Januar 1st, 2024

Ieperfest (#214/Juni/Juli 2022)

Posted in interview by Jan

Wer im Bereich des Hardcore unterwegs ist, Festivals nicht nur von irgendwelchen Rennstrecken aus dem Fernsehen kennt und beim Thema d.i.y. leuchtende Augen bekommt, dürfte vom Ieperfest mindestens schon mal gehört, wenn nicht sogar selbst vor Ort gewesen sein.
Das Festival in der Nähe des beschaulichen Städtchens Ieper im Westen Belgiens wird dieses Jahr ganze 30 Jahre jung und ist in dieser Zeit internationale Anlaufstelle für Bands und Fans der härteren musikalischen Gangart. Ziemlich beeindruckend vor allem vor dem Hintergrund, dass die ganze Crew das alles teilweise seit Jahrzehnten freiwillig macht.

Terror, Knocked Loose, Drain, Downfall of Gaia und Scowl sind nur einige der Bands, die dieses Jahr dort aufschlagen werden. Ich habe das mal zum Anlass genommen, mich digital mit Veranstalter Bruno Vandevyvere zu treffen und mich nicht nur über die lange Geschichte des Festivals, sondern auch ihren Grundprinzipien und zukünftigen Plänen zu unterhalten. Warum das Ieperfest unter dem Motto „more than just music“ ein Teil im Kampf gegen gesellschaftliche Missstände sein kann und will, wie stressig so ein Festival als Hobby eigentlich ist und was Turnstile und Nirvana gemeinsam haben ist ebenso Thema wie der leidige Fakt, dass Line-Ups auf Festivals immer noch sehr weiß und männlich dominiert sind und dass auch das Ieperfest sich davon nicht freimachen kann und dieser Umstand sich generell
hoffentlich bald ändert. Die Bands dafür wären da.

Hi Bruno, vielen Dank dass du bei der ganzen Vorbereitung noch Zeit für dieses Interview gefunden hast! Ihr feiert ja dieses Jahr 30 Jahre Ieperfest. Vielleicht magst du einfach mal kurz erzählen wie die Idee des Festivals damals zustande kam.
Bruno: Also, die erste Ausgabe war 1992. Eigentlich sind es bisher nur 28 Ausgaben, da 1993 das Festival nicht stattfand und die letzten 2 Jahre coronabedingt ausgefallen sind. Die Idee hatte damals ein Typ namens Edward Verhaeghe von Good Life Recordings. Er wollte ein zweitägiges
Festival mit vielen Straight Edge Bands in einem D.I.Y.-Club in Ieper veranstalten. So hat das alles angefangen, an 2 Tagen und ich glaube so 8 Bands pro Tag. Ich war damals selbst als Freiwilliger in dem Club involviert und für Konzerte zuständig. Das habe ich dort von 1989 bis ’95 gemacht. In der
ersten Ausgabe habe ich also die Bands dort betreut. Die Idee war einfach Leute mit ähnlichen Ideen zusammenzubringen und eine positive Message zu verbreiten.

1997 habe ich dann hauptsächlich das Booking und die Kommunikation übernommen und bin seitdem dafür hauptverantwortlich. Das war bisher eine ziemlich großartige Reise und eine ziemlich verrückte Sache, die man da so macht. Ich habe viel Zeit, Energie und sogar auch etwas Geld dafür investiert, zum Beispiel indem ich die letzten Jahre die ganze social media Werbung selbst bezahlt habe. Aber das ist kein großes Problem, manche Leute sagen dann nur: „oh, es ist nicht dein Job!“

Nein, es ist nicht mein Job, aber egal, das ist eine freiwillige Sache. Und ich sage oft, dass ich nicht
weitermache, weil es zu viel Zeit und Energie kostet. Aber dann ist das Festival da und alle sind froh. Die Bands als auch das Publikum. Und ich bekomme auch eine Menge Hilfe über die letzten Jahre, mein Team ist deutlich gewachsen und stärker geworden. Auch meine Tochter ist mittlerweile involviert. Das hat mich auch motiviert weiter zu machen.

Klingt nach einer ganz guten Crew die du da hast.
Ja, das ist auch nötig, weil du das alles nicht tun kannst wenn du nicht auch die richtigen Leute hast, die dir aushelfen. Wir sind alle Freiwillige, aber ich denke wir liefern eine ziemlich professionelle Organisation. Du hast immer Menschen, die sich mal beschweren, aber das sind insgesamt wenige.

In all der Zeit kann ich mir vorstellen, dass es in der Organisation eine recht hohe Fluktuation an Menschen gab, oder?
B: Ja sicher. Wir haben hauptsächlich angefangen mit, ich glaube 20% Leuten aus Belgien und 80% von woanders. Jetzt ist der Anteil von denen aus Belgien deutlich gewachsen. Vor 1992 gab es so ein Festival nicht. Ieperfest ist das am längsten laufende underground d.i.y.-Festival weltweit denke ich. Es gibt niemanden die für so eine lange Zeit hier am Start sind und alle kamen zu uns. Aber schon bald nach unserem Start gab es dann das Fluff Festival oder das Resurrection in Spanien und die Leute blieben dann eher bei sich vor Ort, weil sie im eigenen Land die entsprechenden Festivals haben und nicht mehr so oft nach Ieper kamen.

Wie schätzt du denn euren Einfluss auf die Szene in Belgien ein?
Ich denke es ist eine der wichtigsten Shows gerade für jüngere Bands. Weißt du, viele Festivals haben ein Publikum das zu einem Festival geht weil es ein Festival ist und sich dabei nicht so um die Musik kümmert. Aber das Publikum beim Ieperfest ist eher ein Connaisseur-Publikum, was wirklich sehr mit der Musik verbunden ist und die Bands auch auschecken will. Also bekommst du
als Band immer, egal wer du bist, ob du eine kleine Band bist, ob du einen Stil spielst der gar nicht so beliebt ist, trotzdem Feedback. Es gibt immer Leute die dich mögen und du wirst immer Merch verkaufen. Leute werden zu dir kommen, sich mit dir unterhalten und das wird immer in neue Möglichkeiten resultieren um Konzerte zu spielen. Deshalb, ja, es ist wichtig für jede Band die dort spielt, vor allem für die kleineren.

Interview: Nils Dornhauser

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