Barry D’Alive Ward RKL Teil II (#223/Dezember 2023/Januar 2024)
Aus der Reihe „Nerd at Work“ – we proudly present:
„Insgesamt ist so die Lage, wenn ich zurückblicke… Da gibt es eine Menge Schuldzuweisungen. Aber es gibt keinen Grund, verbittert zu sein, wenn man älter wird! Verdammt, wer muss sich damit schon beschäftigen? (lacht) Es gibt keinen Grund, verbittert zu sein. Ich bin stolz darauf, etwas getan zu haben, woran sich die Leute noch erinnern. Manche haben nicht einmal so eine Art von Vermächtnis. Das ist doch super, dass das bei mir anders ist!”
The Story of RICH KIDS ON LSD: Interview mit Barry D´Alive Ward (Teil II)
Ich traf Barry von RKL in Frankfurt am Main in der „Zappbar“ und unterhielt mich mit ihm im ersten Teil in der letzten Trust lange über die Geschichte von RKL (dort gab es auch eine umfassendere Einleitung), hier geht es weiter. Im Anschluss an dieses Interview (das auch gefilmt wurde und eventuell teilweise in der geplanten zweiten RKL-Dokumentation kommt, die zum Zeitpunkt der Fertigstellung des Artikels noch nicht raus ist) fand noch eine Signing-Session statt, bei der Barry alle meine RKL-Memorabilia (Platten, CD, Tape, DVD) unterschrieb, also, wo er mitzockte und während er dies tat, wurde noch ein wenig zu den jeweiligen Artefakten geklönt. Man war jetzt lockerer nach einer Stunde „Haupt-Interview“ und ich finde, es verbergen sich in der Signing-Session noch coole Details, zum Beispiel wie Al Schvitz von MDC Barry seinen Spitznamen mit D´Alive in San Francisco gab. Big Thx an alten Homie Ö., er kannte RKL schon vor mir damals Anfang der 90er, war mit mir in Santa Barbara 2004, prägte diesen coolen Spruch „RKL: Like Jimi Hendrix Covers Slayer“ in dem Trust-RKL-Memorial-Special, digitalisierte und stellte Anfang 2022 mein Jason Sears-Interview auf Youtube und korrigierte auch diese beiden Interviews, nichtsdestotrotz gehen alle Mystakes auf meine Kappe.
Barry, erinnerst du dich an deinen letzten Gig mit RKL, das war dann auf der Europa-Tour 1995/1996?
Beim allerletzten Auftritt stand ich für ein paar Songs mit ihnen auf der Bühne in San Francisco, das war viel später. Aber der letzte echte RKL-Gig war auf dieser Europa-Tour und ich kann mich – ehrlich gesagt – nicht mehr erinnern, in welcher Stadt das war. Es könnte Brighton gewesen sein, das war eine gute Show. Es könnte auch Leeds gewesen sein, ich weiß es nicht. Ich glaube nicht, dass es eine von beiden war. Es war eine Stadt in England, das steht fest. Und es war eine Art dunkler Moment, weil es auch für mich scheiße war, weil alle über Jason, seine Freundin und ihre Kinder schimpften, es ging so einfach nicht weiter und wir mussten ein Bandtreffen abhalten. Alle meckerten und schimpften hinter Jasons Rücken, alle schimpften auf ihn ein, die Spannung war wirklich sehr groß in der Luft. Und wir saßen dann also in unserem Rockstar-Bus, der von den herumlaufenden Kindern verwüstet war. Also gut, „Jason, wir müssen reden, denn das ist einfach kein gutes Umfeld, es ist keine gute Art und Weise, diese Tour fortzusetzen“. Wir hatten nur noch fünf Shows, die letzte wäre das Dynamo-Festival in Holland und das wäre vielleicht eine unserer besten Shows überhaupt gewesen.
Das hätte uns vielleicht am Leben gehalten, wenn wir eine fantastische und verdammt großartige Festival-Show gehabt hätten. Weißt du, wir wären großartig gewesen. Aber es hieß, Jason sei so gestresst und angepisst. Und er musste sich um seine Freundin und ihre Kinder auf der Tour kümmern und um uns, die über seine Freundin und Kinder lästerten. Und schließlich hatten wir irgendwo in England im Bus ein Bandtreffen, bei dem wir uns hinsetzen und reden wollten. Wir setzten uns also hin, nur: es gab kein Gerede. Wir saßen einfach nur da. Chris, Joe und Dave sagten nichts, schließlich sagte ich: „Nun, Jason, niemand ist glücklich mit der Situation. Wir denken, deine Familie sollte nach Hause fliegen. Wir werden die letzten fünf Shows zu Ende spielen. Es ist sowieso kein gutes Umfeld für deine Familie. Das ist kein guter Ort hier im Tourbus, um Kinder dabei zu haben“. Jason sagte dann einfach „Fick dich!“. Er hat seine ganze Wut an mir ausgelassen, dann so „Fickt euch alle, ich höre auf mit der Tour, ich hau ab“. Und wir so „Echt jetzt?“.
Und dann meinte Adam, unser Tontechniker, der in Dänemark lebte, noch „Ich habe wirklich eine Lungenentzündung vom Schwimmen am Brighton Beach von mitten in der Nacht neulich, also fahre ich auch nach Hause, nach Kopenhagen, ihr könnt mich alle mal“. Das war´s dann. Also hatten wir die restlichen fünf Shows abgesagt und das war’s dann wieder mal. Destiny hatte uns später auch noch eine Sommerfestival-Tour mit NOFX gebucht, das wären noch mehr fantastische Shows gewesen, die unseren Schwung und Enthusiasmus am Leben erhalten hätten. Aber wir sagten, „was soll’s?“. Und danach habe ich mir gesagt „Ach, scheiß drauf“. Ich will wirklich nichts mehr mit der Sache zu tun haben. Ich will nichts damit zu tun haben, dass sich Menschen umbringen. Ich will nichts mit Leuten zu tun haben, die schlechte Geschäftsentscheidungen treffen, wie zum Beispiel die letzten fünf Gigs einer Tournee abzubrechen und die Sommerfestivaltour abzusagen. Was zum Teufel sollte das. „Na gut, vergiss es, aus und vorbei“.
War es auch der Grund, als es dann Jahre später wieder RKL gab und statt dir dann Chris Flippin Gitarre spielte, weil du warst eben einfach nicht mehr interessiert?
Ich war nicht mehr interessiert, weil Jason immer noch auf Drogen war und er schlimmer aussah als je zuvor. Aber ich hatte dann auch selber Nachwuchs, ich hatte einen Sohn, den ich aufzog und einen Job und eine Wohnung in San Francisco. Ich hatte es einfach nicht nötig, mit ihnen nochmal für Gigs rauszugehen, noch einmal durch die Hölle zu gehen, dieselbe alte Scheiße, weil ich das ja eben schon hinter mir hatte und es selber erlebte. Es gab wirklich keinen Grund; einige von RKL fragten mich, ob es mir wirklich egal wäre und ich sagte, „Macht, was ihr tun müsst. Es geht mir gut, alles ok“.
Chris Flippin hat dich aber nicht gefragt, ob es okay ist, dass er da mitspielt?
Nein, er hat mich nie gefragt, aber… tja, ich bin irgendwie nicht der Coolste manchmal, weil Flippin ja bei Lagwagon war, als ich mit Dave in einem Haus am Strand in San Francisco lebte, bevor er dann auch zu Lag Wagon ging. 1 Chris kam damals vorbei, feierte bei uns zu Hause und hinterließ einen großen Haufen Müll und ich sagte: „Ich bin nicht dein Hausboy, ich werde das nicht für dich aufräumen“. Dann war ich eines Abends unten in der Stadt mit Chris Flippin, seiner Freundin und nem Kumpel von mir, wir sind zurück zum Haus, weil es weiter oben am Strand liegt. Ich fragte „Hey Mann, willst du uns mitnehmen?“. Aber damals gab es nur einen kleinen Truck, in dem man hinten sitzen musste, wenn man der Passagier sein wollte, aber es war illegal, hinten in einem kleinen Truck zu sitzen. Also legten wir uns hinten in den Laster und versuchten, bis zum Strand zu kommen, denn eine Busfahrt hätte eineinhalb Stunden gedauert und eine Taxifahrt wäre teuer geworden.
Dann bekamen Chris und seine Freundin vorne diesen riesigen Streit und der Truck wäre so beinahe vom Weg abgekommen. Schließlich kommen sie zum Stehen und er reißt die Türen auf, sie wäre ein verdammtes Arschloch… und ich sagte, „Du bist ein Arschloch, weil du uns fast umgebracht hättest“. Wir nahmen also ein Taxi und fuhren zurück zum Haus. Er kam später vorbei und bis zum heutigen Tag ist Chris das peinlich, er hatte sich entschuldigt, seine Freundin auch, „Es tut mir so leid, Mann“. Na ja, „Du hast uns mit deinem kleinen Truck fast umgebracht. Was zum Teufel war los mit dir?“. Wie auch immer. (lacht) Sie haben einen Haufen Geld verdient und das ist auch gut so, schön für sie. Aber weißt du, damals war mir RKL einfach egal, ich war da raus und das war gut so.
Eine Sache zu Jason: ich habe ihn mit RKL nur einmal live gesehen in Santa Barbara 2004, und ihn da fürs Trust Fanzine interviewt. Er ist zwei Jahre später gestorben, aber es war wirklich irritierend, weil er 2004 so gut in Form war, total lebendig, na ja, ich hatte auch noch nie Kontakt mit Heroin-Junkies, keine Ahnung, er wirkte null wie einer. Er sagte im Interview, dass RKL ein Jahr später 2005 auf Europatour kommen werden, eine neue Platte wäre schon in Arbeit. Und dann habe ich Anfang 2006 online gelesen, dass er tot ist, weil er immer noch auf Heroin ist. Fuck! 2
Nun, ich habe Jason in Santa Barbara bei Bombers Beerdigung Ende 2005 gesehen. 3 Ich habe mit ihm und den anderen dann später Party gemacht und ich hatte das Gefühl, dass es das letzte Mal sein könnte, dass ich ihn live sehen werde. Er sah sehr schlecht aus. Aber ich denke, dass es ihm davor, also in der Zeit, in der du ihn getroffen hast, wahrscheinlich gut ging. Ich glaube, es gab eine gewisse Hoffnung, dass er es schaffen könnte, aber das ist die Macht von Drogen und Alkohol. Ich habe Leute gekannt, die viel mehr zu verlieren hatten und sie wurden auch rückfällig, sie schaffen es einfach nicht. 4
Barry, zum Abschluss ein heiterer Ausklang, mir fällt gerade auf, du bist 58, ich 44, ich könnte eigentlich dein Sohn sein! (lacht)
Nun, ich war vor 44 Jahren nicht in Deutschland. Ich war vor 38 Jahren das erste Mal bei euch, also, nein! (lacht)
RKL wird immer für mich die technisch beste Band im Punkrock bleiben, niemand konnte so spielen, auch oder gerade wegen des Alkohols, das wollte ich noch loswerden!
Na ja, Technik ist wichtig, aber es geht eben auch um die Songs. Und Bomber hat das jedem bis zum Schluss eingebläut: „Es geht um das Schreiben der Songs!“.
RKL waren mit Ill Repute die Pioniere dieses südkalifornischen Skate-HC der 80er Jahre, der dann Anfang der 90er Jahre wirklich weltweit populär wurde und den Durchbruch für Lagwagon und NOFX brachte. Ärgerst du dich, das RKL das nicht schafften?
Also, sie loben uns ja schon, das tun sie auf jeden Fall. Besonders Fat Mike. Er erwähnt RKL immer, danke Mike! 5 Nun, ich bekomme jedenfalls keinen Cent, vielleicht bald ein bisschen Geld von der neuen Live-Platte, die bei Fat Wreck bald herauskommt. Aber ich kriegte sonst keinen Cent und habe seit vielen Jahren kein Geld mit RKL verdient. Weißt du, es wäre schon schön gewesen, ja.
Wie blickst du auf RKL dann zurück, ist das ein bitteres Gefühl, vielleicht wird es in der neuen Doku auch klarer, so Motto „Mann, wir hätten/müssten/sollten total groß in den 90ern geworden sein müssen, was ist passiert, wer ist schuld?“.
Ich versuche, mich nicht damit zu befassen. Nein, ich denke nicht darüber nach, solche Dinge passieren, Scheiße passiert, weißt du, ich habe ein schönes Leben gelebt. Aber wenn ich zurückdenke… zu der Zeit, als RKL sich zum ersten Mal aufgelöst haben 1989, da habe ich auch versucht, alles zusammenzuhalten, echt verzweifelt es versucht, Chris und ich haben es beide versucht, die Jungs in die Reha zu bringen, ich meine, Joe ist auch manchmal außer Kontrolle geraten. Er nahm Amphetamine, es war schwierig und natürlich: keiner von uns war perfekt. Ich trank viel und feierte viel in San Francisco. Aber als es um die Band ging, da sagte ich: „Reißt euch zusammen, wir stehen im verdammten Country Club in L.A. auf der Bühne, die Leute wollen uns“. Am Ende: wir wurden oft abgezockt, das ist es, was wirklich passiert ist, wir wurden abgezockt. Von den Plattenfirmen, von den Promotern, wir waren schlechte Geschäftsleute und hatten nie ein richtiges Management. 6
Ach Mann, ihr wart die beste Band aller Zeiten!
Nun, es ist schlecht, eine gute Band zu sein und für deine eigenen geschäftlichen Entscheidungen auch noch verantwortlich zu sein, denn die meisten Musiker wissen nicht, was für Verträge sie unterschreiben. Und oft war das unser Fehler, man wurde blindlings abgezockt. Mystic Records war das Schlimmste, was RKL passiert ist, abgesehen davon, dass sie damals die Platten herausgebracht haben. Insgesamt ist so die Lage, wenn ich zurückblicke… Da gibt es eine Menge Schuldzuweisungen. Aber es gibt keinen Grund, verbittert zu sein, wenn man älter wird! Verdammt, wer muss sich damit schon beschäftigen? (lacht) Es gibt keinen Grund, verbittert zu sein. Ich bin stolz darauf, etwas getan zu haben, woran sich die Leute noch erinnern. Manche haben nicht einmal so eine Art von Vermächtnis. Das ist doch super, dass das bei mir anders ist! 7
Ich kann nur sagen: danke für all diese tollen Platten.
Danke, ich weiß das echt sehr zu schätzen!
Letzte Frage: euer Kumpel Ded Ted ist ein paar Jahre nach Jason auch gestorben, es gab eine Reunion zu diesem Anlass von den RKaLiens mit der damaligen Besetzung im „Velvet Jones“ in Santa Barbara, später gab es auch einen Gig dieser Formation in Spanien. Alles ohne dich… 8
Ich erinnere mich, sie fragten mich, also beim ersten Mal haben sie mich gefragt, ob ich mitmachen will, aber ich konnte nicht, weil ich wegen meiner Verbrechen gegen die Nüchternheit ins Gefängnis musste, weil ich Gras verkauft hatte und sie mich verhaftet hatten. Beim zweiten Mal hätte ich es machen können, aber sie haben mich nicht gefragt, obwohl sie den Veranstaltern gesagt haben, dass sie mich gefragt haben und ich nein gesagt habe, was einfach so nicht stimmt. Ich hätte es gerne gemacht, aber es passierte einfach nicht. Also, wenn sich das jemals wieder ergibt, nein, das werde ich nicht machen. Nö, nein.
Keine Chance, dass wir deutschen Fans dich mit den RKaLiens mal live hier sehen werden?
Nun… Warte, oh ja, ich werde es tun. Wenn das Geld stimmt, werde ich es tun. (lacht) Ich meine, ich liebe Chris, Joe und Dave, sie sind meine Freunde. Also, ich würde gerne wieder mit ihnen jammen, aber ich mache mir keine Sorgen darüber. Glaub mir, also ganz ehrlich, ich schaue nicht so auf meine Vergangenheit. Ich schaue nach vorne. Ich habe versucht, zurückzublicken, es ist lustig, wenn man alle seine Fotos und Archive und Videos und all das mal durchgeht und sieht, was vor 30 Jahren passiert ist, das ist schon großartig. Aber ich denke mir nicht jeden Tag, „Oh, ich muss mich daran erinnern, wie fantastisch mein Leben war, als ich noch jung war“. Ich freue mich auf die Zukunft, auch wenn man älter wird und der Körper langsam zerfällt, aber ich habe immer noch meinen Verstand beisammen, denke ich. (lacht)
Vielen Dank, Barry, ich hoffe, das Interview war okay?
Das war großartig. Das ist das beste Interview, das ich je gemacht habe.
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Signing-Session
Nach kurzer Pause gab es noch ne circa halbstündige Signing-Session von Barry hinsichtlich meiner RKL-Platten, CDs, Tapes und DVDs, d.h. von denen, auf denen Barry mitspielte. Er kam Mitte der 80er in die Band, die ursprünglich 1982 begann, ich zeigte ihm noch mein „Keep Laughing“- bzw. das RKL-Mystic-Records-Sampler-Vinyl, er war da aber eben noch nicht bei der Band, aber selbst wenn, er würde nie Mystic-Platten signieren. Und derweil Barry alles gut gelaunt unterschrieb, stellte ich wie bereits erwähnt noch einige Fragen zu den Plattencovern etc.
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„RocknRoll Nightmare“-LP (1987) 9
Barry, du bist das ganz links, richtig?
Ja, das bin ich. Wir haben echt für diese Platte gelitten. Ich unterschreibe da jetzt einfach unter meinen Photo, verdammt. (lacht)
Vielen Dank. Ich habe die Platte 1993 gekauft, sie kam ja auf Epitaph nochmals raus, aber das Booklet war halt zu klein und ich schnitt mir die Lyrics aus, deshalb brauchte ich das Booklet und die Platte ein zweites Mal, mein Vater fotokopierte den Beileger auf A0, das war aber immer noch zu klein! (lacht)
Ja, ich weiß nicht, warum sie das für eine gute Idee hielten bei der Neuauflage.
Ich dachte immer, das wäre halt so und sah erst viele Jahre später, wie das Alchemy Records-Original aussieht, eben mit dieser A4-20-Seiten-Beilage, dann habe ich mir dann das Original für 40 Euro nochmal gekauft, das dritte Mal quasi.
Das ist billig. Gutes Geschäft.
Dieses 3 LP-„RocknRoll Nightmare“-Set aus quasi drei Mal der gleichen Platte, das ist wirklich einzigartig in meiner Sammlung.
Verstehe, ich werde alle drei Cover mit sehr großer Sorgfalt unterschreiben! (lacht)
Und wie gesagt, das ist schon alles hier kein Punkrock mehr, so mit Autogrammen, aber es muss sein, es tut mir echt leid!
Schon okay, ich bin gerne eine „Punk-Celebrity“, ich fühle mich geschmeichelt. (lacht) 10
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„Live in West-Berlin 1988“-LP Destiny Records (1989), „Live in West-Berlin 1988“-CD Destiny Records Rerelease (2010)
Das hier ist die CD-Wiederveröffentlichung dieser Platte, da bekam ich zwei CD-Exemplare, weil im Booklet viele Zitate aus meinem RKL-Memorial Special drin waren.
Du bist echt Teil unserer Geschichte und gehörst zur RKL-Familie, Jan! (lacht) Das war eigentlich ganz schön, diese Aufnahme des Albums in Berlin damals, ja. Es waren eigentlich zwei Nächte. Und es gab tatsächlich noch andere Shows, die wir aufgenommen haben, es gab in Berlin technische Fehler. Es gibt also andere Shows, von denen ich denke, dass wir besser sind als bei dieser Show, wir nahmen sie ja auf der gleichen Tour auf, irgendwas war damals mit der Technik, dieses Rauschen, irgendwas seltsames, damals in den Tagen der Analogtechnik konnten Dinge halt schief gehen. Und das ist der Grund, warum andere großartige Platten einfach verloren gegangen sind, die von völlig erstaunlichen Künstlern aufgenommen wurden, deren Bänder aber verloren gingen, bei Jimi Hendrix‘ gibt es auch eine Geschichte davon; der Mix ging verloren, dann wurde es viel später neu abgemischt und all solche Stories in der Musikgeschichte, so was gehört eben einfach dazu.
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„Reactivate“-CD (1993)
Tja, dann leider irgendwie diese Platte mit der Bitte um ein Autogramm.
Ach, diese Platte! (lacht) Sie ist eigentlich nicht so schlecht, finde ich. Es war eben einfach nur nicht RKL, es waren keine RKL-Songs. Das Cover ist großartig. Wenn man die RKL-Songs nicht hätte, wäre es Slang, Bombers Soloband. Und wenn es einfach das gewesen wäre, was es ja auch war, dann wäre alles in Ordnung gewesen. Aber stattdessen wurde die Platte als RKL vermarktet, aber das war es eben nicht. Du siehst auch, mein Gott, das Booklet! (lacht) Das war ja ungefähr die Zeit des ganz frühen Photoshop, die Leute fingen an, Computer zu Hause zu haben und erkannten, dass man sein eigenes Grafikdesign für seine Albumcover machen konnte. Damals hatten wir einen Grafiker bei Epitaph Records, der bekam 2500 Dollar – so um den Dreh -, damit er das Bookletdesign hier machte, mit diesen komischen vergrößerten Insekten. Als wir das zum ersten Mal gesehen haben, da dachte ich „Wir haben jemandem 2500 Dollar gezahlt, der uns dieses Layout mit ein paar Käfern zusammenschustert?“. Mist! (lacht) Niemand hatte uns gefragt, ob wir Käfer auf der Innenseite des Albumcovers haben wollen, wir sagten dann „Nein, wir wollen keine Wanzen auf dem Ding, was zum Teufel hatte das mit dem Album zu tun?“. Ich meine, Käfer sind cool. Mikroskopische Fotos von Käfern sind cool. Aber wieso das jetzt hier im Beiheft? Vor allem, wenn es 2500 Dollar kostet, ich hätte das selbst machen können, Chris hätte es selber machen können, jeder von uns hätte eine mikroskopische Ameise auf der Innenseite des Albumcovers als Photoshop-Design machen können, hätten wir es nur gewollt! (lacht)
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„Riches To Rags“-LP (1994)
Jason hat da dieses geniale „Eat Shit“- Arschtattoo auf dem Backcover, das beste Tattoo, das ich kenne! (lacht)
Chris und Jason sind eigentlich auch Tattoo-Künstler, sie haben die meisten meiner Tattoos gemacht. Der Oktopus hier an meinem Arm, ich fand´s immer toll, wie sie diese Kunst gemacht haben. Jasons Tattoo wurde aber nicht in den Staaten gemacht, das kam so: es gibt eine ganze Reihe von Typen in Kopenhagen, die das gleiche Tattoo auf ihren Hintern sich haben stechen lassen, als wir mit denen gefeiert haben. Und Jason hat sich einfach mit einem dieser Typen betrunken ein bisschen geprügelt und so beschloss er dann, sich auch dieses Tattoo stechen zu lassen. Ich habe irgendwo ein Foto, auf dem sie alle auf der Bühne stehen, ihre Hosen runter ziehen und das Tattoo zeigen.
Gibt es eigentlich oft Leute, die dich bitten, RKL-Alben zu signieren?
Oh, schon, ja.
Du bist also an diese Situation gewöhnt?
Ja. In den letzten Jahren und in den alten Tagen war es komisch, jetzt ist es mir egal. Ich erinnere mich an einen Mann, der vielleicht aus Kroatien oder Osteuropa oder so kam. Ungarn vielleicht, der hat mir erzählt, dass seine Familie vor einem Tornado in einem Flugzeug nach Deutschland geflohen ist. Und er hatte einen ganzen Stapel von RKL-Platten, die ich signieren sollte, er wollte sie dann verkaufen, so würde er seiner Familie ein bisschen Geld geben können usw. Ich dachte mir, „Na ja, das ist eine dramatische Geschichte. Ich unterschreibe sie natürlich“. Daran erinnere mich noch, das war schon außergewöhnlich.
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„Riches To Rags“-Promo-Advance-Tape (1994) 11
Ein früherer Trust-Schreiber schenkte mir neulich sein Promo-Tape, er bekam euer Album auf Tape damals zum reviewen im Trust, aber er ist eigentlich nicht so der RKL-Fan, er meinte, bei mir wäre das besser aufgehoben.
Die guten altmodischen Kassetten.
Ja, der Trust-Schreiber hatte seine ganze Kassettensammlung digitalisiert, das Tape wieder gefunden und meinte „Jan, komm, du bist viel mehr Fan von RKL, als ich es je war“. Tut mir leid, Barry! (lacht)
Alles gut, ich mag ja auch nicht jede Band und bin Fan von jeder Band. Aber ich liebe Kassetten. Weißt du, was an Kassetten so lustig ist? Es war nicht unbedingt lustig, aber es war großartig, als COVID aufkam und die MDC-Touren abgesagt wurden, da saß ich in meinem beschissenen Haus mit diesen beschissenen Leuten in Portland rum. (lacht) Und so digitalisierte ich dann alle meine alten Kassetten, denn nur in meinem Digital-Archiv konnte ich jede Live-Kassette, jedes Video, jedes Fanzine-Foto, was auch immer, speichern. Und ich bin meine alten Kassetten durchgegangen, habe sie mit Pro Tools bearbeitet und digitalisiert. Und ich war einfach total erstaunt über die Qualität des analogen Sounds der alten Kassetten. Einige von ihnen klingen verdammt fantastisch, einige klingen sogar besser als moderne digitale Aufnahmen.
Auf dieser Platte gibt es das tolle Country-Instrumentalstück am Ende der ersten Seite, „Rancho Burger“. Das einzige Mal, das ich RKL live sah, war ja 2004 in Santa Barbara, wir konnten den Soundcheck miterleben und sie spielten nur diesen Song. Neulich habe ich gesehen, dass du die Demotracks für dieses Album auf YouTube gestellt hast, da gab es nochmal ne andere Version von „Rancho Burger“, auch sehr toll, nen bisschen anders als die Version, die dann auf der Platte landete.
Ja, ich habe halt diese Demos alle noch, auch von „Rock ’n‘ Roll Nightmare“ und habe die dann halt auf Yotube hochgeladen, alles instrumental ohne Gesang, auch andere solche komischen Sachen. Und ich habe noch mehr von dem Zeug. Irgendwann werde ich dazu auch noch kommen, jetzt habe ich nicht mehr die Zeit, aber als Covid anfing und als nix mehr lief, da dachte ich „Was soll’s? Ich werde eh nur rumsitzen“. Und dann fing ich an, diese Bänder zu digitalisieren. Ich bin aber nicht froh darüber, dass durch Covid alles nun online gestellt wurde, aber so hatte ich die Zeit, die ich sonst nicht gehabt hätte, eben alles mal hochzuladen.
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„Still flailing after all these beers“-Documentary-DVD (2002)
Was bedeutet eigentlich der Titel der Dokumentation?
Das sollte ein Wortspiel sein, auch mit diesem Stück von Paul Simon, „Still crazy after all these years“. Hat aber nie einer verstanden. (lacht) „Flailing“ hieß im damaligen Santa Barbara-Slang von Bomber einerseits „Die bringen´s noch“, anderseits „…Oder auch nicht“! (lacht)
Als die Dokumentation 1997 auf VHS rauskam, bekam ich das gar nicht mit, ärgerlich.
Du meinst die Original-VHS-Kassette? Willst du eine? Ich glaube, ich habe noch zwei davon übrig.
Nee, da gibt es bestimmt noch mehr echte Sammler für, aber danke für das liebe Angebot. Als die Dokumentation auf DVD nochmal rauskam, da kaufte ich mir die dann natürlich!
Ja, ich habe das dann nochmal gemacht. Damals, in den ersten Tagen der Videobearbeitung, da habe ich alle frühen Entscheidungen auf Papier aufgeschrieben und dabei den Timecode verwendet. Ich bin also die VHS-Bänder durchgegangen, habe die Zahlen aufgeschrieben und alle Cuts usw. auf Papier notiert und sie dann dem Cutter auf dem Avid-System getan. Es hat also verdammt lange gedauert.
Diese von euch auf Video festgehaltene Situation mit dem Typ, der eingeschlafen ist und den ihr dann komplett angemalt habt, war das eigentlich in Deutschland nach nem Gig, ein früherer Promoter damals?
Welchen meinst du, da sind ja mehrere solcher Typen drin?
Der mit seiner Fitnessbank und den Gewichten in der Wohnung, großer Kerl, lange Haare, total breit am pennen und ihr bekritzelt ihn.
Ah, ja, das war unser Aushilfsmanager aus Santa Cruz. Er war ein bisschen deplatziert bei uns. Vielleicht wollte er das tun, was er da tat. Ich glaube, bei uns hat er einfach „mehr geschluckt, als er eigentlich verdauen konnte“, sozusagen. Es war also kein Deutscher oder nen deutscher Promoter, sondern ein Amerikaner. Jedenfalls, wir hatten ne Tour, waren in Texas und da nahmen wir so eine spezielle Form von bestimmten Drogen. Es gab totale Arschlöcher, die haben es auch Frauen gegeben, damit sie diese mit nach Hause nehmen können, wenn sie einen Blackout haben. Wie auch immer, in den 90ern hatten wir die gleiche Droge und haben uns einfach damit zugedröhnt und unser Hirn verschwendet. Also, wir nahmen Ruffies und er war dann auch total zugedröhnt, Gedächtnislücke. 12 Und während wir diese Drogen nahmen, ja, du wurdest dann irgendwie ohnmächtig, du erinnerst dich dann an nichts mehr. So war das und wir haben das dann gefilmt. Ja. Ich frage mich, was mit ihm passiert ist. Ich glaube, ich habe kürzlich etwas über ihn gehört, aber ich weiß es nicht mehr so genau.
Gut zu wissen, denn das ist eine meiner Lieblingsszenen. Und ich habe mich gefragt, oh, „das ist wohl in den 80er Jahren auf Tour in der BRD“, aber jetzt weiß ich Bescheid, danke.
Es gab eine Menge von solchem Filmmaterial, irgendjemand zündete auch eines der langen Haare von ihm an! Wie gesagt, andere Zeiten.
Ich sehe gerade hier deinen Filmcredit auf dem DVD-Backcover: du heißt Barry Ward, aber zu RKL-Zeiten warst du immer Barry D´Alive Ward oder?
Weißt du, wer mir den Namen gab? Das war so, dass ich in San Francisco damals in den 80er Jahren mit den Leuten von MDC befreundet war. Ihr Schlagzeuger, als sie 1984 nach Europa gingen, das war Alan, auch bekannt als „Al Schvitz“, er gab mir meinen Namen! Warte, ich glaube, auf der Tour war er nicht dabei, jedenfalls: Alan ist ein deutscher Jude, er spielte Schlagzeug bei MDC, eine sehr schöne linke politische Band. Also, sein voller Rockname ist Al Schvitz. Und wir wissen, dass das ein Scherz ist. Aber er sagte, als ich mit ihm eine Zeit lang gejammt habe dann „Also gut, du bist Buried Alive und ich bin Al Schvitz“. Wir hatten eine Band namens The White Lie, veröffentlichten ein paar Songs auf ein paar Compilations, ich weiß nicht, wir waren einfach total zugedröhnt mit Drogen, zuerst jammte ich mit Al, dann mit Ted und dann den restlichen Flipper-Jungs. Das war dann so die Kombination mit dem damals schnellstem Schlagzeuger der Welt, eben Al und dem langsamste Gitarrist der Welt, Ted von Flipper – und ich. (lacht) Das war kurz nachdem ich aus DRI rausgeschmissen wurde. Es war eine gute Zeit, aber diese Jungs waren einfach zu hart für mich, ehrlich gesagt, zu viele Drogen. 13
Zu cool, weil jetzt bist du ja Jahrzehnte später Mitglied von MDC, bei denen Al Schvitz aber nicht mehr dabei ist?
Richtig. Nun, ich war tatsächlich live immer jetzt dabei, nur eben nicht auf der letzten Platte. Al kommt dieses Mal nicht nach Europa, aber das letzte Mal war er dabei.
Super! Barry, du musst noch zu Scheisse Minnelli-Aufnahmen nach Offenbach und die Kneipe macht gleich offiziell auf, lass noch gemeinsam ein frisches Bier an der Theke trinken!
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Outro: „My brain is burning, can’t you see? We’re all Rich Kids On LSD“
Ihr kennt RKL gar nicht? Nicht schlimm, checkt bei Interesse mal das Video „Beautiful feeling live AJZ Bielefeld 1988“ auf Youtube aus. Auf Fat Wreck erschien 2022 die erwähnte tolle live-LP mit einem RKL-Gig von Holland 1989, die Platte signierte ich mir neulich auch von Barry, sie war zum Zeitpunkt unseres Gespräches noch nicht erschienen. Das letzte Wort gebührt Jason Sears, in RKL´s „Beautiful feeling“ (1984) sang er: „Can you see, can you see? The colors on your wall. Reality’s much different now, The answers at your call. Like a tiny infant, Care with every step. Moving through this fantasy. Now gamble, place your bets. Don’t stop this trip, ‚Cause I don’t wanna grip. Brain is frying hard now, Hallucinations wild. Curiosity’s growing, Like a feeble child. You think you know about what I am, You can say I’m just like them. My brain is burning, can’t you see? We’re all Rich Kids On LSD“! 14
Interview, Signing-Session: Jan
Pics: Peter, Jan (signierte RKL-Sammlung)
Kontakt: facebook.com/rkldoc
Fussnoten:
1. Lagwagon coverten 2022 absolut genial RKL´s Stück „Scab on my brain“ (mit nem anderen Sänger): youtube.com/watch?v=Sx2o9P-mtLE
2. Der letzte live-Auftritt von RKL mit Jason auf Youtube war in San Francisco 2004 (siehe youtube.com/watch?v=5zwFjBiffd0). Jason´s allerletzter live-Auftritt mit RKL war 2005 in San Francisco, von beiden Gigs gibt es die tolle „Come On In, The Water’s Fine“- Doppel-live-CD.
3. Bomber gewann übrigens in der kalifornischen Lotterie! Barry führte im RKL-Memorial-Special dazu aus: „Es war Bomers Liebhaber, der in der Lotterie gewonnen hat, ich glaub, das waren so $ 85 Millionen. Von dem was ich verstanden habe, lief das dann so, dass er Bomer ein schönes Haus kaufte, eine großes Piano, ein pro tools System und ihm 10 000 $ im Monat gab. Ein schönes Leben in den letzten Jahren.“ (Vgl. trust-zine.de/rich-kids-on-lsd-special-teil-i-in-127-2007-teil-ii-in-128-2008/). Ich interviewte dort auch Bombers Mutter, Sharry Rose.
4. Hier das Interview mit Jason Sears live Santa Barbara 2004 aus der Trust #107: trust-zine.de/rich-kids-on-lsd-interview-2004. Leider war es sein letztes Interview vor seinem Tod 2006. Das Audio dieses Interviews stellten wir 2022 auf Youtube, Homie digitalisierte meine TDK-MC (youtube.com/watch?v=dEjB_PV4Ur8).
Und anbei der Nachruf auf Jason Sears, Bomber und Derrick aus dem „Santa Barbara Independent“ (independent.com/2006/02/09/rkl-rip): „Jason Sears, lead singer of the Santa Barbara-based punk band Rich Kids on LSD (RKL), died January 31 while undergoing treatment for heroin addiction at an alternative clinic in Mexico. The 38-year-old father of three passed away in his sleep from severe blood clotting, a possible side effect of the hallucinogenic ibogaine used to combat his addiction. Sears is the third member of RKL to pass away in the past 10 months—the original drummer, Anthony “Bomber” Manzullo, died of “unknown reasons” at his home last December, and Derrick Plourde, the band’s occasional drummer, shot himself in the head last spring in Santa Maria. Ibogaine—a Class One drug outlawed in the U.S. since the mid-1960s—is used in clinics around the world to treat drug, alcohol, and nicotine addictions“.
Little Joe sagte zu Jason im Memorial-Special noch: „Die Drogenabhängigkeit zerstörte seinen Körper und er litt physisch und psychologisch. Er hatte immer ein Talent dafür, seine Gefühle zu verstecken,und du konntest niemals wissen, wie er gerade fühlte, weil er immer lustig war und dich zum lachen brachte egal was los war. Er starb in Mexiko, in einer Klinik in Tijuana, in der er mit Ibogaine behandelt wurde, ein Droge, die man von einer westafrikanischen Pflanze bekommt und die helfen kann, Abhängigkeit und “Withdrawl from hard drugs” zu bekämpfen und davon gesund zu werden. Er starb von einem Gehirn-Aneurysm, das passierte, als ein Knochenstück in seinen Blutkreislauf kam von der Behandlung mit Ibogaine. Sad story, totally sucks”. (Vgl. trust-zine.de/rich-kids-on-lsd-special-teil-i-in-127-2007-teil-ii-in-128-2008/)
5. Fat Mike spielte das Bassriff von dem RKL-Stück „Blocked Out“ sehr lustig auf Youtube nach (youtube.com/watch?v=zq6ahFgpYJc ) und er schrieb mir 2007 auch einen sehr schönen Gastbeitrag für das Trust-RKL-Memorial Special, mir läuft es immer noch wohlig über den Rücken, anbei im englischen Original:
“Fat Mike, NOFX. Once Upon a Time in 1984… Without RKL, there wouldn`t be a NOFX. Well, there might be a totally shitty NOFX. Let`s start over. Once upon a time in 1984 there was a totally shitty band called NOFX. We saw RKL play at the Sun Valley Sportsmens Lodge and were blown away. When their record Keep Laughing came out, we were just leaving on our first tour. We listened to it every fucking day for three months. This record changed everything for us. This was the band that we wanted to be, but couldn`t pull it off. We recorded two 7 EPs for Mystic records. They sucked and couldn`t even be played on the same turntable as RKL. A year goes by. Rock`n`Roll Nightmare comes out. Now we`re totally fucked. Suddenly, the best hardcore band of our time just got one hundred times better. This record is a landmark.
No band has ever written anything like it and it was recorded and mixed in just five days. Once again, we were leaving on tour when it came out. This time we listened to it at least twice a day… everyday. I took acid for the first time and listened to it all night. The next year, NOFX goes to Europe for the first time. We are known as „Friends of RKL. That was the polite way of saying „a shitty RKL clone band. Almost every live review and record review compared us to our mentors, but usually in a negative light. Hey, at least we were being compared. A year or so later, the wheels started falling off the RKL train. The drug abuse and constant partying was taking its toll. Just when they were making history, they were history. I gotta say it was a good thing for NOFX. RKL was the band that we would always be in the shadow of. When they broke up, we kinda took their spot.
It was a good spot and no one else was using it, so we took it. When they got back together years later, we did some shows together, but it was always weird. They knew we took their spot, and we knew that they knew we took their spot. Nonetheless, RKL and NOFX had always stayed close friends. Twenty years later, I pull out Rock`n`Roll Nightmare and put it on. I realize that after all these years of touring and recording my band still can`t pull off any of this. I can`t play these bass riffs, Melvin can`t touch the guitar, and Smelly who is a great drummer can`t even come close to what Bomer can do. Now Bomer, Jason, and Derrick are gone, but at least the magic they left behind can never be replaced”. (Vgl. trust-zine.de/rich-kids-on-lsd-interview-2007/)
6. Sehr bewegender Nachruf von Barry auf Jason und Bomber: http://rkl-band.de/nachruf.html
7. Little Joe zu dieser Problematik von RKL´s Pionierrolle, die ihnen aber nicht den Erfolg brachte, den dann andere Bands hatten mit „RKL-Musik“: „Ich denke, der Grund, warum die Kids RKL nicht kennen ist, dass wir nicht so viel tourten wie die anderen Bands und wir machten immer die falschen Karriere-Entscheidungen. Man muss raus gehen, damit die Leute auf einen aufmerksam werden. Wir konnten uns nicht zusammenreißen, konstant zu touren und Platten herauszubringen. Und dann wirst du mal von anderen Bands verdrängt – egal ob sie stark von dir beeinflusst sind oder nicht. Wenn sie deinen Sound spielen und du bist nicht dort, um den Kids zu zeigen, dass du es zuerst gemacht hast, dann werden sie es nie mitbekommen. Eine andere Sache, ist, dass viele – nicht alle – Kids nicht wirklich wissen wollen, wer die Originale sind von der Musik, die sie gerade hören. Und die, die es wissen, mögen die Musik wirklich und das ist es, dass zählt. Es gab mal eine Zeit, in der ich sehr verbittert gegenüber den Bands war, die davon leben konnten, den Style zu spielen, den wir spielten und den wir mithalfen, als Pioniere zu etablieren, aber mit dem Alter nahm ich das mehr als ein Kompliment.“ Vgl. trust-zine.de/rich-kids-on-lsd-special-teil-i-in-127-2007-teil-ii-in-128-2008/
8. 2014 spielten die RKaLiens „a Benefit Show for The Ted Townsend Memorial Fund! Official RKL tribute featuring Chris Rest, Joe Raposo, Chris Flippin and Boz Rivera!“. Den Nachruf auf Ded Ted im Santa Barbara Independent findet ihr auf independent.com/obits/2014/02/18/theodore-ted-todd-townsend. Auf der früheren rkl.com-Seite konnte man sich in der 227 De la Vina Street in Santa Barbara Gratis-Sticker bestellen, das machte ich auch und ich schaute mir die Straßenadresse auch live 2004 an, als wir wegen RKL-Interview/Konzert vor Ort waren, die Adresse befand sich nur fünf Minuten von der State Street bzw. dem Konzertladen weg. Ich lernte Ded Ted später auf dem Gig kennen, er wohnte in der Vina Street und verschickte die Sticker. Er hatte eine Rückenmarkserkrankung als kleines Kind diagnostiziert bekommen, saß im Rollstuhl und die Ärzte sagten, er würde sein 18tes Lebensjahr nicht überleben.
Auf der Santa Barbara Highschool freundete er sich mit Jason und RKL an, sie nannten ihn „Dead/Ded“ Ted, weil er eigentlich schon tot sein müsste. Es gibt auch einen tollen RKL-Song namens „Ded Ted“, in seinem Haus fanden viele Partys statt, die „Keep Laughing“-Platte wurde in Ted´s Wohnzimmer eingespielt. In der ersten Doku sind einige Szenen aus Ted´s Haus drin.
9. Etwas zu meinem Lieblingssong „Find a way“ auf dieser Platte: Man hört ja im Prinzip nie auf, Fan zu sein, somit musste ich natürlich auch noch die mir unklaren Bezüge durch Anfragen an die lebenden RKL-People über die Jahre zusammentragen.
Ich glaube, das Bild ist nun nahezu vollständig, was den Rap-Part anbelangt: RKL – Find a way (1986) [Rap-Teil ab 1:20] „Been working all week long for the man with no pay. Now listen to my story how I found a way. To cope with life dealing with the best. Only finding out later the game was just a test. So I went to Taco Bell thought I’d order a dinner. Order beef burrito and he rolled me up a pinner. (1) I wolfed the whole burrito even though the beans were bitter. 10 minutes after I was rushed to the shitter. The food was so old it must have been rusted. Called the Health Department and the place got busted. Sing a song, a six pack Shlitz Red Bull. I took the beer from your hand and asked you for a pull. You Ol’ Lilly light lipped Lex Luthor lettuce picker (2). Been a long time since I used a pig sticker. (3) Arm and Hammer always twisting Reynold’s Rap (4). Gimme Jimmy Z’s quick release velcro not snap. (5), (6) The beat’s gotten old and our story gone astray. You can rap to machines but Rock N Roll’s the way. I know that your on glue and your rhymes are just for filler. You said the Hubba’s killer now you look like Phyllis Diller. (7), (8 ).“
(1) “Pinner” = Joint. (2) “Lilly light lipped Lex Luthor lettuce picker” = weißlippiger Mensch; „Lex Luthor“ war der Gegenspieler in den „Superman“-Comics. (3) “pig sticker” = Polizeischlagstock. (4) “Arm and Hammer always twisting” = “Arm and Hammer” ist ein amerikanisches Backpulver, Crack-Referenz. (5) (6) “Jimmy Z” = Bekleidungsfirma, die Skate-Surf-Hosen mit einer aufgedruckten “Velcro-Fly” herstellten, die RKL-Sänger Jason gerne trug. (7) “You said the hubba’s killer” = Crack-Referenz. (8) Phyllis Diller = alte Ami-Komödiantin.
10. Als ich das Cover der 1987 erschienen Platte der Rich Kids on LSD – „Lifestyles of the Rich Kids on LSD: A Rock N Roll Nightmare“ – zum ersten Mal 1993 als 15 Jähriger sah, faszinierte es mich sofort, bevor ich ihre Musik überhaupt kannte: es war völlig offen, was dieses Cover für eine Musik andeuten könnte.
Im damaligen Frontline Katalog aus Hannover stand, dass „wenn man den momentan populären Skate-Punk aus Süd-Kalifornien wie NOFX oder Lagwagon mag [was ich zu der Zeit rund um die Uhr hörte], dann muss man die Erfinder von diesem Sound aus den 80er Jahren kennen: Pflichtplatte!“. Fast niemand aus unserem Freundeskreis kannte RKL. Zuerst war ich dann etwas enttäuscht: ihre Musik war ja dann doch rauer und ungeschliffener als die von NOFX. Es dauerte, bis ich mich dann auch in die Platte verliebte.
Das Cover war immer schön anzuschauen und irgendwie rästelhaft. In den letzten 30 Jahren versuchte ich immer mal wieder, alle mir nicht bekannten Details dazu zu erfragen, u.a. bei den noch lebenden Bandmitgliedern.
Hier das Resultat: Der Bandname: „Ihr klingt wie Rich Kids, nur auf LSD“, so ein Freund bei Bandprobe 1980. Die Rich Kids waren damals die Punk-Band von ex-Sex Pistols-Basser Glen Matlock. Der Albumtitel: „Lifestyles of the Rich and Famous“ war eine populäre Serie in den 80er Jahren im amerikanischen TV mit dem Showhost Robin Leach (Vgl. https://en.wikipedia.org/wiki/Lifestyles_of_the_Rich_and_Famous; es gab eine Episode mit John Waters in seiner Lieblingskneipe in Baltimore, wie er in seinem Buch „Role Models“ (2011) erzählt, Vgl. reason.com/2018/08/24/when-robin-leach-met-john-waters/), „RocknRoll Nightmare“ ein RKL-Song von 1986, dieser hat nichts mit dem Horrorfilm „RocknRoll Nightmare“ von 1987 zu tun.
Der Fotograf: Doug Pensinger. Der Comiczeichner: Dan Sites, der auch die sensationelle 20 seitige Comic-Beilage gemalt hat (rkl-band.de/rklcomic.pdf). Die Personen von links nach rechts: Barry (git), Jason (voc), Elizabeth Bernstein (ihr Großvater war der Film-Komponist Elmer Bernstein, der zum Beispiel die Melodie von „Die glorreichen Sieben“ machte), Bomber (dr, b), Chris Rest (git), Emily Bernstein (verdeckt durch „Beanie Man“-Bandlogo-Männchen, Schwester von Elizabeth, RKL waren mit Bernsteins Kindern befreundet).
Die drei anderen: Dave, Randy und den dritten weiß man nicht mehr. Der Name vom Hund: weiß man nicht mehr, jedenfalls war er nicht von Bomer (liegt unter seinem Stuhl). Das Gebäude auf dem Cover: Villa von Elmer Bernstein, allerdings nicht seine in Los Angeles, sondern sein Sommerhäuschen auf dem „Hope Ranch“-Areal in Santa Barbara. Ein Gebäude auf santabarbarahomes.com/hope-ranch ist es, ne Hütte auf dem Hope-Ranch-Komplex kostet heute nur 20 Mio. $. Elmer Bernstein starb 2004.
11. Barry erzählte im RKL-Memorial-Special zu der Platte noch: „1988 war wahrscheinlich unsere “most energetic wild crazy bad ass”-Ära in der Bandgeschichte. Als wir Lil´Joe gefunden hatten und viel aufgetreten sind. Bomer war eine der besten Trommler in der Gegend. 1996 waren wir älter, dicker, haben Bomer verloren und alles war uns etwas egal. “Riches to rags” ist eine großartige Platte und ich bin froh, dass wir gezeigt haben, und das wir “es” immer noch können, als die Leute uns schon abgeschrieben haben. Jason wollte die Platte eigentlich “All washed up but still stinking” nennen“. (Vgl. https://www.trust-zine.de/rich-kids-on-lsd-special-teil-i-in-127-2007-teil-ii-in-128-2008/)
12. Müsste das Zeug hier sein: https://de.wikipedia.org/wiki/Flunitrazepam – „Die Tabletten sind am Schwarzmarkt als „Roofies“ vor allem in Amerika unter diesem Namen bekannt“.
13. Buried Alive = Burie´D Alive = Barry D´Alive. Bei der Internetrecherche nach der korrekten Schreibweise von Al Schvitz sehe ich: der Kollege hatte 2018 seine Memoiren („MDC Al Schvitz: Double Life in Double Time“) verfasst, (wobei MDC-Sänger Dave Dictor in seiner Autobiographie „MDC: Memoir from a Damaged Civilization: Stories of Punk, Fear, and Redemption“ (2016) Alschvitz schriebt).
Al erzählt in seinem Werk ab S. 123f, wie er mit Barry The White Lie gründete, sie einen Song auf dem legendären „Rat Music for Rat People 2“-Sampler veröffentlichen, wie Barry aus DRI rausflog, für die er eigentlich nach San Francisco zog, weil er aus Houston kam und Bassist bei Stark Raving Mad dort war; ein bisschen anders erzählen es Stark Raving Mad selber auf just4fun2.bandcamp.com/album/amerika-mx.
Um ein bisschen das Flair von Santa Barbara in den 80er und 90er Jahren zu verstehen, eignen sich perfekt die zwei Bücher von J.C. Scales, der in der Gegend aufwuchs, mit Drogen dealte und auch auf nem RKL-Gig war, „The Goat Lady’s Son: and the Child Gladiators of Isla Vista“ (2018) und „Coconut Fisticuffs“ (2020).
Danke Chris RKL-Tribute-Seite für die Hinweise! Ein ganz neues Chris Rest-Interview rundet RKL´s Story noch ab: punknews.org/article/77560/interviews-chris-rest-talks-the-new-rkl-live-in-a-dive-lp
14. Schmitty vom Thrasher Magazin sagte in seinem Gastbeitrag für das RKL-Memorial-Special es auch sehr schön, Stichwort „Outro“:
„Als ich jung war und begann, Punkbands zu hören, erschien es einfach vollkommen normal, dass ich aus einem totalen Skateboard-Hintergrund kam. Einer unser Lieblingsbands unserer damaligen Crew war RKL, ohne Zweifel. Bomers Schlagzeugsound alleine war purer Wahnsinn. Später wurde ein guter Freund, Joe Raposo, Mitglied der Band und ich fuhr nach Santa Barbara, war in Dead Teds Haus, bin mit Jason Sears Skateboard gefahren und war dann Roadie für RKL, als sie im Auditorium (Anm: wahrscheinlich das Olypmic Auditorium in Los Angeles) mit den Ramones gespielt haben.
Später, als sie sich reformiert haben, interviewte ich Jason für das Thrasher Magazine und wir haben über eine Stunde gesprochen, es war großartig, ihn zu all den Dingen in seinem Leben und seiner bewundernswerten Band zu befragen. Traurigerweise ist dann die Zeit für Jason und Bomer gekommen, zu gehen, und sie mussten früh gehen, aber der Einfluss und die epische Sammlung von Musik, die sie uns hinterlassen haben, wird für immer bleiben. Bis heute höre ich das ”Rock´n´Roll Nightmare” Album sehr oft….“My brain is burning, can’t you see, we’re all Rick Kids on LSD”.
Coole Jason-Pics bietet https://de-de.facebook.com/jasonsearstribute/