Januar 1st, 2024

Choke Cocoi (#212/Februar/März 2022)

Posted in interview by Jan

Choke Cocoi

Vor anderthalb Jahrzehnten reiste ich das erste Mal in die Philippinen. Ich hatte das große Glück einige Shows zu besuchen und einige Freund*innen fürs Leben kennenzulernen. Auf den Shows und im Plattenladen von Middle Finger Productions kaufte ich gefühlt so viele Tonträger, wie ich bekommen konnte. Das waren in der Regel CDRs für wenige Euro und einige CDs, die auch nicht wirklich teurer waren. Unter diesen Tonträgern war die Split-CD der argentinischen Band Urbanos und der philippinischen Hardcore-Band Choke Cocoi. Nach der Rückkehr legte ich sie zu Hause ein und hörte eher gelangweilt die Songs von Urbanos. Nett, aber nichts Besonderes. Nach acht Songs dann der Wechsel und Choke Cocoi bliesen mich an die Wand! Der Opener „No Room“ fesselte mich sofort. Was war das?!?! Zu dem Zeitpunkt hörte ich seit mehr als einem Jahrzehnt Punk und Hardcore, aber eine solche Gewalt war mir noch nicht begegnet. Auch die folgenden Songs (Can‘t, Beauty, My Grief, Time, I.M.B.A.) standen dem in Nichts nach. Was für eine Wand! Was für eine Energie! Was für Gitarren und was für Stimmen! Als krönender Abschluss der CD folgte das im Interview erwähnte „Karamihan Ng Tao Ay Pu“, eine Coverversion von Biofeedback. Biofeedback gehören zu den wichtigsten lokalen Bands der 1990er. Sie waren wegweisend für einen moderneren Hardcore-Sound made in the Philippines. Doch was Choke Cocoi aus dem Song machen ist ein alles wegfräsendes Monster. Diese Art von Monster, das Dir ein stetiges Lächeln ins Gesicht hämmert. Immer und immer wieder. Wer es nicht glaubt, hört Euch den Song an: https://youtu.be/p6APLHCaCF8

Leider habe ich die Band in den Philippinen nie live sehen können, nur einzelne Bandmitglieder, darunter Odessa an den Drums bei Veils sowie Tweety mit Staid. Veils und Staid sind ebenfalls spannende Hardcore-Bands. Meine Motivation für das Interview dürfte deutlich geworden sein. Die erste Kontaktaufnahme zu diesem Interview fand im April 2020 statt. Lange Zeit liefen meine Anfragen ins Leere. Kein Wunder, alle Vier sind sehr beschäftigt mit Leben, Familie, Arbeit, Nebenprojekten, etc. Wir werden drauf zu sprechen können.

Am Ende war es mein Freund Francis (Istukas Over Disneyland) der den Kontakt direkt zu Tweety herstellte. Es brauchte viele weitere Monate, da es persönliche Tragödien gab, die immer wieder zu Verschiebungen führten. Am Ende kamen noch ein paar Tage dazu, weil die Datei auf einem nur schwer zu erreichendem Rechner gespeichert war. Dennoch, ich bin überglücklich sie hier im Trust zu haben. Hört Ihre Musik, feiert sie! Und habt Spaß beim Lesen! Vorhang frei für Choke Cocoi!

Vielen Dank, dass Ihr euch die Zeit nehmt für das Interview mit dem Trust. Magst Du Dich und die Band erst einmal vorstellen? Wann habt ihr angefangen? Was war eure Motivation? Wer ist Choke Cocoi und was macht ihr neben der Band?
Hallo Mika! Danke, dass Du geduldig auf dieses Interview gewartet hast. Ich bin Tweety und ich spiele Gitarre bei Choke Cocoi. Die Band begann Anfang 2000 mit einer anderen Sängerin. Ihr Name ist Joy. Jahre später wurde sie durch Sheryl ersetzt. Anfang 2000 war Choke Cocoi eine Band, die einfach nur Spaß daran hatte, Konzerte zu spielen. Als wir älter wurden konzentrierten wir uns mehr auf das Vertreten unserer Überzeugungen und brachten unsere Ansichten in unsere Musik ein. Odessa und ich spielen seit der High School gemeinsam in Bands. Sie ist eine vegane Köchin, Yogi (Anm. Mika: Yoga praktizierender Mensch) und Tätowiererin. QT spielt den Bass in der Band. Sie betreibt ein Online-Geschäft für vegane Lebensmittel und Kleidung. Bis auf Sheryl sind wir alle Veganer*innen. Ein Teil unseres Engagements ist der Veganismus. Die Band befindet sich derzeit in einer Pause, aber wir hoffen sehr, dass wir wieder spielen können, wenn es endlich wieder Shows gibt. Sheryl und ich arbeiten beide Vollzeit. Zudem bin ich derzeit in einer Online-Projektband mit Mitgliedern aus verschiedenen Teilen der Welt.

Auf dem „My Blood Will Drown Your Flame Of Greed“-Blog habe ich eine interessante Version gelesen, was euer Name bedeutet. Ihr habt dort auf die Frage nach dem Bandnamen wie folgt beantwortet: „Wir sind nach einem Trycycle-Fahrer benannt, der verrückt nach Tweety ist (Anm. Mika: Tricycle sind eine Art Motorradtaxi mit Beiwagen). Wir hingen im Haus eines Freundes ab und wir dachten einfach daran, Cocoi’s Namen in unsere Band aufzunehmen. Er ist der Nachbar unseres Freundes und besitzt ein Tricycle. Warum Choke? Manche Leute reden die meiste Zeit Scheiße. Ich hoffe, sie ersticken daran, damit sie aufhören Unsinn zu reden.“ Wollt ihr dem noch etwas hinzufügen?
Wir hatten so viel Spaß, als wir dieses Interview beantworteten. Wir waren damals noch eine junge Band, die herausfand, welche Art von Musik wir spielen wollten. Wir coverten einfach Songs von verschiedenen Bands. Wir hatten einfach nur Spaß daran, Songs zu machen und auf Konzerten zu spielen. Cocoi ist immer noch am Leben und ist seitdem ein netter Mensch.

Das beruhigt mich. Ihr habt eine Menge Respekt in der lokalen Szene gewonnen. Wann immer ich mit Leuten in Luzon über Bands spreche, die ich mag, und Choke Cocoi erwähne, stimmen mir alle zu. Wie ist die Unterstützung in der Szene? Was vermisst ihr?
Wir sind überwältigt von der Unterstützung der Pinoy HC/Punkszene. Es ist eine große Ehre für uns, auf Shows außerhalb unserer Provinz zu spielen. Wir sind den Veranstalter*innen dankbar, dass sie uns in ihr Line-Up aufgenommen haben. Es gibt jedoch einige Shows, die wir aufgrund von Geldmangel verpasst haben. Das tut uns sehr Leid. Wir hoffen immer noch, dass wir wieder auftreten können, wenn die Beschränkungen hier auf den Philippinen aufgehoben werden.

In eurer ersten Phase habt ihr von 2000 bis 2008 existiert. Was war der Grund aufzuhören? Und was war eure Motivation wieder zurückzukommen?
Verschiedene Wege, Lebensentscheidungen und Konflikte haben uns daran gehindert, die Band weiterzuführen, nachdem wir 2008 in Malaysia und Singapur auf Tour waren. Wir sind froh, dass wir 2016 zurückkommen und wieder spielen konnten, mit einer sehr positiven Stimmung, mit dem gleichen Engagement, mit Spaß an den Shows und der Möglichkeit, an verschiedenen Orten aufzutreten.

Ihr spielt eine ziemlich brutale Musik. Ich habe gelesen, dass ihr eure Musik als „testicle-wringing breast-punching geeks onstage“ (das Übersetzungsprogramm schlägt mir hierfür: „Hoden-schwingende, brustpochende Freaks auf der Bühne“ als Übersetzung vor … als ich mir die Tränen vor Lachen weggewischt habe, habe ich es doch beim Englischen belassen) beschreibt. Ist das eine Botschaft an harte Jungs?
Nein, so beschreiben wir einfach unsere Musik. Wenn die Menge durchdreht, sollte man auf die Ausrüstung und die Band auf der Bühne achten, damit der Spaß nicht aufhört.

Ihr habt – soweit ich weiß – bisher drei Platten veröffentlicht: eine Split-CD mit Urbanos (2007), eine Split-7″ mit Tiger Pussy (2018) und eine Diskografie auf Kassette (2018). Wie seid ihr mit Urbanos und mit Tiger Pussy (s. auch Trust #170, 2015) in Kontakt gekommen?
Unsere Freunde von Delusion of Terror Records und TakeFour Collective haben die Split mit Urbanos HC aus Argentinien möglich gemacht. Wir haben auch zwei Songs auf der Not Just Boys Fun Compilation CD in Japan von Teki Records, das war zeitlich nach der Split mit Urbanos HC.
Im Jahr 2017 haben wir drei neue Songs für die Split mit Tiger Pussy aufgenommen. Unsere Freunde von den Labels Violent Delights Records (US), Still Ill Records (Philippinen), Dangerous Goods Records (Singapur), Delusion of Terror Records (Philippinen), Aklasan Records (US) und Love from Hate Records (Philippinen) haben zusammengearbeitet, um die Split 7″ zu ermöglichen.

Wir sind mit Tiger Pussy befreundet und die Bühne mit ihnen zu teilen war eine der besten Shows für uns. Wir haben insgesamt zehn Songs von der Aufnahme 2006 im Earbender Studio und drei Songs von unserer Aufnahme im Glasstone Studio im Jahr 2017. Bam (Sickos Records – Indonesien) und Emman (Delusion of Terror Records – Philippinen) finanzierten die Veröffentlichung unseres Diskografie-Tapes, wir fügten einige Tracks von Live-Performances und das Drei-Song-Demo auf Seite B hinzu. Die jüngste Veröffentlichung ist die Girlz Disorder Volume 2 – An International Femipunk Compilation LP / CD, veröffentlicht von Mass Productions und Fire and Flames Music.

Alle eure Veröffentlichungen sind auf verschiedenen, aber sehr bekannten unabhängigen Hardcore-Labels auf den Philippinen erschienen: Takefour Collective, Still Ill und Sickos Records / Delusion of Terror. Wie kam es dazu? Wie wichtig sind unabhängige, kleine Labels für euch? Wie habt ihr euch entschieden?
Diese Labels haben an uns und unsere Musik geglaubt. Wir sind auch mit ihnen befreundet. Wir unterstützen unabhängige und kleine Labels, denn nur so können wir auch ihnen helfen. Diese Labels spielten eine große Rolle bei der Unterstützung von Bands, besonders in den Zeiten, als es Spotify und Bandcamp noch nicht gab. Ich glaube nicht, dass unsere Band Mitte 2000 in anderen Teilen der Welt gehört worden wäre, wenn wir nicht aufgenommen und nichts veröffentlicht hätten.

Ihr wart eine der ersten reinen Frauenbands in der Pinoy Punk/Hardcore Szene. Ich kannte vorher nur Abrasive Relations. Wie war das für euch? Wie war die Resonanz?
Loi von Abrasive Relations ist eine gute Freundin. Es ist eine gute Sache, dass Leute aus der Pinoy/HC-Punk-Szene unsere Musik mochten. Wir sind den Veranstalter*innen dankbar, dass sie uns in das Line-Up aufgenommen haben und wir die Bühne mit großartigen Bands teilen dürfen. Alles, was wir wissen, ist, dass wir einfach nur spielen und unsere Musik zu Gehör bringen wollten, so wie es die meisten Bands tun.

Die Philippinen werden immer erwähnt, weil auf dem Papier viel für die Geschlechtergerechtigkeit getan wird, zwei weibliche Präsidentinnen, viele Frauen in der Politik, in sozialen Bewegungen. Gleichzeitig gibt es aber auch einen starken Machismo, eine starke Kirche, kein Recht auf Scheidung oder Abtreibung. Wie wichtig sind die Rechte der Frauen für Euch?
Vielleicht wenn die Gesetze über Scheidung, gleichgeschlechtliche Ehe oder Abtreibung in Kraft tretten, dann kann ich sagen, dass Filipin@s, insbesondere Frauen auf den Philippinen, völlig frei von Ungerechtigkeit sind. Paare können aktuell nur eine Annullierung der Ehe beantragen, aber das ist sehr kostspielig. Ich kann nicht glauben, dass die beiden früheren Präsidentinnen und die jetzigen weiblichen Gesetzgeber*innen keine Unterstützung für die Verabschiedung des Scheidungs- und Abtreibungsgesetzes haben.

Das Reproductive Health-Gesetz wurde 2012 in Kraft gesetzt, also vor neun Jahren. Doch wir sind immer noch überbevölkert, wir sind über 100 Millionen Menschen hier auf den Philippinen. Ich hoffe, dass dieses Gesetz bis in die entlegensten Winkel der Philippinen vorgedrungen ist, um die Menschen über verantwortungsvolle Elternschaft aufzuklären sowie Männern und Frauen die Möglichkeit zu geben, kostenlos Verhütungsmittel zu nutzen. Ich hoffe, dass die Regierung weiterhin philippinische Männer dazu ermutigt, sich einer Vasektomie zu unterziehen. Da es bereits ein Gesetz ist, sollte es dafür mehr Mittel geben. Abtreibung und Scheidung sind auf den Philippinen immer noch illegal.

Ich hoffe immer noch, dass die Gesetzgeber*innen das Scheidungsgesetz noch vor der Vertagung des 18. Kongresses (Anm. Mika: nächstes Jahr sind Präsidentschaftswahlen, vorher ruht der Kongress und keine Gesetze werden mehr verabschiedet) verabschieden, damit viele Paare endlich zu ihrem Recht kommen. Abtreibung sollte ebenfalls legalisiert werden, denn nicht alle Schwangerschaften sind gewollt. Wir haben hier keine sicheren Optionen für ungewollte Schwangerschaften, Filipinas riskieren ihr Leben, wenn sie zu unsicheren Abtreibungskliniken und Abtreibungsdiensten gehen. Heutzutage sollten philippinische Eltern immer offen dafür sein, ihren Kindern Sexualkunde und sicheren Sex beizubringen.

Wie spiegeln sich Gender-Gerechtigkeit und Feminismus in der Punk-Hardcore-Szene auf den Philippinen wider?
Die Tatsache, dass es hier auf den Philippinen mehr Bands mit weiblichen Mitgliedern gibt, ist ein gutes Zeichen dafür, dass diese Szene nicht nur für Männer ist. Einige von ihnen spielen ihre Musik viel besser. Es ist großartig zu sehen, dass Bands mit weiblichen Mitgliedern wie Catpuke, Sandy Good, Value Lasts, Tim Awa, Plastic Plants, Irrevocable, Turncoats, Monochrome, Exsenadors und viele mehr ihre Songs aufgenommen und aktiv auf Konzerten gespielt haben, bevor die Pandemie ausbrach. Und dass sie jetzt in dieser Situation weiter an ihrem Handwerk feilen.

Die meisten eurer Texte sind auf Englisch, aber auf der letzten Veröffentlichung, der Split-Single mit Tiger Pussy, sind zwei Songs auf Tagalog. Was bedeuten die Songs „Gera“ und „Gangstahlayp“? Worüber singt ihr? Was ist für euch der Unterschied zu den englischen Songs?
Die Tagalog-Songs auf der Split 7″ mit Tiger Pussy waren politischer als unsere vorherigen Songs. „Gera“ handelt von dem Konflikt in Mindanao unter dem Kriegsrecht, während „Gangstahlayp“ von außergerichtlichen Tötungen handelt (EJK, extra-juridical killings). Die Songs auf der ersten Aufnahme handelten meist von alltäglichen Erfahrungen. Bei den neuen Liedern waren wir uns alle einig, dass wir versuchen wollten, Lieder in Tagalog zu schreiben, da es intensiver und uns eine Herzenssache ist, wenn Sheryl es auf unserer Aufnahme singt.

Mit dem Song „Beauty“ habt ihr eine direkte Aussage über Schönheitsnormen und den Druck der Gesellschaft auf (besonders, aber nicht nur) Frauenkörper. Wie ist dieser Druck in der philippinischen Gesellschaft? Wie hat er sich unter einem misogynen Präsidenten wie Duterte verändert?
Nun, ich denke, die meisten Filipinas wollen immer noch helle Haut haben. Dabei ist unsere morena / braune Farbe etwas, auf das man stolz sein kann. Wir haben mehr Melanin. Ich verstehe nur nicht, warum es hier so viele Produkte zur Aufhellung gibt. Wir haben selbst die Wahl, aber es ist einfach so, dass diese Normen, die von unserer Gesellschaft und insbesondere von den Medien gesetzt werden, Frauen manchmal verunsichern. Ich glaube nicht, dass Präsident Duterte ein großer Befürworter von Gesetzen und Politiken ist, die Frauen zugutekommen.

In seiner letzten Rede zur Lage der Nation (Juli 2021) nannte er zwölf vorrangige Gesetze, das Scheidungsgesetz steht nicht auf der Liste. Sollte es die dritte und letzte Lesung passieren, hoffe ich, dass Duterte kein Veto einlegt. Aber achtet auf die Wahlen im Jahr 2022. Ich denke, es gibt Kandidat*innen, die sich um Positionen in der Exekutive und Legislative der philippinischen Regierung bewerben, die diese Position mehr verdienen. Ich hoffe, dass diejenigen, die 2022 gewählt werden, etwas Gutes zu bieten haben und Politiken formulieren, von denen die Filipin@s in hohem Maße profitieren werden.
In „I.M.B.A.“ singt ihr über Gleichberechtigung und das bedeutet auch gleiche Verantwortung. Du erwähntest schon, dass auf den Philippinen immer mehr Frauen in Bands spielen und Bands gründen.

Das spiegelt sich auch in den Texten wider. Was sind für dich die größten Probleme in der philippinischen Szene in Bezug auf die Gleichstellung der Geschlechter?
Ich glaube nicht, dass es ein großes Problem mit der Gleichberechtigung der Geschlechter in der Szene gibt. Ich denke, dieses Problem ist eher in Büros zu finden, wo die Vorgesetzten Boomer sind. Oder bei Familientreffen, wo man seine Tanten und Onkel trifft, die in der Vergangenheit stecken. Wir haben mehr Frauen, die aktiv in Bands spielen, Shows organisieren, Zines und Kunst produzieren, in der Wissenschaft vorankommen und gemeinschaftsbezogene Aktivitäten wie Aktivitäten für (lokale) Gemeinschaften (zum Beispiel lokale Versorgungs- und Ernährungsprogramme) organisieren. Sie alle widmen sich ihrer Leidenschaft.

Die Zeile „Don’t wait to be seated“ aus unserem Song I.M.B.A. bedeutet wörtlich, dass wir Dinge selbst tun sollten und nicht darauf warten, dass jemand anderes sie für uns tut. Es ist sehr wichtig, unseren Töchtern und Söhnen die Gleichberechtigung der Geschlechter beizubringen, solange sie jung sind.

Ich habe mich durch die Coverversion des Biofeedback-Songs „Karamihan ng Tao ay Pu“ in eure Musik verliebt (tatsächlich hatte ich zweimal die Gelegenheit, ihn in lokalen Punk-Radiosendungen zu spielen, und beide Male haben die Leute sehr positiv darauf reagiert). Was bedeutet dieser Song für dich? Warum habt ihr ihn ausgewählt?
Biofeedback ist eine sehr bekannte Hardcore-Band und wir haben das große Glück, KNTP zu covern, einen der besten Songs ihres Albums. Dieser Song sagt uns, dass Menschen Sklaven des Geldes sind. Ein Mensch kann sich ändern, kann arrogant sein, wenn er Macht und Geld bekommt. Einige Politiker*innen kandidieren für öffentliche Ämter, um das Geld der Steuerzahler*innen für ihre persönlichen Interessen zu nutzen. Die Kirche nimmt Geld von den Kirchgänger*innen. Einige Menschen können sich ändern und ein Arschloch werden, wegen des Geldes.

Das Schlimmste und Traurigste ist, dass manche Menschen zu Menschen aufschauen, die mehr Geld und Macht haben.

Ich habe das Interview mit Dir auf der Website von Unite Asia über Frauen gelesen, die Dich beeinflusst haben. Es war interessant, dass Du mit Alexandria Ocasio-Cortez und Miriam Defensor-Santiago zwei Politikerinnen und mit Ella Fitzgerald, Beki Bondage und Kira Roessler drei Musikerinnen erwähnst. Was waren eure Einflüsse von Punk/Hardcore-Bands in den 90er Jahren auf den Philippinen und international? Gab es weibliche Vorreiterinnen, die Du erwähnen möchtest?
Meine erste Band UOM begann Mitte der 90er Jahre auf Punk-Shows zu spielen und hatte die Chance, die Bühne mit großartigen Bands zu teilen und Leute aus der HC/Punk-Szene kennenzulernen. Durch diese Erfahrung hatte ich Zugang zu lokalen und internationalen HC/Punk-Veröffentlichungen.
Die Bands, die ich in meinen jungen Jahren hörte, sind: Biofeedback, einige der TRC Pinoy Punk Bands (Anm. Mika: TRC ist Twisted Red Cross, das erste Punk-Label der Philippinen), Bands von Middle Finger Productions (Philippinen), Vice Squad, Huggy Bear, Bikini Kill, L7, Babes in Toyland, Fast Times, Infect, Doughnuts, Detestation, Sick of it All, Earth Crisis, Gorilla Biscuits, Bad Brains, Fugazi, Minor Threat, Black Flag, Judge und Youth of Today. Diese Bands sind immer in meiner Playlist. Abrasive Relations ist eine der Frauenbands, die ich kenne und die in den 90er Jahren in der philippinischen Hardcore-/Punkszene sehr aktiv war. Zu meinen Lieblingsmusikerinnen gehören Debbie Harry, Rachel Rosen (Indecision / Most Precious Blood / Wage of Sin), Saira (Detestation) und Reba Meyers von Code Orange. Sie alle sind fantastische Musikerinnen!

Du kommst aus Lucena, das etwa drei Stunden Fahrzeit mit dem Bus von der Hauptstadt entfernt ist. Ich glaube, Unforce sind international eine ziemlich bekannte Straight Edge Hardcore Band aus der Gegend. Was könnt ihr über Lucena erzählen? Warum kommen so viele tolle Bands aus dieser Gegend? Welche Bands sollten wir uns anhören?
Lucena City ist die Hauptstadt der Provinz Quezon und ziemlich bekannt für Showbands und Indie-Bands. Die Musikszene in Lucena ist seit Mitte der 90er Jahre sehr lebendig. Während des Mardi Gras, einem einwöchigen Fest im Mai, spielen Bands auf der Straße. Das ist offen für alle Musikrichtungen. Dafür ist Lucena neben dem lokalen Gericht „Chami“ bekannt (Anm. Mika: Chami ist ein lokales Nudel-Gericht). Mitte der 1990er bis Anfang 2000 waren Bands wie Sentensya, UOM, Alahadupaks, Idiotic Approach, All Affected, Man Denied, Antipathy, Diaper Rash, Crawl Daddies, Panchito’s Way und Catalepsis sehr aktiv. Unforce kommt aus Pagbilao, Quezon, einer Stadt in der Nähe von Lucena.

Sie waren Anfang 2000 die einzige Straightedge-Band hier. Im Moment haben wir Bands wie Diska, Oh Behave, Cherry Farmer, Bakante Root, Lambagrind, Tim Awa, Plastic Plants, Banana is the Bastard und Payfong. Außerdem gibt es die Jungs von Food not Bombs Lucena, die Shows organisieren und Essen verteilen. Es gibt auch noch die Künstler*innengruppe Guni Guri Collective und die unabhängigen Labels bzw. Distros MYO Distro und XthinkpostiveX Records. Alle genannten Bands und Personen sind in der gleichen Provinz ansässig. Wenn ich vergessen habe, andere Bands zu erwähnen, könnt ihr euch bei MYO Distro und XThinkpostiveX Records nach lokalen Veröffentlichungen erkundigen.

Du bist in Gabriel Kuhns (der auch ab und zu für das Trust Fanzine schreibt) Buch über globalen Straight Edge (X: Straight Edge And Radical Sobriety) zu finden. Was bedeutet das für euch? Wie ist Straight Edge in der Szene präsent? Meine begrenzten Erfahrungen sind vergleichbar mit allen anderen Ländern, die ich besucht habe (mit Ausnahme von Malaysia) und zeigen, dass Alkohol für einige wenige Leute eine dominante Motivation zum Ausgehen ist und Straight Edge Kids oft argumentieren müssen, warum sie nicht trinken.
Straight Edge und vegan zu sein bedeutet mir sehr viel. Es ist meine Entscheidung, aber ich würde sie niemandem ins Gesicht drücken, nur um meinen Standpunkt zu beweisen. Über Entscheidungen zu streiten ist reine Zeitverschwendung, denn wir haben hier nur eine kleine HC-/Punk-Gemeinschaft. Ich weiß nur, dass sxe- und nicht-sxe-Bands ohne allzu viel Drama zusammen auf einer Show spielen können. Die Szene sollte sich nicht wegen persönlicher Entscheidungen und unterschiedlicher Standpunkte spalten. Es gibt nur wenige sxe in der HC/Punk-Szene hier auf den Philippinen und ich bewundere Freunde, die noch sxe sind. Das Trinken von Alkohol hat seinen Ursprung in vielen philippinischen Haushalten. Es ist also Teil der philippinischen Kultur. Bei Familientreffen gibt es immer Alkohol.

Die meisten der großen Drogenbarone haben mehr Privilegien, während die unterprivilegierten Filipin@s, die nur um zu überleben Drogen verkaufen, getötet werden. Ich hoffe, dass unsere Regierung den Filipin@s angemessene Arbeitsplätze geben, das Drogengesetz ändern und eine Politik der Schadensbegrenzung entwickeln kann.

Wir haben hier auf den Philippinen seit 2017 die Exekutivverordnung 26. Diese ist auch bekannt als landesweites Rauchverbot. Also ist es kein Problem für die Organisator*innen von Shows, Zigaretten im / am Veranstaltungsort zu verbieten. Ehrlich gesagt ist es viel angenehmer, wenn die Leute in der Halle (wie bei der Show im 123 Block in Mandaluyong, wo Judge gespielt haben) einfach nur Spaß haben und den Bands zusehen, unbegrenzt Stagediving und Singalongs machen und einfach nur nüchtern sind. Es gibt nur wenige Straightedge-Bands in der HC/Punk-Szene hier auf den Philippinen, aber der aktivste Veganer/Sexe, den ich kenne, war Gilbert „Egg“ Santos.

Er ist leider dieses Jahr verstorben. Die HC/Punk-Community trauert um ihn. Gilbert hat vor ein paar Jahren den „Egg Day“ ins Leben gerufen, eine jährliche HC/Punk-Show in der 3. oder 4. Oktoberwoche. Aber da Shows noch nicht erlaubt sind, haben Gilberts Freunde eine Online-Benefiz-Show für ihn organisiert.

Ihr habt in der Vergangenheit in Malaysia und Singapur gespielt. Es ist – bitte korrigiert mich, wenn ich falsch liege – leider immer noch sehr selten, dass Bands von den Philippinen außerhalb des Landes spielen. Was sind die größten Herausforderungen für euch als Pinoy-Hardcore-Band?
Die Tournee durch Singapur und Malaysia hat uns gelehrt, als Band an unsere Grenzen zu gehen. Takefour Collective hat uns Anfang 2000 geholfen, unsere Band in Südostasien zu promoten, indem wir Kontakt zu anderen Labels und Vertriebsfirmen aufgenommen haben, damit unsere Musik auch außerhalb der Philippinen gehört wird. Die größte Herausforderung ist der Mangel an Finanzen. Wir wollen so viel wie möglich spielen, aber es ist schwer, wenn man eine asiatische Band ist und von den Philippinen kommt, weil es nicht einfach ist, ein Touristenvisum für andere Länder zu bekommen. Wir konnten 2019 in Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten spielen, weil unsere philippinischen Kollegen, die dort arbeiten, uns geholfen haben. Sie haben unsere Visa und Flugtickets bezahlt. Wir sind sehr dankbar für diese Erfahrung.

Mit welchen Bands würdet ihr gerne mal die Bühnen teilen?
Wir haben Songs für die Not Just Boys Fun und Girlz Disorder Vol. 2 International Femipunk Compilation aufgenommen und wir freuen uns darauf, mit allen Bands auf der Bühne zu stehen.

Einige von euch haben Kinder, wie ich im Love From Hate Newsletter gelesen habe. Was ist anders als in der Zeit, bevor ihr Kinder hattet? Sind eure Kinder bei den Konzerten dabei? Ich weiß, dass das Thought Market Zine aus Manila eine Ausgabe über das Aktivsein in der Punkszene und zugleich Elternsein hatte. Was sind die größten Herausforderungen für dich? Was funktioniert gut?
Wir haben alle drei ein Kind, außer Sheryl, die eine Katzenmama ist. Es ist einfacher, in einer Band zu sein, wenn man keine Kinder hat, weil man sich um nichts Sorgen machen muss. Aber wenn wir jetzt Entscheidungen treffen, ob wir auf Konzerten spielen oder ein neues Projekt starten, denken wir immer an unsere Kinder. Irgendwann haben wir keine andere Wahl mehr, als unsere Kinder zu Konzerten mitzunehmen, wenn niemand sonst auf sie aufpasst. Denn sie haben die Erfahrung gemacht, eine HC/Punk-Show zu sehen. Meine Tochter und ich haben uns ein paar Mal ausländische und lokale Bands angesehen. Als meine andere Band Staid noch aktiv war, habe ich sie manchmal zu den Bandproben mitgenommen.

Irgendwelche Zukunftspläne?
Wir hoffen alle, dass wir hier auf den Philippinen wieder auftreten werden. Ich hoffe, dass wir in der Zukunft wieder neue Songs machen und aufnehmen können. Haltet Ausschau nach der Choke Cocoi „Visceral Memoranda“ LP, denn die Vinyl-Version kommt bald!

Vielen, vielen Dank für das Interview!

Mika Reckinnen

Choke Cocoi im Netz:
Bandcamp: https://chokecocoi.bandcamp.com/
Instagram: https://www.instagram.com/_chokecocoi_/
Facebook: https://www.facebook.com/chokecocoi

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