Dezember 31st, 2023

Dead Finks (#214, 2022)

Posted in interview by Thorsten

Die Ursprünge der Dead Finks beginnen in Neuseeland, als Thomas noch bei den TRUST PUNKS spielte, bevor er nach Sydney / Australien übersiedelte um zusammen mit Erin ein Musikerduo zu gründen. Letztendlich endet ihre Reise 2018 als DEAD FINKS in Berlin, um mit zwei weiteren Musikern die Gruppe zu vervollständigen. Wo sie in ihrer Frühphase im minimalistischen Postpunk und Darkwave experimentierten, entstand nun eine erstklassige Band, die vom ersten bis zum letzten Takt perfekt harmonieren. Der Sänger hinterlässt eine fesselnde, mitreißende Dramatik, die sich in intelligenten, durchdachten Lyrics zu entweder persönlichen oder aktuellen Themen wie Krieg, Seuchen, dem Klimawandel und der Polizeigewalt äußert, ohne jemals irgendwelche, abgedroschenen Parolen abzuliefern. Auch im Interview erwies sich ihr Sänger Thomas, als ein intelligenter Mensch, der sich viele, interessante Gedanken zu seinen Songtexten macht und darüber hinaus sehr bescheiden ist, was seine, meines Erachtens außergewöhnlich, guten Songwriter-Fähigkeiten betrifft. Denn als ich das erste Mal „The Death and Resurrection of Johnathan Cowboy” gehört habe, ließ ich das Album gleich dreimal hintereinander ablaufen, weil es so viele großartige und überaus interessante Momente und Details verbirgt. Ich denke besser bzw. fesselnder und eindrucksvoller, kannst du Postpunk im Jahre 2022 gar nicht vertonen. Dagegen lassen mich viele der aktuell, gehypten Postpunkbands kalt. Aber im Grunde sind die Dead Finks auch nur von ihrer düsteren Stimmung dem Postpunk zuzuordnen, ihre doch sehr aufrüttelnde Musik, könnte auch als melancholischer Punk durchgehen. Aber wenn interessieren schon streng sortierte Schubladen…

Hallo Thomas, du hast zuvor bei der Band TRUST PUNKS gesungen. Wie kam es zu dem Bandnamen TRUST PUNKS, der schon eine gewisse Ähnlichkeit aufweist, zu unserem Fanzine TRUST? 😉

Der Bandname entstand aus einem dummen Wortspiel, aus „Crust Punks“ und „Trust Fund“.

Wie können wir uns die Underground und Punkszene in Neuseeland vorstellen? Kommen nach Neuseeland auch tourende Bands oder ist die Szene eher isoliert von der Außenwelt? Und was hat dich letztendlich dazu bewegt nach Sydney zu ziehen?

Ich bin mir nicht sicher, ob ich wirklich Teil der „Punk“-Szene war, als ich in Neuseeland gelebt habe. Die Musik die ich machte, tendierte mehr in Richtung Indie Rock oder Experimental Pop. Dennoch gibt es ein starkes Gefühl der Isolation, als Musiker in Neuseeland. Ich fand dieses Gefühl etwas einengend. Es ist auch eher ungewöhnlich, dass dort Underground oder weniger bekannte Bands touren, auch wenn es gelegentlich schon mal vorkam. Dieses Gefühl der Isolation und Abgeschiedenheit vom Rest der Welt gibt es nicht nur im Musikbereich, sondern in allen Bereichen des Lebens. Das war dann auch der Grund, warum wir weggezogen sind. Aber es gibt auch sehr viele Dinge, die ich an Neuseeland mag, und wir sind beide froh, dort aufgewachsen zu sein.

2016 hast du in Sydney / Australien, zusammen mit Erin Violet die DEAD FINKS gegründet. Euer Tape „Dead Fink Era“ ist noch ziemlich minimalistisch. Wie würdet ihr im Nachhinein jene Schaffensperiode umschreiben?

2016 war das Jahr als Erin und ich angefangen haben, zusammen Musik zu machen, aber nicht das Jahr, in dem die DEAD FINKS per se gegründet wurden. Wir hatten verschiedene Projekte in der Zeit, als wir zusammen in Sydney gelebt haben und als wir dann nach Berlin gezogen sind, haben wir uns entschieden, diese verschiedenen Ideen zu den DEAD FINKS zu vereinen. Ich weiß nicht, ob ich unser erstes Tape als „minimalistisch“ bezeichnen würde. Ich denke, es gibt einige Einflüsse, vielleicht sogar schon zu viele. Wir haben versucht, es selber zu produzieren, hatten aber keinen Plan was wir machen. Daher sind die meisten Ideen sehr roh, und nicht sonderlich gut ausgeführt. Es war eine sehr kreative Zeit, geprägt durch viel Trial and Error und Frustration.

2018 seid ihr von Sydney nach Berlin gezogen. Das wundert mich, denn ich habe das Gefühl, das besonders in den letzten Jahren, sich in Australien und insbesondere in Melbourne, eine Menge großartiger Bands gegründet haben, wie z.B. C.O.F.F.I.N., Private Function, Dumb Punts, Amyl & The Sniffers… Wie habt ihr die Szene und allgemein das Leben und die Zeit in Australien, in Erinnerung behalten? Wieso seid ihr nicht nach Melbourne gezogen? Oder hatte es keine künstlerischen, sondern berufliche Gründe, weshalb ihr nach Berlin gezogen seid?

Allgemein haben wir gute Erinnerungen an unsere Zeit in Sydney. Wir dachten auch, dass die Musikszene ziemlich beeindruckend ist, vor allem als wir Mitte 2015 dorthin gezogen sind. Aber als wir Sydney Anfang 2019 verlassen haben, lösten sich die meisten Bands die wir mochten schon wieder auf. Wir haben uns für Sydney und nicht für Melbourne entschieden, da wir bereits einige Freunde in Sydney hatten. Im Nachhinein denke ich auch, dass ich von Melbourne etwas eingeschüchtert war. Als ich mit den TRUST PUNKS dort auf Tour war, hatte ich das Gefühl, dass es eine gewisse Gruppenhierarchie in der Musikszene gibt. Jetzt wo ich älter bin, erkenne ich, dass ich wohl einige Unsicherheiten mit mir selbst und der Musik projizierte, die ich machte. Die Gründe, nach Berlin zu ziehen, waren nicht künstlerischer und schon gar nicht beruflicher Natur. Nach einigen Jahren hatten wir nicht sonderlich viele Auftritte in Sydney und zudem war es ziemlich teuer dort zu leben, also wollten wir an einen Ort ziehen, wo das Leben etwas günstiger ist. Wir waren davor noch nie in Europa, hatten aber Familie und Freund*innen dort, also sind wir ihnen einfach nachgezogen.

In Deutschland ist Amyl & The Sniffers derzeit der really, hot Underground-Shit. Und auch wenn ich gehypten Bands, meistens nicht viel abgewinnen kann, so halte ich Amyl & The Sniffers, doch für eine richtig gute, erfrischende Band, die mich auch in ihrer Liveperformance beeindrucken. Und dennoch habe ich eben den Eindruck, als gäbe es aktuell, einige Bands in Australien, die Ihnen das Wasser reichen können. Könnt ihr als Australier, diesen Hype nachvollziehen? Und welche Popularität besitzen Amyl & The Sniffers in ihrer Heimat?

AMYL AND THE SNIFFERS sind super! Sie sind vielleicht musikalisch nicht so innovativ wie andere australische Bands, aber sie sind definitiv spaßig und charismatisch. Ich glaube, es gibt etwas „australisches“ in ihrer Art, eine Art Bescheidenheit, die den Leuten gefällt und gleichzeitig in Europa als exotisch wahrgenommen wird. Als Musiker kannst du an den Gedanken verzweifeln, wenn du dir ständig überlegst, warum eine Band beliebter ist als eine andere. Darum glaube ich, dass andere australische Bands AMYL AND THE SNIFFERS mit Antipathie und/oder Verwunderung begegnen. Die Bands verstehen nicht, was so speziell an ihnen sein soll. Aber ich bin mir sicher, dass sie das nicht davon abhalten wird, ihr Ding durchzuziehen, und das soll es auch nicht.

Wie war es für euch, als ihr von Sydney in Berlin angekommen seid? Was waren eure ersten Eindrücke und worin liegen für euch die größten Unterschiede beider Städte?

Unser erster Eindruck von Berlin war, das hier ziemlich viel los ist. Also haben wir genau das gefunden, nachdem wir gesucht haben. Es war eine sehr coole Zeit, als wir hier 2019 ankamen, wir haben ein gutes Gefühl für die Stadt bekommen und uns organisiert. Jedoch war es eine große Enttäuschung, dass die Pandemie genau dann kam, als wir uns so richtig wohlzufühlen begannen. Wir dachten, dass 2020 ein wunderbares Jahr werden würde, aber leider wurde nichts daraus. Sydney ist sehr weitläufig und der öffentliche Verkehr ist schlecht, darum bleiben die meisten Menschen in ihrer eigenen Blase. Es ist schwierig, richtig in die Stadt einzutauchen. Berlin hat dieses Problem nicht, die Stadt ist kompakter und man kann sich leichter darin fortbewegen. Das Essen und Wetter ist generell viel besser in Sydney.
Berlin ist mitten in Europa, was viele Vorteile hat. Sydney liegt abgeschieden in seinem eigenen Teil der Welt.

In welchen Läden habt ihr euch Anfangs in Berlin aufgehalten und war es schwierig für euch, neue Musiker zu finden?

Der erste coole Laden den ich fand, war Static Shock Musik, ein Plattenladen in Neukölln (nicht zu verwechseln mit dem Label aus London). Ich habe den Laden zufällig gefunden, als mich ein paar ältere Punks aus Großbritannien auf der Straße darum baten, ihnen bei der Suche des Ladens zu helfen. Ich habe die Leute, die im Plattenladen arbeiten nach Konzerten gefragt, und sie haben mir den DIY-Laden „An der Autobahn“ empfohlen. Dort fanden vor der Pandemie viele gute Konzerte statt. Von da an war es einfacher, über die stattfindenden Konzerte informiert zu bleiben. Es ist auch einfach Musiker in Berlin zu finden, doch leider sind viele der Musiker bereits zu sehr mit ihren eigenen Projekten beschäftigt. Wir hatten zu der Zeit noch nicht viele Konzerte gespielt und haben nicht wirklich viele Leute gekannt, darum waren wir wohl keine besonders attraktive oder zumindest nicht deren erste Wahl.

Euer aktuelles Album „The Death and Resurrection of Johnathan Cowboy“ ist ein großer Schritt nach vorne. Das Songwriting ist nahezu perfekt und auch dein Gesang brodelt vor Spannung und Intensität. War die Entwicklung von den minimalistischen Ursprüngen zu dem ausgereiften Sound, eine bewusste Entscheidung? Und seid ihr mit dem Album auch zufrieden?

Ich denke dass die Produktion der zweiten Platte besser ist als die der ersten. Wir haben die Songs auch in kürzerer Zeit geschrieben. Wir haben uns große Mühe gegeben, eine direktere und eingängigere Platte zu machen. Ich weiß nicht ob die Lieder besser sind, aber die meisten Menschen scheinen das zu glauben… Ich weiß nicht mal, ob wir zufrieden damit sind. Denn ich bin ziemlich neurotisch und habe hohe Ansprüche an mich selbst. Ich glaube die Platte hat ihre Hits, aber ich denke (und hoffe), dass wir noch eine bessere Platte veröffentlichen werden.

Und auch eure Songtexte sind sehr lyrisch, durchdacht, intelligent und belesen. Woher stammt deine Inspiration oder Beeinflussung beim Songtexte schreiben? Welche Gefühle oder welche Emotionen, möchtest du in deinen Songtexten übermitteln?

Danke! Ich mag Leonard Cohen und Morrissey (sorry). Sie haben einen großen Einfluss darauf, wie ich Texte schreibe. Wenn es um Gefühle geht, schreibe ich keine Tagebuchartigen Texte. Ich versuche nicht direkt zu beschreiben, wie ich mich fühle, ich versuche eher die Perspektive anderer Menschen einzunehmen und andere Einstellungen zu erforschen, die nicht unbedingt mit meinen Gedanken identisch sein müssen. Ich schreibe eher in der Rolle eines außenstehenden, beobachtenden Charakters. Die Inspiration kann von überall her kommen, interessante Situationen die ich erzählt bekomme oder Nachrichten, die meine Aufmerksamkeit erregen. Und dann fließen meine Gefühle oder Erfahrungen, die ich mir zu dem Thema gemacht habe, ganz natürlich mit ein, manchmal absichtlich, weil es relevant ist, oder manchmal unabsichtlich auf einer unterbewussten Ebene.

Du sprichst in deinen Songtexten Themen, wie Krieg, Seuchen, dem Klimawandel und die Polizeigewalt an. Insgesamt übermittelst du damit eine düstere Atmosphäre. Welche expliziten Themen bereiten dir an meisten Angst und in welche Richtung denkst du, dass sich die Menschheit entwickeln wird? Seht ihr eher pessimistisch oder optimistisch in die Zukunft?

Ich versuche nicht so pessimistisch zu sein. Ich fühle mich zu Thematiken hingezogen, die nicht nur aus einer bloßen Schwarz/Weiß-Sicht bestehen und wähle dann die Sichtweisen und Erklärungen aus, die mir am interessantesten erscheinen und erforsche diese, auch wenn sie letztendlich nicht so schön sind. Ich glaube dass ich ganz natürlich auf politische Themen herangehe. Ich versuche aber nicht, diese Themen didaktisch wiederzugeben, einen Kommentar oder eine Vorhersage darüber abzugeben, wie sich die Dinge entwickeln werden oder sollen. Ich glaube eher, dass ich die Themen aus einer Perspektive von jemandem beschreibe, der denkt, er kenne alle Antworten, da ich in gewisser Weise solche Leute beneide, die so sehr an ihrer Meinung festhalten. Inzwischen hat sich es aber oft genug herausgestellt, dass viele dieser Leute die von ihrer Meinung so sehr überzeugt sind, entweder zynisch sind oder falsch liegen und sich irren. Oder das Menschen die scheinbar qualifiziert sind Lösungen anzubieten, oft keine Ahnung haben, was sie tun oder was vor sich geht. Ich bin also weder pessimistisch noch optimistisch, weil meiner Meinung nach, die Unberechenbarkeit unsere aktuelle Situation bestimmt.

Du beziehst dich in deinen Texten auch auf David Cronenberg’s Science Fiction Klassiker „Videodrome“. Siehst du Parallelen zu dem heutigen Zeitgeist und dem Inhalt des Films?

Ich bin mir nicht sicher, ich müsste mir den Film nochmals ansehen. Ich bin kein guter Filmanalyst oder Kulturkritiker.

Wie habt ihr die Zeit während Corona wahrgenommen? Euer Sound und deine Lyrics, scheinen die isolierte, introvertierte und zurückgezogene Stimmung gut zu verkörpern.

Die gesamte Musik die wir bisher veröffentlicht haben, wurde lange vor der Pandemie geschrieben und aufgenommen. Ich schätze, dass ich vor der Pandemie ein Gefühl dafür bekam, dass die Welt und vor allem viele politische Narrative einfach immer seltsamer und komplizierter wurden oder dass die Dinge vielleicht einfach ein bisschen differenzierter waren, als ich bisher dachte oder es mir weisgemacht wurde. Ich begann in mir selbst, eine seltsame Verschiebung der Perspektiven zu verspüren. Es war als würde ich mein Leben auf dem Beifahrersitz einer Achterbahn und nicht auf dem Fahrersitz eines Autos verbringen. Und dann kam eine weltweite Pandemie und alle anderen begannen, dasselbe zu fühlen. Das ist schwer zu erklären.

Vermutlich stellt sich für die meisten Leser, bei eurem Albumtitel: „The Death and Resurrection of Johnathan Cowboy“, die Frage, wer ist denn dieser Jonathan Cowboy? Auf welche Versinnbildlichung bezieht sich der Albumtitel?

JC kannst du dir als die Verkörperung einer jeder Autoritätsperson vorstellen. Ein Mann mit einem Plan. Eine Messiasfigur, oder zumindest jemand mit einem Messiaskomplex. Es bezieht sich auf eine erfundene Allegorie, die nicht wirklich Sinn macht.

Was habt ihr für Pläne, wenn ihr wieder von Neuseeland, zurück nach Deutschland kommt?

Wir haben unser nächstes Album zur Hälfte fertig. Und zu Erins Missfallen, will ich unser erstes Tape neu abmischen, da ich glaube, es könnte besser klingen und den Liedern gerechter werden. Wir stellen gerade ein neues Line-Up zusammen und hoffen dass wir 2022, eine Europatour machen.

Noch ein abschließendes Wort oder Lebensmotto?

Absolutely not.

Interview: Bela
Übersetzung: Marco Bechtinger

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