März 21st, 2020

CHRIS PAPA aus #82, 2000

Posted in interview by Jan

Spezialanfertigungen
CHRIS PAPA

In loser Folge gab es im TRUST über die vergangenen Jahre immer mal wieder Geschichten über Leute, die dem, worum es hier in der Hauptsache ja immer noch geht, nämlich der Musik, ein Gesicht geben. Leute, die sich der Gestaltung von Platten, Plakaten und anderen Drumherums widmen. Unsere #79 ziert ein Bild von Chris Papa, was sträflicherweise nirgendwo vermerkt war und hiermit nachgeholt wird. Wem der Stil bekannt vorkam, gehört vielleicht zu den Menschen, die im Besitz einer Ninewood-Platte sind, für die Chris nicht nur das Artwork besorgt, sondern bei denen er auch einen der beiden Bässe spielt und einen großen Teil der Musik erdenkt, über die ihr in unserer #76 mehr erfahren könnt. Da davon ein Existieren schwerlich ist, verdient Chris sein Geld vor allem mit seinen Bildern.

Bevor wir dazu kommen, möchte ich euch noch kurz mit dem Lebenslauf beglücken, den er mir folgendermaßen erzählte:

„Ich wurde an Weihnachten irgendwo in Virginia geboren, während des schlimmsten Blizzard seit zwanzig Jahren. Ich verbrachte meine frühe Kindheit, indem ich in einer wichtigen Zufallsprodukt-Fabrik in Harper’s Ferry, West Virginia arbeitete, wo der berüchtigte John Brown gegen die US-Regierung kämpfte. Dort führte ich verschiedene interessante Aufgaben aus, wie kleine hölzerne Kacheln auf einer flachen Fläche anzuordnen oder eine Kugel aus Stacheldraht mit einem sehr kurzen Stock über den Hof zu treiben. Gott sei Dank wurde ich in sehr jung Jahren Präsident der Vereinigten Staaten und konnte die Fabrik vor dem Ende der regulären Zeit verlassen. Ich war infolgedessen in der Lage, eine posthume Entschuldigung an den berüchtigten Abolitionisten John Brown zu erlassen, der unter dem Spitznamen ‚Little Sticky‘ zum Nationalhelden wurde.“

Was sagt man dazu? Ich schlage vor, wir fahren fort mit etwas völlig anderem. Zurück zu den weltlichen Dingen, die natürlich auch einen Künstler so drücken. Womit verdient Chris Papa nun sein Brot?
„Ich kann nicht unbedingt alle Rechnungen mit dem bezahlen, was ich mit meinen Illustrationen verdiene, aber es läuft ganz gut. Manche Monate sind besser als andere. Der Dezember war gut. Der Januar war furchtbar. Ich hoffe meine nächste Anzeigenkampagne wird das ändern, sonst muss ich wieder in meinem alten Beruf arbeiten und Bilderrahmen machen, was ich nie wieder machen will. Trotz der mangelhaften finanziellen Entlohnung sind die Illustrationen der beste Job, den ich je hatte. Wenn ich ihn habe…“

Ansonsten baut und verkauft er Möbel.
„Das ist auch nicht wirklich eine Goldmine, aber es hilft, wenn die kommerzielle Kunst nicht so läuft. Alles Spezialanfertigungen in meinem weirdo-style. Und ich fange an, Skulpturen zu verkaufen.“

Wie hat sich dein Stil entwickelt? Wer oder was hat dich da beeinflusst?
„Mein jetziger Zeichenstil – eigentlich ist es ’scratchboard‘ – war das Ergebnis des Versuchs etwas zu schaffen, das einerseits kommerziellen Appeal hat, andererseits Elemente beinhaltet, die mich selbst interessieren. Das würde wohl jeder Illustrator sagen… Eigentlich habe ich zwei Stile. Der eine sieht so aus, wie die meisten Sachen, die ich dir geschickt habe. Der andere ist eine ’niedliche‘, poppige Version davon und ist eher für die Mainstream-Medien gedacht. Ich habe dir, glaube ich, den explodierenden Zombie mit den Ratten geschickt. Der ist näher an meinem kommerziellen Stil. Es scheint zu funktionieren. Zu den Dingen, die mich inspirieren, gehören moderne Holzschnittkünstler, verschiedene Arten von Volkskunst, Eric Drooker, Goya, die Musik von Captain Beefheart, Bosch, Max Beckmann, Ornette Coleman, Tannenzapfen, Hummeln, Marc Ryden, die frühe industrielle Revolution und ein ganzer Haufen mehr.“

Hast du ein Lieblingscover?
„Uz Jsme Doma haben diese wunderschöne pop-up-Buch/CD von Martin Velisek. Wenn man das ein CD-Cover nennen kann, ist das mein Favorit.“

Hast du auch für andere Bands als Ninewood schon Plattencovers gemacht?
„Nein, niemand will diesen Scheiß.“

Die Szene, in der ihr euch als Band in Oakland bewegt scheint ja voll von Leuten zu sein, die nicht nur Musik machen, sondern auch alles mögliche andere Zeug. Chuck Squier, der früher bei Idiot Flesh und Mumble & Peg gespielt hat, hat zum Beispiel auch das Cover der Mumble & Peg-Platten gemacht, und Jenya, die ihn dort ersetzt hat, wird das nächste Cover für sie machen. Ist es auch auf dieser Ebene so, dass Leute zusammen beispielsweise Ausstellungen machen?
„Ich hatte vor kurzem in Oakland mit einem Künstler und Musiker namens Jerry McDaniel eine Skulpturen-Ausstellung. Ich mache große bemalte Holzarbeiten. Er hat das organisiert und mich eingeladen. Die Galerie, in der das stattfand, ‚Gallery 23ten‘, wird auch von einem Künstler und Musiker J.D. Schreiber betrieben. Ja, die Leute in der ‚Szene‘ helfen sich so schon ein bisschen aus. Ich fange gerade erst mit dem Bildhauern an, deshalb hatte ich noch nicht allzuviel Gelegenheit, diesbezüglich mit Leuten zu arbeiten.“

Was muss man tun, wenn man deine Kunst kaufen will?
„Mir Geld geben. Die Telephonnummer ist 001–510-236 9469. Meine E-mail-Adresse ist papamusgrave@prodigy.net. Kunst ist billig.“

***

Schlussendlich möchte ich euch noch auf die neue NINEWOOD-Platte namens ‚American Saltlick‘, zu der sich sicher anderswo noch ein paar lobende Worte werden finden lassen, und die NINEWOOD-Tour im Mai/Juni hinweisen. Wie ich wohl auch schonmal irgendwo gesagt habe, handelt es sich bei denen um eine wirklich hervorragende Band.

„Schabkarton ist eine Technik, bei du mit einem Metallgriffel die schwarze Tinte von einem weißen Karton schabst. Es ist irgendwo in der Mitte zwischen Holzschnitt und dem Zeichnen mit Tinte. Ursprünglich habe ich Holzschnitte gemacht, habe dann aber zu Schabkarton gewechselt als ich merkte, dass ich detailliertere Bilder brauchte, die schneller hergestellt werden können.“

Interview: stone/bilder: Chris Papa

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