Dezember 31st, 2023

Bad Mary (#213, 2022)

Posted in interview by Thorsten

BAD MARY sind eine motivierte aber dennoch unterschätzte Punkrockband aus New York, die stilistisch an 90´s Fat Wreck Melodiecore um Tilt und Distillers, aber auch an den Punkrock der späten 70er erinnern. Bad Mary sind sehr gut eingespielt, besonders herausragend ist ihre Sängerin Amanda Mac, die über eine großartige Stimme verfügt und wie ein Naturtalent jegliche Stimmtechniken beherrscht. Schon ihr Debut „Better Days“ aus dem Jahre 2013 ist überraschend gut. Es folgten die beiden EP´s “Killing Dinosaurs” (2015) und „We could have saved the World“ (2016), sowie das Album “The Return of Space Girl” (2019). Neben sehr guten eigenen Songs, covern sich Bad Mary auch erstklassig durch die Musikgeschichte, zu hören auf ihren beiden, zuletzt erschienenen Cover-EP´s. Befremdlich empfinde ich hingegen ihre seit Corona, wöchentlich stattfindenden Streaming-Konzerte/Sessions, die mir persönlich zu sehr nach platten Entertainment wirken und die Witze die dort verbreitet werden, kommen aus dem Schenkelklopferniveau nicht heraus. Aber der amerikanische Humor mag für manche Europäer an sich etwas aufgesetzt oder seltsam wirken und ich finde Streamingkonzerte im Allgemeinen für nicht besonders berauschend, weshalb ich mir oft genug die Frage stelle, was denn dieser ganze Aufwand soll? Ebenso wie die bestuhlten Punkkonzerte die während Corona stattgefunden haben und für mich nichts halbes und nichts ganzes bieten. Aber egal, ich möchte mich bei dem Thema jetzt auch nicht aufhängen und Amanda erwies sich bei den Fragen als eine junge, coole, aufgeweckte Frau.

In eurer Bandinfo heißt es: „Bad Mary is powerhouse lead vocalist Amanda Mac, her husband Mike on bass, her dad Bill on drums, and her professor David on guitar”. Wie kam es denn zu dieser außergewöhnlichen, familiären Bandkonstellation?

David ist Professor an der Universität, die sowohl Amanda als auch Mike besucht haben. Amanda war eine von David´s Studenten in der Schauspielabteilung. David hatte eine Band, die auf all diesen Studenten-Partys spielte und in einer der früheren Versionen dieser Band sang Amanda die Leadstimme und Mike spielte Gitarre/Bass. Die Band beschloss, zusammenzubleiben und weitere Konzerte zu spielen, die nicht auf dem Campus stattfanden. Wir nannten uns zuerst Madame X und spielten ausschließlich Covers. Nachdem der Schlagzeuger die Band verließ, wurde der Posten von Amandas Vater Bill ersetzt. Ein paar Jahre später begannen wir, eigene Musik zu schreiben und änderten unseren Namen schließlich in Bad Mary.

Hat dich dein Vater schon in jungen Jahren mit Punk sozialisiert? Und wie ist es mit seinem Vater in einer Band zu spielen?

Weißt du, was witzig ist? Ich kann mich nicht erinnern, dass wir jemals wirklich zusammen Punk gehört haben. Er war schon in einer Rockband, bevor ich geboren wurde, bis ich etwa dreizehn Jahre alt war. Ich würde seine damalige Band nicht unbedingt als Punk bezeichnen, aber sie haben definitiv gerockt. Wir hörten eine Menge Musik zusammen, als ich aufwuchs, aber die Genres waren sehr unterschiedlich. Solange es gerockt hat, haben wir zugehört.
Zum Punk kam ich erst, als mir in der Mittelstufe meine beste Freundin CDs brannte, die ich nicht kaufen durfte, die allererste war „Dookie“ von Green Day. Denn meine Mutter war kein Fan der „Expliziten“ Etiketten von „Parental Advisory Expicit“ usw.. Lange bevor ich geboren wurde, spielte mein Vater in den 80er Jahren in einer Punkband. Ich habe davon nur Bilder gesehen, konnte sie aber nie Live erleben. Als er anfing mit uns zu spielen, sagte er: „Mann, das fühlt sich so an, wie ich früher, als ich mit der Peter Chelsea Band gespielt habe.“ In gewisser Weise hat also jeder von uns den Punkrock für sich selbst entdeckt, aber mein Vater hat uns näher zusammengebracht.

Wie kam es 2019 zu der Japan-Tour und waren die Japaner begeistert von euch? Gibt es bemerkenswerte Unterschiede zwischen dem amerikanischen und japanischen Publikum?

Jemand aus unserer Mailingliste schlug uns vor, unsere Musik bei Sirius XM Radio einzureichen, damit sie in der Sendung von Rodney Bingenheimer gespielt wird. Rodney spielte unsere Musik in seiner Show und einer von Rodneys Freunden, Mike Rogers, ein Radio-DJ in Tokio, hörte unsere Musik und begann, sie auch in seiner Show zu spielen. Als wir davon erfuhren, haben wir uns sofort mit Mike in Verbindung gesetzt und eine Tournee durch Japan ins Gespräch gebracht. Wir hatten schon immer das Gefühl, dass Japan ein großartiger Ort für uns wäre um dort zu spielen. Mike hat 2006 in Japan studiert und sowohl Mike als auch Amanda und David hatten zuvor Urlaub in Japan gemacht. Mit Mike Rogers Hilfe begannen wir mit einer Booking-Agentur in Japan zusammenzuarbeiten, Inter Idoru Management, und wir arbeiteten eine Mini-Tour mit sechs Konzerten für Ende August 2019 aus. Das Publikum in Japan war so herzlich und begeistert. Wir hatten einen Riesenspaß in einigen tollen Clubs in Japan und es war schön uns mit den Bands dort anzufreunden, die alle Klasse waren. Das Publikum war sehr engagiert und zuvorkommend. Was die Unterschiede angeht? Wir haben festgestellt, dass die Leute bei den Shows in Japan und in den Staaten viel mehr Gemeinsamkeiten haben, als wir gedacht haben. Gute Leute, die sich austoben und Spaß an der Musik haben wollen.

Seid ihr auch schon mal durch Europa getourt?

Haben wir nicht… noch nicht… Aber wir würden sehr gerne in Europa spielen.

Ihr wohnt in New York und ich kann mir gut vorstellen, das NY während Corona einer Geisterstadt gleichkam. Wie habt ihr die Zeit mit den Lockdown in NY empfunden?

Die Lockdownzeit war schwierig. Denn zuvor probten wir jede Woche zweimal und spielten auch meistens einen Gig pro Woche. Es war ein komisches Gefühl, als wir plötzlich keine Auftritte mehr hatten. Aber dafür hatten wir ein paar lustige Projekte mit Freunden über das Internet gemacht und waren in der Lage, akustische Streams am Laufen zu halten. Wir mussten das Beste aus der Situation machen und wir verbrachten die Zeit im Lockdown damit, neue Musik zu schreiben und an unseren Live-Streaming-Fähigkeiten zu arbeiten. Dank Twitch und Streamlabs konnten wir unser Bestes tun, um eine Remote-Version unserer Live-Show zu erstellen, die wir ein paar Mal pro Woche für unsere Zuschauer und Follower machen. So können wir mit Fans und Freunden über das Internet in Kontakt treten und obwohl es nicht dasselbe ist wie ein Live-Auftritt, macht es fast genauso viel Spaß.

Dafür habt ihr während Corona wöchentliche Livestream-Konzerte gegeben. Ihr scheint an den Livestreams auch Spaß zu haben. Was ist der Grund für diese regelmäßigen Livestreamkonzerte? Seht ihr euch als Entertainer und inwieweit kann ein Livestreamkonzert, ein normales Konzert ersetzen?

Wir lieben die Livestream-Shows. Es wird zwar niemals eine Live-Show vollständig ersetzen, aber wir denken, dass es eine großartige Option ist, solange wir uns in großen Gruppen noch ziemlich unsicher fühlen. Wie gesagt, wir lieben es und es ist toll zu sehen, wie Fans und Freunde aus der ganzen Welt in den Kommentaren miteinander chatten.

Inspiriert von der Mee Too-Debatte, gibt es in Europa derzeit auch eine Punk Too-Debatte. Wo es darum geht, das zu wenig Frauen in der Punkszene aktiv sind, das Bands mit weiblicher Beteiligung zu wenig gebucht oder gefördert werden und das die Macho-Attitüde in der Punk und Hardcoreszene, ähnlich weit verbreitet ist, wie in der normalen Bevölkerung. Findet diese Diskussion derzeit auch in den Staaten statt? Was denkst du über das Thema? Hattest du als Frau diesbezüglich auch schon Probleme? Und wie würdest du Frauen dazu motivieren, sich selbst aktiver ins Geschehen einzubringen?

Diese Diskussion gibt es immer wieder. Es ist ein hartes Klischee, dass Frauen keine laute und aggressive Musik machen können. Frauen sind aus der Punkszene nicht wegzudenken und das schon seit den Anfängen. Deshalb sage ich allen die denken, dass es keine Frauen in der Szene gibt: „We’re here and we’re screaming“. Als wir anfingen, war ich oft die Einzige in unserer Gruppe, die an der Tür aufgehalten wurde, wenn wir in einem neuen Club spielten. Viele Leute nehmen an, wenn ich einen Club betrete, dass ich nur die Freundin eines Bandmitglieds bin und ich nur vor Ort wäre um mir den Gig anzusehen. Ich musste ihnen dann sagen: „Oh nein, ich bin in der Band“. Jedes Mal wenn das passierte, schürte das ein langsam brennendes Feuer der Wut in mir, das sich definitiv in der Performance niederschlug. Eine Zeit lang war es die Norm, dass ich einen ganzen Abend lang die einzige Frau auf der Bühne war. Seit wir in der Lage sind eigene Shows zu buchen, hat sich das zum Glück geändert. Was ich Frauen die in der Szene mitmischen wollen sagen würde, ist Folgendes: Gründet eine Band. Macht Musik. Macht die Art von Musik, die ihr mögt. Lasst euch nicht von den Zwischenrufern und Hatern davon abhalten, das zu tun, was ihr liebt, ihr werdet eure Leute finden. Geh raus und besuche Konzerte. Seht euch Bands an, in denen Frauen mitspielen (es gibt nicht nur uns, sondern es gibt Tausende.) Kauft ihre Platten und macht euch zum Teil der Gemeinschaft. Der einzige Weg wie wir der Welt zeigen können, dass wir hier sind, um in den Arsch zu treten, ist wenn wir es in großer Anzahl tun und füreinander da sind.

Würdest du dich selbst als ein Riot Grrrl bezeichnen? Welchen Zugang hast du zu dieser Bewegung und wie wichtig sind dir feministische Inhalte?

Ich versuche einfach so authentisch zu leben, wie es mir möglich ist. Wenn die Art und Weise wie ich lebe und auftrete, mich zu einer Riot Grrrl macht, würde ich dieses Abzeichen gerne und mit Stolz tragen. Ursprünglich wollte ich nur gute Musik machen und Spaß haben, aber es hat schon etwas Feministisches, wenn eine Frau vor einer lauten Rockband schreit. Wenn man sich aus dem Rahmen dessen, was von einem erwartet wird, herauswagt, zieht man zwangsläufig einige Augenbrauen hoch. Ich ermutige Frauen dazu weiterhin das zu tun, was sie inspiriert, was auch immer das ist. Für mich ist das der Auftritt mit dieser Band. Viele unserer Songs handeln von Ninjas und Robotern, sozialen Medien. Aber wir haben auch Songs wie „Sucks to be You“, in dem es um die Perspektive einer Frau geht, nachdem sie sich von jemandem getrennt hat. Von den Männern hört man oft nur „ja… sie war verrückt“ und dann wird es einfach bei dieser These so belassen. Ich bin hier, um zu sagen: Nein. Wir sind nicht verrückt. Vielleicht bist du einfach scheiße. Es ist wichtig, dass die Stimmen der Frauen gehört werden, und ich hoffe, dass ich dazu beitragen kann.

Eure 2015er EP heißt „Killing Dinosaurs“. Auf was bezieht sich das Wortspiel „Dinosaurs“?

Der Name des Albums ist ein Scherz… der ursprüngliche Albumtitel lautete „We’re the thing that killed the dinosaurs“. Wir haben beschlossen dass der Titel zu wortreich war, also haben wir es auf „Killing Dinosaurs“ gekürzt. Was sicherlich den Sinn hat, das Establishment und den Status Quo, dem wir alle unterworfen sind, niederzureißen. Es ist auch unsere thrashigste und wütendste Platte, also gibt es da definitiv einen Vibe. Wir versichern unseren Hörern aber dass bei den Aufnahmen zu diesem Album keine echten Dinosaurier zu Schaden gekommen sind.

Um welche Themen geht es in euren Songtexten? Ist es euch wichtig eine Attitüde zu besitzen und was ist eure Attitüde?

Unsere Songtexte variieren. Wir haben Songs über Ninjas und Zombies und Roboter und so Zeugs. Wir schreiben aber auch Songs über die toxische Internetkultur und wie soziale Medien langsam unsere Lebenskraft aussaugen und dann gibt es wiederrum Songs wie „The Itch“, die im Grunde ein Liebesbrief an das eigene Telefon sind. Unsere Attitüde ist, dass wir einfach eine gute Zeit haben wollen.

Ihr habt einige außergewöhnliche Coverversionen von Punk und 80´s Pop-Bands im Programm, wie „Next to you“ von Police, „Don’t You Want Me“ (Human League), Everybody’s Happy Nowadays (Buzzcocks), “We got the Beat” (Go Go´s) oder “One Way or another” (Blondie). Überraschend gut finde ich auch “Everybody Wants to Rule the World” von Tears of Fears und auch das Cover von Jefferson Airplane´s „White Rabbit“ ist euch fantastisch gelungen, auch stimmlich kommst du da sehr nahe ans Original heran. Habt ihr vor noch weitere Songs zu covern?

Haben wir schon und am 8 März erschien eine Cover-EP! Wir haben auch schon genügend Songs, für eine zweite Cover-EP, die irgendwann in diesem Sommer erscheinen wird. Wir lieben es Covers zu spielen, und sie sind seit unserer Gründung ein sehr wichtiger Teil unserer Live-Sets.

Ihr habt eine deutliche Vorliebe zum Punkrock aus den späten 70ern, was gefällt euch am frühen Punkrock?

Das er laut, schnell, lustig und wütend ist. Es macht Spaß diese Art von Punk zu spielen und es erinnert uns, an zu Hause. Wir kommen aus New York, hier ist es kalt und die Stimmung ist oft wütend. Unsere Musik ist sowohl ein Hinweis, als auch eine Antwort darauf.
Anbei noch ein Bandduell, welche der Bands bevorzugt ihr? (Ihr könnt dazu auch gerne eine Begründung schreiben, weshalb ihr die eine Band der anderen bevorzugt).
Oh das ist unfair… denn wir lieben all diese Bands. Der einzige Grund, warum wir die eine Band der anderen vorziehen würden, ist weil wir einen ihrer Songs in der Vergangenheit gecovert haben.

Patti Smith or Runaways?

Patti Smith

Avengers or X?

X

Rezillos or X-Ray Spex?

X-Ray Spex

Bikini Kill or Sleater Kinney?

Bikini Kill

Breeders or Pixies?

Pixies

Donnas or Hole?
Hole

Slits or Raincoats?

Slits

Noch ein abschließendes Wort oder Lebensmotto?

Sei immer du selbst. Mach die Kunst, die du machen willst. Singe und schreie LAUTER. Benutze deine Stimme und höre niemals auf, das zu tun, was du liebst.

(bela)

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