Dezember 31st, 2022

Dr. Skaterock (#209, 2021)

Posted in interview by Jan

„Ein weiteres Highlight war das Interview mit den Clay Wheels, bei denen Ray Stevens II sang und Bass spielte. Ray kennt der ein oder andere vielleicht noch von so Skate-Rock-Legenden wie Los Olvidados, Drunk Injuns, Odd Man Out oder The Faction. Ich weiß noch, als ich eines Tages von der Schule heimkam und meine Mutter meinte, da hätte jemand aus Amerika angerufen, ein Ray Stevens oder so. Ich war total geflasht, dass mich der einfach so anruft. Ray hat mich nach dem Interview eingeladen, ihn in San Jose zu besuchen, was ich dann 1999 für drei Wochen tatsächlich gemacht habe, inklusive Mini-Skate-and-Rock-Tour mit den Clay Wheels und den Odd Numbers. Sehr geil fand ich auch, dass mir damals Glen E. Friedmann tatsächlich meine Fragen per Brief beantwortet hat. Und das für ein Erstlingswerk. Für das 80er Jahre-Buch steuert er übrigens auch einige Fotos bei. Von seiner professionellen und konsequenten Art kann man sich zentimeterdicke Scheiben abschneiden“.

Interview mit Flow aka Doc Skaterock

Als Flow aus Würzburg zwar schon als der Sachverständige für alle Musikrichtungen fungierte, die mit Skateboard zu tun haben, aber eben noch nicht „promoviert“ war, da lernte ich ihn Ende der 90er „kennen“. Über sein damalige Skate-Zine und im Plastic Bomb Zine (kann aber auch das Blurr gewesen sein) bot er später per Kleinanzeige seine Plattenliste an, er erwähnte ein paar Bands, die er auf Vinyl hätte, komplette Liste könnte man bestellen und er würde einem dann Tapes gegen geringe Gebühr überspielen aus seiner umfangreichen Punk-Sammlung. Ich bestellte mir die Liste, Halleluja, FANG, RKL, AGRESSION, EA 80, BEN E. KING, kurz: Jackpot! Das war damals gang und gebe, die Amis im MRR Zine offerierten ja auch VHS-Listen, so sah man dann zum ersten Mal Bands „live“ (Youtube gabs ja noch nicht), von denen man nie bewegte Bilder kannte, RORSCHACH, JUDGE, ganz frühe LAG WAGON. Jedenfalls überspielte mir Flow dann fünfzehn Tapes, beschriftete alles sehr schön und schickte die dann aus Würzburg in meine damalige Heimat Leverkusen, große Freude und die Tapes zogen dann mit mir mit nach Postdam und Berlin bis nach Frankfurt, ich habe heute noch alle. Da ich tatsächlich just gerade wieder ein Tape von Flow von damals hörte, als ich die Interview-Einleitung schrieb, schaute ich nach dem konkreten Datum, denn das Tape mit RKL, Aggression und Sacred Order war natürlich signiert vom Doc: „April 2003“.

“It´s always interesting to see how pop culture appropriates skating”
Flow veröffentlichte damals also eigene Zines, arbeitete im Anschluss bei anderen Heften mit und publizierte dann 2012 sein 200 Seiten-Killerwerk „Vintage Skaterock – Skateboard Music Of The 1960´s And 1970´s”. Details dazu (Vgl. vintageskaterock.de): “7“ format, hardcover, 350 colored scans of record covers and labels plus many photos and extras”. Und diesem Inhalt: “Vintage Skaterock covers every piece of music written, performed and/or waxed from 1960 till 1979 with any connection to skateboarding. The book comes with a complete discography of all Skaterock songs and records, including all the relevant information a collector (usually) needs (except where to find the rarities!)… Another chapter deals with the „History of Skaterock“. It takes a look at the chronological and geographical expansion of Skaterock and offers also some statistics”.

Das THRASHER Magazine adelte Flow´s Werk in ihrer Besprechung in der November 2012-Ausgabe: „This is an astoundingly well-researched and documented look at the representation of skateboarding in popular music in the 1960s and 1970s (prior to Mofo´s coining of the phrase and what we think of Skate Rock, ie, after punk). It´s a compendium that´s organized like an encyclopedia, with alphabetical listings and descriptions of the band and personnel, the song, and the record, as well as links to other bands and info on re-pressings and compilation versions. It´s an amazing artifact, and there are tons of photos of the actual records, artists, etc, and a thorough index. A lot of that stuff is kind of painful to listen to, but some of it is pretty good and it´s always interesting (if not mostly maddening) to see how pop culture appropriates skating and sells it to the masses (here, in music form). Und unser Dolf schrieb in Trust #156 (2012): “The reviews are not so much your common „music reviews“ but more a info on the orgin of the record, who recorded it and all this other collector info… Musicwise most of all in here is not punk, but pop, surf, 60s and weird stuff. If you want to get a first impression of most of the good stuff, the author recommends a compilation realesed by Diggler Rec in 2005, named „This is skateboard music“. Right said Freds!

„And the skating’s getting radical“
Die super Nachricht für uns Skatecore-Fans der 80er ist nun aber auch diese: Flow sitzt an einem zweiten Buch, nämlich über die 80er Skate-Core-Zeit, yeah. Ich hatte mir deshalb ursprünglich auch eine Frage zum „südkalifornischen Lokalpatriotismus“ im Skaten überlegt, weil mir neulich ein hübsches Rerelease der legendären Oxnard-Skatecore-Band AGGRESSION in die Hände fiel. Und die Gestaltung von der Platte, mit der andauernden Betonung mit „my beach“ und „Locals only“ nervte schon ein wenig, aber es bezog sich dort eben aufs Surfen und ja, vielleicht war oder ist es auch manchmal ironischer Lokalpatriotismus und auch wenn es selbstverständlich viele Bezüge von Surf zu Skate gibt, war mir die Frage dann doch zu „offtopic“, ebenso wie die Frage, warum eigentlich die meiner Meinung fürs skaten völlig instabilen Vans so beliebt sind und da fiel mir auch neulich noch das krasse Buch „A Skateboard-Trip to Monoglia“ in die Hände, aber es führt alles zu weit.

Prof. Dr. Skaterock!
Deshalb kommen wir nach diesem kleinen Schlenker zurück zu Flow. Vielleicht wird er mit seinem zweiten Buch über die 80er dann ja der „Prof. Dr. Skaterock“, er wird den Lehrstuhl an der Powell Peralta University Würzburg bekommen müssen. Denn es ist ja echt krass, wie sehr Flow das Skaten und den Soundtrack dazu wie eine wissenschaftliche Abschlussarbeit behandelt, aber so schön angenehm als Fan drüber schreibt. Es ist einfach toll, wenn jemand aus purem Enthusiasmus publiziert, ich bin immer schon Fan von Leuten gewesen, die aktiv sind in ihrem Metier, aus purer Leidenschaft als vorrangiges Motiv – wenn sie es dann noch auf diesem Akribie-Niveau wie Flow machen und keine totalen Trottel sind, die nur in ihrer eigenen Blase leben, super, dann will ich mehr wissen. Da es hier auch ein wenig um die 90er-Punk-Fanzines-Szene geht – vorrangig um das „blurr zine“ und Überschneidungen von denen zu Flow -: ich interviewte fürs Trust #159 (2013) auch den Macher und die Macherin des Endless Grind Skateboard-Spektakles in Bremen, d.h. Pascal aus Düsseldorf und Bettina vom Schlachthof Bremen, dort geht es natürlich auch um das „blurr“ Zine, bei Interesse findet ihr das Interview online auf unserer Homepage. Und wenn ihr schon dort seid, dann checkt doch auch mal den „Skatepunk“-Gastbeitrag über die Historie des Genres von unserem Texas- Korrespondenten David Emsminger aus Trust #140 (Flows Boardstein-Trust-Artikelserie zur Entstehung des Skatepunks in Südkalifornien ist auch komplett online).

Skate tonight!
Tja, obwohl ich in Sachen Skaten selber noch nicht mal lange auf einem fahrenden Brett stehen kann: die Skatepunk-Skatecore-Mucke liebe ich seit langem und deshalb heißt es nun zum Abschluss hin absolut kreativ „originell“ in Anlehnung an den „Possessed to skate“-ST-Song: „Let’s skate!“.

Verehrter Dr. Skaterock! In einem Interview mit dir auf sk8mag.de schilderst du deine persönliche Historie, ich hoffe, ich hab wichtige Eckdaten nicht übersehen: Ostern 1985 dein erstes Deck. 1990 Beginn mit Skatemusik. Drei eigene Skaterock Zine Ausgaben Ende der 90er. Der Grund für dein eigenes Heft war, dass du die genialen Berliner Disaster Area interviewen wolltest, weil du schriebst vorher für ein eher Oi-Zine, das passte nicht so ganz. Das alles spielte sich in deiner Hometown Würzburg ab oder?
Nee, das meiste davon ist noch in Ansbach passiert, einer Kleinstadt in Mittelfranken, in der ich aufgewachsen bin. Von da aus bin ich dann 1998 in die große weite Welt, ins unterfränkische Würzburg gezogen. Dort habe ich 1999 die dritte und bislang letzte Ausgabe des Skaterock Fanzines rausgebracht. Aber zurück zum Anfang. Im Jahr 1985 brachte der Osterhase meinem Bruder und mir je ein kleines, schmales Plastikboard vom örtlichen VEDES-Kinderabzock- Fachgeschäft mit. Die anderen Kinder in der Nachbarschaft hatten da schon breite Holzboards mit fiesen Tigern drauf, die durch Glasscheiben springen oder so ähnlich. Die sahen cooler aus – also die Boards, nicht die Kinder – waren aber auch aus´m Kaufhaus und von daher auch nicht wirklich besser. Ich hatte damals überhaupt keinen Schimmer, dass es auch ein Skateboarding jenseits des Spielzeug-Levels gab, dass es unzählige Tricks gab, Menschen, die für´s Skaten bezahlt werden, professionelle Ausrüstung, Magazine, Videos, Contests usw. usf.

Das war mir damals alles völlig unbekannt. Das kommt eben davon, wenn man in so einem verschlafenen Nest lebt, der Fernseher nur für handerlesene Sendungen eingeschalten werden darf und man in einer Zeit heranwächst, in der das Internet nur wenigen hochrangigen Militärs zur Verfügung stand. Besseres Equipment kam erst so ab 1990 auf, als dann plötzlich auch mehr Skater im Stadtbild oder an meiner Schule zu sehen waren. Dann hab ich auch recht bald vom Monster Skateboard-Magazin erfahren und das es auch Bücher über´s Skaten gibt. Und über einen Klassenkameraden habe ich dann zwei Skatevideos in die Hände bekommen, die mir ein anderer Klassenkamerad netterweise überspielt hat. Das waren „Hokus Pokus“ von H-Street und „Ban This“ von Powell Peralta. Der geniale Soundtrack von Hokus Pokus war dann der Startschuss für meine bis heute andauernde Skate Rock Leidenschaft und die damit verbundene Rechercherei. 1995 hab ich dann bei einem Fanzine namens Frankomania mitgeschrieben, aber eigentlich nur ein paar wenige Reviews meiner neuesten Hardcore- und Straight Edge-Platten für die zweite Ausgabe beigesteuert. Da bin ich über Manuel L. reingekommen, der die ganzen Zeichnungen und das Layout für das Heft gemacht hat.

Er hatte mir in der Zeit auch gute Tipps für´s Layouten gegeben. Mit ihm und seinem Bruder hatte ich auch mal kurzzeitig ´ne Hardcore-Band namens SUCTION UNIT, die es aber dank ständiger Streitereien nie aus dem Proberaum rausgeschafft hat. Das Heft war auf jeden Fall schon von Anfang an recht Oi!-lastig, hatte aber auch Punk, HC, Ska und anderen Kram drin und ist dann immer stärker in diese zweifelhafte „wir-sind-unpolitische-Skins“-Ecke abgedriftet und irgendwann wurden dann auch richtig krasse rechte Platten besprochen. Da bin ich dann ausgestiegen und habe das Interview mit Disaster Area, welches ich tatsächlich fürs Frankomania geplant hatte, mitgenommen und mein eigenes Ding draus gemacht. Das Interview habe ich von der Band im September 1995 zurückbekommen und im Januar 1997 erschien dann das Skaterock Fanzine #1.

Erinnerst du dich noch an das Interview mit Disaster Area, schön per old school Post?
Nicht nur das. Die Band hat mir das handgeschriebene Interview mit den einleitenden Worten zurückgeschickt: „Da wir keine normale Band sind, hast Du wohl auch kein normales Interview erwartet, also…“. Und dann haben die total geil eine Art Psycho-Test draus gemacht, wo der Leser immer aus drei verschiedenen Antworten wählen und am Schluss über ein Punkte-System sich ´ne Bewertung abholen konnte. Sehr kreativ! Ein weiteres Highlight war das Interview mit den Clay Wheels, bei denen Ray Stevens II sang und Bass spielte. Ray kennt der ein oder andere vielleicht noch von so Skate-Rock-Legenden wie Los Olvidados, Drunk Injuns, Odd Man Out oder The Faction. Ich weiß noch, als ich eines Tages von der Schule heimkam und meine Mutter meinte, da hätte jemand aus Amerika angerufen, ein Ray Stevens oder so. Ich war total geflasht, dass mich der einfach so anruft.

Ray hat mich nach dem Interview eingeladen, ihn in San Jose zu besuchen, was ich dann 1999 für drei Wochen tatsächlich gemacht habe, inklusive Mini-Skate-and-Rock-Tour mit den Clay Wheels und den Odd Numbers. Sehr geil fand ich auch, dass mir damals Glen E. Friedmann tatsächlich meine Fragen per Brief beantwortet hat. Und das für ein Erstlingswerk. Für das 80er Jahre-Buch steuert er übrigens auch einige Fotos bei. Von seiner professionellen und konsequenten Art kann man sich zentimeterdicke Scheiben abschneiden.

Gab es damals eine coole Skate-Szene in Würzburg/Bayern oder hör(t)en alle schon Hip-Hop? Wie ist es da heute, es soll ja momentan eine Erweiterung des Skatepark Würzburgs geben oder?
Ich bin damals noch kaum rumgekommen und kann daher leider nicht für ganz Bayern sprechen, aber in Ansbach waren die Szene und die Skater um 1990/91 noch sehr jung. Da waren alle unter zwanzig Jahre alt. Ein paar Mal sind wir damals mit dem Zug nach Nürnberg gefahren. Im Norden der Stadt gab es auf dem Vereinsgelände des ASN Pfeil eine große Halfpipe und ´n paar andere Rampen. Dort sah man auch mal ältere Skater, aber wahrscheinlich war von denen auch keiner älter als 25. Was die Kids damals so hörten, kann ich gar nicht so genau sagen. Ich selbst bin auch erst zu der Zeit auf Punk aufmerksam geworden. Von den Skatern, die ich damals kannte, hörte das, glaube ich, keiner. Das änderte sich dann ein paar Jahre später, als das Melodycore-Dings aufkam. Dann war plötzlich jeder ein kleiner Skatepunk. (lacht) Ja, der Skatepark in Würzburg wurde Ende 2020 endlich um einen Bowl erweitert. Bevor die Baumaßnahme aber begann, habe ich mir da Anfang 2020 noch schön mein Wadenbein gebrochen. Jetzt taste ich mich wieder so langsam ran, aber vom Bowl-Fahren ist mein Kopf noch ein Stück entfernt.

Überhaupt weiß ich nicht viel über Punk in Würzburg! Das AKW „kenne“ ich, weil es eine Yuppicide live-LP von da gibt, Omega Massif liebe ich, klar, die Posthalle, St. Vitus und einige Metal-Gigs dort gesehen, das „Immerhin“ ist ja auch da und nicht zu vergessen das „Haus der 1000 Biere“. (lacht) Was ist so die Ur-W-Town-Punk-Band, wen kannst du uns noch so empfehlen?
Das AKW gibt es leider seit einigen Jahren nicht mehr. Dann gibt´s zum Beispiel noch das Cafe Cairo oder natürlich das „Immerhin“. Klein aber sehr fein. Da habe ich in den letzten Jahren vor allem viele Vintage- und Stoner Rock-Bands gesehen. In dieser Szene hat sich das „Immerhin“ scheinbar als fester Tourstop für alle Bands dieses Genres etabliert. Die Posthalle ist eher für die großen Sachen über tausend Gäste, aber dafür trotzdem cool. Ich hoffe nur, dass der ganze Komplex, in dem sich auch das „Immerhin“ und zig andere kleine Einheiten befinden, noch lange bestehen bleibt und die geplante Büro- und Wohnbebauung nicht kommt. Das wäre sonst ein herber kultureller Verlust für Würzburg, denn das Areal dürfte mangels Alternativen kaum ersetzbar sein. Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, ob es so was wie eine Ur-W-Town-Punk-Band gibt. Mir ist zumindest keine bekannt. Die älteste mir bekannte Hardcore-Band aus Würzburg sind Cheap Thrill, ´ne Straight Edge Hardcore Mosh-Band, die ich witziger Weise im Juli 1994 im Berliner Ex als Vorband von Chorus of Disapproval gesehen habe. Da waren wir auf Klassenfahrt in Berlin.

Ich glaub, es war der letzte Tag unseres Aufenthaltes und wir hatten ausnahmsweise Ausgang bis 1:00 Uhr. Ärgerlicherweise hatten alle anderen in dem Club nicht den Zeitdruck wie meine Kumpels und ich und die Bands fingen ewig spät das Spielen an. Von Chorus habe ich deshalb, glaub ich, nur drei Songs gesehen und dann ab in die U-Bahn. Aber zurück zu Cheap Thrill, die ich damals noch nicht kannte. Mir hat der Auftritt damals gut gefallen und ich bin dann anschließend zu denen hin und hab gefragt, ob die ´n Tape oder so was haben. Schön doof auf Englisch natürlich. (lacht) Naja und dann hat sich herausgestellt, dass die auch aus Franken kamen und ich hab mir eine 7“ von ihnen gekauft. Den Sänger Manuel hab ich dann ein gutes Jahrzehnt später sogar öfter mal beim Skaten getroffen. Aus Cheap Trill sind anschließend Elision entstanden. Das dürfte wahrscheinlich eine der bekanntesten Würzburger Hardcore-Bands gewesen sein. Eine andere coole Band, deren Sänger zumindest mal ein paar Jahre in Würzburg lebte, waren die Swing-A-Go-Go-Babies, die richtig gut gerockt haben. Die hatten aber auch, glaub ich, nur ein oder zwei Singles und ´ne Mini-CD draußen.

Du sagtest in dem erwähnten Interview, dass nach deinem Skatezine dann „der Gastauftritt in Mor’s Bullet Fanzine“ kam, „dessen letzte Ausgabe fast schon so etwas wie der Grundstein des Boardstein Magazins war. Der Arne hatte ja im Bullet auch Artikel drin, wir kannten uns schon im Vorfeld, den Mhueller kannte ich auch schon. So lief damals alles recht schnell zusammen. Beim Boardstein habe ich mir dann auch den Doktortitel klammheimlich ergaunert“. Wie lange hast du dann für das Boardstein geschrieben? Schade, dass es den nicht mehr gibt, wieso war nochmal Ende?
Zur Vorgeschichte vom Boardstein muss man sagen, dass so ab Mitte der 90er Jahre im Schatten der leider immer blutleerer werdenden Skatemags ein paar Typen aktiv wurden, die Fanzines und Videos rausbrachten. Neben Arne, der ein 5,5-stündiges Video über seine Skate-und-Kiff-Crew machte, gab es Markus, der das Mhueller Zine rausbrachte, Mor das Bullet oder Rosen das Crap Zine. Und so nach und nach sind die auch auf mein Skaterock Zine gestoßen, man schrieb sich, tauschte Zines und Tapes aus. Mor hatte dann Arne und mich 1999 für das Bullet #4/5 an Bord geholt (Kalle Stille war übrigens auch dabei!) und im Januar 2000 haben wir uns dann alle zusammen mit ein paar anderen Jungs in Mors Studenten-WG in Marburg getroffen, um was größeres, was gemeinsames zu planen.

Das war quasi die Geburtsstunde vom Boardstein. Mir wäre es lieber gewesen, wenn es „nur“ ein größeres Fanzine geworden wäre, aber der ein oder andere wollte da richtig durchstarten. Ich hab mich dann dagegen entschieden, mein Studium abzubrechen, mir 5 000 DM zu leihen oder wie viel auch immer der jeweilige Anteil für die Firmengründung damals waren und nach Dortmund zu ziehen. Arne hat mir neulich erst was in die Richtung gesagt, dass das wahrscheinlich die beste Entscheidung ever war. Denn vor allem er und Klaas haben jahrelang nur von der Hand im Mund gelebt und bei jeder neuen Ausgabe darum gekämpft, dass sie überhaupt die Druckerei bezahlen konnten. Und nach 47 Ausgaben war dann Anfang 2009 Schluss, weil es kohletechnisch nicht mehr hinhaute. Für mehr Details und Stories dazu müsstest du aber fast mal Arne fragen, weil ich ja nur von Würzburg aus als freier Mitarbeiter tätig war, weit weg vom jahrelangen Überlebenskampf.

Kennst du eigentlich das Kölner Skate-Heft, komme gerade nicht auf den Namen, ein DIN A5, ziemlich viele Ausgaben, von nen Ami, der in Köln lebt?
Du meinst sicher das „Confusion“ von Jonathan Hay, der vorher auch beim Concussion mitmachte. (Anmerkung Jan: ja, danke!) Eins der geilsten Skatehefte überhaupt. Sehr professionell und gleichzeitig total Underground. Das Heft würde ich mal als DAS Informationsmedium der ganzen D.I.Y.-Szene bezeichnen, die sich irgendwo auf der Welt mal mehr und mal weniger legal aus Beton selber Skatespots baut. Das andere sehr sehr gute Skatemag ist das Juice aus Venice Beach. Deren Motto „Pools, Pipes and Punkrock“ sagt eigentlich fast alles. Das Heft ist hierzulande nur leider sehr schwer zu bekommen.

Du hättest ja eigentlich auch perfekt in den 90er in die „blurr“-Zine-Crew und deren Skatevorlieben gepasst, das Endless Grind tauchte auch in deiner Thx-Liste in deinem Buch auf, da gab´s also Verbindungen, ihr kanntet euch?
Ja, da gab´s definitiv Verbindungen. Das Blurr war damals ein absoluter Lichtblick. Endlich mal ein Punk-Heft, das auch was fürs Skaten und den guten alten Skatepunk übrig hatte. In Blurr #12 (circa Herbst 1996) hatte ich mal ´ne Kleinanzeige aufgegeben, dass ich an ´nem Skatepunk-Fanzine arbeite, diverse Platten suche sowie Leute, die mit mir Tapes einschlägiger Musik tauschen wollen. Den jüngeren Lesern sei zum Verständnis gesagt, dass es damals weder Email noch Internet gab und man auf solche archaisch wirkende Kommunikationswege angewiesen war. Auf diese Kleinanzeige haben sich auch tatsächlich einige Leute gemeldet, u.a. Dan aus Luxemburg, der dann auch für´s Skaterock-Fanzine die Bands Agent Orange und D.I. interviewte, der Fritz von Ass Card Records aus Dortmund oder Chief Peet aus Münster, der in der Szene ja auch nach wie vor recht umtriebig ist.

Im Januar 1997 kam dann das Skaterock #1 raus und Carsten hat das total abgefeiert. Im Review schrieb er „Sie machen das konsequent, was wir nicht zu Ende führen […] Dieses Heft ist genauso wie meins vor ca. 5 Jahren aussehen sollte.“ Das war richtig geil. In Skate Rock #1 war übrigens auch ein Interview mit Carsten drin. Dafür hab ich ihm einfach zwei Seiten aus meinem alten Freundebuch aus der Grundschule geschickt und er hat die dann ausgefüllt. So richtig mit Lieblingsessen und Lieblingsbands und so. Und über´s Blurr und Carsten habe ich dann zum Beispiel auch den Jan Blurr kennengelernt, der mir neulich erst eine super seltene 70er Jahre Skate-7“ aus Japan mitgebracht hat oder Pascal, der damals mit den Endless Grind Skate Videos auf VHS anfing. Und du warst ja auch einer, der recht früh das Heft bestellte und immer mal hin- und her schrieb. Das Schöne bei der Sache ist, dass obwohl ich grad mal drei Ausgaben des Heftes rausgebracht habe und die Auflage bei Nummer 3 – wenn ich mich richtig erinnere – nur so um die 300 Stück erreicht hat, dass ich mit vielen der damaligen Leser heute, nach einem Vierteljahrhundert, immer noch im Kontakt stehe.

Im Trust hast du eine schöne zehnteilige Reihe Anfang der 2000er gehabt, wo du die Ursprünge von Skatepunk in den 80er mit Ill Repute und RKL usw. in „SoCal“ (Südkalifornien) beschreibst. Dazu mal: wo wurde skaten eigentlich erfunden, weil Venice (wie ich immer dachte) stimmt ja gar nicht oder?
Die Reihe “History of Skaterock” ist ursprünglich im Boardstein erschienen und Dolf hat dann irgendwann angefragt, ob er die nicht noch mal im Trust veröffentlichen dürfte. Bis auf ein paar kleine Aktualisierungen hier und da sind das aber die gleichen Artikel. Wo das Skaten erfunden wurde, das kann ich dir leider nicht sagen. Das weiß, glaub ich, keiner so richtig. Die ersten Skateboard-ähnlichen Gefährte gab es aber meines Wissens schon Anfang des 20. Jahrhunderts. Die Jungs aus Venice bzw. Dogtown haben das Ganze in den 70ern nur etwas aggressiver betrieben als die meisten vor ihnen und für einen gewissen Style gesorgt. Der Film „Dogtown and Z-Boys“ ist zwar ein richtig cooler Film, aber leider erweckt er bei vielen Zuschauern, die nicht so tief in der Geschichte des Skatens drin stecken, den Eindruck, dass vor den Z-Boys das Skateboard nur ein Spielzeug gewesen sein muss, so wie bei mir 1985. Das stimmt natürlich so nicht ganz. Trotzdem muss man festhalten, dass die Z-Boys eine andere Art von Radikalität reinbrachten und das Skaten bis heute prägen.

Tja und dann kam dein hammer Buch „Vintage Skaterock – Skateboard Music Of The 1960´s And 1970´s”. Es gibt noch einige Exemplare zu kaufen, bist du immer noch zufrieden, das muss ja eine riesen Arbeit gewesen sein?
Ja erst mal danke fürs Kompliment! Und ja, es war eine riesen Arbeit, aber nix im Vergleich zum 80er Jahre Buch. Und ja, ich hab noch ein paar Exemplare rumfliegen. Das ist der Nachteil, wenn man das D.I.Y.-Ding zu 100 Prozent durchzieht, keinen Bock auf Marketing hat und das Buch nur via Direktbestellung im Ausland erhältlich ist. Zum Hintergrund des Buches vielleicht noch: nachdem ich die erste Ausgabe vom Skaterock-Fanzine draußen hatte, hat mir Dan aus Luxemburg eine französische 7“ von 1978 überspielt. Die Band hieß Roller Cats und auf dem Cover waren drei Kinder auf Skateboards drauf, die alle eher so aussahen, als würden sie direkt, nachdem das Foto geschossen wurde, vom Brett fallen. Das Ding musste ich haben und nach längerem Briefwechsel konnte ich sie Dan endlich abluchsen. Dan meinte später mal, ich wäre so bekloppt gewesen, ihm dafür im Tausch die Eldorado 7“ von Agent Orange gegeben zu haben. Diese Tatsache habe ich aus gutem Grund verdrängt. Die zweite 7“ dieser Art hat mir Klaus, ein Mitschreiber des Frankomania Zine, ungefähr ein Jahr später aus Schweden mitgebracht.

Die Band hieß Kenth-Erics und alle Mitglieder hatten auf dem Cover weiße Schlaghosen, weiße Hemden mit Riesenkrägen und schwarze Westen an. Und darunter stand der Songtitel der A-Seite, der stumpf „Skateboard“ hieß. Ich war hin und weg von diesem durchgeknallten Zeug und hab seitdem über hundert derartiger Platten aus der ganzen Welt zusammengesammelt. Mein Fokus lag dabei vor allem auf den späten 70er, in denen die wildesten Veröffentlichungen erschienen sind. Damals war Skateboarding richtig groß und jeder wollte ein Stück von dem Kuchen abhaben. Mit der Skateszene hatte das aber meistens nicht die Bohne was zu tun. Die Suche war anfangs ziemlich schwierig, denn ich suchte nach etwas, was ich nicht beim Namen kannte. Ich wusste nur, dass entweder Skateboards auf dem Cover sein mussten oder die Songs vom Skaten handeln sollten. In Plattenläden oder auf Flohmärkten war das die Suche nach der Nadel im Heuhaufen.

Mit dem Internet wurde es dann deutlich einfacher, da man bei Seiten wie Ebay, Musicstack oder Gemm den Suchbegriff „Skateboard“ eingeben konnte. Naja, und diese ganzen Errungenschaften wollten natürlich alle irgendwann mal der Öffentlichkeit präsentiert werden. Deshalb das Buch. Alles musikmäßig ziemlich un-punkig, viele Songs kann man auch nicht wirklich hören und ich nehm´s musikalisch auch selbst nicht so ernst, aber geil finde ich´s trotzdem. Voller Nerd-Faktor halt. Ich bin größtenteils noch zufrieden mit dem Buch, wobei ich mich jedes Mal über den ein oder anderen Fehler ärgere. Und das Cover gefällt mir leider auch nicht mehr so richtig. Da hätte ich mir mehr Mühe geben können.

Sticker und Shirts gibt es auch zu deinem Buch, wurde das gut angenommen?
Shirts hab ich das erste Mal Ende der 90er machen lassen. Mit dem Schriftzug von Skaterock #3. Und letztes Jahr hab ich´s endlich mal geschafft, mich mit dem Thema Siebdruck auseinander zu setzen und mir ein Starter-Set zugelegt. Die Shirts kamen auch super an. Bei den Käufern waren auch einige dabei, die 1999 schon mal ein Shirt von mir gekauft und das alte sogar noch haben. Und einige haben direkt Shirts für ihre Kinder mitbestellt. Ich werde jetzt wahrscheinlich öfter mal Shirts drucken, in der Hoffnung, damit ein bisschen die Spardose für den Buch-Druck auffüllen zu können. Und bezüglich Sticker gibt´s in der Skateszene das ungeschriebene Gesetz, dass jeder Skater auf Sticker abfährt. Unabhängig vom Alter.

Der Ritterschlag kam sicher auch durch diese THRASHER-Kritik oder?
Ja, das war schon so was wie ein Ritterschlag. Geschrieben hat das Wez Lundry, der auch seit 33 Jahren das Pool Dust-Skatezine macht und mittlerweile in Mexiko lebt. Vom Pool Dust habe ich, glaube ich, im Blurr erfahren. Wez hatte ich dann für Skaterock #1 interviewt. Man kennt sich also, aber persönlich getroffen habe ich ihn leider noch nicht. Wez hat mir damals zusammen mit seinen Antworten auch ein Demo-Tape der mir bis dato unbekannten Clay Wheels mitgeschickt und gemeint, da würde sein Freund Ray Stevens mitspielen, der früher mal Bassist bei ein paar bekannten Skatebands war. And the rest is history they say.

Du hast mal zur Content-Planung gesagt: „Die 60er alleine geben nicht genug Material für ein Buch her und die 70er darf man nicht mit den 80ern mischen. Das wäre ein halbes Sakrileg“. Zu den 80er gibt es ja dann bald ein neues Buch von dir, aber nochmal kurz zurück zu deinem Erstwerk: du hast die genialen Surf Punks interviewt und auch Dean von Jan and Dean, wow! Der eine von denen ist ja wirklich mal in der von ihnen so schön besungenen „Dead Man´s Curve“ verunglückt und einer war an der Entführung von Frank Sinatra jr „beteiligt“. Wie kamst du an die ran, war der nett, weil ist ja schon „Promi“? Einfach E-Mail hin und das wars?
Für das Vintage Skaterock-Buch konnte ich tatsächlich Dennis Dragon (R.I.P.) von den Surf Punks und Dean Torrence von Jan & Dean ausfindig machen und sie standen mir via Email Rede und Antwort. Leider habe ich keine richtigen Interviews gemacht, sondern nur spezifische Fragen hierzu und dazu gestellt. Die ganzen Infos sind dann in die jeweiligen Reviews eingeflossen. An Dean ranzukommen war nicht ganz einfach. Ich will jetzt nicht in aller Öffentlichkeit verraten, wie´s geklappt hat. Aber nur so viel, manche Musiker haben noch andere Hobbys oder Nebenerwerbe und dafür auch ´ne Homepage mit Kontaktdaten. Dean war super nett. Den hat es, glaub ich, auch sehr gefreut, dass da so ein Freak auf diese Verbindung Skaten und Musik steht. Jan & Dean hatten ja 1964 mit „Sidewalk Surfin´“ einen der ersten richtig großen Skate-Hits. Und die waren auch total begeisterte Skater, keine Poser!

Dean hat mir dann auch anschließend ein paar Fotos signiert, mich irgendwann mal gefragt, ob ich ihm noch ein Buch für´s Huntington Beach Surf Museum spenden könnte und hat immer mal wieder ´ne Email geschrieben, wie´s geht und so und mich dann irgendwann auf einen Lunch in seiner Tiki-Bar in Huntington Beach eingeladen (Anmerkung Jan: thx, Bar kommt direkt auf Liste für next L.A.-Trip, das Surf-Museum ist auch super, etwas kleiner als gedacht, aber gemütlich 2004). Im Februar 2020 wollten wir uns da auch tatsächlich treffen, aber aus dem ganzen Trip ist leider nix geworden. Dazu später mehr. Dennis Dragon hatte vor den Surf Punks übrigens etliche andere Musik-Projekte am laufen.

Mit seinen Brüdern hatte er die Band The Dragons, die 1969/70 ein total geiles Album („B.F.I.“) aufnahm, das aber damals keiner rausbringen wollte. Im Jahr 2007 wurde es dann endlich vom englischen Label Ninja Tunes ausgebuddelt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Dennis hat auch bei etlichen alten Surf- und Skate-Filmen seine Finger mit drin, ob als Produzent oder auch als Schlagzeuger für diverse Bands. Sehr cool finde ich da v.a. die Protein Bros. mit seinem Schwager Richard Henn von den Sunrays oder die Band Bozone und deren Song „Stone Crazy“.

Und Benny „Skateboard uh-ha-ha“ war auch drin, das freute mich als alter Fan von ihm natürlich, Killertyp oder?
Benny hatte ich im April 2002 mal fürs Boardstein interviewt. Dafür bin ich extra mit dem Zug nach München gefahren und hab ihn bei Radio Charivari besucht, wo er als Musikchef tätig war. Der war echt cool drauf und fand das auch irgendwie geil, dass da ein Vierteljahrhundert später ein Typ mit Skateboard, Kamera und Diktiergerät vorbeikommt und ihn für ein Skatemag interviewt. Er erzählte mir u.a., dass sich die „Skateboard Uh-ah-ah“-Single damals 120 000 Mal verkaufte. Und natürlich haben wir uns auch über seine schrägen Outfits unterhalten, die er auf seinen zahlreichen Singles so anhatte.

Nach dem Interview bin ich mit der U-Bahn noch nach Neuperlach raus, zu Deutschlands erstem „Skatepark“, den Pfanni Hills, die wie Benny´s Skateboard Song auch aus den 70ern stammen. Benny´s Skate 7“ kam 1977 raus und die Pfanni Hills wurden im Juli 1978 eröffnet. Mein Tag in München war somit ein kleiner Trip in die deutsche Skategeschichte. München war skate-technisch tatsächlich eine der wichtigsten Städte in den 70ern in Deutschland. Beide damaligen Skatemags kamen aus der Stadt und eben die Pfanni Hills. Leider wurden letztere im Jahr 2006 unnötigerweise abgerissen. Shame on you, Stadt München!

Mich überraschte durch dein Buch total, wie wenig Ahnung ich doch von der Bandszene habe, ich dachte, ich kenne mich doch ansatzweise gut aus – „Beach Boys“ (lacht) – aber viele Bands kannte ich null, deshalb danke für das Update! Überlegst du eine Neuauflage, so was wie Discogs gab es damals noch nicht so.
Naja, da brauchst du dir nichts vorwerfen. Die meisten der Bands kann man nicht kennen. Viele Bands waren wahrscheinlich nur kurzlebige Studio-Projekte, die einen Skateboard-Hit landen wollten. Und einige 7“es in dem Buch sind wahrscheinlich nie über den Promo-Status hinausgekommen und dürften nur in sehr kleinen Stückzahlen existieren. Manche habe ich in den letzten zwanzig Jahren nur ein einziges Mal im Netz zum Verkauf gesehen. Über manche findest du teilweise überhaupt nichts im Internet. Das waren meist irgendwelche Glückstreffer auf Ebay, wo ich zu der Zeit fast täglich nach Skateboard bezogenen Platten gesucht habe, um ja keine total obskure 7“ zu verpassen.

Natürlich sind im Buch auch bekanntere Bands dabei, wie Jan & Dean oder Jefferson Starship. Und dann gibt´s Bands, die damals groß unterwegs waren und sogar im Fernsehen auftraten, die heute aber kaum mehr jemand kennt, wie eben Benny oder die Carvells aus England. Deren Skate-Hits „L.A. Run“ oder „Skateboard Uh-ah-ah“ wurden teilweise in mehrere Sprachen übersetzt und in diversen Ländern von anderen Bands aufgenommen, bis nach Japan und sogar Südafrika. Erstaunlicherweise haben die Bands oder deren Plattenlabels bis auf ganz wenige Ausnahmen keinerlei Anzeigen in den damaligen Skatemags geschaltet, was mich sehr verwundert. Denn die meisten der Veröffentlichungen waren ganz klar aufs Kohlemachen ausgelegt. Aber sie haben auch ganz klar die Zielgruppe verfehlt.

Eine Neuauflage von Vintage Skaterock ist erstmal nicht angedacht. Trotz Discogs kann ich erfreulicherweise festhalten, dass das Buch nach wie vor ziemlich vollständig ist, was die 60er und 70er Jahre betrifft. Ich hab zwar in den letzten neun Jahren noch die ein oder andere Scheibe gefunden und es gibt auch ein paar Neuzugänge in meiner Suchliste, aber das sind in der Summe wahrscheinlich keine 25 Platten. Das würde keine Neuauflage rechtfertigen. Wenn das 80er Jahre Buch irgendwann mal raus ist, mach ich vielleicht lose in Fanzine-Form weiter und berichte über die neuen Errungenschaften aus den diversen Jahrzehnten.

Du brachtest ja auch ein kleines USA 1999-NorCal-Traveltrip-Fanzine heraus von deinem Besuch dort und Skate-Parks in Nord-Kalifornien, danke auch dafür. Jetzt steht dein Werk über Skatepunkrock der 80er an, wie ist da der Stand? Du wolltest ja noch einen Monat vor Ort in L.A. recherchieren, was natürlich jetzt nicht ging. Gib doch mal nen Aufriss, man darf sich auf ST, RKL, JFA, ILL REPUTE und all die Kollegen freuen, interviewst du auch wieder einige Protagonisten?
Dieses „USA 1999“-Photozine war letztes Jahr als Gastgeschenk für Ray und die ganzen anderen Homies aus San Jose gedacht, die ich damals kennenlernen durfte. Davon hab ich auch nur schlappe fünfzehn Stücke drucken lassen. Leider musste ich meinen Flug nach San Jose aufgrund des besagten Wadenbeinbruchs canceln. Das ist genau zehn Tage vor Abflug passiert. Das war für mich eigentlich schlimmer als der Bruch, die OP und sechs Wochen nicht mit dem Fuß auftreten zu dürfen. Der Trip hätte zwar nur neun Tage gedauert, aber hatte es programmtechnisch echt in sich: Letztes Faction-Konzert ever, zusammen mit J.F.A. und am Abend davor Mofo´s 60ster Geburtstag mit den Drunk Injuns, den Clay Wheels, noch mal J.F.A. und als Überraschungsband Los Olvidados.

Und in L.A. hätte ich auch ein paar coole Leute getroffen. Mit Dean Torrence hatte ich, wie schon erwähnt, ein Date in Huntington Beach vereinbart. Und das ein oder andere Interview für´s 80er Buch war auch eingeplant gewesen. Sehr sehr ärgerlich auf jeden Fall und in der Form auch nicht mehr nachholbar. Aber wahrscheinlich hat es so sollen sein und mich vielleicht am Ende vor Schlimmerem bewahrt. Wer weiß, wenn ich da alleine irgendwo abseits des Highways einen Ditch geskatet wäre und mir da das Bein gebrochen hätte. Und kurz danach ging das ja auch mit Covid-19 los. Für das 80er Buch habe ich auch bereits etliche Leute interviewt.

Ein wichtiger Fokus liegt da vor allem auf den Pionieren, den heute teils sehr bekannten Skatern, die ab circa 1979 Bands gründeten, also ein paar Jahre, bevor Thrasher mit dem Begriff „Skate Rock“ um die Ecke kam. Und dann die Phase so bis circa 1984. Ab etwa 1985 sind viele Bands in die Metal-Ecke oder sonst wohin abgedriftet. Dieser Part wird nicht ganz so stark repräsentiert werden. Und auch bei den von dir erwähnten Suicidal Tendencies bin ich etwas zurückhaltend. Klar, sie haben mit „Possessed to skate“ eine wichtige Skater-Hymne geschrieben und Mike´s Bruder ist der Gründer von Dogtown Skateboards, aber in der Band ist eigentlich niemand wirklich geskatet. Und eins muss ich noch klar zum Ausdruck bringen. Unter Skate Rock verstehe ich nicht automatisch Punk. Punk passt zwar meistens am besten dazu und wird auch den Großteil des Buches einnehmen, aber da gab´s in den 80ern auch einige Skater, die Rockabilly, Rap, Funk, Metal, etc. machten. Das Thrasher Mag hat das seinerzeit im musikalischen Sinne auch immer sehr offen gehalten. Es war nur wichtig, dass man Skateboard gefahren ist.

Von Scheisse Minnelli gibt es den Song „I liked Skateboarding more when it was a crime“. Wie so vieles, was erst eine Außenseiter-Kultur war, wurde auch Skaten absolut kommerzialisiert und wird irgendwann olympisch, es ist ein Profi-Sport, eine Riesenindustrie und das Thrasher hat sich auch sehr verändert… Gibt es trotzdem Entwicklungen im Skaten, die dich weiterhin begeisterten, recht neu für mich ist die Entdeckung, dass es auch immer schon – und in den letzten Jahren mehr, find ich – Skaterinnen gab und gibt?
Das Schöne am Skaten heute ist, dass es meines Erachtens weniger uniformiert und alles erlaubt ist. Alle Stile, wie du fahren willst, was du fahren willst, wie du rumläufst, das ist heutzutage alles okay. Zudem gibt es auch für nahezu alle Vorlieben das richtige Equipment. Als Anfang der 90er Jahre plötzlich die Boards schmal und die Rollen super klein wurden, hast du nur diesen Dreck bekommen. Ich hab damals notgedrungen bei Titus aus der Rollschuhabteilung Rollen bestellt, weil das die einzigen mit vernünftigem Durchmesser waren. Damals ging es nur um Tricks und das Rollen an sich wurde für ein paar Jahre komplett vergessen. Was heute auch sehr schön ist, ist die Tatsache dass das Alter kaum mehr eine Rolle spielt und es auch zahlreiche über Fünfzig-Jährige gibt, die richtig gut fahren. Aber wirklich krass unterwegs sind die jungen Fahrer von heute.

Dieses Niveau wäre in den 80ern undenkbar gewesen. Als ich angefangen hatte, hatte man zumindest noch die Hoffnung haben können, irgendwann mal den ein oder anderen Trick der Pros zu beherrschen. Das ist heute absolut illusorisch. Und wie du schon richtig feststellst, gibt es mittlerweile auch viele Skaterinnen, die auf ganz hohem Niveau mitmischen. Und sehr erfreulich finde ich auch, dass es weltweit unzählige gute Skateparks gibt, ganz viele davon auch mit Bowls, Pools, Snakeruns und dem ganzen Zeug, auf das ich so stehe. Oder die ganze D.I.Y.-Bewegung mit Leuten, die sich ihre Spots selber betonieren, das ist auch eine total positive Entwicklung. In den 90ern war es unmöglich die Begriffe „Skater“ und „Eigeninitiative“ in einem Satz zu verwenden, ohne eine Verneinungsform einzubauen.

Komm Junge, welche zwanzig Skatecore-Songs gehörten auf ein old school TDK-Tape?
McRAD – Weakness. Sacred Order – Bardot of the 80s. Aggression – Intense Energy. The Faction – Tongue like a battering ram. Wipe Out Skaters – Feel the speed. The Odd Numbers – Little Kings and Queens. Minus One – The kids don´t skate here. Free Beer – Pigs in space. Kraut – Pyramids. J.F.A. – Preppy. Big Boys – Fun, fun, fun. Los Cycos – It´s not easy. Nikoteens – Concrete Criminals. Sons of Sadism – Am Rande des Ruins. Disaster Area – Skate Tonight. Adolescents – Kids of the black hole. Slam – Wild riders of boards (Thrasher Tape Version). Kirk and the Jerks – Gun and a tear. Wheezing Maniac – Dollar on the platter. Sub Society – A lot less. Bonus Songs: Grindline – Burning Bridges. Fu Manchu – Strolling Astronomer. Clay Wheels – Gravity is a memory.

Würdest du dich als Nostalgiker in Sachen Skaten bezeichnen, also schön die Vergangenheit lieben (für die man manchmal eh zu jung war)? (lacht) Solche Vorwürfe kenne ich zumindest oft, wenn man mal wieder ne alte Band im Trust interviewt: „Ey, warum die alten Säcke? Gibt so viele neue geile Bands! Hängengeblieben?“. Ich versuche dann immer zu erklären, dass es nicht darum geht, im Gestern zu leben, sondern die Erinnerung an für einen selber wichtigen Protagonisten aufrechtzuerhalten. Wie denkst du?
Irgendwie bin ich da wahrscheinlich schon etwas nostalgisch veranlagt. Die Zeit, die mich am meisten begeistert, ist die Phase zwischen circa 1976 und 1984. Die habe ich selbst zwar weder skate- noch musiktechnisch mitbekommen, aber in dem Zeitraum hat sich Skaten so intensiv verändert. Skaten war 1976/77/78 eine riesige Massenbewegung, ist circa 1979/80 komplett abgestorben und daraus ist dann eine echte Hardcore-Szene entstanden, die sich eigene Rampen gebaut und eigene Bands gegründet hat. Ich glaube, es ist vor allem dieser Pioniergeist, die Initiative und die Kreativität, die mich fasziniert.

Viele der damaligen Skate-Bands sind im musikalischen Sinne maximal durchschnittlich gewesen, aber das spielt keine Rolle. Sie haben ihren Arsch hochgekriegt, was auf die Beine gestellt und in vielen verschlafenen Nestern dieser Welt kleine Szenen erschaffen. Zudem war vieles damals noch nicht ausdefiniert. Das gilt sowohl für Skaten als auch für Punk. Alles war möglich, alles war erlaubt. Gerade beim Punk kamen die Einflüsse noch aus allen Richtungen, bevor man sich auf inzestuöse Weise selbst klonte. Zudem finde ich es gut, zu wissen, wo man herkommt. Dieses Geschichtsbewusstsein gab es in der Skateszene ganz lange so gut wie gar nicht.

Meines Erachtens war das erste Skate-Geschichtsbuch überhaupt das „Concrete Wave“ von Michael Brooke von 1999. In dem Punkt habe ich immer die Surf-Musik-Szene beneidet. Die hatten schon früh richtig gut recherchierte Bücher von Leuten wie John Blair, Robert Dalley oder Stephen McParland. Diese Bücher waren zusammen mit den verschiedenen Ausgaben der Flex U.S. Hardcore Discography von Burkhard Järisch in gewisser Weise Vorbilder für meine Arbeit.

Welches Buch und welcher Film gibt so für den Einsteiger einen guten Einblick ins „Skaten“, ich denke da eventuell an das „Grinding California“- bzw. das „25 years of Thrasher“-Buch und die Dogtown-Filme? Es gab 2020 auch ne gute Skatepunk-Visions-Ausgabe, immerhin kamen Spermbirds und Big Boys vor. (lacht)
Mittlerweile gibt es echt einiges an Büchern und Filmen. Einen sehr guten Überblick über die Geschichte und die wichtigsten Protagonisten gibt das „Built to Grind“-Buch aus dem Hause Independent. Die Foto-Bücher von Glen E. Friedman sind sowieso Pflicht. Den Film „Dogtown & Z-Boys“ sollte man auf jeden Fall auch mal schauen. Auf Youtube gibt es Jeff Grosso´s (R.I.P.) „Loveletters to skateboarding“, die immer sehr gut einzelne Themen beleuchten. Da gibt´s auch ´ne ziemlich gute Skaterock-Episode, in der auch einige Cover aus meinem Buch verwendet wurden.

Von der Visions Skaterock-Ausgabe hatte ich, ehrlich gesagt, etwas mehr erwartet. Der Sonderteil ist zwar mit 62 Seiten sehr umfangreich, aber dafür, dass der ursprüngliche Erscheinungstermin noch mal um ein Jahr verschoben wurde und so viele Redakteure so lange recherchiert haben, war ich schon erstaunt, dass so viele wichtige Pioniere und Legenden komplett vergessen wurden. Man muss aber zur Ehrenrettung dazu sagen, dass es unglaublich schwer ist, zu diesem Thema zu recherchieren. Mit eben mal in die Uni-Bibliothek gehen und ein paar Bücher rausziehen is´ nicht. Zumindest den 60er und 70er Jahre Teil hätten sie aber ziemlich leicht um Längen besser machen können.

Ich hatte recht früh von den Plänen der Sonderausgabe erfahren und hab die Redaktion direkt angeschrieben und auf mein Vintage Skaterock-Buch und die alten Boardstein-Artikel hingewiesen. Auch wenn davon manches nicht mehr ganz aktuell ist, aber damit hätte man zumindest ´ne gute Basis für so eine Sonderausgabe gehabt. So kommt für meinen Geschmack der „echte“ Skate-Rock der frühen 80er viel zu kurz oder es kommt so ein Nonsens raus, dass es sinngemäß zwischen Jan & Dean 1964 und J.F.A. 1981 angeblich keinerlei Skate-Musik gab. Gut fand ich aber die Interviews mit Mofo, Glen E. Friedman und Fu Manchu.

Apropos Zukunft: du überlegst nicht zufällig einen Buch-Film-Sampler zu Skatepunk in den 90ern? Ist auch ne wichtige Zeit, als der SoCal-Skatepunk durch die Decke ging: Millencolin. X-Games-Skaterpro-Tony-Hawk-Vans Warped Tour usw. Quasi meine Jugend (lacht), aber dazu, also dem 90er-Fat-Epitaph-Punk, kenne ich nur ein Buch „Smash!: Green Day, The Offspring, Bad Religion, NOFX, and the ’90s Punk Explosion“ von dem britischen Musikjournalisten Ian Winwood (2018). Ist das nicht ein Fall für Dr. Skaterock! (lacht)! Danke für deine Zeit, Flow!
Nee lieber Jan, da muss ich dich leider enttäuschen. Bei den 90ern bin ich raus. In meiner Skaterock-Reihe im Boardstein hab ich mich bei diesem Jahrzehnt schon weggeduckt und Arne hat den Artikel übernommen. Mir gefallen zwar durchaus auch ein paar Bands aus den 90ern, aber für ein Buch sind das viel zu wenige und ich will auf keinen Fall ein Buch schreiben, bei dem mich die Mehrheit der Bands nicht interessiert. Ich schreibe ja auch nicht, weil ich mich für einen guten Schriftsteller halte oder als Autor erfolgreich sein will, sondern weil ich finde, dass diese Szene dokumentiert werden muss. Und da niemand anderes Anstalten macht, das zu übernehmen, muss ich eben selbst die Bücher schreiben, die ich immer lesen wollte. Die 90er muss dann jemand anderes übernehmen. Ich kenne da so einen Fanzine-Schreiber aus Frankfurt, den ich empfehlen könnte und der sich mindestens genauso gerne und bekloppt wie ich nerdigen Recherchen hingibt. Grins. Danke für Dein Interesse! Peace Flow.

Interview: Jan Röhlk
Pics: Archiv Flow
Kontakt: vintageskaterock.de, facebook.com/vintageskaterock

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