März 20th, 2020

Bill Watterson „Calvin and Hobbes“ aus #70, 1998

Posted in artikel by Jan

Bill Watterson ist der schöpfer und zeichner der Calvin und Hobbes comics, des 6jährigen notorischen, egoistischen, nörgelnden, arbeit und schule hassenden psychos und seinem stofftiger, der immer dann lebendig wird, wenn calvin mit ihm allein ist und in seine eigene kleine welt abtaucht.
was jemand, der auf der ganzen welt millionfach bücher verkauft im trust zu suchen hat?

nun, zum einen tauchen die calvin und hobbes comics regelmäßig in linken und linksradikalen gazetten auf. somit besteht da also schon ein gewisser zusammenhang. und zum anderen machen wir immer noch das, was uns spaß macht. wo wir auch wieder bei calvin und hobbes wären. mit scharfsinn und humor betrachtet watterson die welt durch die augen eines 6jährigen und verarbeitet dies zu grandiosen comic strips, comics die bei allen altersschichten anklang finden.

comics die politisch und sozialkritisch sind. zum anderen aber auch einfach nur die welt eines kleinen jungen mit all seinen problemen zeichnen. watterson hält der welt durch calvin und hobbes einen spiegel vor’s gesicht und reflektiert unsere alltäglichen menschlichen abgründe, unsere doppelzüngigkeit, die multimediale verblödung etc. watterson selbst indentifiziert sich eher mit dem charakter hobbes‘, dem nachdenklichen stofftiger, der sarkastisch und ironisch calvins eskapaden kommentiert. immer dann wenn tiger hobbes einfluß auf das ‚reale‘ leben nimmt, also durch calvins fantasie zu einem realen charakter wird, schildert watterson die welt aus den augen eines kindes.

sobald calvin jedoch durch seine eltern aus seinen tagträumen zurück in die reale welt der erwachsenen geholt wird, reduziert sich hobbes auf einen gewöhnlichen stofftiger. so gelingt es watterson immer wieder geschickt diese beiden welten mit all ihren bedürfnissen, verantwortungen, wünschen und ängsten gegenüber zu stellen.

bill watterson mag keine publicity und gibt somit auch kaum interviews. trotzdem gibt das internet einiges an materialien und stellungnahmen her, die auch gerade im TRUST zusammenhang interessant sind. einiges davon findet ihr auszugsweise im folgenden text.

der autor

William B. Watterson II, am 05.07.1958 in Washington DC geboren, siedelte im alter von 6 jahren mit seiner familie nach chagrin falls, ohio um. an dem kenyon college gambier hat er von 1976-80 politikwissenschaften studiert und mit magister grad abgeschlossen. er ist verheiratet und hat keine kinder. die 1985 erstmals erschienen calvin und hobbes comics waren nicht seine ersten strips. bereits nach seiner ersten comic lektüre in früher kindheit war ihm klar, er wolle cartoonist werden.

entscheidenden einfluß hatten auf ihn walt kelly’s ‚pogo‘, george herriman’s ‚krazy kat‘ und die ‚peanuts‘ strips von charles schulz. „peanuts handelte von der suche nach akzeptanz, anerkennung, sicherheit und liebe. und davon wie schwer diese dinge zu erlangen sind. der strip beschäftigte sich aber ebenso mit entmenschlichung und verfremdung, mit ambitionen, helden, religion und der suche nach dem lebensglück. für einen comic strip war das sehr tiefgründig. ich denke das wichtigste, daß ich von peanuts gelernt habe war, daß ein strip sehr emotional sein kann, und daß er sich mit den großen und bedeutenden themen im leben in einer sensibelen und scharfsinnigen art und weise beschäftigen kann.“

sein ganzes leben lang hat bill watterson comics gezeichnet. sei es für die schülerzeitung an der high school oder später für das ‚kenyon collegian‘. bei all seinen arbeiten ist er zu jeder zeit völlig autark geblieben. die in der comicwelt üblichen ghostwriter hat er immer abgelehnt. „ich habe nicht jahrelang dafür gekämpft comics zeichnen zu dürfen, um jetzt nur meine unterschrift unter die arbeit eines assistenten zu setzen.“ seinen ersten job als politischer cartoonist bei der ‚cincinnati post‘ hat er ganze 5 monate behalten, ehe er aus personalpolitischen gründen gefeuert wurde.

nach diversen gescheiterten anläufen mit anderen cartoon charaktären, gelang ihm mit calvin und hobbes der durchbruch. zuvor jedoch durchlebte er eine 4 jährige durststrecke, während der er seinen lebensunterhalt mit ihm verhaßten regulären jobs verdienen mußte. „über jahre hinweg wurden meine strips von den syndikaten (so etwas wie agenten, die comic strips an zeitungen verkaufen) abgelehnt und ich war gezwungen einen richtigen job anzunehmen. ein RICHTIGER job ist ein job den du haßt. ich habe anzeigen für autos und gemüse in einem fensterlosen keller eines convenience stores designed.

und ich habe jede einzelne minute der 4,5 millionen minuten, die ich dort gearbeitet habe, gehaßt. meine mitgefangenen waren mehr damit beschäftigt die zeit totzuschlagen und weitere 20 cents zu verdienen für die sie keinen finger krum gemacht hatten. es war unglaublich, nach jeder pause stand die gesammte belegschaft noch eine ganze zeit im vorraum rum und dachte gar nicht daran wieder an die arbeit zu gehen. und nach dem ich eine meiner autoanzeigen zum zweiten mal wegen ein und derselben nebensächlichkeit überarbeiten sollte, war ich einer von ihnen.“

bis heute sind bill wattersons arbeiten in weltweit über 2300 zeitungen erschienen, unzählige bücher verkauften und verkaufen sich millionenfach. trotzdem hat er die welt der comic strips niemals als business unternehmen gesehen. „seit meiner frühesten kindheit, seit ich selber comics lesen konnte, wollte ich cartoonist werden. nie bin ich auf den gedanken gekommen comics als geschäft zu betrachten. es ist mir nicht in den sinn gekommen, daß meine comics mal der gnade eines blutsaugenden etwas namens syndikat unterworfen sein könnten. oder daß ich vor unzähligen ethischen und moralischen entscheidungen stehen würde, die in der maskerade simpeler geschäftsentscheidungen daher kommen. um eine geschäftsentscheidung zu fällen braucht man keine große philosophie, alles was du dazu brauchst ist gier und vielleicht ein bißchen wissen darüber wie das spiel funktioniert.“

1986 war er der jüngste zeichner der mit dem reuben award für den ‚outstanding cartoonist of the year‘ der national cartoonist society ausgezeichnet wurde. all diese erfolge hat er mit einfachsten mitteln erreicht. „ich zeichne mit einem kleinen zobel pinsel und wasserfester india tinte auf einem strath bristol board. die dialoge schreibe ich mit einem raidograph fountain pen und ich benutze einen crownhill pen für größere schriftzüge. das ist so sehr low tech wie es nur geht“

über kommerzialisierung 

„die lizensierung von comic strip charaktären für unnötige produkte gab es schon immer. aber heutzutage ist dieses geschäft profitabler denn je zuvor. stofftiere, puppen, t-shirts, tv-specials usw. können den richtigen strip zu einer goldgrube machen. jeder schien nach dem neuen snoopy oder garfield zu suchen und calvin und hobbes schienen die perfekten kandidaten zu sein. je mehr ich aber über diese lizensierung nachgedacht habe, desto weniger konnte ich mich damit anfreunden. gut 5 jahre habe ich damit verbracht gegen den druck meines sydikates zu kämpfen, meine charaktäre in form von merchandise produkten zu vermarkten. in einem zeitalter schamloser kommerzialisierung werden meine vorbehalte gegenüber der lizensierung nicht gerade von sehr vielen menschen geteilt.

viele zeichner sehen ihre strips selbst als kommerzielles produkt und die lizensierung nur als natürliche erweiterung der produktpalette. viele leute fragen, was denn falsch daran ist, wenn diese figuren auf kalendern oder kaffeebechern auftauchen. wenn doch leute das zeug kaufen wollen, warum es ihnen nicht geben? ich habe verschiedenen probleme mit solchen lizensierungen. zu erst einmal natürlich denke ich, daß es die ursprüngliche arbeit abwertet. tauchen comic charktäre auf unzähligen produkten auf, langweilt und irritiert dies die öffentlichkeit zwangsläufig. die einstige aussage und der wert der arbeit werden vermindert. nichts läßt einen neuen guten comic so schnell wieder untergehen, wie die überschüttung des marktes mit lizensierten produkten.

zum zweiten stehen kommerzielle produkte nur selten in einem zusammenhang mit der aussage eines comic strips. ein vielseitiger, durchdachter, anspruchsvoller comic mit ausgeprägten charaktären und ausführlichen geschichten kann nicht auf eine zeichnung auf einer kaffeetasse reduziert werden ohne dem einstigen geist des strips großen schaden zu zu fügen. die klasse eines solchen comics wird den eindimensionalen bedürfnissen eines produktes geopfert. die comic welt sollte aber etwas besonderes bleiben mit ihrer eigenen logik und ihrem eigenleben. ich will nicht, daß irgendein zeichentrickfilmstudio hobbes die stimme eines schauspielers verpaßt. und ich will keine glückwunschkartenfirmen die leuten eine calvin geburtstagsglückwunschkarte verkauft.

und schon gar nicht möchte ich hobbes‘ wirklichkeit durch eine spielzeugfirma bestimmt sehen. wenn alles lustige und schöne zu einem produkt gemacht werden muß, geht es mit der comic welt bergab. calvin und hobbes wurden geschaffen um ein comic strip zu sein und das ist auch alles was sie sein sollen. denn nur in den comics läuft alles so wie ich es gewollt habe. und zum dritten noch ein eher praktischer grund. lizensierungen bringen auch eine menge arbeit mit sich, assistenten die man einstellen muß usw. cartoonisten werden mehr zum unternehmerischen vorarbeiter. die verantwortlichkeiten delegierend und die produktion überwachend kann er sich nicht seiner eigentlichen aufgabe widmen, dem zeichnen.

einige zeichner stört das nicht. ich aber bin in die comicwelt eingetaucht um comics zu zeichnen und nicht um ein kommerzielles empire zu leiten. und ich bin stolz darauf, daß ich nach wie vor jedes wort, jeden zeichenstrich, jede colourierung und jede buchillustration selbst mache. meine strips sind low tech, eine ein-man-operation, und ich mag es so wie es ist. hinter all dem steckt aber noch etwas anderes: die korrumpierung einer comic strip aussage. von allen comics wird erwartet, daß sie unterhaltsam sind, aber einige vermitteln eine gewisse sichtweise und einen ernsthaften anspruch hinter dem witz. wenn ein zeichner versucht ernsthaft und ehrlich über das leben zu sprechen, dann hat er einfach eine verantwortung, die über die bedürfnisbefriedigung des marktes mit überflüssiegem kram hinaus geht. zeichner, die ernstgenommen werden wollen während sie ihre protagonisten dazu benutzen große unterhosen zu verkaufen, machen sich selbst etwas vor.

glaubwürdige charaktäre sind schwer zu entwickeln aber umso leichter zu zerstören. durch die lizensierung verliert der zeichner die alleinige kontrolle über den strip. die werbe- und fernsehgesellschaften sowie die spielzeugproduzenten nehmen von nun an großen einfluß. des cartoonisten job ist nicht mehr länger der eines originellen denkers und zeichners. sein job ist es seine charaktäre profitabel zu gestalten. wenn die aussage eines comics, eine durch eine spielzeugfirma erkaufte ist, hat der strip keine seele und tiefere bedeutung mehr. meine comics handeln von kleinen privaten realitäten, von der magie der vorstellungskraft und dem besonderen einer ungewöhnlichen freundschaft. wer würde schon an die unschuldigkeit eines kleinen jungen und seines tigers glauben, wenn sie ihre popularität zu geld machen würden und überteuerten nippes den niemand braucht verkaufen würden.“

bill watterson selbst hatte schwere kämpfe auszutragen was die lizensierung seiner calvin und hobbes charaktäre betrifft. zur zeit des vertragsabschlusses mit universal syndicates hatte er mehr die folgen eines flops der calvin und hobbes comics im kopf als die eines imensen erfolges. somit unterschrieb er den vertrag der eine lizensierungsklausel enthielt und universal sämtliche rechte an dem strip einräumte. als sich die frage nach calvin und hobbes produkten dann zum ersten mal stellte hatte bill watterson keine rechtliche handhabe gegen diese geschäfte. trotzdem strebte universal eine zusammenarbeit mit bill bei der produktlizensierung an. die darauf folgenden gespräche liefen immer wieder darauf hinaus, daß kein kompromiß gefunden wurde.

1990 war bill dann an einem punkt angelangt, wo er calvin und hobbes aufgeben wollte. „wenn ich nicht kontrollieren kann wofür calvin und hobbes stehen, sind sie wertlos für mich. mein vertrag war so einseitig, daß mein ausstieg universal das recht gegeben hätte mich durch einen anderen zeichner zu ersetzen und meine kreation nach ihrem willen zu vermarkten. aber an diesem punkt angelangt willigte universal ein, meinen vertrag nach meinen wünschen zu ändern. sämtliche rechte an calvin und hobbes liegen nun wieder bei mir und ich werde keine lizenzen für calvin und hobbes merchandise ausgeben.“

„selling out is usually more a matter of buying in. sell out, and you’re really buying into someone else’s system of values, rules and rewards“
(zitat aus bill wattersons rede vor der abschlußklasse des kenyon college vom 20.05.90)

text, bearbeitung und fantum: torsten meyer

Both comments and pings are currently closed. RSS 2.0