Hosen Fanwanderung (#227/August/September 2024)
„When I was a young boy, my mama said to me: `There’s only one girl in the world for you. And she probably lives in Tahiti`. I’d go the whole wide world, I’d go the whole wide world just to find her“.
Fan-Wanderungen auf einigen historischen Spuren der Toten Hosen in den USA, England und BRD
Ihr habt es eventuell mitbekommen, das Ende November 2022 ein tolles Rerelease-Boxset der sensationellen „Bis zum bitteren Ende live 1987“-LP der Toten Hosen rauskam, wie alle anderen Wiederveröffentlichungs-Boxsets davor ebenfalls immer super aufgemacht: Vinyl, CDs, Bonustracks, mega Beiheftbuch, Schuber, Preis fair. Ich glaube, alle, die der Band irgendwas mal abgewinnen (konnten), die können sich darauf einigen, dass diese Phase der Hosen sowohl für alte als auch neue Fans mit die tollste war.
„Als Tom Dooley musst hängen hab ich zugeschaut. Von Mut keine Spur denn er jammerte laut. Doch ich kann ihn verstehen, denn auch ich bin kein Held. Wenn ich steh an der Bar und ich habe kein Geld“(01, siehe Anmerkungen am Ende)
Und das traf sich auch super mit unserem Gig-Besuch der Band im September 2022 in Konstanz auf ihrer 40 Jahre-Jubiläumstour „Alles aus Liebe“, bei der wir auch Aftershow-Zugang hatten und ich mich dann kurz persönlich bei Campino für das tolle Trust-Telefoninteriew von 2020 bedanken konnte. Unser Interview sollte ja live Face to Face Düsseldorf sein, aber dann kam Corona und wir machten es dann per Telefon. Natürlich mussten zwei fotografische Schnappschüsse zur Erinnerung sein!
Sehr lustig, wenn man zum ersten Mal Gästeliste plus Aftershow bei einem Stadiongig bekommt und die „Lingo“ (Infield, Front of Stage etc. pp. blabla) nicht so kennt: „erste Welle Aftershow“ heißt NICHT „Erste Rutsche Aftershow“ (wie wir dachten, so Motto „Komm, ihr seid unter den ersten 100, die backstage dürfen“), sondern es bedeutet, das man in den Konzert-Bereich direkt vor Bühne bis zum ersten Wellenbrecher darf, also nach ganz vorne (dann kommt Bereich zweiter Wellenbrecher / Front of Stage 2, dann der „normale Bereich“).
Absolut sauber, weil so eben ganz vorne, kaum Schlange an WCs und Bierstände auch leerer. Aftershow bedeutete konkret jetzt in Konstanz-Bodenseestadion 03.09.22: 25 000 Leute ausverkauft (also für Hosen eigentlich eher ne Clubshow, Kölner und Düsseldorfer Stadien waren ja eher 70 000 auf der Tour 2022), nach Gig muss man an bestimmter Stelle mit dem bestimmten Bändchen durch und dann landet man mit circa fünfzig oder hundert anderen Leuten inklusive Crew/Band/Roadies in einem sehr gemütlichen Bereich mit Freigetränken.
Dort lief dann auch kurz Campino rum und es war dann einfach grosses Glück, kurz loszuwerden „Hallo und danke für deine Zeit für Trust-Interview, das hat mir echt tierisch viel bedeutet und ich wollte dir unbedingt mal „live“ kurz „Hallo“ sagen“, dann kurze Antwort „Ja dann ist das doch super, das wir uns mal live kennenlernen“, Foto, … dann rief schon Frau Frege! Bassist Andi auch kurz „Hallo“ sagen dürfen, riesen Sache und irre, dann neben den Leuten zu stehen, die dir so viel bedeuten. Well, diese Stadien sind ne ganz andere Welt als unsere AJZ-Welt, aber war doch sehr cool, da mal hinter die Kulissen lunzen zu können. Grosses Danke an Pressestelle von Hosenlabel JKP, dass das alles so toll klappte!
„Man müsste was von Wein verstehen, Gaston Chateaux de Boire. Nicht immer allein am Tresen stehen bei jeder Damenwahl“ (02)
Und all das führte dazu, dass ich einfach nochmal Lust hatte, mich wieder im Trust mit der Band zu beschäftigen und ein bisschen aus meinem Näh-Kästchen zu plaudern, was ich mir live vor Ort seit 1997 so an Hosen-related-Sights anschaute. Bitte gehen Sie weiter, es gab eigentlich fast nie etwas zu sehen und das war das geniale an dem Plan!
„Allright everybody in the Ömby, jetzt muss mal langsam die Message rüberkommen“(03)
Ihr wollt wahrscheinlich auch Gründe für diese sich im folgenden entfaltende herrlich sinnlose Nerd-Craze lesen, eventuell eine Art Entschuldigung für den schlechten Musikgeschmack hören – alles, was ich dazu sagen kann, ist folgendes: es ist auch die tolle Musik der Band, ihre Konzerte, Humor etc., es ist auch eine schöne Erinnerung an meine „Rheinland-Heimat“, aber es ist noch eine andere Meta-Ebene: ihre Funktion als der Türöffner für mich zu Punk und HC nach Erstkontakt mit 12 Jahren 1990 mit der Band.
Ich weiss noch genau, wie es 1990 auf der Geburtagsparty von Schulkameradin Sabine B. in fucking Leverkusen-Waldsiedlung war: es lief den ganzen Abend die Musik, die man damals als junger Teenager so hörte, sprich Pop-Musik des „Bravo-Jahrgangs“: Madonna, Roxette, Milli Vanilli, klar, auch mal was „härteres“ wie Queen, aber in erster Linie Roxette. Irgendeiner legte dann „All die ganzen Jahre“ rein. Ich war zuerst sauer, was soll bitte DER Mist, warum läuft nicht „Listen to your heart“?!
Im Laufe des Abends wurde das Stück mehrmals aufgelegt und ich achtete irgendwann mal auf den Text. Das war interessant, warum kritisiert der Sänger sich da selber und wer zur Hölle ist das? Den „DJ“ (Hi L.!) gefragt. „Ja hier Toten Hosen, kennse nicht?“ – „Nee, woher sind die, USA?“ – „Nee, von umme Ecke, aus Düsseldorf, dat is die neue Platte von denen“. Tja, es ist so, wie es ist, ohne die Hosen als meine erste Punk-Band hätte ich mich nie für Punk begeistert, nie Fugazi entdeckt, wäre nie auf Black Flag gekommen und somit wäre ich in letzter pathetischer Konsequenz auch nie beim Trust gelandet!
Ich wünschte, ich könnte es andersherum sagen, wäre sicher „cooler“, aber so war es eben nicht. Und dafür bin ich der Band einfach auch „For Life“ auf ewig dankbar und das möchte ich ab und an durch solche völlig sinnlose aber feucht-fröhliche Trips in die Vergangenheit mir bewahren.
„Das ist Punkrock, das sind die Toten Hosen aus Düsseldorf, Applaus!“ (04)
Der erste Gig der Hosen war an Ostern 1982 im Magazinkeller vom Schlachthof Bremen (Findorffstraße 51, 30 Jahre später gab es nochmal einen Gig dort im Keller, Vgl. butenunbinnen.de/nachrichten/erstes-konzert-tote-hosen-schlachthof-bremen-100.html). Da mich diverse Besuche zum Trust-Headquarter nach Bremen seit Einstieg ins Heft 2003 auch oft in den Laden führten, war ich also zufällig schon an einer Location (ich raffte es erst vor wenigen Jahren, dass im Magazinkeller, in dem auch diverse Trust-Festivitäten stattfanden, auch noch eine ganz andere Punk-Geschichte geschrieben wurde). Fabsi von ZK spielte bei Aram und die Schaffner aus Düsseldorf mit und die Upright Citizens aus Bottrop spielten meines Wissens nach Hosen. Man hatte wohl durch ZK-Gigs in Bremen eine Art zweite Heimat in der Hansestadt etabliert. Well, das es so einfach lief, war jedoch nicht die Regel.
„Und die Gassen, sie sind menschenleer!“ (05)
Oft musste ich recherchieren, zum Beispiel bedurfte es Nachfragen bei einem „echten Düsseldorfer“, in diesem Falle bei Kollege Rüdiger von Teenage Rebel Records, um zu klären, wo die Location vom „Halbstark“-Video Shoot war. Wo war das in Düsseldorf 1987? Nein, das war Berlin, man erkennt „Scheißladen“ auf der Fensterscheibe ganz kurz. Also machten wir uns im Rahmen eines eh geplanten Berlin-Trips auf in die Großbeerenstr. 50, um die Location vom Scheißladen in Berlin anzuschauen (siehe Filmstill aus dem „Halbstark“-Videoclip, es ist wahrscheinlich der beste Coversong aller Zeiten für mich). Heute ist das ein langweiliger Wohnblock in Kreuzberg. Von 1981 bis 1988 war dort der Platten- und Fanzine-Laden vom Wahren Heino, er eröffnete später das Café Enzian in Kreuzberg (Yorkstr. 77, Vgl. taz.de/Ich-bin-das-Original/!514288/), wo wir 2003 einkehrten, Norbert Hähnel bediente uns sogar. Das Enzian schloss 2007 seine Türen.
„Und wie der Cony tanzen kann“ (06)
Das Okie Dokie gibt es nicht mehr an originaler Stelle auf der Düsseldorfer Str. 218 in Neuss. 1981 fand das Abschiedskonzert von ZK im Okie Dokie statt und auch zum Beispiel CRASS spielten dort Anfang der 80er ihren einzigen BRD-Auftritt, halt bis zur „Reunion“ von Sänger Steve Ignorant für zwei Auftritte im Shepherds Bush Empire in London am 24. und 25.11.2007 und später sich anschließenden Gigs in Deutschland. Übrigens, der Trommler der live-Band in London war Hosen-Vom, geniale Abende, ich schrieb fürs Trust #128 auch einen Konzertbericht davon, Vgl. trust-zine.de/crass-the-feeding-of-the-5000-steve-ignorant-live-in-london-2007-reisebericht-128-2008.
Ich erfragte die Okie-Dokie-Adresse bei Fabsi, dem früheren ZK-Trommler, weil ich fand die Adresse weder im Netz noch im Booklet der ZK-Discografie-Doppel-CD auf Weserlabel, immerhin gabs dort den Flyer im Booklet. Fabsi meinte, dass an der originalen Adresse nichts mehr zu sehen ist, weil da kein Haus mehr steht. Das stimmte, war mir aber egal! Den Laden gibt es heute an anderer Stelle wieder.
„Flaschenbier – nicht mit mir. Dosenbier – wollen wir“ (07)
Und wer würde bei Neuss nicht sofort auch an Butzbach und ZK denken! In der Abt-Möhler-Strasse residiert seit 2013 das Weserlabel vom ZK-Schlagzeuger Fabsi, die genaue Adresse dieses Städtchens bei Frankfurt am Main steht im Label-Online-Impressum (ich wollte euch nen bisschen, nur nen bisschen fordern, ein bisschen Initative, ein bisschen Mitmachen beim Lesen). Fabsi kam ja aus dem Rheinland, zog dann an die Weser und gründete dort sein Label.
„Junge, ich war bei der Artillerie“ (08)
In dem Augsburger Fanzine „Scheisshaus Njus“ von 1980 (mit unserem „Trust-Inferno-Howie“ als Verleger und unserem jetzigen Trust-Verleger Dolfs ersten Texten) erschien ein Konzertbericht zu ZK in München. Ich weiß den Autor nicht mehr und behaupte jetzt einfach mal, damit die Geschichte besser wird, das ein gewisser Howidolfi diesen legendären Konzertberichtsatz schrieb: „Ich glaube, der Sänger versuchte andauernd, Frank the Zander zu imitieren (mit nicht geringem Erfolg), ansonsten gab’s ziemlich stumpfen Idioten-Pogo. Nur „Nieder mit dem Weihnachtsmann“ war noch irgendwie lustig, hab mir ZK besservorgestellt. schade, aber: FORGET IT!“.
Ich persönlich als Jahrgang 1978 war nicht bei dem Konzert und fand Zanderstruck eigentlich immer lustig, jedenfalls musste ein Besuch von Campino´s Elternhaus in Mettmann-Metzkausen im Burscheidter Weg natürlich sein, die genaue Adresse wird in seinem Buch erwähnt, es wohnt seit langer Zeit eine andere Familie drin. Ich bin bei solchen Zielen tatsächlich maximal für eine Zigarettenlänge vor Ort, es gibt da nur drei Regeln für mich: zehn Meter Abstand, kein Foto, nie klingeln. Aber ich wollte doch mal sehen, wo die Figur wohnte, deren Kunst mich doch so glücklich machte. Ich war zu klein für die 70er Jahre, aber genauso wie diese Straße mit dem Friseur-Studio, so stelle ich mir den Vibe eines Samstag Nachmittags in den 70er vor.
„Wir sind auch nicht aus Frankfurt her, wo die Drogenszene alles erschwert“ (09)
Enter Düsseldorf und selbst besuchte Hosen-related-Sights, fangen wir am Düsseldorf HBF an. Dort könnt ihr euch bequem mit dem Band-Lieblingsbier Füsschen-Alt-1-Liter-an-Sektpullen-gemahnende-Flüssigbrotnahrung eindecken und dann zum Beispiel mit der U-Bahn einige Stationen zum JKP-Label fahren (Ronsdorfer Straße 74, Halle 14), die eigene Firma der Band. Man sieht nur das Gelände, auf das man natürlich nicht reinkommt. Ihr erstes eigenes Label war das Totenkopf Label, das befand sich laut Backcover der „Opel-Gang“-LP auf der Kölner Str. 170.
In den 80er Jahren existierte der Hosen-Proberaum in Flingern nicht weit weg vom AK 47 (Kiefernstraße 23), wo man gerne spielte und hin ging (Vgl. mein Interview mit Meyer77 und Thorsten vom AK 47 in der Trust #210 (2021) und #211(2022)). Im noch existierendem Haus der Jugend in der Lacombletstraße 10 spielte die Band auch öfters, dort fand auch 1988 die Lurkers-Reunion auf Campinos Geburtstag statt. Ich sah dort Anfang der 90er auch die Becks Pistols, wenn ihr genau beim Anfang vom ZK-Stück „Nieder mit dem Weihnachtsmann“ von Ende der 70er lauscht, dann hört ihr, wie die Band den Namen vom Becks Pistols-Sänger WW mehrmals ruft, er war damals mit im Studio. Ich weiß das nur, weil der mir das selber mal erzählte.
„I met her at the Jet Grill“ (10)
Lasst uns erstmal was essen, der legendäre Jet-Grill, der in einem Hörspiel-Stück auf der „Kreuzzug ins Glück“-Platte so genial gewürdigt wurde, befand sich in Flingern. Aber die genaue Location herauszufinden war schwierig, es gibt nur verstreute Spuren. Campino sagte mal: „Der „Jet Grill“ hat vor vielen Jahren dicht gemacht und so war es ihm vergönnt, unsere goldenen Zeiten mitzuerleben. Inzwischen hat sich dort der „Olympiakos Grill“ (oder so ähnlich) eingerichtet, der aber in unseren Augen an den Kultstatus vom „Jet Grill“ bei weitem nicht herankommt“.
In einem Fan-Forum hieß eine Adressenangabe „Bruchstraße Ecke Rosmarinstraße“. Ende 2020 kam dann die erhoffte konkreteste Info in einem aktuellerem Campino-Interview: „Es war eine fantastische Zeit, weil alle Toten Hosen – bis auf Kuddel – in Flingern im Umkreis von 200 Metern versammelt waren. Andi und Breiti wohnten auf der Bruchstraße, Trini und ich auf der Gaußstraße. In der Mitte, auf halbem Weg, war der Jet-Grill, für alle gut erreichbar. Unser Roadie und Freund Bollock wohnte eine Zeitlang über dem Grill. Dem hatten wir da eine Wohnung besorgt. Es war eine lustige Phase“. (Vgl. dietotenhosen.de/magazin/campino).
Tja, nun war ich auch neulich selber endlich da, wo dieser Grill ungefähr hätte sein können. Mit der nun feststehenden Gewissheit, das schwierigste Musik-Tourismus-Ziel weltweit beinahe gefunden zu haben, fuhr ich Altbier-beschwingt zurück nach Wohnort Frankfurt am Main. Nun muss ich nur noch in Bälde ungefähr 50 weitere Black-Flag-SST-Records-Locations vor Ort in Los Angeles abarbeiten, aber wie leicht jetzt alles werden wird, ich hatte jetzt ja den mächtigen Jet-Grill visitiert, was sollte jetzt noch schwer fallen!
„Wo der alte Schlossturm steht, da sind wir zu Haus“
Zeit, in die Altstadt an den Rhein zu gehen, Foto Am Alten Schlossturm (Burgplatz 28) machen! Die „Location“ ist prominent geworden durch den Karnevalssong „Das Altbierlied“, den die Hosen Mitte der 80er auf der „Damenwahl“ so genial coverten. Von da ist es nicht weit zur noch existierenden Punkkneipe Engelchen (Kurze Str. 15), dort testeten Band-Roadies früher wohl immer neue Hosen-Crew-Mitglieder zum saufen. Es sieht dort noch genauso aus wie in den 80er – würde ich zumindest mal meinen, ich war nur mal 2018 drin, weil die Lurkers um die Ecke spielten. Denn zehn Minuten vom Engelchen entfernt befindet sich auf der Ratinger Str. 10 der Stone-im-Ratinger Hof-Laden. Legende! Genauso wie John Peel, der auf BBC einen Hosen-Song Mitte der 80er für nicht weniger als die fucking Ewigkeit anmoderierte!
„Up next we have the last tonight from Toten Hosen, our guests from Germany. And it’s ‚Hofgarten‘. ‚Down in the Park‘ is how they translate it. And this is a Frege, Meurer, Von Holst, Breitkopf and Trimpop conversation. As well it might be“
Latscht noch ein paar Minuten durch die City und dann eröffnet sich der mächtige Hofgarten in der Innenstadt. Dort fing meine ganze Sightseeing-Tourgeschichte 1997 an, wobei ich glaube, das wir länger im Volksgarten waren, wir wollen das jetzt aber nicht zu eng sehen! Als gebürtige Leverkusener dachten wir uns damals „Hey, heute ist so geiler sonniger Tag, lass uns doch mit der S 6 nach Düsseldorf in diesen scheiß Hofgarten mal fahren, so oft waren wir eigentlich noch nie in Düsseldorf, was komisch ist, weil wir beide doch Hosen-Fans sind?“ – „Ja Mann, spitzen Idee, lass dat „Opelgang“-Tape hören und jede Menge Kölsch dabei trinken!“. Spontane Aktion, völlig sinnlos, sehr großer Spaß, das fixte mich für spätere Band-related-Sightseeing-Trips an.
„Evangelisch beigesetzt ruht er auf dem Südfriedhof. Wir werden ihn nicht vergessen, sein Tod ist ein Verlust“ (11)
So ziemlich am vorläufigen Ende meiner Hosen-Visiten 2022 war ich auch noch auf dem Südfriedhof (Am Südfriedhof 14), dort liegt ja die Gruft der Band und Crew. Man findet die sehr leicht, einfach durchfragen.
„Living in the jungle, it ain´t so hard. Living in the city, it will eat out, eat out your heart“ (12)
1991 starb Johnny Thunders in einem Hotelzimmer in New Orleans. Kurz vorher nahm er noch „Born to lose“ mit den Hosen in Düsseldorf auf und flog dann nach New Orleans. Das Hotel Inn on St. Peter liegt sehr hübsch mitten im French Quarter auf der 1005 St. Peter Street. Es gibt Fans, die müssen dann auch noch in dem Raum 37 übernachten, ziemlich eindrucksvoller Bericht von Laurie ist online auf untappedcities.com/2011/06/23/room-37-johnny-thunders-and-the-st-peter-house-new-orleans. Fuck! DAS ist Hingabe, DAS ist wahres Fan-Tum – und nicht dieses „Kindergarten-Foto-von-außen-machen“-Ding von mir. 2019 war ich für eine knappe Woche in New Orleans und schaute mir das Hotel natürlich an. Es gibt auch einen ziemlich guten Spielfilm über die letzten Tage von Thunders in der Stadt am Mississippi namens „Room 37: The Mysterious Death of Johnny Thunders“ (2019).
„Ronnie Biggs was doing time. Until he done a bunk. Now he says he’s seen the light. And he’s sold his soul for Punk“ (13)
Thunders kam aus der Glam-Punkszene von New York und war wichtiger Einfluss der Hosen, ganz wie der Punk aus London 1977, zentral natürlich die Sex Pistols. Sid starb 1979 im Chelsea-Hotel in New York (204 W 23rd Street). 2010 schauten wir uns im Rahmen der Visite der Yuppicide-Reunion im alten „Ritz“ (heute Webster Hall) das Chelsea-Gebäude mal an, immer noch sehr beeindruckend. Nach dem Chelsea-New York benannte sich übrigens auch das legendäre Kölner Chelsea Kunsthotel (Kippenberger wohnte da etc.), es hat NICHTS mit dem gleichnamigen UK-Fussballclub zu tun, wie ein Taxi-Fahrer neulich auf der Fahrt zum Chelsea-Köln nachdenklich spekulierte – aber vielleicht ja doch!
„Blau blüht Helgoland“
Abschließend noch zwei eher „indirekte“ Ziele, wobei: das ich natürlich auf Helgoland Hosen-historischen Boden betritt (siehe „Drei Akkorde für ein Halleluja“-Doku 1989), klar. Wir machten 1998 eine absolut großartige old school Kaffeefahrt für ein Wochenende von Leverkusen nach Helogland, volles Programm: Palette Dosenbier, Bus voller Rentner*innen, Heizdecken-Verkaufsgespräche, Überfahrt zur Insel.
Ganz grosses Tennis! Und ich musste Ende der 90er auch zum Heino-Café Bad Münstereifel (Nöthener Str. 10), das liegt südwestlich von Bonn und tatsächlich saß der Kollege mutterseelenallein vor seinem Café und unterschrieb einen Stapel Autogrammkarten. Aber jetzt zu dem hinzugehen war mir dann doch zu hart, aber Kaffee und Kuchen dort waren sehr lecker (Bäckermeister!) und er spielte 1995 einen sensationellen Auftritt auf dem Volksfest Leverkusen, mit Palette Hansa ging das wunderbar.
„Am 30. Mai ist der Weltuntergang, wir leben nicht mehr lang!“
Das Wackersdorf-Festivalgelände 1986 ist Pflicht. Ein CDU-OB fing an, die ersten Proteste gegen die Wiederaufbereitsanlage dort zu organisieren und es kam dann 1986 in der Oberpfalz zu einem großem Konzert, bei dem die Hosen so richtig bekannt wurden, es waren über 100 000 Besucher*innen da, mehr unter https://de.wikipedia.org/wiki/Anti-WAAhnsinns-Festival. Sie spielten dann den „30. Mai“-Song mit BAP, Grönemeyer und Co. und ich wollte mir die Gegend mal anschauen vor einigen Jahren, sehr gut ist auch der Spielfim „Wackersdorf“ von 2018.
„Wir stolpern einfach vorwärts in ein weiteres Jahrzehnt“ (14)
In meiner Pipeline an lose überlegten Zielen für die Zukunft, die einfach nette Anlässe für Reisen darstellen könnten: London Punk 77-Sights (Vgl. die ZDF-Doku von 2016, „Punk – London’s Burning – Mit Campino auf den Spuren des Punk“), natürlich Ronnie-Biggs-Wohnort-Adresse in Rio de Janeiro, eventuell auf dem Weg dahin Boxenstopp bei der Jesuiten-Kirche in Fürstenfeldbruck, dort wurde Anfang der 80er das legendäre „Eisgekühlter Bommerlunder“-Video gedreht und wie wir wissen, musste die Kirche in der Nähe vom Starnberger See neu geweiht werden.
„Schönen Gruß und auf Wiedersehen!“
Ich hoffe, ich konnte euch einige Inspirationen für nen schönen Musiktourismus-Ausflug liefern. 2020 befragte ich Campino fürs Trust, auch bezüglich einiger hier erwähnten Locations, das Interview findet ihr online (trust-zine.de/campino-203-2020/), es gibt auch noch einige Hefte mit dem Interview bei uns. Aufgrund dem 40jährigen Bandjubiläum 2022 gab es wieder eine Fülle von Büchern bzw. Berichten über die Band, das Büchlein der Rolling Stone-Redakteurin Birgit Fuss („Die Toten Hosen. 100 Seiten“, 2022) war ziemlich kompakt und klasse, Campino´s eigenes Buch „Hope Street – Wie ich einmal englischer Meister wurde“ von Ende 2020, das zum Zeitpunkt unseres Interviews Mitte 2020 noch in Arbeit war, ist natürlich Pflicht. Für mich war das Highlight 2022 die signierte „Alles aus Liebe: 40 Jahre Die Toten Hosen“-Jubiläumsvinylbox, aber es ist schwer, da immer hier auf dem Laufenden zu bleiben; wenn ihr das wollt, abonniert den Band-Newsletter, da kommen regelmäßig alle Infos, Lektüre-Tipps etc. Empfohlenes Reisegetränk: das Bandeigene Hosen-Hell Pils. Travel-Mix: ich hab da mal was vorbereitet!
Playliste „Ich hatte so viele Fragen, ich wollte dir noch so viel sagen“ (15)
Tja, man hängt ja doch immer an einer bestimmten Phase von vor 30 Jahren, als man
eben ihre Musik kennen und lieben lernte (und sich den 80er Kram, für den ich ja viel zu jung war, ganz schnell rückwirkend besorgte), es war ja alles Zufall: ihre damaligen Platten erwischten mich eben in dieser besonderen Zeit zwischen 12 und 18 Jahren, wo man seinen Musikgeschmack ziemlich umreißt und ausformt, deshalb konnten die späteren Hosen-Werke ja mich nicht mehr so emotional erreichen, das „Geschmacksfenster“ war quasi geschlossen.
Nichtsdestotrotz verfolge ich die Hosen immer seit der „Kauf mich!“ bis heute und nen paar echt coole Songs haben sie immer wieder wie zum Beispiel, „Bayern“, „Kein Alkohol ist auch keine Lösung“, „Steh auf wenn du am Boden bist“ oder „Scheiss Wessis“ bzw. mit Materia natürlich „Scheiss Ossis“. Und natürlich ihre diversen Coverplatten. Oder die Neuaufnahme alter Kracher wie „Das Wort zum Sonntag“ 2022.
01. 35 Jahre lang
02. Darling, let´s have another baby [von + mit Johnny Moped]
03. Azzurro [von Adriano Celentano]
04. Carneval in Rio (Punk was) [mit Ronnie Biggs]
05. Mein Hobby sind die Girls (als die Roten Rosen, RR) [von The Germans]
06. 1000 gute Gründe
07. Agent X
08. Smash it up [von + mit The Damned]
09. Alles aus Liebe
10. Alles wird gut
11. Am 30. Mai ist der Weltuntergang (live 1986)
12. Bis zum bitteren Ende (live 1987)
13. All die ganzen Jahre
14. Es ist nichts gewesen
15. First Time [von + mit Honest John „The World is an Orange“ Plain]
16. Großalarm
17. Halbstark (RR) [von The Yankees]
18. Blitzkrieg Bop [von + mit Joey Ramone]
19. Keine Ahnung
20. Ganzer Auftritt live Köln Luxor 1987
21. Police on my back (live 1987) [von The Equals]
22. Blitzkrieg Bop [Ramones]/Liebesspieler/Freitag der 13te/Do anything you wanna do [Eddie and the Hot Rods] (live Roskilde 1992)
23. Zwei Mädchen aus Germany (RR) [von Paul Anka]
24. Schönen Gruß und auf Wiedersehn
25. Schwarzwaldklinik (Demo 1985)
26. Testbild
27. Verschwende deine Zeit
28. Born to lose [von + mit Johnny Thunders]
29. Whole Wide World [von + mit Wreckless Eric]
30. Es ist vorbei (live 1984)
31. Letzte Wache (live 1984)
32. Vom Surfen und vom Saufen (als The Pebbles)
33. Shake Hands [von Drafi Deutscher]
34. Wir (RR) [von Freddy Quinn]
35. Für Gabi tue ich alles (RR) [von Gerd Böttcher]
36. Disco in Moskau [von The Vibrators]
37. Geld, Gold und Glück
38. Heute hier morgen dort live 2013 [von + mit Hannes Wader]
39. Verflucht, verdammt, gebrandmarkt
40. Dirty Pictures [von + mit Martin Gordon (Radio Stars)]
41. Reisefieber
42. Glückspirat
43. Brickfield Nights [von + mit The Boys]
44. New Guitar in Town [von + mit Lurkers]
45. Mit wehenden Fahnen
46. The Hippy Hippy Shakes [von The Swinging Blue Jeans]
47. Conrad (ZK)
48. Heimweh (so schön war die Zeit) (ZK) [von Freddy Quinn]
49. Blitzkrieg Bop (mit den Ärzten live Düsseldorf 2022)
50. Medly (RR): Cinderella Baby [Drafi Deutscher], Ich kauf mir lieber einen Tirolerhut [Billy Mo], Der Fahrstuhl nach oben ist besetzt [Hazy Osterwald Sextett], Schöne Maid [Tony Marshall], Mama [Slayer], Adelheid [Jacob Sisters], Da sprach der alte Häuptling der Indianer [Gus Backus], Schön ist es auf der Welt zu sein [Roy Black]
„Punk was rotten, Punk was vicious, always being unambitious“ (16)
Ok, drei Zugaben noch, anbei meine drei bislang tollsten Momente mit der Band von Platz drei auf Platz eins nacherzählt. Auf Platz drei: es gibt das spitzen Video zu dem Ronnie-Biggs-Hosen-Song „Carneval in Rio (Punk was)“. In der Mitte sieht man ein Standfoto, auf dem Ronnie Biggs ein grünliches Getränk in die Kamera hält. Wenn man ein Video irgendwann 20 000 Mal gesehen hat, dann interessiert man sich auch für solche Details! Wat trinkt der Jung´ da? Bestimmt ein total cooles brasilianisches Geheimgetränk, das müsste Kollege D. in Frankfurt als gebürtiger Brasilianer doch wissen. Stelle im Video gezeigt, „Ist das dieses Cachaça für Caipirinha oder cooles Insidergetränk?“. Unter Tränen lachend die Antwort: „Ja, super Insidergetränk. Es ist Bier“. Obrigado!
„Samstag Nachmittag um halb vier, Fussballreportage und ein Bier“ (17)
Kurz nachdem das Interview von Campino gemacht war – „zufällig“ weiß ich das Datum und Uhrzeit (28.04.20, Punkt 15:30 Uhr kam der Anruf einer anonymen Telefonnummer) – besuchte ich meine Eltern im Norden. Bestes Gespräch ever am Frühstückstisch. Vater: „Und Sohn, was interessantes so passiert bei dir in der letzten Zeit?“ – „Eigentlich nicht, nee. Wobei: dieses Interview mit dem Toten Hosen-Sänger, das fand neulich statt, das war super.“ – „Ach, das ist ja dann sicher schön für dich gewesen. (überlegt) Du, sag mal, dieser Camino, der ist doch irgendwie bekannt oder?“ – „Ja, gibt mir doch mal den Käse!“.
„Und die Jahre ziehen ins Land…“
Und dann war da noch die Info einige Zeit nach dem Interview, als mir die Fotos fürs Layout geschickt wurden. „Campino hat das Interview viel Spaß gemacht und du hast gute Fragen gestellt“. Für mich war das natürlich der Ritterschlag. Einige Leser*innen meinten, ich wäre im Gespräch zu demütig gewesen und es wäre an ein zwei Stellen zu peinlich – und das stimmt, zwar ich hab auch kritische Fragen gestellt, aber ich würde es nie wieder zu jemand ausser Campino und Angus Young sagen, dass ich ein zweites Mal Geburtstag feiern würde, weil dieses Gespräch so toll für mich ist.
Kindergarten? Gewiss! Aber: ich würde jederzeit genauso wieder machen. Wahrscheinlich ist es sehr schwer nachzuvollziehen, warum jetzt genau der Typ und diese Band so wichtig für mich sind, ich versuchte es ja anfangs zu erläutern, warum. Jede*r von uns hat da andere Figuren („No more heros“ am Arsch), die man total bewundert und verehrt, was weiß ich, David Bowie, Iggy Pop, Philosophen*innen, Schauspieler*innen, Sportler*innen etc. Jedenfalls:
„Und wenn einmal der Abschied naht, sagen alle „Das hab ich schon immer geahnt“
Wenn ihr an solche Leute oder ihre Presse-Vertreter dann rankommt, eine Zusage kommt und es dann stattfindet und so jemand sich dann die Zeit wirklich nimmt für ein reines Fan-Interview, das man auch noch mal eben auf die doppelte Länge überzieht, so jemand total nett am Telefon ist, ausführlich dir antwortet, lustig, selbstkritisch, ernst…
Ich meine, übertrag das mal auf deinen Hero*inne, stell dir das bitte mal vor: du bist David Bowie-Fan, durch ihn bist du auf coole Gedanken und Taten und auf tolle Bands gestoßen, Türöffner blabla – und dann ruft der dich zu Hause an, du kannst den fragen, was du immer mal wissen wolltest, dann antwortet der auch noch dazu interessant – UND dann bleibst du aber voll cool und kühl, so Motto „Ach wat, das passiert ja andauernd, das de Dave mich anruft, „schon wieder der?!“?.
Echt? Na gut, ich finde: wie albern SOWAS ja wäre! Scheiß auf professionelle Distanz, ich machte es als Fan für ein fucking Fanzine. Ich glaube, ihr wisst wie und was ich meine! Wie gesagt, die „zu demütig“-Kritik war völlig berechtigt, ich will nicht nachtreten, sondern das nur nochmal mit etwas Abstand erklären.
Und jetzt habe ich wirklich nur noch zwei letzte Fragen diesbezüglich an euch: „Seid ihr alle gut drauf? Wollt ihr eine Limonade?“.
Text: Jan
Pics:
Schlachthof-Flyer: dth-dta.de
Okie-Dokie-ZK-Flyer-Booklet-Foto, Filmstill „Halbstark“-Videoclip, Foto Hotel New Orleans, Foto „Erste Welle Aftershow Konstanz“: Jan
Campino-Jan-Konstanz: Andrea
Anmerkungen
01. Im Original ein deutsch-amerikanischer Schlager, 1987 von den Roten Rosen aufgenommen, war dann irgendwann mal Bonustrack.
02. Aus „Verflucht, verdammt, gebrandmarkt“, im Original heisst es nur „Chateaux de Pois“, fuck, 30 Jahre falsch gehört!
03. Legendäre Ansage von Campino auf „Bis zum bitteren Ende live 1987“-Platte.
04. Der damalige Tourmanager Jäki Eldorado machte sich mit dieser Bandvorstellung auf ebenjener live „1987“ jedenfalls für mich unsterblich: „Seid ihr alle gut drauf? Wollt ihr eine Limonade? Ist PURPLE SCHULZ das Grösste für euch? Jungs, ihr seid auf dem total falschen Konzert…“
05. „Halbstark“-Textzeile.
06. „Conrad“ (ZK-Song)-Textzeile.
07. „Dosenbier“ (ZK-Song)-Textzeile
08. Antwort von Campino´s Vater Mitte 80er an der Konzertkasse in Düsseldorf. Er besuchte sein erstes Konzert der Band und wurde gefragt, ob er Ohrenstöpsel haben wollte.
09. „Modestadt Düsseldorf“-Textzeile.
10. Stück von 1991, war irgendwo mal Bonus.
11. „Ehrenmann“-Textzeile.
12. „Born to lose“-Textzeile.
13. „No one is innocent“-Textzeile. Den Song machten die Sex Pistols Ende der 70er mit Posträuber Ronnie Biggs in Rio de Janiero. Die Idee wiederholten die Hosen später mit Ronnie Biggs für die „Learning English I“ Anfang der 90er.
14. „Alles wird gut“-Textzeile.
15. „Letzte Wache“-Textzeile.
16. „Carneval in Rio (Punk was)“-Textzeile von Ronnie mit der Opelgang.
17. „Opelgang“-Textzeile.