November 30th, 2022

Das Narrative Gehirn – Was unsere Neuronen erzählen, Fritz Breithaupt

Posted in bücher by Dolf

Suhrkamp Verlag, Postfach 40644, 10063 Berlin, www.suhrkamp.de

Das Narrativ zu diesem Buch und wie die Rezension hier landet geht so: „Las ein interessantes Interview mit dem Autor, in einem wöchentlich erscheinenden Nachrichten Magazin. Daraufhin besorgte ich mir das Buch und hab es gelesen.“ Ziemlich langweilige Geschichte, irgendwie, passt gut zu dem Buch, das in weiten Strecken auch ziemlich langweilig ist. Denn leider erfährt der Leser wenig neues, dafür aber viel bekanntes auf endlos gedehnt, wie es nur ein Germanist beherrscht. Ok, das es tatsächlich Narratologie als Forschungszweig gibt war jetzt dann doch neu – erstaunlich mit was sich Wissenschaftler so beschäftigen, aber offensichtlich reicht es aus um über die Erzählforschung ganze Bücher zu schreiben.

Nach der Lektüre weiß man in jedem Fall alles über Narrative, wie sie definiert sind, wie sie am besten Funktionieren, warum das Hirn so gern mit Geschichten arbeitet und wie das wahrscheinlich entstanden ist. Vieles davon sind banale „Alltagsweisheiten“ die jeder halbwegs reflektierte Mensch sowieso kennt und darüber Bescheid weiß. Wer aber Spaß dran hat so was dann auf höchstem Niveau ausgerollt zu lesen, der ist hier richtig. Für Menschen die eher auf der Suche nach Inhalt und Erkenntnis sind, wird hier einfach zu viel geschrieben, so das die paar interessanten Thesen und Fakten unter einem Worteberg vergraben sind. Mir scheint, das dies das war, was der Autor wollte, oder wahrscheinlich ist genau das Teil seiner Forschung. Mir hat sich letztendlich leider nicht erschlossen, was er jetzt sagen will. Das gute Geschichten besser ankommen als schlechte, oder einfach nur Fakten? Das unsere Hirne evolutionär auf Geschichten getrimmt sind? Das die meisten Menschen in Krisensituationen gern auf ein starkes Narrativ zurückgreifen? Das man sich beim anhören einer Geschichte durchaus in die beteiligten Personen hineinversetzen kann? Das Identität auch pathologisch werden kann (das ist ein sehr interessanter Gedankengang!)? Das die einen mehr Tagträumer sind als andere? Das man Menschen mit Geschichten auch täuschen und hinters Licht führen kann? Das Geschichten spannend oder auch vorhersehbar sind, tatsächlich geschehen oder frei erfunden sein können. Da geht eines der interessantesten Kapitel, nämlich das der Autor „Stille Post“ mit mehreren Tausend Teilnehmern durchführte und dies dann wissenschaftlich auswertete natürlich ebenso unter – auch wenn die Ergebnisse nicht sonderlich überraschend sind. Aber jetzt ist es eben durch Daten abgesichert und belegbar. Ok. Kann man machen. Muss man aber nicht. Deshalb würde ich auch sagen das man genauso mit diesem Buch umgehen sollte, man kann es lesen – muss das aber auf keinen Fall. Ich gehe sogar soweit, das ich, hätte ich nicht grade, wegen der Situation und dem Sommerloch, sehr viel übrige Zeit, das Buch unter normalen Umständen nicht beendet hätte. Fünfundvierzig Seiten Anmerkungen und über zwanzig Seiten „Bibliographie“ dürfen bei einem derartig wissenschaftlichen Buch natürlich nicht fehlen. Man muss kein Narr sein, um sich mit Narrativen zu beschäftigen. 368 Seiten, gebunden, 28,00 Euro (dolf)

Isbn 978-3518587782

[Trust # 216 Oktober 2022]

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