gedanken, ob die Leute wirklich so denken? Und ja sie tun es und sie befinden sich überall, mit ihrer schamlosen, dreisten Intoleranz. Aber es gibt auch immer mehr Leute, die ihnen Contra geben. Die Nachrichten, die jeden Tag gesendet und gedruckt werden, sind unglaublich und alles andere als normal.

Wann wart ihr das letzte Mal auf Europatournee und kommt ihr bald wieder?
Wir waren das letzte Mal 2001 in Europa. Wenn meine Kinder älter sind, würde ich gerne wiederkommen, um alte Freunde zu treffen und Neue zu finden. Einige unserer besten Shows waren in Europa.

Ein abschließendes Wort:
Vielen Dank, das du dir genügend Mühe gemacht hast, um solch ein engagiertes Interview mit FOD zu führen. Vielen Dank an alle, die weiterhin FOD hören, damit wir auch weiterhin Platten aufnehmen können. Wir hoffen, dass wir uns bald sehen werden.

(bela)

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