März 20th, 2020

KILLOUT TRASH # 72, 1998

Posted in interview by Jan

lustelig wie Al neulich diese kackbratzen von thumb aus tiefster seele mit „DAS DÜRFT IHR NICHT“ anschrie, als sie ankündigten einen minor threat klassiker zu verhunzen, was ihnen natürlich, welch wunder, auch prima gelang. nun sind killout trash aus berlin auch eine band, die sich auf einer ihrer beiden siebenzöller einen hit unserer all time favorites vorgenommen hat, um ihn in ein zeitgemäßes soundgewand zu kleiden.. im gegensatz zu ersteren dürften die berliner aber beim guten Al nicht derlei gefühlsausbrüche hervorrufen. ganz im gegenteil kann man ihnen für so viel musikalische brillanz und witz gar nicht genug danken. nachdem also an die band hinreichend lobpreisungen seitens des unwürdigen schreiberlings gesandt wurden, erhielt dieser doch glatt eine privat audienz bei something j.

standartfrage nach dem wer seid ihr, wohin geht ihr, was macht ihr sonst so mußte ja kommen. und vor allem, seid ihr auch schon, so wie die trust brigaden, im fossilen punkrockrentenalter (sprich um die 30)?
Bandmitglieder: Nick Trout, Damon und Something J. Wohnhaft in Berlin. Und nach dem Trust-Redaktionsfoto, das ich im Internet gefunden habe, würde ich sagen, wir sind auf jeden Fall jünger…

ist killout trash euer erstes musikalisches unterfangen, oder habt ihr vorher schon in anderen projekten euer unwesen getrieben? und ist es zur zeit eure einzige spielwiese oder gibt es noch beteiligungen an anderen geschichten?
Nick: Gitarrist/Sänger in diversen Bands, am längsten in der Noisecoreband Trout (R.I.P.), hat ständig immer wieder irgendwelche anderen Bands am laufen, sehr umtriebig.

Damon: Kurzzeitig Sängerin bei Trout usw., arbeitet momentan noch an ihrem Abstract Electronic Projekt Keramik, sehr persönliches Zeug.

J: machte früher noch so LoFi-Noise-Loop-Sound (ua für RRRecycled Cassettes) und jetzt noch so nebenbei komische Elektronikeffekthaschereien…

der song auf eurer split single mit melt banana stammt ursprünglich aus der feder Ian Mackaye’s. ist eure version eigentlich mit wissen und genehmigung des guten ian entstanden, oder habt ihr ganz einfach gemacht und dann darauf gebaut, dass er das genau so cool findet wie einige andere auch? habt ihr mal irgend etwas von ihm gehört, wie er euer stück findet?
Ian MacKaye findet das Stück schön. Wir haben ihm vor der Veröffentlichung ein Tape geschickt und ihn gefragt, ob er irgendwelche Probleme damit hat, daß wir seine Lyrics wiederverwenden. Hatte er nicht, solange kein Majorunternehmen (Label/Vertrieb) involviert ist und er ein paar Exemplare für seine Ex-Band Minor Threat und die Leute bei Dischord bekommen kann…

dieser minor threat song ist ja für viele straight edge kiddies und fossile die hymne schlechthin. warum nur werde ich den eindruck nicht los, dass die schöpfer der KOT version alles andere als drogenfrei bei der produktion waren? aber vielleicht tue ich euch ja auch unrecht und ihr seid so „drug free youth – true till death“ typen…
Man darf doch dieses Straight Edge-Ding nicht darauf minimieren, daß man Veganer ist und sich drei XXXe auf den Handrücken kritzelt – das war nie die Aussage!!! Man muß mal sehen, in welcher Zeit diese Philosophie entstanden ist. Damals war die Yuppie-Bewegung im Kommen und wenn man von diesen ganzen hyperaktiven Karrieremaschinen nicht plattgemacht werden wollte, mußte man sich schon selbst stählen, um seinen eigenen Lebensraum für einen persönlich attraktiv gestalten zu können, ohne gleichzeitig der Loser in diesem Vergleich zu sein.

Darum geht’s doch letztendlich: Den eigenen Lebensraum selbstbestimmt zu gestalten, ohne große Kompromisse und Diktat durch die Umwelt, die einen umzingelt. Yuppies sind aber heutzutage kein Thema mehr, die haben ihren Traum vom großen Geld platzen sehen und sind vor lauter Frust ausgestorben. Stattdessen herrscht die große Beliebigkeit der Generation MTV vor und gegen die muß man nun wieder andere Taktiken entwickeln, wenn man nicht in deren Sumpf mitreingezogen werden will.

Heute wird alles was auf Sendung ist gekauft und ganz besonders klasse ist es, wenn gleich noch die Lebensphilosophie gratis durch MTV und VIVA mitgeliefert wird. Nur im Moment der Ausstrahlung verdampfen alle Inhalte, die Aussagen und transportierten Werte verkommen automatisch zu einer Unique Selling Position bzw. zu einem Gimmick. Es geht nur um Verkaufszahlen.

Für eine Band kann der Straight Edge-Gedanke deshalb heutzutage nur bedeuten, sich mit aller Macht gegen die Vereinnahmung durch die Musikindustrie und die Medien zu wehren, wenn einem Aussagen und vor allem die persönliche Selbstbestimmung, soweit sie möglich ist, irgendetwas bedeuten. Die Musikindustrie dabei von innen zu bekämpfen funktioniert nicht. Wer das versucht wird automatisch korrumpiert. Die ganzen politischen Hardcore-Bands, die so über MTV flimmern, mit ihren ach so wichtigen Anliegen, können einfach ihre Aussagen nehmen und im Klo runterspülen… sie sind nichts weiter als die Gewissensberuhigung der Kids, die zwar ihre Platten kaufen, aber die es letztendlich zu bekämpfen gilt. Diese Bands werden von dem System, gegen das sie sich angeblich stellen, benutzt.

Wer das Ziel hat, mit Hardcore viel Kohle zu machen, soll das gerne machen, ist ja prinzipiell auch tolle Musik. Diese Bands sollten inhaltlich nur die Rollenverteilung ändern, von der Täter- in die Opferrolle schlüpfen und nicht länger behaupten sie würden das System ficken, sondern einfach mal sagen, daß sie vom System hardcoremäßig gefickt und ausgebeutet werden und dafür im Gegenzug eine Menge Spaß, Ruhm etc. bekommen. Das könnte diesen Hardcore-Bands unheimlich viel Glaubwürdigkeit verleihen und an der Radikalität der Musik auch nichts ändern.

Es ist halt schade, daß Madonna, wenn sie „I Want Sex“ haucht, 1000x glaubwürdiger ist, als wenn jede x-beliebige Hardcoreband zwischen Werbejingles auf MTV „We Want The Revolution“ brüllt. Unter humoristischen Gesichtspunkten macht das alles natürlich unheimlichen Spaß, aber man darf nicht vergessen, daß das einige Leute immer noch ernstnehmen. Wenn die das irgendwann am Ende ihrer Pubertät durchschauen, haben wir wieder einen desillusionierten Haufen gesellschaftlichen Ausschuß mehr. Leute, die den selbstgewählten Widerstand gegen Konventionen aufgeben und dann doch nur noch bei dem ganzen Humbug mitmachen wollen, da ja eh alles nur eine große Show ist und mitschwimmen mit der Masse einfacher ist. Das ist traurig.

Der interessante Aspekt an Straight Edge ist die Abgrenzung. Nur muß man heute natürlich ganz andere Taktiken gegen die Vereinnahmung durch diese Generation MTV entwickeln. Dieses ganze Veganerding ist zwar schön und gut, aber die Probleme sind mittlerweile ganz andere. Straight Edge muß heute bei der unglaublichen Informationsflut in erster Linie die weitmögliche Reinerhaltung des Geistes bedeuten, damit man noch in etwa ein Gespür dafür behält, inwieweit man von diesem ganzen Zeugs manipuliert wird und man nicht seine eigentlichen Wünsche und Ansprüche vergräbt. In diesem Sinne versuchen wir Straight Edge zu sein.

Das ist aber nichts, was Killout Trash jetzt predigen will. Die Leute, die das angeht, wissen das alles. Letztendlich ist Killout Trash einfach nur eine Band, die krachige Musik macht und die dabei versucht, keine großartigen Kompromisse einzugehen, durch die unsere eigenen Vorstellungen mißbraucht werden. Und das machen wir jetzt nicht, um irgendwelchen Kids irgendwelche Versprechungen und Hoffnungen zu machen, sondern, weil es einfach immer noch nicht unser Ding ist.

seid ihr mehr so die überseekings wenn ihr split singles mit japan bands wie melt banana macht, oder war das reiner zufall?
Wir sind seit mehreren Jahren mit YaSuKo und Agata von Melt-Banana befreundet und wollten schon immer mal was zusammen machen. Es wird auch garantiert nicht die letzte gemeinsame Sache gewesen sein.

geht ihr als berliner eigentlich auch schön jahr für jahr zur loveparade, pinkelt in den tiergarten und erschreckt kleine vögel? oder seid ihr mehr so für hateparade?
Weder noch. Jugendbewegungen und ihre Anti-Strömungen, egal welcher Größe sie sein mögen, sind alle ein großer Mist! Das sind Ersatzreligionen, ob sie nun aus der Techno-, der Hardcore- oder der Sonstwas-Ecke kommen mögen, immer voller Dogmatismen und häufig mit diesem „Bist du nicht für uns, dann bist du gegen uns!“-Geschwätz. Da kann man gleich Katholik bleiben und hat wenigstens noch Hoffnung auf ein Himmelreich.

leute wie der herr empire lassen in interviews ja gerne mal statements wie „bullen müße man alle erschießen“ los. seid ihr auch so drauf, schön radikal, schön platt, schön plakativ hauptsache politisch?
Killout Trash ist bestimmt keine politische Band und will auch nicht polarisieren. Wozu? Letztendlich erreicht diese Art Musik eh nur die guten Jungs und Mädchen, die längst wissen, was abgeht. Was willst du denen erzählen? Killout Trash will für einige dieser guten Jungs und Mädchen als Popband funktionieren. Da sind wir wieder bei diesem Illusionen-Aspekt… Musik muß doch viel mehr von einer Sitcom haben, als vom Politischen Weltkunde-Unterricht, sprich: es geht um Entertainment. Das ist es doch, was an Musik interessant ist. Wenn man sich politisch weiterbilden mag, ist es besser ein Buch zu lesen. Killout Trash will nicht belehren, nicht verurteilen, sondern unterhalten.

ist killout trash eigentlich eine richtige band mit live gigs und dem ganzen pipapo, oder mehr so ein atari teenage riot ding bei dem der macker hinter seinem computerklotz steht und vorne seine püppchen tanzen läßt?
Wir sind momentan an Live-Shows nicht so interessiert, weil es die Mehrheit von uns einfach langweilt. Nick Trout ist zwar ein exzellenter Gitarrist, trotzdem wirst du bei Musik, die auf elektronischen Rhythmen basiert, im Live-Kontext ziemlich schnell statisch… das ist ziemlich gähn, vor allem für die Band.

Letztendlich ist das aber gar nicht so ein Problem, daß am Equipment liegt. Auch 99% der klassischen Hardcore/Punk-Bands leiden darunter. Sich auf die Bühne zu stellen, sich auf den Instrumenten mit den immer selben Akkorden einen runterzuholen und das war’s, ist einfach langweilig. Das hat man schon 1000x gesehen.

Bands wie Public Enemy, Prodigy und Atari Teenage Riot lösen das Problem, obwohl sie keine klassischen Live-Bands sind, dagegen schon wieder ganz gut, mit ihrer ganzen Präsenz, dem Show-Brimborium und so. Da passieren wenigstens ständig Sachen, die man nicht alle Tage sieht… das ist gutes Live-Entertainment, ein bißchen wie Wrestling-Shows, aber absolut spannend.

warum gebt ihr euch so seltsame namen wie something j? angst davor die ganzen tofte groupies könnten eure wahre identität herausfinden und gelangweilt von dannen ziehen?
Hey, warum wir das machen? Natürlich nur wegen der Groupies, klar… Nein, das ist natürlich einfach etwas Glamour, den man sich gönnt…

zum schluß muß ich natürlich noch nach den zukunftsplänen fragen, gibt’s mal eine lp oder etwas in der richtung?
Keine Ahnung. Das hängt auch davon ab, ob und wie wir unsere Vorstellungen der Preispolitik durchsetzen können. Konkret: Ein angemessener Preis für eine Album-CD liegt unserer Einschätzung nach bei ca.15-20 DM, nicht bei 30-35 DM oder noch mehr. Bei 15-20 DM können die üblichen Beteiligten (Band-Label-Vertrieb-Laden-Käufer) einen fairen Schnitt machen. Die Frage ist halt momentan nur, wie hindert man irgendjemanden daran, diese Preiskette zu durchbrechen und den momentan üblichen Preis zu kassieren…

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interview: torsten meyer

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