Mai 28th, 2024

Der Kampf um das Internet – Wie Wikipedia, Mastodon und Co. Die Tech-Giganten herausfordern, Stefan Mey

Posted in bücher by Dolf

C.H. Beck, Wilhelmstraße 9, 80801 München, www.beck.de

Das kommt auch nicht so oft vor, dachte ich Anfangs noch das ich schon wüsste um was es in dem Buch geht, denke ich mir nach dem lesen: Das muss man mindestens zwei- bis dreimal lesen, weil es so voll mit interessanten Fakten ist, das man sich das nach einmal auf gar keinen Fall merken kann. Aber von vorne, das sich die Macht im Internet bei einigen wenigen Tech-Giganten bündelt ist jetzt nichts neues und natürlich auch nichts gutes. Das es in einigen Bereichen mehr oder weniger funktionierende Alternativen gibt ist, für den aufgeklärten Internet-User, jetzt auch nicht wirklich was neues.

Man benutzt eben nicht Chrome sondern Firefox als Internet-Browser; nicht Outlook sondern Thunderbird um Emails zu verwalten; nicht MS-Office sondern Libre Office als Text oder Tabellenprogramm; nicht WhatsApp sondern Signal als Messenger; nicht Twitter/X sondern Mastodon als Kurznachrichtendienst; nicht Google Maps sondern OpenStreetMap zum navigieren oder gleich Linux statt Microsoft als Betriebssystem. Es gibt noch viele andere echte Alternativen zu den Großkonzernen, für manche muss man aber schon über besondere IT-Kenntnisse verfügen, andere arbeiten nicht so wie von kommerziellen gewohnt oder sind einfach zu aufwändig um sie ständig einzusetzen. So weit, so – whats new? Ok, wer jetzt zum ersten Mal von den oben genannten Alternativen hört, auch gut – es gibt sie. Was mich aber bei diesem Thema so überrascht hat, da ich viele der Alternativen auch schon seit Jahren selbst im Einsatz habe. Wie sie entstanden sind, was aus ihnen geworden ist, wie groß sie sind, wie sie sich finanzieren und wer da teilweise mit in den Firmen steckt. Das war fast alles Neuland und deshalb super spannend und auch ein wenig ernüchternd. Denn, es ist keineswegs so, das hinter all den coolen Gegenentwürfen zu den großen Plattformen, immer nur idealistische ProgrammierInnen aus Leidenschaft stecken. Nein, auch hier muss, natürlich, und wird auch ordentlich, Geld verdient. Bisher dachte ich bei „Open Source“ immer, das es für alle einsehbar ist und nicht an ein Geschäftsmodell – ist es aber. Bei einigen der großen sogenannten nichtkommerziellen digitalen Gegenwelten sind auch große Millionensummen im Spiel, oftmals von genau den Tech-Giganten bezahlt, die ihre „Konkurrenten“ sind. Um das mal ein wenig in Zahlen zu fassen, hier ein kurzer Auszug zum Thema: „Dass mitunter viel Geld im Spiel ist, zeigt ein Blick auf die Gehälter des Führungspersonals der größeren Projekte. Spitzenverdienerin ist Mitchell Baken. Die Vorstandsvorsitzende und operative Chefin der Firefox-Mutter Mozilla verdiente im Jahr 2021 5,6 Millionen US-Dollar. Der bei der Linux Foundation angestellte Linus Torvalds, einer der beiden Väter des Betriebssystems Linux, kam 2019 auf 1,6 Millionen. Der Signal-Gründer Moxie Marlinspike verdiente 2020 etwa 600.000 US-Dollar, die damalige Geschäftsführerin der Wikimedia Foundation Katherine Maher kam auf 800.000 US-Dollar. Wie finanziert die digitale Gegenwelt ihre Arbeit? Oft dominiert ein Modell. Und manchmal ist erst bei genauem Hinsehen erkennbar, dass längst nicht alles so ehrenamtlich geschieht, wie es scheint.“ Und nicht nur beim Geld ist es nicht so wie viele denken, auch bei den Besitzverhältnissen beziehungsweise Entscheidungsverhältnissen ist nicht immer alles demokratisch und auf viele Mitsprechenden verteilt, so gibt es etwa den SABDFL, das klingt erst mal sympathisch so nach Technerdsprech steht aber für: „Self-Appointed Benevolent Dictator for Life“ was übersetzt heißt „Selbsternannter wohlwollender Diktator auf Lebenszeit“ was nichts anderes bedeutet das genau eine Person alles bestimmt und der (meistens) auch alles mehr oder weniger gehört. Es würde mal wieder den Rahmen dieser Rezension sprengen auf all die vielen Einzelfälle und Geschichten einzugehen. Ob sich mit diesen Alternativen jemals die Vormachtstellung der Tech-Giganten brechen lassen wird, ist anzuzweifeln – auch wenn es eine tolle Vorstellung ist. Ob die Alternative dann aber noch den alten Idealen treu bleiben würde oder auch ins Geld scheffeln und Daten sammeln verfallen würde, steht noch einmal auf einem anderen Blatt und gehört hier auch nicht her. Das Buch ist eine eindeutige Empfehlung, denn auch wenn einem dank der kritischen Betrachtungen des Autors so einiges klar wird, was man vielleicht so nicht erwartet hätte, sind die aufgezeigten Alternativen in jedem Fall immer noch besser als die Riesenplattformen. Und für Menschen die nach Alternativen suchen ist hier alles übersichtlich aufgeschrieben. Auch klasse, am Ende die Kurzvorstellung 25 weiterer wichtiger Projekte. Ich würde sagen: volle Punktzahl. Wichtiges Gegenwartswissen für alle. 236 Seiten, Taschenbuch, 18,00 Euro, (dolf)

Isbn 978-3406807220

[Trust # 225 April 2024]

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