Fabsi vom Weserlabel Teil 2 (#225/April/Mai2024)
Trust: Hast du so einen Favoriten bei den Mimmi‘s, also deinen Lieblingssong, den du immer noch gerne live spielst?
Fabsi: Es gibt viele, die ich unheimlich gerne singe. Wie „Das ist meine Welt“, der zum Beispiel gehört absolut dazu, weil mir geht einfach irgendwie jedes Mal das Herz auf, wenn ich irgendwo bin, dann sehe ich die Leute, die sind immer noch da, die leben noch. Und spielst du dann noch in einem geilen Club, das ist unsere Welt, das sind so Dinge. Das mag ich. Wie auch natürlich dieses zeitlose Stück, was du jederzeit singen kannst, „Eines Tages wird es passieren. Die Ratten werden unsere Erde regieren“.
Interview mit Fabsi vom Weserlabel (Teil II)
In der letzten Trust-Nummer erschien der erste Teil des knapp zweistündigen Interviews mit Fabsi vom Weserlabel und einer sehr ausführlichen Einleitung, warum das Ganze eben doch seine Berechtigung im Trust hat, auch wenn die Fun Punk-Flagge nicht „so oft“ im Trust geschwenkt wird. Ich rekapituliere kurz den ersten Teil, einige Aspekte werden hier im weiteren Verlauf jedenfalls nochmal angesprochen.
Die Idee für das Interview war ganz einfach: Ich fahr mit PUNKROCK!-Fanzine-Kollege und auch Weserlabel-Fan Obnoxious zu Fabsi nach Butzbach (40 Minuten mit Zug im Norden von Frankfurt) ins aktuelle Weserlabel-Headquarter, wir trinken Bier und ich stelle meine Nerd-Fragen zu früher und heute.
Es war einfach ein genialer Tag bei Fabsi, er holte uns vom Bahnhof mit der Karre ab, wir kauften Bier, redeten und da er abends zu Slime in Wiesbaden wollte, setzte er uns auf dem Weg dahin in der neuen Punkkneipe „New Rose“ in Frankfurt-Dornbusch ab, Obnoxious legte da später auf. Fabsi kam sogar nach Slime nochmal ausführlich im „New Rose“ vorbei. Es war also ein reines Fan-Interview bei Bier und Kaffee, die Themen des ersten Teils waren ZK, die beiden Rereleases von ZK und den Goldenen Zitronen und ihre Charts-Erfolge, die Hostages Of Ayatollah-Single auf Weserlabel und das Aufkommen von Ami-HC in der europäischen Adaption. Nun geht‘s endlich aber auch um die Mimmi‘s! Alles Gute nachträglich zu 40 plus 1 Jahren Weserlabel und Fabsis 66stem Geburtstag.
Wie schon in Teil 1 erwähnt, aber hier nochmal für die neu eingeschalteten Leser*innen: Die Mimmis rocken live immer noch, wie ich mich im April 2023 im Lagerhaus Bremen anlässlich 66 Jahre Fabsi und 40 + 1 Jahren Weserlabel überzeugen konnte. Dort spielte sowohl die alte 80er- als auch die aktuelle Mimmi‘s-Besetzung, es war auch der Abschied von der Konzertbühne für Gründungsmitglied Elli T. Sex (Mimmi‘s-Gitarristin und Fabsis Ex-Frau) und absolut toll für mich, dieses Old School-Lineup nochmal live sehen zu können.
Denn es war eben halt das letzte Mal, dass die Mimmi‘s-Besetzung mit Elli, Sylke, Lars (Knipp Gumbo) und Fabsi aus meiner Lieblingszeit, der „Alles zuscheißen“-LP bzw. aus dem Zeitraum 1986 bis 1990, zusammen auf der Bühne standen. Elli spielte mit ihrer Band Echoschleife die Vorgruppe, dort stand sie dann auch das letzte Mal vor dem Mikrophon. Im Oktober 2023 in Frankfurt am Main auf der „Enkeltrick“-Tour zusammen mit Elfmorgen waren Mimmi‘s auch klasse und ja, 2024 soll auch einiges passieren, wie ihr hier lesen könnt. Schaut doch ab und an mal auf facebook.com/DieMimmis vorbei, Fabsi haut da immer gut einen raus und dort ist die Lage natürlich immer auf dem neuesten Stand. Die Korrekturen übernahm auch wieder Kollege Obnoxious, thx! Eins noch: Niemand bestreitet, das ZK Fun Punk maßgeblich erfunden haben. Von daher war es für mich super klasse, zu verstehen, was die Hintergründe für die „moves“ von Fabsi in den 70ern waren. Opa erzählt von früher? Ich würde sagen: Das kommt immer ganz auf den Opa an! Genug von mir und: Vorhang auf für eine kleine Fun Punk-Show, hier kommt Fabsi, mein ganz privater Rockstar!
Fabsi, lass uns nach dem Schwenk auf die amerikanische Westküste und HC damals jetzt über die Mimmi‘s sprechen. Neulich hab ich mir erst eure tolle „529 000 Kilometer Mimmi‘s“-Diskografie gekauft. Euer Neil-Young-Cover von „Sugar Mountain“ kannte ich gar nicht, so großartig. Ich liebe auch das Original, Hut ab!
Vielen Dank.
Mein Lieblingsstück von Mimmi‘s ist „Oh Eyleen“. Gab es sie wirklich? Es ist nicht deine ex-Frau Elli, oder?
Nein, das ist nicht Elli. Wahrscheinlich passte das irgendwie, so als Wortlaut. Stichwort „Oh Eyleen, warum tust du dir das an?“, das war ja früher auch wirklich so: es gab unglaublich viele Punketten – ich sage mal Punketten – die super aussahen, supernett waren, total jung und sich dann unfassbaren Arschlöchern hingegeben haben und auch an Drogen kaputtgegangen sind. Es ist eine ausgedachte Person, aber die Story ist wirklich umzusetzen auf so viele Situationen von damals. Wo wirklich junge und zum Teil minderjährige Punkmädels sich absoluten Arschlöchern hingegeben haben, auch sexuell natürlich. Ich nenne jetzt keine Namen, aber schon zu ZK-Zeiten habe ich eine Band mit einer sehr lieben fünfzehnjährigen Sängerin kennengelernt, die früh sich alles reingezogen hat bis zu Heroin und keine Macht mehr über ihren Körper hatte und du konntest einfach nicht helfen.
Auf all den ganzen Tourneen mit den unterschiedlichsten Bands habe ich so viele nette aber kaputte Mädels kennengelernt und ich mir immer sagte: „OH… Warum tust du dir das an“. Aber um so mehr hat es mich Jahre später auf einer Tournee mit den Goldenen Zitronen gefreut, als eine Dame, ich betone extra DAME, vor mir am Merch-Stand und sagte: „Fabsi, bist du es, erkennst du mich?“. Ich war fassungslos, aber im gleichen Moment überglücklich, dass diese fünfzehnjährige Sängerin es aus dem ganzen Sumpf geschafft hat und die Lebensgeschichte war so spannend, dass man ein Drehbuch darüber schreiben könnte. Heute, im hohen Alter, da spielst du so einen Song, dann sagst du dir immer „Mensch, kannst du das noch spielen?“. Du hinterfragst dich dann selber, ist das noch zeitgerecht, spielst das Stück und die Leute finden es immer noch gut. Also muss es wohl zeitlos sein und passt in unsere heutige und wohl auch zukünftige Welt. Was bis heute keiner moniert hat, da kommt ein einziger komischer Break drin vor, der macht mich live immer noch fertig und bringt mich aus dem Textkonzept! (lacht)
Ist „7 Jahre doof“ dann auch ausgedacht? Den Song liebe ich auch sehr, danke dafür.
Irgendwie beruht der ja darauf, dass du sieben Jahre, diese berühmten sieben Jahre, zusammen bist und dann gehst du auseinander. Man sagt doch immer „Das verflixte siebte Jahr“. Daher kommt das. Komischerweise war es auch im Bekanntenkreis unglaublich treffend: Wenn du diese sieben Jahren überstanden hast, dann geht es ja eigentlich weiter. So ist das halt damals entstanden.
Die „Alles zuscheißen“-Platte finde ich so genial. Dazu eine völlig sinnlose Frage, ich bin eben einfach Fan von Mimmi‘s: Weißt du noch, auf welchem Acker das Coverbild entstanden ist, wo ihr da alle sitzt? (lacht)
Ja, das haben wir in Georgsmarienhütte gemacht, wo wir auch die Platte aufgenommen haben. Stefan Gross, damals Bassmann bei Pseiko Lüde & die Astros, hatte die Platte mit uns in seinem Studio aufgenommen und das Foto auf dem Acker geschossen.
Krass, also nicht bei Bremen?
Nee, bei Osnabrück. Und uns ärgert das eigentlich heute noch, das wir mit Stefan nicht auch den Endmix gemacht haben. Stefan hatte keine Zeit mehr und wir wollten die Platte so schnell wie möglich fertig produziert haben. Also nahmen wir Kontakt zu Uwe Hofmann, dem damaligen Ärzte Produzent, auf und in Berlin nahm das Schicksal seinen Lauf. Uwe hatte etwas anderes für den Mix im Kopf, wir wollten fertig werden und sind Kompromisse eingegangen, die man als Band nicht machen sollte. Als Stefan die fertigen Aufnahmen hörte, da war er stinksauer auf uns und das mit Recht.
Wir hätten einfach den ungeschliffenen Aufnahmemix nehmen sollen und die Platte wäre ein Hit geworden, sag ich jetzt mal so. Damals, also, die Mimmi’s haben ja so viele Fehler gemacht, wie es keine andere Band machen kann. (lacht) Wenn man mal so sagt, wieso ist diese Band nicht erfolgreich geworden oder sonstiger Kram? Das hat so viele Gründe, die den Rahmen sprengen und eine Sondernummer dem Trust abverlangen würde. (lacht) Ich erzähl es dir in Kürze und ein bisschen kann ich mich auch an die Worte von Elli erinnern. Was viele nicht wissen: nach der Abschiedstour von ZK zog ich von Düsseldorf nach Bremen und Elli und ich gründeten die Band Slipeinlage mit Monika am Schlagzeug. Vielleicht lag da schon der Fehler, dass wir im Oktober 1982 uns von Slipeinlage in „Die Mimmi´s“ umbenannt haben, da wir der Meinung waren, unter Slipeinlage kann man keine geplante Single über den SV Werder raus bringen.
Die Idee bestand von Anfang an darin, dass ich am Frontgesang stehe und der Instrumentenbereich komplett mit Frauen bestückt wird. Das Musikerin-Roulette drehte sich aber schon nach den Aufnahmen der Werder-Single, bevor diese überhaupt rauskam. Alleine der Bassistinnen-Verschleiß war wie am Fließband, bis Sylke in die Band kam. Warum war das so? Die älteren unter den Trustlesern/in werden die nachfolgenden Zeilen verstehen, die jüngeren, hoffe ich, können sich rein denken. Elli sagte mal: „Sie ist den Zickenkrieg leid und wenn ich meine Tage habe und ein Mimmi´s Konzert ansteht, dann gibt es Mittel, um das zu überstehen“. Damals waren die Umstände der Konzerte aber auch was ganz anderes als heute. Wenn ich heute das gleiche AJZ oder den Club oder die Konzerthalle anfahre, welche ich vor dreißig oder vierzig Jahren bespielt habe, dann hast du zum Beispiel ganz andere hygienische Voraussetzungen. Das gab es ja früher alles nicht. Da gab es eine Klapptür, da hieß es nur „Fabsi, kannst du dich bitte mal vor die Tür stellen, ich gehe jetzt kacken“. So, dann hast du dich vor die Tür gestellt, wenn jetzt einer kam, sagtest du dem „Verpiss dich“.
Das war damals so. Das war alles total anstrengend. Bis Mitte der 80er Jahre hast du fast immer privat gepennt, aufgeteilt auf verschiedene Wohnungen, in besetzten Häusern, im Club auf der Bühne oder im Abstellraum. Du pennst eben nur in verlausten Betten, die Küche total ekelig, du schläfst im Wohnzimmer und dann wachst du in der Küche auf, weil die Matratze gewandert ist, weil du nicht wusstest, dass da drunter Kakerlaken waren. So, dass alles, das musst du erst mal mitmachen als Frau „in the beginning“! Das verpeilen viele, dass eine Frauenband ja nicht direkt reingeboren wird, so „wir sind jetzt Rock’n’Roll, uns mögen alle“. Nein, dass musst du auch sehr sehr wollen. Das musst du als Frau wollen, in der Scheiße und im Dreck da rumzuwühlen am Anfang. Betrifft zwar auch die Männer, klar, aber für die Frauen war das aus all den Gründen viel schwerer!
Heute ist es natürlicher, ich sage mal, heute ist es als Frauenband einfacher! Weil wenn du heute irgendwo hingehst, ist es in vielen Sachen viel angenehmer und viel schöner! Du hast heute getrennte Toiletten, Backstage-Duschen, spitzen Bandwohnungen, du hast das und das und das. Aber das Unangenehme, was du ja als junge Band auch immer noch hast, da musst du drauf eingehen können – und das nervt mich, dieses Gesabbel über Frauenquote, da könnte ich durchdrehen. Jede Frau kann jederzeit in die Musikbranche einsteigen, aber dem Zuhörer vor der Bühne muss es auch gefallen, denn es geht immer noch um Musik/Kunst und nicht um eine Quote und gerade im Punkrockbereich finde ich diese Diskussion komplett fehl am Platze und erniedrigt die Frauen, die in vielen Bands komplett Vollgas geben. Ich würde liebend gerne mehr Frauenbands, auch auf der Rockn Roll Butterfahrt, haben, bin aber dieses Jahr besonders am zeitlichen Rahmen gescheitert. Ich kann doch deshalb einem Veranstalter nicht den Vorwurf machen, der versucht, ein gutes Programm nach seinem Gefühl auf die Beine zu stellen. Entschuldige Jan, aber das regt mich voll auf, da ich das von einigen Festivalbookern und Bands immer wieder höre.
Überlegst du, Re-Issues von den Mimmi‘s auf Weserlabel zu machen?
Nein, die CDs laufen aus, Vinyl gibt es schon nicht mehr, weil der Markt will es ja auch nicht. Und wenn du Vinyl machst, kostet das ein Vermögen. Wenn wir eine neue Platte machen würden, da liegen wir bei 1500 Stück. Da wäre ich froh drum, wenn ich die verkaufen würde. Es ist leider so. Es ist total schwierig geworden. Vielleicht wäre es mal so ein Ding, so die Lieblingssongs…
So Boxsets, 180 Gramm etc.? (lacht)
Nein, das schaffst du gar nicht. Das haben wir ja auch bei den Brieftauben gemerkt, das kostet so viel Geld. Also, der Aufwand mit allem Drum und Dran. Und so eine Box, wenn du das bedenkst, so ein Kackboxkarton, den ja nun jeder kennt, da kostet der Karton fünf bis sechs Euro, nur der Karton! Es gibt so wenig Firmen, die den Scheiß noch herstellen. Deswegen haben wir ja einen Pizzakarton beim Abstürzenden Brieftauben-Album genommen, der Aufwand war aber trotzdem immens, zumal sich keiner vorstellen kann, was das bei 1500 Stück für ein Volumen war und ich musste zweimal mit einem Sprinter zum Vertrieb fahren und dann mussten die Teile auch noch einzeln mit Plastikfolie eingeschrumpft werden.
Hast du so einen Favoriten bei den Mimmi‘s, also deinen Lieblingssong, den du immer noch gerne live spielst?
Es gibt viele, die ich unheimlich gerne singe. Wie „Das ist meine Welt“, der zum Beispiel gehört absolut dazu, Weil mir geht einfach irgendwie jedes Mal das Herz auf, wenn ich irgendwo bin, dann sehe ich die Leute, die sind immer noch da, die leben noch. Und spielst du dann noch in einem geilen Club, das ist unsere Welt, das sind so Dinge. Das mag ich. Wie auch natürlich dieses zeitlose Stück, was du jederzeit singen kannst, „Eines Tages wird es passieren. Die Ratten werden unsere Erde regieren“. Wir hatten mal die Idee, und das könnte vielleicht mal so sein, dass man sagt – es gibt ja jetzt die „Was‘n hier los“ nicht mehr – es lohnt sich nicht, die wieder nach zu pressen. Ist leider so.
Da gibt es jetzt bei Spotify alle Alben, das kann sich jeder anhören, den ganzen Kram. Eventuell ist unsere Idee, und das finde ich ganz gut, dass man sagt, die Band covert sich mal selber. Die Band ist ja komplett anders heute aufgestellt als zu Anfang und in der Zeit bis zum „Das ist meine Welt“-Album. Obwohl Nici schon seit 2002 und Elf seit 2005 dabei sind und zuletzt Alex elf Jahre am Schlagzeug saß, drehte sich bei den Mimmi‘s das Musikerkarussell des öfteren. 25 Musiker haben bis jetzt das Mimmi’s-Karussell betreten. Die Mimmi‘s hatten leider nie die Chance wie zum Beispiel die Toten Hosen, die immer noch mit der gleichen Grundmannschaft zusammen sind. Die Idee ist also, dass man eben sagt, man nimmt so ein paar Klassiker wie „Eines Tages wird es passieren“ und nimmt das mit der jetzigen Besetzung auf. Weil ich merke das immer wieder, wie diese Stücke Charme gehabt haben.
Also eben auch so komische Breaks wie bei „Oh Eyleen“, wo, wenn wir heute drauf schauen, dann eben denken „Könnte man auch raus nehmen“! (lacht) Danny, der neue Drummer, der hat sich das angehört über Spotify und meinte: „Hört mal, ihr spielt falsch“.„Wieso?“, „Da kommt erst der Break“, „Nein, den haben wir raus genommen“, „Ach so“! (lacht) Gut, diese Songs von damals haben heute natürlich viel mehr Power, die sind jetzt komprimierter, auch die Breaks – so dass man jetzt eventuell sagen könnte, dass man jetzt so richtig geile Klassiker nochmal neu aufnimmt, die hämmert man ein und mischt die mit der heutigen Wucht und Power. Also gerade Klassiker. Wenn du die „Alles zuscheißen“ anhörst, das ist natürlich alles von der Gitarre sehr breit und wie das passiert ist, habe ich ja bereits erwähnt. (lacht)
Aber wenn ihr das neu aufnehmt, dann müsst ihr natürlich „Hör mal, hast du mal ´ne Mark“ – auch so ein geniales Stück – in „Hast du mal einen Euro“ umschreiben, oder? (lacht)
Wir würden das umändern auf die Neuzeit wie auch bei „Halt‘s Maul, heiliger Paul“, da setzen wir einen neuen Namen ein, so passend der Text allerdings auch schon damals war.
Fabsi, wie kamst du dann in den Taunus hier in Hessen? Von Elli, deiner damaligen Frau und Mimmi‘s-Gitarristin, hast du dich ja getrennt. Hast du jetzt eine neue Liebe gefunden oder wie kam es zur Umsiedlung vom Weserlabel?
Ja, das ist so passiert. Die Trennung hatte bei Elli und mir wahrscheinlich viel damit zu tun, dass meine Mutter damals Selbstmord begangen hat. Meine Mutter hatte mein Musikerdasein immer unterstützt, sie war auf dem ZK-Cover von „Eddie´s Salon“, sie war auf dem Cover der ZK-EP „Das Grauen geht auf große Fahrt“, wo sie den Punk mit einem Regenschirm verprügelt, sie ist auf dem Song „Conrad“ am Ende zu hören mit dem „Rotzlöffelspruch“, sie hat fast alle Konzerte von ZK im Ratinger Hof und Okie Dokie besucht, sie machte für ein Toten Hosen-Weihnachtskonzert der Band eine riesige „Weckfrau“ – Erklärung: zu Weihnachten gibt es in Düsseldorf gebackene Weckmänner – , meine Mutter backte eine Weckfrau mit Brüsten und Schambehaarung aus Rosinen. Sie war also immer gegenwärtig, auch hat sie Die Mimmi´s besucht, wenn wir in Düsseldorf waren.
Da ging eine Menge Gleichgewicht bei uns verloren, im Nachhinein betrachtet viel stärker bei mir. Wir haben 1993 – 1994 zwei Kinder verloren vor der Geburt. Vor beiden Fehlgeburten hatten wir mit dem Weser Label bereits weit im Voraus zwei große Tourneen gebucht, einmal mit The Busters (USA-Tour) und einmal mit Chelsea (D-Tour). Auf beiden Tourneen war ich als Tourleiter gesetzt und Elli und ich haben besprochen, dass eh nichts zu ändern ist und wir noch mehr Verlust einfahren, wenn ich die Tournee nicht begleite. Heute gesehen war es aus meiner Sicht ein Fehler und ich hätte zu Hause bleiben sollen. Nach der ersten Fehlgeburt haben Elli und ich im Januar 1994 geheiratet, wir hatten daraus Kraft geschöpft, planten mit den Mimmi´s ein neues Album, waren fest am Proben. Im Juni 1994 kam dann per Telefon die Nachricht von der Kripo Düsseldorf. „Ihre Mutter hat sich in der Wohnung aufgehangen, bitte setzen Sie sich in den Zug, fahren Sie nicht selber, kommen Sie sofort nach Düsseldorf, wir haben hier ihren aufgelösten Vater“.
Das geschah alles einen Tag vor Mutters Geburtstag, mein Bruder war noch auf der Rückreise von seinem Urlaub, Elli und ich wollten eigentlich am nächsten Tag zur angesetzten Geburtstagsfeier nach Düsseldorf fahren. Und das hat komplett alles aus dem Gleichgewicht geworfen. Da ist eine Menge zerbröckelt, auch die Besetzung mit Olli und Sylke, wenn man das mal alles so betrachtet. Die Geburt unserer Tochter Gina 1996 hat uns zwar nochmal einen Schub gegeben und es ist das Beste, was wir jemals produziert haben, aber dieses glücklich sein war nicht mehr da. Mit Elli verstehe ich mich aber weiter super und wir haben uns sehr gefreut, dass wir beim Mimmi´s Jubiläumskonzert am ersten April 2023 zusammen auf der Bühne standen. Elli hatte ja eine eigene Band in Bremen, Echoschleife, eine fantastische Band und ich habe deren einzige CD auf dem Weserlabel veröffentlicht.
Für einige Zeit spielte bei Echoschleife auch Sylke, ehemalige Mimmi’s-Bassistin und ex-Mimmi’s-Drummer Lars mit. Lars spielt ja auch noch solo und mit eigener Band unter dem Namen Knipp Gumbo. Elli rief mich vor dem Konzert an und sagte: „Fabsi, ich schaffe es körperlich nicht mehr, auf der Bühne, um Konzerte zu geben und ich beende meine Live-Karriere mit dem Auftritt am 01.04.2023“. Ich habe erst einmal geschluckt, konnte es aber voll verstehen und wir sind froh, dass wir im Lagerhaus Elli so einen tollen Abschied bereiten konnten. So, wie wir zusammen angefangen haben, in einem kleinen Rahmen, viele Freunde und Wegbegleiter sind aus ganz Deutschland angereist, es flossen Tränen, Gänsehaut, Gunda, unsere erste Sängerin, stand mit auf der Bühne.
Ein Abend voller Emotionen, so wie man es sich eigentlich wünscht, wenn ein Lebensabschnitt zu Ende geht….[Handy läutet, Tochter dran: – Hallo Gina… Nein! Gina, ich kann gerade nicht. Ich mache Interview mit Jan vom Trust. Ja, ich melde mich morgen Nachmittag…].. Also… neue Liebe in Hessen, seit 2011 Jahren bin ich hier. Ja, ist schön hier. Schöne Wälder. Kannte ich vorher nicht an der Küste. (lacht)
Es gab die „Festival der Volksmusik“-Reunion-Tour 2014, ich fand das Tourbild, diesen Exploited-Schädel mit der Clownsnase, absolut genial, wessen Idee war das?
Wir kamen da drauf und dann hat Stevie, der Weserlabel-Graphiker von früher, ein Wuppertaler Old School-Punk und Mimmi‘s-Fan, das umgesetzt. Stevie hat viele Weserlabel-Kataloge zusammen mit Karsi (Mitgründer des „Rockwurst Restaurant“) gemacht. Stevie hat heute in Bremen das „Made in Bremen“-Kaufhaus, kennst du das?
Nein, sorry.
In der Innenstadt gibt es das Kaufhaus „Made in Bremen“, der verkauft dort nur Sachen, die in Bremen hergestellt werden, meistens von kleinen Händlern. Ob Seife, Gin… Mimmi‘s-Platten aber nicht! (lacht) Aber so haufenweise Sachen, Schokolade und er kreiert so total verrückte Sachen. Made in Bremen, sehr erfolgreich, geile Webseite, hat auch von Michaela Schaffrath einen leckeren Eierlikör im Programm, den habe ich mir natürlich auch gekauft. Stevie hat dann auch das Poster zur Tour sowie das Albumcover der „Fun Punks not Dead“ zusammengestellt. Wir kamen auf die Idee mit der Exploited-Verarschung, er setzte das genial um.
Als ich euch mit Obnoxious 2014 auf dieser Tour in Frankfurt sah, da fiel mir damals schon eine Frage ein. Vielleicht ist die auch zu intim, du musst sie natürlich dann nicht beantworten: Wenn du im Rahmen eines Mimmi‘s-Konzerts auftrittst und du trägst einen lustigen Anzug, gibst dann den Clown…? Wie ist das, wenn das Leben einen nicht so gut behandelt? Ist das dann sogar gut, wenn man in so eine Verkleidung schlüpft und man spielt jetzt so eine Rolle oder wie bist du damit umgegangen, den Clown live zu spielen, wenn du dich eigentlich gar nicht danach gefühlt hast?
Es gibt Zeiten, die sind unglaublich schwer. Das hat nichts mit dem Alter zu tun. Es hat mich schon immer so ein bisschen geprägt. Ich war ja der Clown, schon immer. Ab meinem zwölften Lebensjahr, wo ich die Treppe runter gefallen bin und meine Milz verloren habe damals. Ich wollte ja eigentlich Eishockeystar werden. Und wäre es wahrscheinlich auch geworden, sage ich jetzt mal ganz brutal. Da lasse ich jetzt so richtig das Ego raus hängen, weil ich als Kind richtig gut war. Also, ich habe Eishockey gespielt und wollte bei der DEG (Anm. Jan: Düsseldorfer Eishockeyclub) anfangen, dann haben die mich mal ins Training geholt, Probetraining und so weiter. Die DEG wurde Deutscher Meister.
Das hat man als kleiner Junge ja auch mitbekommen. Ich war immer Eishockeyfan. Meine Eltern haben mich da immer mit hingenommen. Mein Bruder und ich waren immer da. Heute auch noch, deswegen war ich auch letztens in Frankfurt – leider fünf Schüsse aufs DEG-Tor von den Frankfurter Löwen, vier davon drin, obwohl DEG die dermaßen an die Wand spielte, 3:4 verloren, war aber tolles Spiel mit allem, was das Eishockey zu bieten hat. (lacht) Also, das war ganz früher für mich mein Leben. Eishockey war mein Leben. Die Eishockeyschläger habe ich immer noch und letztens von Bremen nach Butzbach gebracht. Dann habe ich also meine Milz verloren und die Trainer haben gesagt, dass sie Angst wegen möglichem Bandencheck und so weiter und so fort haben – und da hast du natürlich irgendwann den Faden verloren. Und dann kam mein Bruder und hat mich mitgenommen zu Small Faces und das war halt dieses Konzert in der Rheinhalle Düsseldorf, was sehr bewegend für mich war.
Rheinhalle Düsseldorf?
Das, was heute die Tonhalle ist, war früher die Rheinhalle. Da passten 2000 Leute rein, alles im Sitzen. Da waren wirklich sehr spannende Konzerte, wie das von Grateful Dead! Ich habe deren Konzert gesehen, was so fast fünf Stunden gedauert hat. Die haben unendlich lang gespielt, dieses riesen Layher-Gerüst aufgebaut und da hunderte von Boxen drauf geknallt. Diese ganzen Dinger, den ganzen Rotz habe ich mir dann angeschaut. Komplett. Ich bin überall hingefahren. Nach Essen, Köln und weil ich später kein Geld mehr hatte, habe ich gerade in Düsseldorf ein wenig nachgeholfen. Ich kann das nochmal ausführen: Die Karten im offiziellen Vorverkauf hatten sich immer nur farblich unterschieden, immer gleiche Größe und Papier. Die waren entweder rot, blau, grün oder gelb und wurden nur mit dem jeweiligen Bandnamen gedruckt und auf der Rückseite war immer die gleiche Werbung.
Ich hatte immer eine Tüte voller alter zerrissener Karten dabeigehabt und dann mit ein paar Kumpels den folgenden Trick entwickelt: Wir haben für eine Person den Eintritt gesammelt, jeder immer so 50 Pfennig-1 DM, zehn-fünfzehn Leute, und dann haben wir einen ausgesucht und da rein geschickt. Der also rein, eine Karte gekauft. Das war ja früher anders und nicht wie heute, dass da amtliche Security stand, sondern das waren ja städtische Angestellte, die standen da mit ihrem Käppi, wie so ein Schaffner und haben die Karten abgerissen. Und wenn die Leute dann so durchgehen, dann wurden die Schnipsel immer in kleine Mülleimer geworfen. Den, den wir rein geschickt hatten, der packte aus dem Eimer die Schnipsel in eine Plastiktüte und die wurde übers Toilettenfenster nach draußen geworfen.
Und ich hatte mein Besteck mit Spezialkleber. Und dann immer, „Was haben wir heute, blau? Alles klar.“ Blaue alte Tickets aus meiner Tüte geholt, die sauber abgeschnitten und dann an die Tickets aus dem Toilettenfenster geklebt, so dass der Abriss dran war. Wir haben so immer den Abriss neu gemacht. Da gab es nur einen Trick: Immer die Karte festhalten, wenn der Ordner die abreißen wollte. Das hatte einen Grund und zum Glück wurde ich nur einmal erwischt bei Bachmann Turner Overdrive. Da hatte der Typ am Eingang das Ticket mir aus der Hand genommen, abgerissen und dann hat er plötzlich zwei Schnipsel an seinen Fingern kleben gehabt, ich bin dann natürlich sofort raus geflogen. Später ging dann die Stürmerei von den Leuten draußen – auch von uns – los. Quasi Baumstamm genommen oder was da rumlag und dann losrennen auf die Glastür. Da wurde wirklich durch den Eingang einfach rein gerannt. Meine Mama hat mir später alles an meinem grünen Parka zugenäht.
Ich habe ihr gesagt „Mama, die Taschen zunähen und alles, Gürtel, alles abschneiden“, „Wie bitte?“, „Mach das einfach“. (lacht) Hat sie alles gemacht. So, das bedeutet, wenn du durch gerannt bist, waren immer die Ordner hinter dir her. Dann grapschten die immer am Parka rum, die haben dich aber nicht erreicht, weil sie dich nicht festhalten konnten! (lacht) So haben wir alles gesehen, Santana, erstes Konzert, The Who, zwei Konzerte hintereinander, keine Tickets gehabt, da sind wir zweimal hintereinander rein. (lacht) Das war alles immer für mich faszinierend, die Konzerte sowieso, wie zum Beispiel Rod Stewart, also, Rod Stewart ist für mich immer so die Galionsfigur in diesem Rock’n‘Roll.
Ich habe das nie verstanden, warum fucking Rod Stewart?
Von ihm gab es eben auch einen der ersten Fanschals ever. Das war krass. Du warst Fan, also, du standest da vor so einem Stand, hast keine Kohle und siehst Fanutensilien damals, heute das Merchandising. Was haben die denn so? Die haben ja Schals. Und das kannte ich nicht. Den musste ich haben!
Das Bild ist so geil mit ZK im Partykeller mit dem besagten Schal!
Ich mochte Rod Stewart und die Faces immer. So, ich hatte Small Faces in der Rheinhalle gesehen und jetzt kamen sie mit Rod Stewart in die Phillipshalle und das war damals so: Rod Stewart hat den Rock’n‘Roll so raushängen lassen. Wir haben drei Stunden gewartet, bis irgendwas passierte, im Sitzen, da die Halle bestuhlt war. Du saßt da, immer eine Flasche Lambrusco dabei und Kartoffelpuffer von Muttern. (lacht) Du durftest ja alles mit rein nehmen, deine Getränke auch. Dann kam irgendwie ein Gabelstapler rein gefahren und fuhr zur Bühne. Dann holten die diesen braunen Kackflügel runter, fuhren den weg und brachten einen weißen Flügel und stellten den oben auf die Bühne. Einen weißen Flügel! Wir haben drei Stunden gewartet und es später erfahren, weil natürlich stand die Kritik in der Zeitung: Rod Stewart wollte einen weißen Flügel haben. So, dann kam die Vorband auf die Bühne, die haben wir komplett beworfen mit Kartoffelpuffern, Stühlen, alles.
Niemand wollte die sehen, „Verpiss dich“. (lacht) Dann endlich Rod Stewart, der hatte so einen Tigeranzug angehabt, so ein Overall-Dingens. Fingen an zu spielen! Dann standen die da oben und was für ein Konzert! Und Rod Stewart versteckte sich immer hinter den Boxen und machte so den Mannequin-Clown. Und dann ging er oben an dieses Klavier und machte dann mit den Fingern so einmal „Bing“ auf die Tasten! So nach dem Motto, „Nein, er hat heute keine Lust“. Deswegen haben wir drei Stunden gewartet, auf dieses weiße Klavier. Da wurde nicht mal drauf gespielt. Nie. Und da sagte ich, das ist Rockstar. Mehr geht nicht. Und wenn du englische Bands gesehen hast …
Ich mochte, wenn die in Anzügen aufgetreten sind. Obwohl ich die dann quasi in der Hardcore-Version erlebt habe, Isi als Teddyboy. Ich mochte immer Rockabilly-Musik, direkt am Anfang. Irgendwie ähnelte das dem Punkrock, natürlich habe ich die Ausschreitungen in England auch miterlebt, ich bin auch geflüchtet vor Teddyboys, weil die mich abstechen wollten. Genauso wie vor Skinheads, genauso wie vor Brutalo-Ted-Gangs! Als ich das erste Konzert von The Slits in London gesehen habe … Ich hatte damals eine Kodak-Kamera mit Blitzwürfel, machte meine acht neun Fotos, mehr konntest du ja nicht machen. Ich komme raus aus dem Laden, wir mussten alle zur U-Bahn.
Ich wusste gar nicht wo in London, am Arsch der Welt. Und dann standen auf der anderen Seite lauter Brutalo-Teds, so „Wir wollen den Punks auf die Fresse hauen“. Und dann wollte ich nur schnell den Laden da unter so einer Autobahn fotografieren, dann drückte ich drauf und plötzlich gab es einen Knall. Da ist oben der Blitzwürfel explodiert, weil der Blitzwürfel, da sind so Lämpchen dran. Da ist Gas drin. Und was ich nicht wusste – das habe ich dann irgendwann später mal nachgelesen – wenn die warm werden, dann entwickelt sich da irgendein Gas. Deswegen haben die immer gesagt „Nicht erwärmen“. Und dann bist du bei einem Punk-Konzert, in der Tasche der Blitzwürfel, das Ding explodierte. Und das hat sich angehört wie ein Schuss. Und mit einem Mal rennt diese ganze Horde los und ich hinterher. Und diese Teds prügelten uns da so durch.
Aber wie gesagt: Ich mochte Rockabilly-Musik schon immer. Und deswegen war das so verrückt, dass wir plötzlich einen wie Isi hatten, der die Sex Pistols mochte, aber der dann plötzlich Rockabilly-Musik total verinnerlichte. Der hatte das dann in die Band, also ZK, reingebracht. Und damit fällst du auf. Und in Düsseldorf war ja immer schon Rockabilly und Punks united größtenteils.
Daher hast du so deine Vorlieben für deinen legendären Anzug und Kostüme, krass!
Ja, das ist dann so eine Art Kostüm, wo man halt dann irgendwie Alltagssorgen – oder was einen sonst so runter zieht – doch so ein bisschen mit transzendiert. ZK hat es ja schon vorgemacht. Campi in Lederhosen, der Bengel war 16, geht in der Markthalle auf die Bühne, vor uns spielt Abwärts und was weiß ich nicht alles und dann gehen wir auf die Bühne um zwölf Uhr nachts in Lederhosen und singen noch „Freddy Quinn“, ich in Eishockeyhosen und mit so Bommeln dran. Da sagte doch einer, „Drehen die jetzt völlig durch?“ und es war erst der dritte Auftritt von ZK. (lacht)
War das dann echt nie so ein Problem für dich, man ist über 50 und so weiter, heute über 60 und gibt den Clown live?
67 jetzt ja. Also, ich sage mal ganz brutal: Jemand, der in der Autowerkstatt arbeitet, der zieht ja keinen Anzug an, sondern seinen Overall, weil er da unter dem Auto in der Ölwanne liegt. So, ich gehe auf die Bühne. Klar gibt es Bands, die ihre Berechtigungen haben, da wie die letzten Penner auf die Bühne zu gehen. (lacht) Aber ich mochte das nie, wenn ich so Fotos sah, da wusste ich schon, „So eine Studentenband“. Ich könnte kotzen.
So wie die Goldenen Zitronen oder so? (lacht)
Nee, Goldene Zitronen ja eben überhaupt nicht. Der Witz war: Wenn wir Mimmi‘s in Hamburg, im Norden, gespielt haben, da war immer so eine Horde Bekloppter in Pelz-Kunstfaser-Bibomänteln bei unseren Konzerten. Das waren die Goldenen Zitronen. Das habe ich erst später, als ich die kennen gelernt habe, verstanden. Die Mäntel habe ich teilweise noch in Bremen. In Hamburg sind wir nach solchen Nächten morgens zum Fischmarkt gegangen. Und da war da – wo jetzt diese Dreckshallen sind gegenüber vom Hafen – ja früher ein Riesentrödelmarkt.
Und da standen die Nutten und haben Schuhe verkauft und ihre Klamotten. Und da haben wir damals für fünf D-Mark diese Mäntel gekauft. Die abgefuckten Teile, in denen die sich an die Straße gestellt haben. Die haben wir Mimmi‘s auch auf dem Karnevalszugwagen in Neuss mal angehabt. Ich habe auch die Schlaghosen noch. Diesen ganzen Blödsinn, nur da pass ich nicht mehr rein. Meine erste von solchen Punkhosen, da bin ich nach London gekommen, da bist du in den BOY-Laden und sagtest: „Hier, ich möchte gerne eine Hose haben“. Rosa Tigerhose. Dann kamen die an, haben dir den Arsch abgemessen, deine Beine. „Wann fährst du?“, „In vier Tagen“, „Alles klar“.
Dann bist du nach vier Tagen hingegangen, hast ein paar Pfund hingelegt, dann hattest du deine Tigerhose. Die habe ich auch noch. Da pass ich mit dem Ärmel rein. (lacht) Verkleiden ist geil. Das ist so, du fühlst dich so, „Du gehst zur Arbeit“. (lacht) Das ist eine Verwandlung. Weißt du, ich habe so Anzüge… Da gab es so eine holländische Firma. Das erste Mal war so „Boah geil, was haben die denn für Anzüge“ und habe sofort zugeschlagen. Jetzt laufen alle an Karneval mit rum, mit diesen Din-A-Testbild-Anzügen usw… Kennst du ja. Dachte ich mir, „Scheiße, die werden so groß, das ist nicht mehr in. Ich hatte gar keinen Bock mehr, die anzuziehen, ich sehe aus wie ein Karnevalsclown jetzt“. Ich habe sie aber immer noch für besondere Schockanlässe.
Ich frage mich halt nur, wie schwer das sein muss… Dann hast du da so eine Lebenskrise und irgendwie gehst du auf die Bühne und musst dann halt den Lustigen spielen.
Das ist schwierig.
Ist das Entlastung?
Das kann Entlastung sein, aber ist auch schwierig. Das Schöne bei Mimmi‘s ist … Ich war ja Coronamäßig komplett angeschlagen. Und wir mussten dieses Nachholkonzert geben vom Haus der Jugend in Düsseldorf. Leider haben wir das Abrisskonzert 2020 nicht spielen können, da ärgere ich mich heute noch, komplett, dass wir das nicht machen konnten. Und das war jetzt halt im Volksgarten, draußen, Open Air und es wurde der Sache nicht gerecht. Ich habe mich echt geärgert. Wir kamen auf die Bühne, hatten unseren Spaß, konnten halt auch überhaupt nicht proben, live zig Fehler und so weiter – die Leute haben sich köstlich amüsiert.
Das ist weiterhin der große Unterschied von Mimmi‘s zu anderen Bands. Wir machen Fehler, stehen auf der Bühne und ziehen das durch. Aber wir können uns die Fehler auch erlauben. Andere Bands dürfen das nicht, so wieder neu anfangen und vorher sagen „Also, das war ja gar nichts. So ein Stuss, du spielst doch viel zu schnell. Ist das die Slide-Gitarre auf 5000 Volt?“ Dann wissen alle den Gag und verstehen das. Ich habe das jetzt auch in Düsseldorf gemacht. Ich muss ja Stützstrümpfe tragen. Ich habe zwei neue Kniegelenke. Ich werde voll der Titan hier. (lacht)
Sehen doch gut aus! (lacht)
Ja, ich habe meine Stützstrümpfe an, weil ich sonst nicht auf die Bühne kann, das geht gar nicht. Wie beim Eishockey. Jetzt habe ich mir bunte geholt, in orange, in grün, in blau. Finde ich geil. Dann trage ich irgendwie kurze Hose plus eben Stützstrümpfe. Und dann fragen mich welche „Sag mal, warum ziehst du jetzt bunte Strumpfhosen an?“ Da habe ich schon dazu gesagt: „Wir sind in der Genderzeit!“ Und ich sage auch, was mich ärgert, ich wollte einen Schottenrock anziehen. „Wie, du wolltest einen Schottenrock anziehen?“, „Ja, ich bin nicht nach „Strauß“ gekommen, weil den gibt es hier, Arbeiterladen Strauß, die haben wirklich diese Schottenröcke.
Und zwar, wenn die auf dem Dach herumkriechen, die haben die Dinger an. Ich kaufe mir den Schottenrock in grün und dann gehe ich auf die Bühne und dann habe ich genauso den Pimmel frei wie alle anderen“, „Das machst du nicht“, „Natürlich mache ich das. Im hohen Alter kann man den Sack hängen lassen“. (lacht)
(lacht) Super, dass 2023 das Helgoland-Piratenfestival stattfand. Stichwort Zukunft bezüglich Weserlabel, Mimmi‘s, Festival…
40 Jahre Weserlabel wären es ja gewesen 2022, natürlich alles fallen gelassen. Das holte ich 2023 am ersten April 2023 in Bremen im Lagerhaus nach, also 40 +1 Jahre, auch mit einer kleinen Dia-Show, wir fanden einige alte Sachen von damals, dazu gab es paar Dosenbiere und gleichzeitig konnte ich so auch meinen 66sten nachholen. Ging ja gerade noch so als Übergangstag 31.03. auf den 01.04.
Aber bitte mit Sahne. (lacht)
Das konnte ich mir noch erlauben, gerade mit letzten Sekunden 66, die Zahl des Teufels.
Und was ist so mit Weserlabel plattenmäßig?
Keine Ahnung. Isi hat ja nun aufgehört mit den Panhandle Alks, aber irgendwas angedeutet, dass er mit ein paar Kumpels vielleicht ein Unplugged-Ding machen will, das würde ich gerne herausbringen. ZK, weiß ich nicht, da liegt ja noch was brach, noch eine zweite eigentlich. Vielleicht bastle ich dran. Dann Mimmi’s, da ist vielleicht eben der Wunschtraum, diese alten Dinger aufzunehmen und dieses Jahr wollen wir eine neue LP machen, im Oktober dann nach Argentinien mit unseren Freunden von Zona 84 auf Tour gehen und Ende des Jahres im November/Dezember dann die neue Platte präsentieren. Das wären Pläne mit der Band.
Absagen werden wir nicht, außer, wenn wir Corona bekommen. Wir planen ja nicht so wie manche Bands gerade, wo eine Absage nach der anderen kommt, weil sie sagen, sie schaffen das nicht oder die Eintrittsgelder kommen nicht rein. Entweder machst du das Risiko als Band, auf Rock’n‘Roll-Basis in den Clubs, die es dringend benötigen … Die großen Hallen werden ja zum Teil unterstützt durch Sponsoren, aber die kleinen Clubs, die brauchen es ganz, ganz dringend, dass die eben überleben. Und deswegen kotzt mich das gerade an, diese Absagen, weil irgendwie der Vorverkauf nicht so läuft. Ja, die Leute kaufen gar keine Karten. Entweder ich fahre hin und die Leute kommen hin oder ich spiele vor zwanzig Leuten, dann ist es so wie früher, fertig.
Und dann natürlich die Rock’n‘Roll Butterfahrt wieder. 2023 klappte es im dritten Anlauf, die Rock’n‘Roll Butterfahrt hat wieder stattgefunden. Das Nadelöhr ist halt immer die Fahrt in Helgoland zur Düne. Wenn einer mal da war auf Helgoland … Wenn man zur Düne fährt, dann ist das ein kleines Bötchen, da passen 100 Leute drauf…
Sag mal, diese Butterfahrt auf Helgoland: Das kommt noch aus dieser Toten Hosen-Tradition?
Nein. Das sagen ja viele. Die erste Butterfahrt wären Toten Hosen gewesen usw. Ich war bei der ersten Fahrt, wo die Hosen spielen sollten auf Helgoland, dabei. Das hatte aber mit unserer Butterfahrt jetzt nichts zu tun. Hosen sollten damals spielen, dann wurde es von Behörden abgesagt. Die Hosen hatten damals auch bei mir genächtigt, dann sind wir alle da trotzdem hingefahren nach Helgoland, auf die Insel, da war Punk-Alarm. Es wurde Fußball gespielt und so weiter. Und bei diesem Fußballspiel war der 14-jährige Charles, den ich dann 2002 getroffen habe, als die Hosen irgendwo gespielt haben. Und dann war es so, „Mensch, du bist Charles? Wo kommst du denn her?“, „Helgoland.“, „Mensch, gibt es doch gar nicht“, sagt der „Ja, ich war damals dabei“. Wir kamen ins Gespräch.
Er sagt: „Wie, du bist von den Mimmi‘s?“. (lacht) Und dann haben wir uns besoffen. Dann sagte er: „Weißt du was? Ich möchte gerne, dass die Mimmi‘s auf der Insel spielen. Die Ärzte waren da, die Hosen waren da, ich möchte gerne, dass ihr spielt“. Dann hat Charles uns 2003 eingeladen. Es gibt dort einen Feten-Verein, die haben dann die erste Fahrt veranstaltet und Mimmi‘s und Schwarz auf Weiß spielten dann in der Nordseehalle. Zwei Jahre später rief Charles an: „Sagt mal, die Gemeinde hat eine Bühne in der Düne stehen“. Ich sage „Wo?“, „Eine Bühne in der Düne. Auf der Campinginsel, und die können wir benutzen“. Sage ich: „Und wie kriegen wir die Anlage da rüber?“…
Auf jeden Fall haben wir dann 2006 das erste Mal auf der Düne gespielt. Und da hat sich das plötzlich so entwickelt, es gab dann einen Kartenvorverkauf, dann gab es ein bisschen Ärger mit dem Verein, weil der Verein hat natürlich keine große Ahnung, so wie mache ich Rock’n’Roll-Business, wie lade ich Leute ein, wie hole ich Bands ran mit Übernachtung, mit GEMA, mit allem Drum und Dran. Und dann habe ich gesagt, wir müssen das selber machen, sonst funktioniert es nicht. Und so wurde ein Verein gegründet, also haben wir dem einen Namen gegeben, „Rock’n‘Roll Butterfahrt“. Die erste Fahrt hieß eigentlich noch nicht Rock’n‘Roll Butterfahrt, das ist aber dann später mit reingekommen, weil das war so der Startschuss.
Zum Ende hin: Hast du noch Grüße an unsere Trust-Leser?
An die Trust-Leser?
Leser*innen.
Oh, Leser*innen. (lacht) Fun Punk kann oft sehr ernst sein.
Wow! Sehr gut, sehr philosophisch. Ich weiß, sehr schwierige Frage: Was sind deine drei Lieblingspunksongs aller Zeiten?
Ach du lieber Gott. Also natürlich möchte ich „Teenage Kicks“ an meinem Grab hören. Ich meine, wenn John Peel schon auf meinem heiligen Sofa bei mir gepennt hat … Dann der zweite beste Punkrocksong aller Zeiten ist „Blitzkrieg Bop“, Ramones. Mein Bruder hat mir damals schon auf seinem Volksempfänger John Peel eingestellt. Hatte mir gesagt: „Das musst du hören“. Das war ja noch, als die UK-Army im Rheinland saß. Als Achtjähriger durfte ich meinem Bruder immer die Platten auflegen auf so einem Zehnerplattenspieler. Und da gab es auch „Charlie Brown ist ein Clown“ und „Barbara Ann“ und so. Diese Plattensingles, die haben mich fasziniert, als kleines Kind schon. Die Freunde von meinem Bruder fanden das immer gut, wie ich aufgelegt habe.
Dann musste ich immer um neun Uhr als kleiner Junge die Party verlassen. Wahrscheinlich wurde dann angefangen, herumzuknutschen. Und das hat mich geprägt, John Peel, diese Zeit, als Teenie. Mit den Ramones war es so: Damals im alten Käfer noch aus vor-ZK-Zeiten sind wir zur Neusser Stadthalle gefahren, kamen in ein Schneegestöber, wir wollten die Deutsch-Krautrockband Kraan sehen. Und kamen da an, es war wirklich hoher Schnee, ein Zettel an der Tür: „Konzert fällt aus“, Kraan steckt irgendwo im Schnee oder was weiß ich. Damals hatte man kein Handy gehabt. So.
Und dann sagten wir beide (es war mein alter Freund Frankie dabei, der leider auch nicht mehr lebt): „Scheiße, was machen wir jetzt?“, „Komm, wir fahren mit dem VW in die Altstadt und saufen uns voll“. Und wir fuhren los und ich hatte immer BFBS-Radio eingeschaltet und um acht Uhr abends war immer John Peel. Das war 1974 wo die Ramones sich gegründet hatten. Gerade ganz frisch. Und plötzlich sagte John Peel – er war irgendwie komplett aus dem Häuschen – er hätte eine Platte oder nen Tape bekommen, „Ramones, jetzt kommt `Blitzkrieg Bop`“.
Und in diesem 6-Volt-Käfer, der eh schon Krach machte, erklang diese Motorsäge von Musik! Und wir am rumfahren durchs Düsseldorfer Umland, ich kriegte echt Gänsehaut, das werde ich nie vergessen mit „Blitzkrieg Bop“, dieser Moment in der Karre auf dem Weg in die Altstadt. Und dann sagte John Peel „Das war es“. Und wir so „Hä? Was soll das?“. Keiner wusste ja Bescheid, niemand hat irgendwas verstanden oder richtig gehört, Ramones, irgendwas, wie hieß die Band? Und so fuhren wir in die Altstadt. Wir haben uns derart abgeschossen, waren dann in der „Mitzi“, so einem Rockschuppen. Und total am Durchdrehen gewesen. „Ramones!“. Wusste keiner von.
Dann bist du dann in den Plattenladen gegangen, „Ramones“! – kannte aber auch keine Sau. Die haben die nicht gehabt, weder auf dem Zettel noch sonst wo. Unglaublich, das war also ein sehr einschneidendes Erlebnis. Das andere mit „Teenage Kicks“, das war natürlich in London, ich hatte da meinen Plattendealer am Piccadilly Circus und das war früher so: Wenn einer in London war, der ist dann mit seinen Platten sonntags abends zurück in den Ratinger Hof in Düsseldorf gegangen, hat dem DJ dann das Päckchen gegeben und der hat die Platten dann einfach aufgelegt.
Da hatte man diese 50 oder 60 Leute, wie Peter Hein und wie sie alle hießen, die haben dann diese Platten gehört, ohne dass einer wusste, was es war. Also, ich war wieder in London und da sagte der „Hier ist dein Päckchen“, dann kam noch einer aus Nordengland und sagte mir „Hier, ich habe ne neue Platte, Siouxsie and the Banshees“. Das wusste ich „Die nehme ich mit“. Er gab mir noch eine von ner neuen Band mit, The Undertones. „Ja, pack die mit ein“.
Dann hatte er die noch mit eingepackt. Du bist ja damals echt nur mit ner Plastiktüte nach London gefahren, noch ne Unterhose dabei, fertig. (lacht) Zurück mit den Platten dann in Düsseldorf direkt in den Ratinger Hof, der DJ legt die auf und es kommt „Teenage Kicks“. Und ich weiß noch, wir waren so geflasht, das war es dann. Und der dritte Song, der natürlich alles bewegt hat, das war dann mit ZK. Wo wir nachdachten, was machen wir denn und üben wir oder was machen wir? Oder so. Keine Ahnung, in der Zeit kam ein Lurkers-Song raus, so „We are Chaos Brothers“, auf ner Flexi-Single, die spielten das live im Proberaum, machten Quatsch dabei, unterbrechen den Song, fangen wieder an, machen halt weiter Quatsch. Das war schon so sehr ZK-mäßig, so muss „Eddie‘s Salon“ schon unbewusst in unserem Kopf gewesen sein für später. (lacht) „We are Chaos Brothers. Chaos, Chaos, Chaos Brothers“. Und dann das Ende des Songs, unfassbar. Ja, das sind eigentlich meine drei Songs!
Und The Lurkers waren später auch auf deinem Label.
Und die waren auch auf meinem Label. Und dann gehst du mit den Lurkers und den Mimmi‘s zusammen auf Tour. Auch toll. Aber Höhepunkt war der Besuch bei Arturo, dem Basser und Sänger der damaligen Lurkers. Also, da fährst du zusammen mit Karsi nach London, pennst mit Arturos fünf Windhunden und zehn anderen Punks in seiner Wohnung und der ganze Haufen fährt dann in den Finsbury Park, um sich die Sex Pistols in London anzusehen und das auch noch während der Europameisterschaft am 23.06.1996. Wir kamen komplett zermartert, aber überglücklich nach Hause. Noch heute könnte ich meine Tochter Gina dafür knutschen, das sie nicht überpünktlich zur Welt gekommen ist, sondern sich zehn Tage nach dem Konzerttag Zeit gelassen hat, um diesen Erdball zu betreten. Mehr geht einfach nicht. (lacht)
Das ist doch ein sehr gutes Schlusswort, mein Lieber. (lacht) Nochmal von uns beiden, Oli und mir, vielen Dank für deine Zeit, Riesenehre, sehr geil!
Interview: Jan
Fotos und spirituelle Begleitung: Obnoxious
Kontakt: weserlabel.de