Januar 26th, 2020

ILL REPUTE aus #193, 2018

Posted in interview by Jan

Fuck with my head.
Tony Cortez erklärt uns ILL REPUTE

Ganz kurz gesagt: Oxnard liegt nördlich von Los Angeles. Ill Repute ist eine Band aus Oxnard, die Anfang der 80er entstand (unterbrochen durch Ruhephasen existieren sie immer noch). Sie erfanden den sogenannten „Nardcore“, also Hardcore, der aus Oxnard stammt. Gemeint ist sehr schneller Skate-HC-Punk-Thrash aus den frühen 80er aus Südkalifornien, der die Urzelle für den dann in den 90er so beliebten Skate-Punk wurde, allerdings eben in der Urform in sehr rauer und total geilen Pionier-Form. Unser Gastschreiber Dr. Skaterock schrieb in Trust # 104 auch schon über die Band, nun ja, ich schätze, dass ihr gerade nicht diese Ausgabe zur Hand habt und deswegen erzähle ich euch doch noch ´nen bisschen was zu Ill Repute.

Sie änderten übrigens ihren Sound Ende der 80er bzw. Anfang der 90er hin zu einem mehr melodischen Punkrock und bisweilen bestanden sie nur noch aus dem Original-Gitarristen Tony Cortez, der auch mal dann der (alleinige) Sänger war, aber schlussendlich wieder mit den alten Mitgliedern zum Ursprungssound zurückkehrte. Natürlich musste ich mit Tony Cortez sprechen, er war ja in allen Phasen von Ill Repute dabei.

Clean Cut American Kids
Es gibt auch eine total geile Doku-DVD inklusive Buch namens „Clean Cut American Kids: The Story Of Ill Repute“ von 2014, benannt nach einer ihren frühen Hits (der zuerst auf dem „Rodney on the ROQ“-Sampler erschien). In dem Film werden total ehrlich und authentisch auch die nicht so schönen Phasen im Leben der Band erzählt. Die Los Angeles Times formulierte es so, dass der Film „von den Heldentaten einer Band erzählt, die sehr weit unter dem Mainstream-Radar ihren rohen Rock-Lifestyle exerzierte: Aufnahmen in kleinen Studios, Band-interne Rivalitäten und dann von ihren Touren im ganzen Land ohne die Hilfe eines Privat-Jets“.

Anzumerken ist, dass es in der Dokumentation auch um externe Rivalitäten geht, zum Beispiel zu Agression, einer anderen legendären Nardcore-Band, deren Klassikerplatte ist natürlich die legendäre “Don´t be mistaken“-Scheibe. Und es geht auch um die unsägliche Gewalt auf Konzerten im Großraum von Los Angeles. In der Orange County Weekly wurde berichtet, dass Ill Repute´s erster eigene Song der 45 Sekunden Opus „Fuck with my head” war und zum Film sagte Tony Cortez: „Ich war am Anfang der Filmaufnahmen etwas besorgt, weil die anderen Dokumentationen und Bücher über Bands eben von so fantastischen Erlebnissen erzählen, da geht’s um Drogenmissbrauch und das Leben auf der Straße… das war bei uns alles nicht der Fall. Ich hoffe, dass der Film eine inspirierende Geschichte über Leute genau wie du und ich darstellt, die einfach hier und da etwas mehr als das Gewöhnliche erlebten und einen drauf setzen“. Und der Filmemacher ergänzte: „Es ist schon lustig, ich bekam von einem Freund die E-Mail-Adresse von Fat Mike von NOFX und schickte ihm den Trailer des Films und er antwortete mit „Fuck, yeah, das ist geil!”.

Looking back: The story of the Repute
1981 haben sich Ill Repute gegründet. Ihr erster bezahlter Gig war auf einer Neujahrsparty der örtlichen Anonymen Alkoholiker-Gruppe („Sie hassten uns”, so kommentierte die Band). Eigentlich fast alle ihrer Aufnahmen in den 80ern erschienen auf dem berühmt-berüchtigten Mystic Records Label und wurden dann auch im Mystic-Studio in Los Angeles für kleines Geld aufgenommen. Da stand ich sogar extra mal davor, 2008 auf der 6277 Selma Avenue in Hollyowood, leider war das Wand-Graffiti mit der Studio-Aufschrift bzw. dem Logo, das auf einem Foto im Netz zirkuliert, nicht mehr da, ich glaube, es war ein Supermarkt drin gewesen, yeah. Nardcore war und ist halt so wichtig für mich (gewesen) und wenn man schon mal da ist, sonst gibt es da ja nix zu sehen, haha!

What happens next?
Die Klassiker-Platte von Ill Repute ist wahrscheinlich die „What happens next”-Scheibe, sie haben aber auch viele Singles und Sampler-Beiträge veröffentlicht und es gibt einige CDs, die ihr Thrash-Oeuvre auf circa 50 Songs zusammenfassen. Wie bereits erwähnt, es ist sehr rauer Skate-HC, total geil und schnell, aber auch wiederum kein Grindcore, sondern eben einfach… Nardcore! Tja, auf Wikipedia und auf Discogs findet man sehr detaillierte Informationen zu ihrer Diskographie, ich nenne hier mal die aus meiner Sicht wichtigsten Veröffentlichungen und Sampler-Beiträge: „Oxnard – Land of No Toilets“-Single auf Mystic Records (1983), „It Came from Slimey Valley“-Samplerbeitrag (1983), „Rodney on the Roq: Volume 3“- Samplerbeitrag auf Posh Boy Records (1983), „We Got Power – Party or Go Home“-Samplerbeitrag auf Mystic (1983, legendärer Sampler, enthält auch die allerersten NOFX-Aufnahmen, ich bestellte die Platte in den 90er bei Lost and Found, die Platte kam in der Mitte zerbrochen an, aber wenn man auf der einen Seite das mit Tesa klebt, kann man es sich anhören, ist nur doof beim Seite wechseln…), „Halloween Live at Mystic“-Single von 1984, „Mystic Super Seven Sampler“-Samplerbeitrag von 1985, „Transition“-LP auf Mystic von 1989 (hier versuchte man einen methodischeren Stil als das Gethrashe vorher, das Publikum buhte die Band bei der Plattenpräsentation mit Gewalt von der Bühne in Los Angeles), „Big Rusty Balls“-Platte auf Dr. Strange Records von 1994 (sehr geil! anders, aber geil!), “Positive Charged“-CD auf Grand Theft Audio von 1997 (circa 50 Songs aus der früh-Phase, völlig unglaublich, und das aus so was mal dieser glatte auf Hochglanz polierte Fat-Wreck-Millencolin-Soundtrack für den Abiturjahrgang 1997 entstehen würde!), „We’ll Get Back at Them“-Compilation auf Indecision Records von 1999 (andere Zusammenstellung ihrer 80er-fast-core-Hits), „Nardcore – 30 Years Later“-Samplerbeitrag auf Burning Tree Records von 2009…

Auflösung und Reunion: immer noch gegen Gewalt und Rassismus
In den 2000er löste sich die Band nach einer Tour in Hawaii auf, man reformierte sich kurze Zeit später aber wieder und spielt munter bis heute Konzerte, hauptsächlich in Süd-Kalifornien. Manchmal werden Ill Repute auch als Straight Edge (-Pioniere) bezeichnet, das klingt auch in der Doku-DVD ein bisschen durch, ich weiß nicht, mal Tony fragen, aber Fakt ist, dass sie immer noch All Ages-Konzerte spielen, bei denen auch kein Alkohol verkauft wird, so berichtete neulich die Los Angeles Times. Dort wurde Tony auch mit folgenden Aussage zitiert: „Wir sind sehr stark gegen Gewalt und Rassismus eingestellt. Einige Leute denken, dass wir so eine Art rassistische Skinheads waren und verbinden unsere Musik mit Gewalt und Hass, aber wir haben uns in unseren Texten immer sehr stark gegen Gewalt ausgesprochen“. Wie bereits erwähnt, sie hatten selber ziemliche Probleme mit Gewalt auf ihren Konzert im (Großraum) Los Angeles in den 80er. Auf jeden Fall, die Band gab’s mal wieder und dann mal wieder nicht in den 90ern, die Besetzung änderte sich vollständig (halt bis auf die Konstante an Gitarre/Gesang mit Tony) und seit den 2000er musizieren sie fast in Original-Besetzung wieder und spielen das, was sie am besten können: absolut schnellen gebreakten HC-Punk unter einer Minute.

Die Erfinder des Skate-Punk-Epi-Fat-Wreck-Sounds
Well, es ist ja schon „lustig“, etwas tragisch und vielleicht auch total scheißegal, aber: wir, die Millencolin-No-Fun-At-All-Satanic-Surfers-Lagwagon-NOFX-Offspring-Epitaph-Fatwreck-Burning-Heart-Lookout-Youth der 90er, wir dachten doch Anfang der 90er, dass die eben genannten Bands das Skatepunk-Genre „erfunden“ hätten. Das war jedoch mitnichten so, aber das wussten wir damals eben noch nicht. Und klar, alle großen Skate-Punk-Bands der 90er hatten etwas eigenes, ihren Trademark-Sound, und natürlich, alles wäre ohne die „Suffer“ von Bad Religion, die Descendents, die Ramones und die „Energy“-Platte von Operation Ivy (Rancid!) sowieso ganz anderes gekommen.

Doch die Wurzeln von diesem sehr schnellen, gleichzeitig aber auch sehr melodischen und von Breaks durchsetztem, HC-Punk aus Kalifornien, der ganze Gymnasien-Klassen in den 90er infizierte, der wurde ursprünglich als Blaupause von den Nardcore-Bands bzw. von den zwei bekanntesten Protagonisten aus eben jener Szene konkretisiert. Und das sind neben RKL (die zwar aus dem benachbarten Santa Barbara kamen, aber immer dazu gezählt wurden) halt vor allen auch Ill Repute. Es war einfach Zeit, völlig anlassfrei und aus reiner Begeisterung meinerseits für Ill Repute, mit den Erfindern zu reden und so melden wir uns doch mal in Oxnard bei Tony Cortez…

Hey Tony, willkommen zum Interview. Wie würdest du deine Heimatstadt Oxnard Leuten beschreiben, die noch nie da waren?
Bleib weg! Haha! Es ist jetzt überfüllt und durch. Was einst ein entspannter Surf-, Skate- und multikultureller Ort war, versucht jetzt, eine Metropole zu sein, wie es scheint. Ansonsten ist es aber immer noch ziemlich cool. Viele gute Bands und die OG’s spielen auch noch.

Warum habt ihr die Stadt als “Land of no toilets” beschrieben, das war irgendwie wegen eurem Proberaum oder so?
Es gibt viele Gerüchte darüber und ich habe es immer genossen, die verschiedenen Ansichten dazu zu hören. Die Wahrheit ist eigentlich ein wenig enttäuschend, aber das kam durch einem Off-Kommentar, der mir gegenüber vor langer Zeit gemacht wurde. Ich kann mich nicht genau an den exakten Ort erinnern, wahrscheinlich haben wir in einem Club in L.A., in dem wir abhingen, einige andere Punks getroffen, die wir nicht kannten. Sie fragten uns, woher wir kommen. Als ich ihnen erzählte, dass wir aus Oxnard stammen, da meinte ein besonders lustiger Typ: „Wo ist das, das Land ohne Toiletten?“ und wir haben uns kaputt gelacht und es blieb in meinem Kopf hängen. Er sagte im Grunde genommen ja, dass es ein Ort war, von dem niemand je gehört hat oder wo niemand gehen wollte. Als wir unsere erste EP aufgenommen haben, „mussten“ wir das dann verwenden.

Wie erinnerst du dich an Konzerte von Black Flag, Fear oder Circle Jerks im legendären Starwood? War das eher inspirierend oder mehr abstoßend, weil es so gewalttätig damals zuging? Diese gewalttätige L.A.-Szene in den 80er war ja dann auch bei euren Konzerten später vorhanden, nicht wahr?
Diese Shows waren erstaunlich und haben mein Leben echt total verändert. Die Gewalt war damals für mich noch nicht so abstoßend. Es war einfach nur roh und energisch und war noch nicht so krass wie in den späteren Jahren. Meine erste Show in L.A. (nicht im Starwood): ich war so dermaßen fehl am Platz, ich erinnere mich, dass ich wahrscheinlich „New Wave“-mäßig aussah und ein wenig belästigt wurde, aber nichts konfrontatives. Doch schließlich kam ein Typ auf mich zu und stellte sich genau vor mein Gesicht, mit einer großen Meute hinter sich, um halt zu versuchen, etwas zu starten oder zu provozieren.

Ich war aber nicht so dumm, ihm eine zu verpassen, ich wäre direkt zusammengeschlagen worden, die hätten den Scheiß aus mir raus geprügelt. Aber ich erinnere mich, dass ich einfach ihm meinen Mittelfinger zeigte und in sein Gesicht „Fick dich“ schrie und dann wartete, was als nächstes passieren würde. Sie zogen sich dann einfach zurück zum slammen. Was für eine Erleichterung, hahaha. Als uns mit ILL REPUTE die Gewalt in der Szene echt leid wurde und wir eine Pause einlegten, das war dann Ende der 80er. Die Szene wurde von Menschen infiltriert, die sich nicht von der Musik angezogen fühlten, sondern von Gangs, die die Gigs als einen Ort ansahen, an dem man Stress machen konnte. Auch die Messerstechereien wurden häufiger.

Ich hab eure Band durch den “Oxnard, you are not cooool”-Song kennengelernt, ich hab mich immer gefragt, ob damals Anfang der 80er diese schnellen Boston-HC-Bands wie Jerrys Kids oder frühe Gang Green auch ein Einfluss für Ill Repute waren?
Häh, ich bin gar nicht mit diesem Song vertraut, aber der ist ja fantastisch, hahaha. Und ja, die Bostoner Szene war ein großer Einfluss. Der Klassiker „This Is Boston Not LA“ war bzw. ist der große Favorit gewesen.

Wart oder seid ihr wirklich eine Straight Edge-Band?
Ja und nein, wir haben die frühe SE-Szene mehr für die Musik als für ihre Philosophie geschätzt. Aber John und Carl (von IR) waren schon vorher “Straight Edge”. Sie haben einfach nie Drogen genommen oder Alkohol getrunken, gut, sie haben es ein- oder zweimal versucht, um es halt selbst mal auszuprobieren. Unsere Botschaften als Band waren eher verantwortungsbewusst, “don´t drink and drive”, sei kein Hindernis für alle um dich herum, sei eben einfach kein Arschloch.

Oxnard, Santa Barbara oder Goleta hatten ja nie so richtige Punk-Läden oder besetze Häuser wie das Masque in Hollywood oder The Cuckoo’s Nest in Costa Mesa, war das dann alles mehr so eine Hinterhof-Party-Gig-Szene oder liege ich da falsch?
Nun, eigentlich hatten wir sehr gute Veranstaltungsorte. Golden Voice (Promoter aus Los Angeles) veranstalteten Punk-Konzerte in Goleta und Santa Barbara im „The Goleta Valley Community Center“ und „Casa De La Rasa“. Oxnard hatte einige magische Konzerte im „Casa Tropical“. Ventura hatte auch ein paar Plätze. Ich denke, das Problem war, dass das alles eben total kurzlebig war. Ein oder zwei Jahre, eher noch weniger, und wir mussten einen neuen Ort für Konzerte finden.

Ich mag natürlich total eure Narcore-Ripper, aber ich liebe die “Big Rusty Balls”-Platte auch sehr, “She did it” und besonders das “Three little birds”-Bob Marley Cover ist so toll, magst du die Platte immer noch?
Das tue ich. Wenn wir jetzt dieser Tage spielen, dann ist normalerweise alles von „Land of No Toilets“ und „What Happens Next“-Platten. Da wir jetzt nur noch gelegentlich spielen, ist das eben auch das, was die Leute gerne hören wollen. Aber ich dachte immer, es würde Spaß machen, eine „Big Rusty Balls“-Jubiläumsshow zu spielen oder so.

Stimmt das wirklich, dass nach der Platte euer Schlagzeuger auf einen Surf-Trip nach Frankreich wollte, die Band aber einen Gig in Oregon hatte, er bekam dann ein Ultimatum und entschied sich für Frankreich und war dann raus aus der Band? Irgendwie… komisch.
Das ist jetzt schwer, das nach so langer Zeit konkret festzumachen. Es gibt verschiedene Versionen, je nachdem, mit wem du sprichst. Es war John, unser Sänger, der den Surf-Trip gemacht hat, und es hat die Band verändert, wir haben dann eine Weile ohne ihn weitergemacht. Aber wie und warum, das steht immer noch zur Debatte, auch zwischen uns allen. Wir sind entweder zu alt, um uns daran zu erinnern oder wir haben ein selektives Gedächtnis dafür. Ha!

Viele Bands aus Los Angeles erzählen schlechte Sachen über Mystic Records, wie war eure Erfahrung, ich meine, man muss Doug Moody zugestehen, dass er dafür sorgte, dass viel passierte und realisiert wurde, oder? Ohne ihn hätten viele Bands niemals in ihrer frühen Phase was aufnehmen und veröffentlichen können?
Nun, für mich persönlich: da denke ich, dass Mystic letztendlich einfach nur falsch lagen. Ich hatte immer das Gefühl, dass sie magisch und eine große Kraft in der Punk-Rock-Szene hätten sein können, wenn sie nur ein wenig mit den Bands zusammengearbeitet hätten, anstatt einfach nur das zu nehmen, was sie wollten, und damit dann eben das zu tun, was sie wollten. Bis heute können wir nicht einmal unsere Originalaufnahmen für Filme und TV-Werbespots veröffentlichen, also, da gab es halt Interesse. Mystic sind immer noch am Start und dabei, all diese Scheiße weiter zu machen und ohne unsere Zustimmung oder Wissen Kram von uns zu veröffentlichen. Das Argument ist nicht anders als wie das Argument bei „Pay to Play“-Promotern. Wäre es bei den Bands anders gelaufen? Schlimmer, besser? Wir werden es nie erfahren.

Wie war eure Beziehung zu Dr. Strange Records?
Großartig! Sie sind fantastisch. Eines der besten Labels auf dem Markt. Klasse, ehrlich und aufrichtig von Anfang an, transparent usw. Bill ist einfach auch eine tolle Persönlichkeit. Unsere Platte mit ihnen war kein riesiger Erfolg, es gab auch kaum Tourunterstützung durch uns und wir lösten uns auch recht schnell dann auf, dumm gelaufen. Aber Bill schickte uns immer alle Verkaufszahlen zu und bezahlte uns mehr Geld von dieser einen Veröffentlichung, als es Mystic jemals bei den vielen vielen Veröffentlichungen von uns auf ihrem Label gemacht haben. Und Verkaufszahlen von Mystic bekommen? Ha, guter Witz.

Freust du dich, als “Bürgermeister von Nardcore” bezeichnet zu werden?
Blöde Sache eigentlich, ich habe diesen Begriff mehr als jeder andere benutzt, aber diese Szene wurde von vielen großartigen Leuten hier mit aufgebaut. Zu viele, um sie zu erwähnen.

Eure DVD und das Buch ist super, es wird eure komplette Story erzählt, auch eurer Versuch, einen mehr melodischen Stil mit der „Transition“-Platte Ende der 80er zu machen und wie das von eurem Publikum „goutiert“ wurde… bist du mit dem Film und dem Buch zufrieden?
Mit der „Transition“-LP bin ich überhaupt nicht mehr zufrieden. Ich bin bei der Aufnahme zu dieser Platte tatsächlich aus dem Studio geflüchtet. Wir wollten wachsen und melodischer werden, aber das war es einfach nicht.

Stimmt das wirklich, dass einer der Original-Mitglieder von Ill Repute ein Priester wurde?
Was? Ha, das ist ja toll. Ich möchte wirklich ja sagen, nur um das Gerücht am Laufen zu halten. Das einzige, woran ich denken kann, ist, dass Carl, der ursprüngliche Schlagzeuger, sehr religiös ist. Nirgendwo auch nur in der Nähe des Priestertums, aber er beendet seine E-Mails und Briefe mit einem Bibelzitat oder was auch immer. Andernfalls nervt er live damit nicht und versteht sich sehr gut mit Leuten, die nicht gläubig sind. Er muss es auch sein, weil er immer noch einer meiner besten Freunde ist und ich bin das Gegenteil und rede manchmal beinahe schon zu laut von meiner Verachtung für die Religion. Update: also, ich habe das meiner Frau gegenüber erwähnt, um sie zum Lachen zu bringen, und sie sagte: “Vielleicht denken die an John?“.

Ah, ich verstehe. Die Geschichte ist also, dass unser Sänger kein Priester ist, aber er hat diese Lizenz bekommen, mit der man offiziell Leute verheiraten darf. Offiziell oder ordiniert, so was in der Art. Ich denke, du füllst einen kleinen Antrag aus und schickst 20 Dollar ein und kriegst dann ein gutes Gefühl (ich weiß wirklich nicht, wie es funktioniert). Aber es ist ziemlich cool, John hat die Hochzeitszeremonie von Dave Casillas (von Stalag 13 und NOFX) in Las Vegas während des Punk Rock Bowling-Wochenendes durchgeführt. Er hat das auch für Big Bob von Agression gemacht. Dieser war auf der Bühne während der tollen Nardfest-Show. Ich schicke dir ein Bild, wenn ich eines finden kann.

Die städtische Behörde von Port Hueneme (dem Strand-Vorort von Oxnard) hat Ill Repute offiziell mit einem Zertifikat für euer „revolutionäres musikalisches Talent“ ausgezeichnet und Ill Repute wurde auch in die Ventura County Music Awards Hall of Fame (der Grossregion, in der Onxard liegt) aufgenommen. Tja, mehr kann man einfach nicht erreichen oder, haha?
Ist das nicht verrückt? Total surreal. Alles, was ich je wollte… Ha, ich wollte das nicht, versuchte es nie oder erwartete es jemals. Aber es ist ziemlich cool, nachdem es passiert ist und wir haben das dann auch freundlich akzeptiert.

Wie erinnerst du dich an die 80er, war damals alles besser?
Knifflige Frage. Ist es besser, vor 60 Leuten zu spielen? Damals war das häufig eine große Sache und wir haben es geliebt. Heute wäre das eine gescheiterte Show. Aber ich vermisse die enge Verbundenheit in der Szene aus der Anfangszeit.

Wieso habt ihr euch 2002 für den Benefiz-Gig für Mark Hickey wieder zusammengetan, wer war Mark?
Mark Hickey war der Sänger von Agression. Agression war die echte ursprüngliche Nardcore-Band von hier. Sie waren ein paar Jahre älter als die meisten von uns und sie waren diejenigen, die wir alle auch sein wollten. The Rotters gab es schon vor Agression, sie waren also vor dem ganzen Nardcore-Ding schon da und eben solche Wegbereiter, die die meisten von uns erst dann später schätzen lernten.

Was hörst du eigentlich neben dem ganzen Punk- und HC-Kram sonst noch?
Ich habe mir immer so ziemlich alles angehört. Es gab eine kurze Zeit, als ich eben Punk zum ersten Mal „entdeckte“, wo alle andere Musik für mich bedeutungslos wurde, ich nahm meine riesige Plattensammlung und gab sie einfach weg! Ich bedaure das jetzt, ha. Es gibt einen Spoken Word-Teil, den Henry Rollins machte, der das perfekt auf den Punkt bringt. Aber ich höre hauptsächlich Proto-Punk, den härteren Ska-Punk wie The Interrupters, Rancid etc., Old School Rap, Foo Fighters, Radkey, ich weiß nicht, was auch immer.

Worum geht es eigentlich bei eurem jährlichem Oxnard-Bowling-Turnier?
Ah, das ist mein Baby, jetzt gerade machen wir die neunte Auflage des jährlichen Nardcore Turkey Toilet Bowl-Turniern. Also, nachdem wir ein paar Jahre lang zum BYO Punk Rock Bowling (PRB) in Las Vegas gegangen sind und gesehen haben, was für eine tolle Sache es für betrunkene Punks war, beschloßen wir, regelmäßig zu bowlen. Wir begannen jeden Sonntagmorgen, auf einer lokalen Bowlingbahn, die einer Dive Bar entsprach, zu bowlen.

Es war großartig, die ließen uns tun, was auch immer wir wollten und wir durften auch unsere Musik spielen! Als es immer beliebter wurde, nahmen wir 2010 an unserem ersten Turnier dort teil, komplett mit Auftritten von ein oder zwei Bands, die dann direkt in der Lobby spielten. Es ist von Jahr zu Jahr gewachsen und macht einfach Bock. Wir sind nicht einmal in der Nähe der Größe des echten PRB, aber das triggerte uns eben alle an und es funktioniert, während wir auf das echte Turnier warten.

Jemals überlegt, in Europa zu touren? RKL, Dr. Know und Stalag 13 haben es ja schon mal geschafft, über den Ozean rüberzukommen, kommt doch bitte auch mal!
Wir wollen es, aber es kommt einfach nie in die Gänge. Wir sind zu beschäftigt (faul), um zu versuchen, eine Tour zu planen, aber wenn jemand eine zweiwöchige Agenda präsentieren würde, die bereits für uns geplant wäre, dann könnten wir es möglicherweise dann verwirklichen.

Wie ist den eigentlich der Status der Band heutzutage?
Wir spielen nur noch gelegentlich und in der Regel innerhalb eines Radius von zwei bis drei Stunden, bis nach Las Vegas und San Francisco. Musikalisch beschäftige ich mich mit meiner anderen Band, The Robot Uprising. “Unser” Chuck trommelt für eine ganze Reihe von lokalen Bands hier in der Gegend, darunter Agression und The Loads.

Ihr habt neulich den Support für die Dead Kennedys gemacht, waren sie nett backstage?
Die Show war großartig. Aber wir haben nicht mit ihnen hinter der Bühne abgehangen, zumindest ich nicht. Ich bin kein „backstage-Typ“. Ich bin gerne vorne dabei und schaue mir die Bands an.

Ich mag RKL ja auch total, wart ihr damals mit der Band befreundet? Sie zählen ja auch zur Nardcore-Szene, obwohl sie aus dem doch entfernten Santa Barbara und Montecito kamen, warum eigentlich?
RKL waren unglaublich! So eine talentierte Band. Und Santa Barbara, was ja ein wenig weiter nördlich liegt, das war trotzdem immer zugehörig zu der Nardcore-Szene. Wir waren alle hungrig auf Punk, haben gefeiert und gingen zusammen auf Shows. Hier, da, wo auch immer.

Ich denke, dass ILL REPUTE und RKL den Boden für die spätere Popularität von NOFX oder LAGWAGON bereiteten, in den 90ern wurde der Skate-Punk-Sound aus Kalifornien ja sehr bekannt in Deutschland und ohne euch gäbe es diesen Sound nicht, bist du angepisst, dass die erwähnten Bands ihren Durchbruch schafften und ihr irgendwie nicht?
Danke, dass du das sagst. Aber diese Bands haben wirklich hart dafür gearbeitet, um dorthin zu gelangen, wo sie jetzt sind. Das und die wahnsinnige Menge an Talent, die sie haben. Wenn ich von irgendetwas angepisst bin, dann wäre es nur in Bezug auf uns selbst, weil wir nicht die gleiche „Dedication“ hatten, die sie eingegangen sind.

Leck mich am Arsch, ich sah im Netz das Lineup eines Nard-Fests vor einigen Jahren, gibt es all diese alten Bands wie Circle One, Agression, Stalag 13 und Rat Pack immer noch oder tun sie sich immer wieder zusammen dafür?
Viele von ihnen spielen immer noch gelegentlich und einige wenige sind Reunions nur für diese jährliche Show.

Macht ihr noch das jährliche Benefiz für Kinderspielzeug in Onxard?
Nein, wir sind jetzt nicht dagegen, es zu tun, aber wir haben das über eine Freundin gemacht, die damals für die Zusammenstellung der Bands zuständig war, und sie macht es nicht mehr. Wir haben oft auf anderen “Toys For Tots”-Events hier und anderswo gespielt.

Tony, vielen Dank für deine Zeit. Hast du noch berühmte letzte Worte aus dem sonnigen Kalifornien ins regnerische Deutschland?
Einfach Grüße an alle, die dieses Interview lesen, vielen Dank für euer Interesse. Wir würden es wirklich lieben, eines Tages zu euch zu kommen. Bitte verurteilt uns nicht wegen dem verantwortlichen Arschloch hier drüben, wir arbeiten daran, diesen Fehler zu korrigieren. Und genießt den Regen. Südkalifornien würde es lieben, ihn hier in unserer Dürreperiode zu haben, die kurz davor steht, ein wasserrationiertes Höllenloch zu werden. Auf Wiedersehen, Prost, Tony (ILL REPUTE & THE ROBOT UPRISING).

Interview: Jan Röhlk
Kontakt: facebook.com/ILLREPUTE.NARDCORE/

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