Dezember 31st, 2022

Bikini Beach (#208, 2021)

Posted in interview by Jan

Vorgeschichte:
Ich weiß noch genau wie ich an einem Dienstag Abend in Verzugspanik geraten bin, nachdem mir zu meinem öffentlichen Geburtstagskonzert, eine regionale Vorband abgesagt hatte und ich auf die Schnelle, bis zum Samstag Abend noch nach einer „Ersatzband“ suchen musste. Bis tief in die Nacht hinein, durchforschte ich die Facebook-Seite des Schweizer Horst Klubs in Kreuzlingen, der unterhalb von Konstanz liegt und bekannt ist für seine vielen guten Konzerte.

Dort fand ich zu meiner positiven Überraschung, einige sehr überzeugende Bands aus dem Bodensee-Raum, von denen ich um die fünf Bands anschrieb, ob sie spontan Lust hätten, am Samstag auf meiner Geburtstagssause zu spielen. Die meisten hatten wegen Schichtarbeit oder anderen Liveaktivitäten keine Zeit. Doch genau die Band, auf die ich am meisten hingefiebert hatte, erteilten mir freudig eine Zusage. Denn den Tag zuvor spielten sie in Würzburg und so konnten sie auf dem Heimweg nach Konstanz, noch einen Konzertstopp im Allgäu einlegen. Sozusagen eine Win-Win-Situation. Und das Konzert von Bikini Beach, im Vorprogramm der Frankfurter Scheisse Minelli, war dann auch höchst enthusiastisch und einfach nur unvergesslich.

Innerhalb von 1-3 Songs, brachten sie den Großteil der feiernden Meute, von knapp über 100 zahlenden Gästen, zum tanzen und grölen und auch die Biervorräte von 13 Kästen Bier, waren bereits nach drei Stunden ausverkauft, so das den restlichen Abend, in ebenso rauen Mengen nur noch Pils, Weizen und Wein über die Ladentheke ging. Den ganzen Abend sprachen mich die Leute an, wie geil doch das Konzert von Bikini Beach nur gewesen ist und im Nachhinein war ich auch glücklich darüber, das mir die regionale Vorband abgesagt hatte. Um ehrlich zu sein, stahlen sie der Hauptband Scheisse Minelli regelrecht die Show, auch wenn diese sich mindestens genauso enthusiastisch ins Zeug legten und ein total geiles Konzert ablieferten. Aber das mag vermutlich auch daran liegen, dass im Allgäu Hardcorepunk keinen solch hohen Stellenwert besitzt, wie in anderen Regionen Deutschlands. Aber letztendlich sind Bikini Beach auch eine wahnsinnig gute und umwerfende Liveband.

Doch auch auf ihren Tapes, Singles und LP´s sind die Konstanzer ein Garant für sich, wenn es um rohen, schmissigen Garagepunk geht. Ich würde fast behaupten das sie Europaweit zu den überzeugendsten Garagebands zählen und auch in dem internationalen Standard mithalten können. Denn sie brodeln und sprudeln nur so vor leidenschaftlichen Enthusiasmus und zudem wissen sie genau, wie ein guter, roher, eingängiger Song zu funktionieren und zu laufen hat.

In eurer Bandbiographie heißt es, dass ausgerechnet ein verlorener Bandcontest, euch die nötige Aufmerksamkeit verschaffte. Wie können wir uns das vorstellen? Was hat euch zu eurer Bandgründung inspiriert? Und die Frage wurde euch sicherlich schon oft gestellt: Wie seid ihr auf den Bandnamen Bikini Beach gekommen?
Nils: Ich hatte die Band als Projekt gestartet, um bei einem Bandcontest mitzumachen, zu gewinnen, einmal auf dem Festival in Konstanz spielen und dann wieder das Projekt zu beenden. Lotti und Tama (unsere erste Schlagzeugerin) hatten mal als Vorband vor meiner ehemaligen Band gespielt, die sich beide recht zeitgleich auflösten.

Der Contest lief eigentlich auch super gut für uns, leider war das Punktesystem etwas schlecht gewählt – man musste zwei Bands angeben und alle wählten einfach als Zweitwahl die Band, die als erstes gespielt hatte, als noch niemand da gewesen war. Wir verloren also super knapp, aber kamen trotzdem sehr gut an und hatten auf einmal ohne Ende Gigs in der Tasche. Beim Bandnamen wollte ich unbedingt einen ausgefallenen Bandnamen, der “surfig” klingt. Mir fiel tagelang aber nichts ein, bis ich einen Surfer-Film aus den 60ern mit den Namen “Bikini Beach” gesehen hab und ich fand den Namen cool.

Desweiterem heißt es in der Bandbio: „Die Ideologie heißt Lo-Fi, der Sound Garage, „denn da hat die Punkrock-Polizei Hausverbot“. Hattet ihr viel Anfeindungen und Stress, mit den selbst aufersetzten Gesetzen und Regeln der Politisch Korrekten?
Nils: Das hat nichts mit politischer Korrektheit zu tun. Dabei ging es um künstlerische Freiheit. Im Garage Punk kannst du machen, was du willst. Die Stimme mit Echos und Verzerrung entfremden etc. – alles ist möglich.

Ich kann eure Skepsis gegenüber der Punkrockpolizei gut nachvollziehen, aber dennoch habe auch ich im Bereich Garage manchmal meine Probleme, indem die Texte halt oft nicht wirklich viel aussagen. Wie wichtig ist euch der textliche Inhalt und was wollt ihr in euren Lyrics übermitteln?
Lotti: Ehrlich gesagt nicht so wichtig. Der Text kommt bei uns immer zum Schluss und muss zur Musik passen, muss die Energie vom Song irgendwie weiterführen. Manchmal singen wir auch zweimal die gleiche Strophe, weil es einfach gut passt. Unsere Texte sind allerdings persönlicher, als man denkt. Ist aber auch nicht so wichtig, wenn man bei uns nicht immer alles 100% versteht, es geht mehr um das Gefühl, um eine Stimmung und die darf jeder für sich selber interpretieren.

Ihr wohnt sozusagen im drei-Länder-Dreieck, zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz. Welche Vorteile bringt eure geographische Lage?
Flip: Kulturaustausch.
Lotti: Ich kann schweizerdeutsch verstehen, das ist schon cool.

Und welche Unterschiede bestehen in Sachen Corona, welche der drei Länder hat die strengsten und welche die lockersten Gesetze? Und in welchen der Länder, fallen die staatlichen Unterstützungen am geringsten und am größten aus?
Nils: Uns unterstützt keiner finanziell. Ist in allen Ländern gleich scheiße.

In welcher Form seid ihr persönlich, von den kulturellen Auswirkungen des Corona betroffen?
Lotti: Ich sitze seit März zu Hause (Studium), mein größtes Hobby ist zur Zeit ziemlich auf Eis gelegt und ohne Konzerte macht proben auch nur bedingt Sinn. Also schon ziemlich, ja, aber ich würde sagen, wir haben noch Glück. Wir sind alle drei nicht abhängig von der Band. Ist halt nur scheiße, aber was soll´s, sich darüber aufzuregen. Sobald man wieder darf, werden wir auf jeden Fall erstmal auf Tour gehen.

Im Raum Bodensee und in der angrenzenden Schweiz, gibt es einige, überraschend gute Bands. Woran liegt das, motiviert da eine Band die andere? Wie würdet ihr die regionale Undergroundszene umschreiben und welche Bands könnt ihr uns wärmstens empfehlen?
Flip: Die Szene ist echt cool und da geht einiges. Viele offene Leute. Ich würde sagen, dass es ein pushen und auch ein gegenseitiges Austauschen ist. Man kennt sich schnell, da es nicht so viele Clubs gibt, wo was läuft. Tipps zum Anhören: WANK, Urbane Praxen, Haile Selacid, Vomitheist, Funeral Boy, Restock , Hathors, THE Dues, KGW.

Wie sieht es mit den Locations aus? Gibt es viele Orte wo ihr Auftreten könnt, oder sind diese eher Rar gesät?
Nils: Eher rar gesät und es macht auch einfach keinen Sinn, 5x im Jahr in der gleichen Stadt zu spielen. Wir fahren gern weiter weg und gehen auch gerne auf Tour.

Leider war ich noch nie im Horst Klub in Kreuzlingen, aber wenn ich mir auf Facebook das coole Konzertprogramm und die Fotos ansehe, sollte ich das unbedingt mal nachholen. Ich hoffe der Horst Klub kann sich während Corona, übers Wasser halten!? Was könnt ihr uns vom Horst Klub berichten, welche Erlebnisse oder Erfahrungen, habt ihr mit dem Club gemacht?
Flip: Im Horst Klub geht immer was. Ist immer gut da. Der beste Laden in der Gegend. Die Konzerte sind meist sehr gut besucht und das Bier ist nicht zu teuer. Ich fand´s bisher immer geil da, egal ob als Besucher oder mit ner Band. Viele gute Leute. Nur die Toiletten sind mittelmäßig. Momentan hat der Horst auch nicht grade Hochkonjunktur.

Ihr seid eine total umwerfende Liveband, bei der der Funke sofort überspringt und laut eurer Webseite, hattet ihr bereits 173 Auftritte. Wo hattet ihr bisher eure besten (oder eure schlechtesten) Konzerte gespielt?
Lotti: Merci! Die schlechtesten Konzerte streichen wir immer sofort aus unseren Köpfen, bringt nichts, sich darüber aufzuregen. Mein persönliches Highlight war zum einen unsere Plattentaufe dieses Jahr im Horst, was trotz Corona einfach nur der Hammer war und unser Konzert 2019 in einem Gefängnis. Da haben wir vor Leuten gespielt, die nie im Leben auf ein Konzert von uns gegangen wären und wir konnten sie trotzdem von uns überzeugen, das war ein krasses Gefühl.
Nils: Feldkirch in Österreich war geil, ausverkauftes Haus, Crowdsurfen und unsere Freunde von Mr. Slipper and his Lazy Cats mit dabei. Alles war perfekt.

Einer meiner Lieblingssongs von euch ist „Alone“, ihr habt gemeint, dass ihr den Song gar nicht so gut findet und er nur selten in euer Liveprogramm aufgenommen wird. Was habt ihr an dieser Granate eines Songs auszusetzen?
Lotti: Gar nichts – der Song passt einfach nur nicht mehr so gut in unser aktuelles Set. Unser Sound hat sich über die Jahre, in denen es jetzt Bikini Beach gibt, einfach verändert, was aber nicht bedeutet, dass wir nicht mehr hinter unseren alten Sachen stehen. Wir achten nur darauf, dass die Setlist recht stimmig ist und die Songs gut zueinander passen.

Euer drittes Album, hört auf den Namen „The Fatal Consequences Of Masturbation“. Worauf bezieht sich der Albumtitel oder was versteht ihr unter den fatalen Konsequenzen einer Masturbation?
Lotti: Wir sind natürlich voll gegen Masturbation. Die Kirche hat uns da schon eingängig gewarnt und wir sprechen uns jetzt auch nochmal offiziell dagegen aus: Tut das nicht! Euch wachsen nicht nur Augen auf dem Rücken, ihr fangt auch an schlechte Musik zu hören und die allerschlimmsten von denen fangen sogar an, selber Musik zu machen.
Nils: Seit ich weiß, dass es das Rückenmark schädigt hab ich sofort damit aufgehört.

Eure zweite Platte „Guzzler“ erschien über Wiener Records, einem Unterlabel von Burger Records, das wegen sexuellen Missbrauchsvorwürfen sich auflöste und seinen Betrieb einstellte. Wie verlief für euch die Zusammenarbeit mit dem Label? Was hattet ihr für einen Eindruck von den Labelmachern?
Nils: Auf Wiener Records konnte jeder seine „Kunst“ veröffentlichen, solange man die Produktionskosten übernimmt. 5 Tapes blieben bei Burger Records in ihrem Store, der Rest ging an uns. Ich hatte mit Sean (gegen den es keine Vorwürfe gibt) per E-mail Kontakt um alles zu klären mit der Produktion und Promotion auf ihrem Social Media. Sehr netter Kerl und engagiert in dem was er tat.
Lotti: Bei Burger waren wir ehrlich gesagt auch blind und haben viele Sachen nicht gewusst, nicht gesehen, etc. Von Burger Records haben wir uns auch ganz offiziell noch distanziert, kann man unter anderem auf unserer Facebook oder Instagram-Seite nachlesen.

Ihr habt einige professionell wirkende Videos gedreht, die definitiv Interesse an euch wecken. Wer ist für die Videos verantwortlich und wie wichtig ist es für euch in visueller Form zu präsentieren?
Lotti: Wir haben da auch alle Spaß daran, Videos zu drehen, schneiden, uns komische Sachen auszudenken. Das ist das Schöne an einer Band: man kann sich in so viele Richtungen kreativ ausleben. Das machen wir aber normalerweise auch alle zusammen. Auch wenn heutzutage Musikvideos nicht mehr den gleichen Stellenwert haben wie früher zu MTV-Zeiten, mag ich das trotzdem und schaue mir auch gerne Musikvideos von anderen Bands an.

Noch ein abschließendes Wort oder Lebensmotto:
Nils: Lebe, Lache, Liebe.
Lotti: Carpe Diem!!!!.
Flip: Dä dümmschdi Buur hät die gröschdä Härdöpfel (Kartoffeln).

(bela)

 

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