März 29th, 2023

Das Ende des Kapitalismus – Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind – und wie wir in Zukunft leben werden, Ulrike Herrmann

Posted in bücher by Dolf

Kiepenheuer & Witsch, Bahnhofsvorplatz 1, 50667 Köln, www.kiwi-verlag.de

Nachdem ich fast 70 Seiten Endfußnoten des Buchs gelesen hab, leide ich kurzfristig unter einer Informations-Vergiftung. Aber eins nach dem anderen.
Viel schlimmer ist es natürlich das dieser Planet an uns Menschen zu leiden hat und mit Hilfe des Kapitalismus haben wir es tatsächlich geschafft ihn – zumindest für unser Überleben – zu ruinieren. Das ist jetzt nichts neues, wenn man aber das Buch von Ulrike Herrmann liest, dann wird einem nochmal ganz genau erklärt, warum das so ist, wie es so kommen konnte und das es jetzt zum einen zu spät ist noch wirklich daran was zu ändern. Und das die ganzen vermeintlichen Zukunftsvorschläge nichts weiter sind als eine Illusion.

Denn, es kann kein „grünes Wachstum“ oder „nachhaltige Investition“ geben, weil es ein Widerspruch ist. Und an dem Fakt das es auf einer endlichen Welt nur endliches Wachstum geben kann ändert auch keine noch so schön klingende „Zukunftsvision“ auch nur einen Millimeter. Es kann, leider, nur eine Lösung geben und das ist anfangen mit dem aufhören und damit ist das Verhalten und der Konsum sehr vieler Menschen gemeint. Vieles davon wird ja schon lange gefordert, auch hier im TRUST, aber das es nicht passieren wird ist eben auch schon lange klar. Das dies hier in diesem Buch nicht berücksichtigt wird ist schade, aber kein Problem. Denn die Autorin beschäftigt sich mit den Fakten, man wird von massig Informationen überhäuft, kann sich keiner merken, muss auch nicht – aber die geballte Kraft der gesammelten Fakten wird halt auch kaum jemand dazu bringen sein Verhalten zu ändern. Und selbst wenn, das würde mit dem Kapitalismus nicht funktionieren. Denn, der Kapitalismus ist wie ein Fahrrad, wenn es nicht fährt, fällt es um. Dabei ist die Autorin nicht wirklich pessimistisch, sondern sehr brutal realistisch. So das auch ich mir manchmal wüsche das sie nicht wirklich recht behält, weil schöne Aussichten sind was anderes. Hier wird nochmal aufgeräumt, auch mit vielen klassisch linken Sichtweisen auf den Kapitalismus. Zum Beispiel damit das der Kapitalismus nur mit Ausbeutung und der Sklaverei seinen Weg gehen konnte, beides ist natürlich massiv geschehen, aber nicht weil der Kapitalismus das so wollte, das waren eher politische Entscheidungen. Kapitalismus funktioniert auch nicht mit Hungerlöhnen, ganz im Gegenteil, je mehr die Massen verdienen, desto mehr können sie konsumieren (das wirft nochmal ein anderes Licht auf die Gewerkschaften). Und das ist nicht der einzige Zahn der gezogen wird. Das Buch ist in drei große Kapitel unterteilt: 1. „Der Aufstieg des Kapitals“, 2. „Grünes Wachstum“ gibt es nicht“ und 3. „Das Ende des Kapitalismus“. Am Anfang, bei der Geschichte des Kapitalismus, wird auch nicht verschwiegen das Kapitalismus durchaus auch Wohlstand für die Massen geschaffen hat. Es wird erklärt wie in England ab 1760 das Wachstum erfunden wurde und wie das ganze durch fossile Energie weitergetrieben wird und wie sich das auf die anderen Ländern ausgewirkt hat. Es wird erklärt warum der globale Süden kaum aufholt und das der Krieg auch dem Kapitalismus in erster Linie schadet. Da Kapitalismus aber leider darauf angewiesen ist zu wachsen, weil er sonst nicht funktioniert, ist der Preis eben die Zerstörung der Welt. Im zweiten Kapitel geht es dann darum aufzuzeigen warum vermeintlich „grüne Strategien“ nicht funktionieren können. Denn das CO2 wird nicht verschwinden, die Atomenergie ist natürlich nach wie vor keine Lösung und Sonne und Wind sind eben unzuverlässig. Und das Speichern von Energie nach wie vor ein Problem, deshalb wird die Energiewende auch teuer und trotzdem werden technische Innovationen und Digitalisierung das Klima nicht retten können. Im letzten Kapitel gehts dann darum das nur „grünes Schrumpfen“ helfen kann, das der Kapitalismus aber nicht einfach so abgeschafft werden kann unter anderem auch darum weil die Ökonomen versagt haben. Und ein Ausblick darauf wie wir in Zukunft leben könnten. Ob da jetzt die britische Kriegswirtschaft ab 1939 das richtige Vorbild ist, darüber sollen sich die ExpertInnen streiten. Auch über Details – denn ob die Autorin hier alles richtig denkt, oder sich auch mal täuscht, kann der einzelne Laie nicht mehr wirklich beurteilen. Aber muss er auch gar nicht. Gegebenenfalls wird das Buch einige „die Technik wirds schon richten“ Überzeugte vom Gegenteil überzeugen – alle anderen, bleiben unerreichbar. Denn es müsste so viel mehr getan werden, allein eine Gesellschaft die sich über Arbeit und Wachstum definiert davon zu entgiften benötigt leider viel mehr als Fakten, sondern Strategien und vor allem Zeit. Und die ist leider abgelaufen. Obwohl das Buch inhaltlich wirklich auf seine Art hart und unerbittlich ist, liest es sich gut. Wenn man mal von den sehr umfangreichen Anmerkungen absieht – die aber natürlich hier dazugehören und auch sehr interessant sind. Das Buch ist nach 18 Wochen auf der Spiegel Bestsellerliste auf Platz 6 (es war auch schon auf Platz 1), wird also hoffentlich von vielen Menschen gelesen, ob die danach ihr Verhalten ändern, ist eine andere Sache. Abgesehen davon bringt das auch nichts, weil es auch hier Top/Down Lösungen geben müsste. Hier kann man das alles nochmal sehr geordnet nachlesen. Oder eben nicht, denn ein paar Leute wissen ja ohnehin was geht, ohne das alles mit Zahlen, Fakten und Quellen untermauern zu können. Ulrike Hermann glaubt das es in Zukunft so gehen könnte: „Die Deutschen könnten weiterhin in den Urlaub fahren, ihr Smartphone nutzen, Bücher lesen und in Restaurants gehen. Flüge allerdings würde es nicht mehr geben, Autos wären kaum noch unterwegs, und Immobilien müssten rationiert werden (…). Auch Fleisch muss limitiert werden, denn das Vieh ist ein Klimakiller“ damit könnten sicher einige unserer Leser problemlos leben, weil sie das ja heute schon so machen. Und auch hier gilt, niemand kann wissen was die Zukunft bringt und wie wir in Zukunft leben werden müssen. 341 Seiten, gebunden, 24,00 Euro (dolf)

Isbn 978-3462002553
[Trust # 218 Februar 2023]

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