Dezember 31st, 2021

BASTARD ROYALTY (#205, 2020)

Posted in interview by Jan

„…ob wir zum Beispiel noch einen 173. Song gegen Religion brauchen? Ich bin der Meinung ja. Solange Religionen solch eine Macht haben und für dermaßen viel Leid und Elend verantwortlich sind, finde ich es sogar wichtig, immer wieder dagegen anzuschreien und nicht nachzulassen. Und natürlich sollen auch die kommenden Generationen von Bands an dem Thema dranbleiben und gerne die nächsten 666 Songs gegen die Religioten liefern. Dazu gibt es auch genügend Möglichkeiten und unterschiedliche Blickwinkel, das umzusetzen. Ich hab gerade das bei vielen Crustbands immer bewundert, wie komplexe Themen in drei Strophen á zwei Zeilen, völlig auf den Punkt abgehandelt werden. Viel Text bedeutet nicht unbedingt mehr Inhalt“.

Rossi von
BASTARD ROYALTY

Es sind immer wieder diese Begegnungen… auf dem Frankfurter AU-Fest nicke ich immer grüßend jemanden älteren mit blond gefärbten Haaren zu, er nickt freundlich zurück, aber jedes Mal danach denke ich mir dann „shit, wer zur Hölle war das nochmal!“. Irgendwann musste ich ihn fragen und dann, „Ach klar, das ist der eine Sänger von Accion Mutante, die habe ich doch in den 90er im Rheinland gesehen und immer geil gefunden“. Just eben jener Rossi singt seit einiger Zeit für Bastard Royalty, eine neuere Crust-Band aus Schwabistan im Großraum Stuttgart. Die waren live vor einiger Zeit im Exzess in Frankfurt am Main ein so dermaßen brutaler und höchst geilster Nackenbrecher und weil mir auch der Sound auf Platte gefällt, wollte ich mehr erfahren.

The Origins Of The Schwaben-Crust-Punk-Brigade
Und das ganze vor dem Hintergrund, das Crust-Punk nun nicht gerade mein absoluter Lieblingsmusikstil ist. Ich war et echt in den 90er irgendwann überdrüssig, in gefühlt jedem fucking Juz spielte ´ne Crust- oder Grind-Band, es war immer das gleiche. Accion Mutante, bei denen Rossi vorher sang, und Recharge aus Hannover fand ich jedoch total geil. Und das Genre kommt ja ursprünglich vom Peace-Punk her, den wiederum finde ich astrein, well, wir werden darüber noch im Interview reden. Und hey, bald habe ich Interviews mit allen „alten Schwaben-Crust-Männern“ gemacht, so sprach ich (geb an…) für unsere Ausgabe #141 von 2010 mit Ralf von den Stuttgartern Murder Disco X (er singt seit einiger Zeit zusätzlich bei den ebenfalls famosen Iron Gates, die auch in Frankfurt mit Bastard Royalty konyertierten), für Trust #152 (2012) mit Oli von den südschwäbischen Cluster Bomb Unit (er trommelt auch bei Bastard Royalty) und finally mit Chris von den Schwarzwäldern Corrosive für die Ausgabe #140 von 2010. Wer fehlt noch?!

Lügen-Presse!
Ehrlich gesagt wurde im Trust der Output von Bastard Royalty nicht immer so gut besprochen, aber wir sind ja ein auf plurale Meinungen basierendes Heft, was der eine nicht mag, das gefällt dem anderen. Das sonstige Medienecho war aber super, zum Beispiel notierte Ox-Kollege Helge Schreiber: „Absolutes simples Geprügel versehen mit einem extremen Gröhlgesang, wie einstmals auf der ersten Extreme Noise Terror-Split-LP von 1986. Das hier ist eine fette Crustcore-D-Beat Vorschlaghammer-Attacke in deine Fresse! Ich will mehr!“. Kalle Stille bilanzierte im selben Medium: „D-Beat trifft auf Crust mit einer guten Portion metallischer Splitter und Hardcore… Fünfmal sattes, ordentliches Geballer wie zu besten Havoc-Tagen“. Und auf dem Bierschinken-Online-Zine konstatierte man: „Stuttgarter-Ur-Alt-Hardcore-Punk-Szene-Hasen treffen auf Stuttgarter-Alt-Hardcore-Punk-Szene-Hasen. Typen, die auf jedem Konzert vorm Laden rumstehen und halt labern und die jeder schon mal gesehen hat, vornehmlich auf Bühnen. Die mit Mitte 40 immer noch Kutten tragen und auch immer rauchen. Geile Typen. Und genau so klingt das alles: Bummzack, Rampampam, Ööööööhhh, immer Vollgas, live und im Proberaum“.

Accion Mutante ist back on the map!
Ihr seht, hier ist eine neue Band am Start, deren Betreiber schon lange dabei sind. Im Einzelnen haben wir da neben Rossi noch den Gitarristen Chris (Planet Watson, Helmut Cool), am Bass steht Max (Helmut Cool) und am Schlagzeuger sitzt Oli von den bereits erwähnten CBU. Und da erfahre ich doch neulich von der Facebook-Seite von ACCION MUTANTE: „after a 4 years break ACCION MUTANTE is back from the dead. in 2019, the band celebrates its 25th anniversary“. Wie geil, und nun, let´s go, Matte nach hinten geworfen, Hellbastard-Weste aussem Schrank geholt, 20 Cider aufgemacht, Chaos UK aufgelegt, 12 1234 und viel Spaß!

Hey Rossi, schön, dass du Zeit für unser Gespräch hast. Sag mal, eure Single ist im Trust nicht gut weggekommen, stören dich solche Kritiken oder Arschlecken?
Das stört mich nicht im Geringsten, das sagt ja eher was über euer Heftchen aus… Nee, im Ernst, juckt mich nicht, man kann nicht allen gefallen, vor allem nicht mit solchem Nischenkrach.

Kennst du das Trust eigentlich noch aus den 80er?
Wenn dann Ende 80er, eher noch nen Tick später.

Was kommt dir als erstes in den Sinn, wenn du an die 80er denkst? Nena? Cola-Dosen mit dieser komischen Aufriss-Lasche? Extreme Noise Terror live im Juz Burladingen?
Tendenziell hänge ich weniger den „guten alten Zeiten“ nach. Ich denke eher an die 80er, wenn es ständig diese 80er Jahre Partys gibt. Versteh ich nicht, da läuft genau die ganze Popmucke, die wir damals gehasst haben. Wir haben Metal und Punk gehört und den Radiokram verabscheut – warum sollte sich das geändert haben?

Hast du früher als Fanzines dann viel das Plot oder doch eher das Profane Existence gelesen oder warst du nie so eine „Leseratte“?
Eher Bücher und wenn Fanzines, dann die selbstgebastelten, kopierten Heftchen in Miniauflagen, die mir in die Finger kamen. Da waren ja Plot oder PE schon richtige Profilektüren, bzw. „Hochmattmagazine“.

Wie ist eigentlich der Stand bei deiner legendären Band Accion Mutante? Ich habe euch in den 90er im AJZ Bahndamm Wermelskirchen auf den Heartcore-Tagen gesehen, das war geil mit den zwei Sängern.
Nachdem wir uns ziemlich auseinandergeeiert hatten, ist der Stand der, dass Migge und ich Bock haben, weiterzumachen. Mit Chris, Lohm (Anmerkung JR: früher Sänger bei Solitary Confinement bzw. SUD aus dem Rheinland, später von den Kölner World Downfall, siehe mein Interview mit ihm in der Trust #110) und Tom ist ein neues Line-Up komplett und man spürt wieder den Bock und das Kribbeln, das am Ende in der alten Besetzung total gefehlt hatte. Wir haben dieses Jahr auch eine Handvoll Gigs und Festivals, auf die wir uns riesig freuen.

Wie bist du eigentlich zum Punk-HC-Crust gekommen? Gab´s da so eine Initialzündung, das legendäre Tape bzw. Radio-Sendung?
Angefangen hatte es so mit acht bis zehn Jahren und vor allem mit Hard Rock und Metal. Für Platten war das Taschengeld zu knapp, so blieben nur Tapes. Ich sag mal mit zwölf oder dreizehn wuchs das Interesse am Punk. Zu der Zeit war ich auch im Internat und es gab die ersten Kontakte in die Szene. Da spielte dann Radio schon sehr früh keine Rolle mehr.

Warum bist du immer noch dabei? Viele verabschieden sich irgendwann in das „Beruf- und Familie“-Leben, fühlt man sich da nicht manchmal als Ü40-jähriger als „Last Man Standing“, was sich ja erst mal toll anhört, so der „lone wolf“, andererseits steht man auch ganz schön alleine da…? Es ist ja die alte Frage, wie entwickelt man sich weiter, bleibt sich aber selber treu/trve… ja, wie macht man das?
Ich denke, bei mir waren das mehrere Faktoren. Zum Einen habe ich erst sehr spät einen Beruf gefunden, der mir wirklich Spaß macht, mich ausfüllt. Und das mit der „Familie“ war für mich auch nicht wirklich das Lebensmodell, das ich mir für mich vorstellen konnte. Ich denke, dafür bin ich einfach noch zu jung, hahaha. Auf der anderen Seite hatte Punk für mich auch immer mit Freiheit und Offenheit zu tun, und da fange ich mal am besten bei mir selbst an und definiere mein „true“ für mich eben selbst. Im Ernst: diese Maßstäbe wie „true“ etc. und das damit oft einhergehende dämliche Mobben und Bashen der „Untruen“, darüber bin ich schon lange hinweg. Aber eins fiel mir natürlich auch auf, je älter du wirst, desto schwieriger wird es, noch Gleichgesinnte im ähnlichen Alter zu finden. Auch da hilft es zum Beispiel mit den Bands unterwegs zu sein.

Kommst du eigentlich ursprünglich aus Stuttgart? Wie empfindest du die heutige Szene in Benz-Town so? Hat sie sich stark geändert? Es gab ja auch gerade diese massive Aufarbeitung von Punk in Stuttgart Anfang der 80er.
Ursprünglich komme ich aus Göppingen und kam über Umwege Mitte der 80er wieder nach Göppingen und hatte dort vermutlich die intensivste Sozialisierung im Punk und der Szene da. Dafür bin ich auch ziemlich dankbar, da dort ein sehr offener Umgang auch mit anderen Szenen herrschte. Nach Schuttgart kam ich eigentlich „erst“ 1990 bzw. 1991 nach meinem Zivildienst in Tübingen und hatte dann auch die erste Band, Dereks Don´t Run, aus der dann mit Capde, dem damaligen Gitarristen, Accion Mutante hervorging. Im Grunde geht in Schrottgart einiges, auch wenn es inzwischen leider immer weniger gute Läden gibt. Punk, Hardcore und Underground allgemein, das passt leider nicht wirklich in solch eine schwerreiche bonzige Bullenstadt wie Schrottgart. Klar, dass es den kreativen Köpfen aus der Richtung schwer gemacht wird.

Wohin gehst du saufen in Stuttgart? Ich war mal in dieser Punk-Kneipe „Bonnie und Clyde“, gibt es die noch? Ich fand das so süß, dass alle Punks dort „schön“ im nicht-rechten Winkel ihre Aufnäher auf der Kutte hatten, die Schwaben machen es halt genau, asi aussehen, aber genau nicht nicht-geometrisch, baby, haha.
Ja, das Bonnie gibt es noch. Nicht mehr ganz so punkig wie in der Anfangszeit, aber immer noch ein sehr schöner Laden, mit leckerem Futter, frischgezapftem Cider und vor allem auch netten Machern. Ansonsten gibt es gerade zeitlich befristet eine schöne Location, wo noch der echte Hauch von Underground weht und vor kurzem erst Open Veins gespielt haben. Bier 2.-, Gewölbekelleratmosphäre, genau mein Ding. Zu empfehlen wäre auch noch das Goldmark´s. Nicht unbedingt eine Punk-Kneipe, aber einer von den fairen Läden, wo es zum Beispiel nach einem Gig noch die passende Aftershow Party gibt und die Leute nicht gleich raus gefegt werden, weil im Anschluss an den Gig noch irgendeine weitere Veranstaltung läuft. Das hasse ich wie die Pest. Doppeltes Abmelken der Leute, erst auf nem (Punk-)Gig und danach gleich nochmal im normalen Diskobetrieb. Und dann gibt es noch eine Handvoll Jugendhäuser…

Gibt’s „Unity“ unter den Bands, so von Human Abfall über Empowerment hin zu euch und Murder Disco X oder jeder für sich?
Ich denke, sowohl als auch. Die genannten Bands bzw. die Leute haben inzwischen zum Teil auch schon ein gewisses Alter und unterschiedliche Interessen etc. Trotzdem gibt es auch Events, wo dann viele zusammen kommen, sich treffen, austauschen. Und inzwischen gibt es auch wieder jede Menge jüngere Bands (zum Teil mit alten Leuten, hahaha), wie zum Beispiel Helmut Cool, Iron Gates, Nakam, High, Neat Mentals, Bike Age, Hell & Back…

Wie kam es zur Gründung von Bastard Royalty, wer hatte die Idee für den Namen?
Bei mir lief das alles über den Oli „Bomber“ von Cluster Bomb Unit, der auch Namensgeber war und mich angequatscht hatte, ob ich es nicht mal am Mikro versuchen will, nachdem die ursprüngliche Sängerin ausgestiegen war. Die Jungs haben also schon ein bis zwei Jahre Krach gemacht, bevor ich da rein gerutscht bin. Der Mutantenstadl lag da gerade eh auf Eis und ich hatte einfach noch immer die Hummeln im Arsch. Und genau der hat dann auch auf den Eimer gepasst. Seitdem haben wir auf eine ziemlich entspannte Art sehr viel Spaß zusammen.

Bekommt ihr eure Konzerte dann auch viel durch die alten Connections von Accion Mutante bzw. von Cluster Bomb Unit?
Na ja klar, wäre gelogen, wenn ich das verneinen würde. Der Bomber macht seine Band Cluster Bomb Unit dieses Jahr schon 30 Jahre. Accion Mutante, auch wenn in anderer Besetzung, heuer 25 Jahre. Das ist eine verdammt lange Zeit. Viele Leute und Bands haben wir kommen und gehen sehen, aber auch etliche sind geblieben und Freundschaften sind gewachsen.

Ihr covert „Gott ist tot“ von Inferno, total geile Version! Sänger Howie und der damalige „Manager“ Dolf sind ja bei uns am Start, warum eigentlich gerade Inferno, hast du die damals live gesehen?
Chris, unser Meisterklampfer bei Bastard Royalty und inzwischen auch bei Accion Mutante, ist ein ausgesprochener Inferno-Fanboy. Das kam von ihm. Den Coversong gab es bei Bastard Royalty schon, als ich mir da das Mikro geschnappt hatte. Ich glaube nicht, dass ich die schon mal gesehen hatte. Und, wer weiß, auf der anderen Seite gibt es aus der Zeit auch einige Löcher in meinem Siebhirn. Auf jeden Fall ist Inferno auch immer ein Cover wert. Übrigens ist mir früher in der Ulmer Ecke der Zong öfter mal über den Weg gelaufen.

Zwei Songs von euch finde ich ja echt den Über-Hammer, „Karma“ und „Generation Scum“ – worum geht es da eigentlich? Schreibst du alle Texte?
Hahaha… eigentlich hatte ich gehofft, die Texte sprechen für sich oder du hast die Texte nicht gelesen? „Karma“ ist ja derzeit ein regelrechtes Bullshit-Trendwort, welches auch oft im Sinne von Aktion bzw. Reaktion völlig falsch genutzt wird. Letztlich geht es mir aber um das Unterdrückungsinstrument „Karma“, dass den Betroffenen versucht wird, klarzumachen, ihr jetziges Scheißleben in der Hoffnung, im nächsten Leben wird es besser, zu akzeptieren – anstatt auf die Barrikaden zu gehen. Was für ein Bullshit, sorry. „Generation Scum“ geht einfach um die fortschreitende, regelrecht grassierende Vollverblödung der heutigen Jugend. Die meisten Texte kommen von mir, aber es gab bzw. gibt auch von den anderen Jungs teilweise Ideen, Skizzen oder Input, die ich dann noch entsprechend auf die jeweiligen Songs schustre.

Tja, wenn´s We Bite Records noch geben würde, dann wäret ihr jetzt da unter Vertrag, nee, ihr wärt was für Skuld gewesen… warst du sehr getroffen von Kleisters Tod?
Die ersten zwei EPs von Accion Mutante kamen ja beim Kleister raus, das sollte die Frage beantworten. Klar, ich war erst mal geschockt, auch wenn ich schon länger nicht mehr wirklich mit ihm zu tun hatte. Trotzdem gab es damals eine recht enge Zusammenarbeit und ein paar wirklich schöne Momente. Auch konnte ich einiges von ihm lernen und bekam auch schon recht früh einen Impuls für meinen späteren Job als Grafiker.

Wann kommt denn nu die Platte auf Havoc Records?
Frag Havoc Records, danke. Bei Bastard Royalty arbeiten wir gerade an neuen Songs für ein neues Album. Bei Accion Mutante haben wir auch mit neuen Songs angefangen. Das wird aber eher ein kleines Jubiläumsgoodie, welches dann vermutlich bei Power It Up Records rauskommen wird…

Was war bislang das beste Konzert von euch, was das mieseste?
Schwer zu sagen, da es verdammt viele Faktoren gibt, die unter Umständen einen beschissenen Gig trotzdem als fantastischen ins Gehirn brennen. Als kleines Beispiel ein Gig in Belgien, als wir mit Viu Drakh und Audiokollaps auf Tour waren. Wir waren nicht so schlecht, aber es waren gerade mal acht Zahlende da. Dafür war der Gig eher von und für Bands ziemlich cool und vor allem das Fest danach war der Hit. Kleine Randerscheinung: Jahre später quatscht mich einer auf einem Gig an und meint er hätte uns damals in Belgien gesehen und fand das voll geil. Na ja, dann haben wir wohl immerhin bei einem von acht einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Miese Gigs gab es bestimmt auch mal, aber an die kann ich mich zum Glück nicht mehr erinnern. Ist ja nicht so, dass damals schon jeder Furz irgendwo gefilmt oder fotografiert wurde. Auf jeden Fall hängen geblieben sind auch die Gigs in Brasilien mit Social Chaos und Ação Direta oder auch die Tour mit Driller Killer…

Denkt ihr, ihr habt als alte Männer den neuen jungen Punkrockern noch etwas mitzuteilen? Manchmal entwickelt man ja auch so eine Arroganz nach dem Motto „Ich war Punk, da warst du noch gar nicht auf der Welt, stell dich mal ganz hinten an, du hast keine Ahnung“… Man vergisst da manchmal, dass man ja auch selber mal der 14 jährige ohne Peil war, keiner kommt „born cool“ auf die Welt, nicht wahr?
Na klar. Ich war ja auch mal der junge Bengel mit wenig Ahnung und war seinerzeit froh, oft von den richtigen Leuten den richtigen Input zu bekommen. Aber es war auch immer eine Frage des Respekts, und zwar in beide Richtungen. Klugscheißer gab und gibt es immer schon auf beiden Seiten. Ich sehe da die Alten und die Youngster im selben Boot.

Das Plastic Bomb Zine sieht bei euch ja Sound-Parallelen zu EXTREME NOISE TERROR, frühe DISFEAR und RAW NOISE und bilanzierte „Also richtig schönes Brett. Welch erfrischender Wind der alten Schule, in einer Zeit, in der doch recht wenige Bands dem alten Sound des Punks in all seinen Spielarten fröhnen. Nix Neo-“Crust“, hier regiert die Abrissbirne! Und zwar nicht zu knapp“. Den Crust, den ihr macht, der war ja in den 90er sehr beliebt, heute gibt es ja tatsächlich mehr so diesen „Southern Lord-Post-Rock“-Crust oder? Manche reden auch von „Stadion-Crust“, da seid ihr ja echt erfrischend old school mit dem 80er-Sound, war das bewusst so gedacht oder könnt ihr nix anderes, haha?
Danke für die Blumen. Teilweise können wir nix anderes, aber eigentlich WOLLEN wir auch nix anderes. Zum Beispiel bei Accion Mutante war es damals auch die willentliche Entscheidung, das Rad nicht neu erfinden zu wollen. Wir wollten von Anfang an in die selbe Kerbe schlagen wie Doom, Discharge, Varukers, Extreme Noise Terror, Disrupt etc. Und auch wenn bei Bastard Royalty etwas die Prise Grind fehlt, die wir bei Accion Mutante haben, so ist das doch unterm Strich genau die Mucke, die nach so langer Zeit noch immer meinen Arsch kickt. Am Rande, ich hab auch nix gegen „Stadioncrust“. Hauptsache es bläst.

Am Ende noch eine Frage zu Crust-Punk. Ich mag zwar einiges aus dem Bereich, aber irgendwie ist mir das zu Metal-mäßig und textlich so ein Parolen-Gedresche, klar, nicht bei allen. Manchmal ist es doch schon so ´ne „Rocker“-Einstellung, auch so vom Männlichkeitsbild her, „schneller lauter härter“; und auf dem Obscene Extreme-Festival in Tschechien hast du dann eher so ´ne unpolitische „nur Freaks- und-Saufen“-Sache (ich war ein Mal da, war schon geil, aber du weißt, was ich meine). Gut, ich bin auch ein NOFX-Lagwagon-Popper, haha. „Up The Metal Punx“ hieß eine Accion Mutante-CD und das HC-Punk ab Mitte der 80er „New York-Metal-mäßig“ gecrossovert wurde, gefiel mir bei Agnostic Front, DRI, Crumbsuckers, Leeway und Ludichrist ab und an sehr – aber Metal-Punk? Ich weiß nicht. Die Metaler waren immer die Gewinner und die Punks die Loser, da fand ich die underdog-Mentalität immer cooler, haha. Und klaro, Crust war anfangs natürlich von den Texten her dem ganzen Peace-Punk-Movement sehr nahe, auch die frühen Grindcore-Earache-Scheiben war aus dieser progressiven politischen Richtung, aber ich empfand oft spätere Crust-Bands immer so „klischee-politisch“, so wie platter Deutschpunk, eben das die Texte gegen den Krieg nur deswegen machen, weil es halt dazu gehört, aber nicht für sich selber ihre politischen Positionen reflektiert haben. Tja, keine Ahnung, wat meinste, haha.
Da hast du jetzt aber einiges verwurstet. „Gewinner und Loser“? Bei welchem Battle hab ich was verpasst? Und manches sehe ich da vielleicht auch lockerer und ziehe da nicht unbedingt Grenzen. Manches passt besser, manches weniger, manchmal kommt es drauf an, wo du gerade bist. Das Obscene Extreme finde ich übrigens nach all den Jahren noch immer ein sehr geiles Festival. Die Mischung macht´s. Und auch wenn der ganze aufblasbare PornGrind-Quatsch nervt, kann ich das nicht ernst nehmen. Aber es sind ja auch sonst immer jede Menge geile Crust-, Grind- und Death Metal-Bands am Start. Dazu noch die total geniale Location und gute Verpflegung vor Ort. Vielleicht hängt das auch damit zusammen, dass meine Eltern aus Trutnov waren und ich das Städtchen schon seit meiner frühesten Kindheit kenne. Am Rande: anlässlich unseres 25jährigen spielen wir dieses Jahr auch wieder mit Accion Mutante auf dem Obscene Extreme-Festival. Klischees sind oft auch nur Stilmittel, und ob wir zum Beispiel noch einen 173. Song gegen Religion brauchen?

Ich bin der Meinung ja. Solange Religionen solch eine Macht haben und für dermaßen viel Leid und Elend verantwortlich sind, finde ich es sogar wichtig, immer wieder dagegen anzuschreien und nicht nachzulassen. Und natürlich sollen auch die kommenden Generationen von Bands an dem Thema dranbleiben und gerne die nächsten 666 Songs gegen die Religioten liefern. Dazu gibt es auch genügend Möglichkeiten und unterschiedliche Blickwinkel, das umzusetzen. Ich hab gerade das bei vielen Crustbands immer bewundert, wie komplexe Themen in drrei Strophen á zwei Zeilen, völlig auf den Punkt abgehandelt werden. Viel Text bedeutet nicht unbedingt mehr Inhalt.

Finally kurze Fragen und kurze Antworten: Diamond Head oder Mercyful Fate?
Klar, wegen der alten Erinnerungen Mercyful Fate, auch wenn ich die Moskito-Vocals vom King inzwischen nur noch schwer ertragen kann.

Megadeth oder Nuclear Assault?
Megadeth hatten schon ein paar ganz geile Songs, aber natürlich fand ich Nuclear Assault viel cooler, auch wenn ich mich hier inzwischen auch wieder mit den Vocals etwas schwer tue.

Beastie Boys oder Public Enemey?
Na, die alten Punk Sachen von Beastie Boys – ansonsten nicht wirklich meine Mucke.

Schön Bermuda-Shorts und Anthrax oder Patronengurt und Kutte?
Schöne Bermuda Shorts? Dein Ernst, wie soll das gehen? Aber ich hatte mir mal in Südfrankreich ein Bermuda Hemd gekauft. Das war schwarz-weiß, sehr geil, hatte so etwas nie wieder gesehen. Leider passe ich da nicht mehr rein.

Pistols oder Clash?
Tagesformabhängig.

ChaosZ oder Normahl?
ChaosZ – gab sogar eine Zeit, wo ich mit Andi Löhr Anfang der 90er bei einem größeren „Punk“-Mailorder in Süddeutschland zusammen gearbeitet hatte…

Toots & the Maytals oder Desmond Dekker?
Da müsste ich wohl wieder das Kiffen anfangen, danke, ich verzichte. Aber ganz ehrlich, auch für diese Mucke gibt es Momente…

Erste Toxoplasma oder frühe Hosen?
Toxoplasma UND die frühen Hosen. Da gab es für mich schon vor über 30 Jahren kein „oder“.

Was sind deine fünf Punk-HC-Crust-Grind-Metal-Platten für die Ewigkeit, vielleicht, was begleitet dich, seitdem du vierzehn bist?
Alter, ich kann mich kaum erinnern, was mit vierzehn war. Aber ich versuch das mal chronologisch mit Bands: Motörhead, Razzia, Spermbirds, Poison Idea, Doom, Extreme Noise Terror, Nasum. Das waren jetzt sieben, aber fünf Platten/Bands sind auch arg wenig.

Und was wären die Platten für die Ewigkeiten (die nicht Punk-HC-Crust-Grind-Metal sind)?
Es wäre auf jeden Fall etwas Klassik dabei, Grieg, Mussorgsky, Smetana, dann wahrscheinlich noch Cramps und Tom Waits. Gibt auch ganz coole Filmmucke.

Ich danke dir für deine Zeit, bis zum AU-Fest!
Dann bis zum AU-Fest. Ich hoffe, das kollidiert nicht mit unseren Gigs Anfang Juni. Und danke für deine Geduld.

Anmerkung Jan: seit unserem nicht mehr ganz jüngstem Gespräch hat sich einiges getan im Hause Bastard Royalty: es gibt einen neuen Bassisten, Ende September erschien die neue Split-EP mit Split EP with Social Chaos aus São Paulo, Material für ne LP ist quasi komplett und man begibt sich in Bälde auf Label-Suche. Und ich selber suche gerade neues Bier, um mir den „D-FuckingCrustBeat“ von Bastard Royalty auf ihrem neulich gestreamten live-Gig von Ende September 2020 mit Dekonstrukt im P8 zu Karlsruhe reinzuziehen!

Interview: Jan Röhlk

Kontakt: facebook.com/bastardroyalty, bastardroyalty.bandcamp.com

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