Dezember 31st, 2024

As Friends Rust (#223, 2024)

Posted in artikel, interview by Jan

Von Freunden und das Älterwerden, von Tapes in Autos und 7“ im Plattenladen

Tja – und dann war er weg. Mein bester Freund hatte beschlossen, nach Berlin zu ziehen, denn „für dich hieß sie Liebling, aber ich muss(te) sie Yoko Ono nennen“ und ziemlich schnell setzte er sein Vorhaben in die Tat um. Ich half noch beim Umzug und besuchte ihn wenig später, da war er bereits erneut umgezogen und wieder alleine. Aber das ist eine andere Geschichte. Ich freute mich, meinen besten Freund wiederzusehen. Nur hatten wir überhaupt keine Pläne und sonderbarerer Weise schien an diesem Wochenende im November in der Stadt nichts los zu sein. Nur etwas außerhalb in Brandenburg fand ein Indoor-Festival statt. Da fuhren wir kurz entschlossen hin (bestes Beatsteaks-Konzert, welches ich je gesehen habe. Und ich glaube bis heute, Arnim fand meinen Parker geil, jedenfalls schaute er während des Konzertes mehrmals zu mir rüber und trug den Gleichen wenig später auf Promofotos.) Aber das gehört alles auch nicht zu dieser Geschichte.
Also, während einer längeren Pause, in der uns keine Band interessierte, saßen wir im Auto, wärmten uns auf und schlugen die Zeit tot. Wir hörten Musik auf Kassette. Auf der A-Seite befand sich Hot Water Music – „No Division“. Auf der B-Seite waren Songs einer mir unbekannten Band. AS FRIENDS RUST und spätestens bei „Coffee Black“ war es um mich geschehen. Was für eine Band! Besser konnte der Abend, der bereits zur Nacht geworden war, gar nicht mehr werden.

Diese Musik – zwischen aggressiven und lauten Hardcore und trotzdem so voller Melodie und dazu mit Aussage, keine Machoscheiße, sondern schon irgendwie Emo, kurz: Das Beste aus allen Punkwelten. Ungefähr zu dieser Zeit musste auch das erste und einzige Interview mit AS FRIENDS RUST im TRUST stattgefunden haben. Es handelte sich um die Nummer 64 aus dem Jahr 2000. Viel ist seitdem beim AS FRIENDS RUST Sänger Damian passiert, wie er im Interview erzählt.

Zunächst aber gratuliert er, dass es das TRUST noch immer gibt: „Oh wow! Herzlichen Glückwunsch, dass ihr das Zine so lange am Laufen gehalten haben. Das ist schon eine Leistung!“

Kurz nach dem Erscheinen des Interviews in der Nummer 64 und meiner Entdeckung (oder soll ich Erweckung schreiben?) folgte das einzige richtige Album der Band und schließlich lösten AS FRIENDS RUST sich schon wieder auf. Beim Plattenladen meines Vertrauens erstand ich später noch die EP „A Young Trophy Band in the Parlance of Our Times“. In meiner Lieblingskneipe legte ich, wenn ich mal auflegte, stets etwas von dieser EP auf. Na gut, natürlich war es immer „More Than Just Music, It’s A Hairstyle“. So zogen die Jahre ins Land und ein neues Jahrzehnt begann. Immer mal wieder gab es vereinzelte Konzerte von AS FRIENDS RUST, aber nie kam es zu einem wirklichen Comeback. So ganz verschwand die Band bei ihren Fans jedoch nie aus dem Gedächtnis.

Vor vier Jahren spielten AS FRIENDS RUST ihr einziges Europakonzert beim Booze Cruise Festival im Hamburger Molotow. Die Band schlurfte auf die Bühne, der Laden war gerammelt voll, es herrschte freundliches Desinteresse, die Leute unterhielten sich normal weiter, während die Band ihre Instrumente einstöpselten und stimmten. Vor der Bühne wurde es voller, die Band war ready und legte direkt los. Innerhalb von einer Sekunde verwandelte sich der Saal in eine wogende Masse aus Menschen, die entweder im Takt sprangen oder sich zum Crowdsurfen hochheben ließen. Das Set dauerte 45 Minuten und alle Hits wurden gespielt. Während des Konzertes gab es dann die Ankündigung, dass die Band wieder im Studio zusammenarbeiten wolle.

In den Jahren zwischen der Auflösung und der Ankündigung, an neuen Songs zu arbeiten passierte bei Damian mehr oder weniger viel. „Ich habe AS FRIENDS RUST im Jahr 2002 verlassen und abgesehen von einigen Solo-Sachen (als Damian Done) im Jahr 2003 habe ich mich (größtenteils) vom Musikmachen ferngehalten, bis ich 2011 mit Rich Thurston OM BODIES gegründet habe. Diese Band löste sich auf, Damien Done wurde aktiv und AS FRIENDS RUST begannen sporadisch zu spielen und veröffentlichten 2020 zu Beginn der Pandemie ein paar neue Songs. In dieser Zeit heiratete ich auch, bekam einen Sohn und gründete eine Death-Metal-Band namens EKSTASIS.“ Bei den erwähnten neuen AS FRIENDS RUST -Songs handelte es sich im Frühsommer 2020 um die 7“ „Up From The Muck“, welche in Windeseile ausverkauft war.

Einen passenderen Song während des Lockdowns mit der Zeile: „I see that crushing sadness in us all“ gab es vermutlich nicht. Im Grunde war die Erwartung hoch, dass ein Album bald folgen müsste. Aber zunächst passierte nichts. Corona lähmte wohl. Und nun sind die beiden Songs der Single überraschenderweise (für manche vielleicht dankenswerterweise, so hat die Single halt einen bestimmten Sinn (und Wert)) nicht auf dem Album enthalten. Der Grund ist eigentlich recht verständlich. „Wir haben so viele Jahre immer und immer wieder dieselben alten Songs gespielt. Deshalb war es uns nun wichtig, dass das neue Album einen völlig neuen Inhalt hat. Selbst wenn es nur sieben Lieder sind. Die beiden Songs der Single werden jedoch auf der CD-Version enthalten sein.“

Meine oben angefangene Geschichte ist allerdings noch nicht zu Ende erzählt. Als Konzerte nach den ganzen Lock-, Shut-, und sonst was downs wieder möglich waren, spielte Craig Finn von The Hold Steady im Booze Cruise Shop in Hamburg eine kleine Akustik-Show. Im Anschluss stöberte ich ein wenig durch die Plattenfächer und fand 2nd Hand eine AS FRIENDS RUST Doppel7“ für läppische 10 EUR mit allen Hits der Frühphase drauf. Ich schätze, das musste das Tape sein, welches ich damals im Auto meines besten Freundes gehört hatte. Das ist ungefähr zehn Monate her, als die völlig überraschende Ankündigung ins Mailpostfach flatterte. Ein neues AS FRIENDS RUST Album mit dem Titel „Any Joy“ steht in den Startlöchern.

Warum gerade jetzt der richtige Zeitpunkt für ein neues Album ist, kann Damian nicht wirklich erklären: „Jetzt haben wir es endlich geschafft. Außerdem wollen wir weiter Konzerte spielen und es fühlte sich komisch an, immer wieder die gleichen alten Songs zu spielen. Die Leute schienen zu denken, wir sollten noch ein paar Songs in den Ring werfen, also tun wir jetzt genau das.“

Viel Zeit ist seit dem ersten Interview im TRUST und der Nacht im Auto vergangen. Genau darum geht es im ersten Song auf dem neuen Album, dass die Zeit immer schneller vergeht, je älter man wird. Damian stimmt zu und ergänzt: „Es gibt eine Schwelle, die man überschreitet – eine Demarkationslinie. Einerseits sind wir jung und die Zeit vergeht so langsam, dass wir kaum glauben, dass sie überhaupt vergeht. Plötzlich und ohne Vorwarnung befinden wir uns auf der anderen Seite, wo die Zeit rapide an Fahrt gewinnt. Ich glaube nicht, dass unser Gehirn ab einem bestimmten Alter weiß, was es tun soll. Die Aufnahme neuer Informationen stoppt, es gibt keine aufschlussreichen Erfahrungen mehr. In diesem Lied geht es darum, wie ich dem Grab entgegenstürze und wie sinnlos es ist, dieser Kraft zu widerstehen.“

Dieses Grab findet sich symbolisch auf dem Cover von „Any Joy“ wieder. Ein Album, welches nicht von der Band gemeinsam im Studio in langen Nächten und mit viel Spaß und Verve aufgenommen wurde. Im Gegenteil. Jeder der beteiligten Musiker nahm seinen Part für sich auf. Das lag daran, dass die Bandmitglieder über die gesamten US-Staaten verteilt leben.

Für Damian fühlt sich „Any Joy“ dennoch wie ein richtiges Bandalbum an: „In mancher Hinsicht sogar noch mehr. Im Studio werden, sofern nicht gerade live aufgenommen wird, die Tracks ohnehin einer nach dem anderen zusammengestückelt, sodass dieser Vorgang bereits eine Art mechanisches, unzusammenhängendes Gefühl hat. Der Schlagzeuger muss zum Beispiel für nichts mehr anwesend sein, nachdem er aufgenommen hat. Der Sänger und der Bassist können draußen herumalbern oder Essen holen, während ein Gitarrist Lieder singt. Und wenn die Band tatsächlich zusammen im Studio sitzt, haben sie einen Zeitplan und es bleibt oft nicht viel Zeit, um das Material wirklich zu bearbeiten oder fertigzustellen. So wie wir es gemacht haben, konnten wir uns wirklich die Zeit nehmen, Teile zu optimieren und Arrangements auszuprobieren, was uns meiner Meinung nach stärker mit den Songs und dem Album als Ganzes verbunden hat. Wir haben über Monate und nicht über Tage hinweg aufgenommen, und die Vorteile sind unzählig.“

Andererseits wird genau diese technische Beschreibung des Aufnahmeprozesses dem Album angehört. Die Aufnahme klingt sehr sauber, fast schon klinisch. Natürlich sind die alte Rhythmik und Breaks noch da. Selbst die kurzen Metalgitarrensolos finden erneut ihren Weg auf „Any Joy“. Auch Damians Stimme ist unverkennbar die Gleiche.

Jedoch fehlen an manchen Stellen eine gewisse Rotzigkeit, Aggressivität und vielleicht auch Dringlichkeit. Andererseits kann dieser Umstand natürlich auch als Weiterentwicklung ausgelegt werden. Wer will schon ein Album zwanzig Jahren nach dem Debüt hören, das genauso klingt, wie das erste? Eben: Niemand! Ich denke nach mehrmaligen Durchläufen, alte Fans werden von „Any Joy“ sicherlich nicht enttäuscht werden. Vielleicht ist das Werk sogar stark genug, neue Fans hinzuzugewinnen. Am ehesten klappt das vielleicht mit der ersten Single, das melancholische, „Positive Mental Platitude“.

Wie der Titel schon vermuten lässt, beschäftigt der Song sich mit der Leere von Emojis als Kommunikationsmittel in den sozialen Medien. Also auf negative und traurige Einträge im Netz mit einer herzumarmenden Emoji zu reagieren, was so hilfreich wie ein Loch im Kopf ist. Ähnlichkeiten lassen sich in der überproportionalen Nutzung von # aufzeigen. Es ist eine sehr einfache und bequeme Form von Protest, ohne sich selbst aus der Deckung zu wagen. Das sieht Damian ähnlich und erläutert den Hintergedanken zu „Positive Mental Platitude“ „Absolut. Das ist auch eine einfache Möglichkeit, aus der Distanz Mitgefühl zu signalisieren. In dem Lied geht es allerdings um die gesamte Palette leerer Gesten, die soziale Medien ermöglichen. Während das Lied diesen Umstand anprangert, setzt es sich gleichzeitig mit der Tatsache auseinander, dass wir es alle tun.“

Was es natürlich tunlichst zu vermeiden gilt. So praktisch die sozialen Medien auch sind, so viel Zeit wird damit verschwendet. Und wer es wirklich mal schafft, ein paar Tage nicht auf Twitter oder Instagram zu schauen, merkt schnell, dass nicht wirklich etwas vermisst wird. Im Gegenteil, statt sinnlos zu scrollen und sich über irgendwelche rechten Arschlöcher aufzuregen, lässt sich die Zeit viel besser nutzen. Mit lesen zum Beispiel oder mit dem Schreiben dieses Textes über eine Lieblingsband, was die am Anfang erzählte Geschichte hoffentlich unter Beweis stellt. Mit solchen Bands ist es ja immer so eine Sache. Die Fallhöhe ist hoch und im Falle von AS FRIENDS RUST mit nur einem richtigen Album und ein paar Singles und EPs natürlich noch etwas höher. Da mag bei der einen oder anderen Person vielleicht die Furcht vorherrschen, enttäuscht zu werden.

Davor hat Damian allerdings keine große Angst. „Ich bin mir bei all dem „Legenden“-Zeug nicht sicher, aber nein, ich mache mir keine Sorgen darüber, dass irgendein Erbe oder Ähnliches beschädigt wird. Wir haben immer nur die Musik gemacht, die wir machen wollten. Es ist in Ordnung, wenn es nicht jedem gefällt, aber ich bin der festen Überzeugung, dass diese Arbeit zu unseren Besten gehört. Es ist zu 100 % AS FRIENDS RUST, durch und durch.“

Außerdem möchte Damian mit „Any Joy“ weder die nächste große Punkrockband werden, noch die Szene oder ein Genre retten. In Wahrheit haben AS FRIENDS RUST gar nicht weiter in die Zukunft geschaut als dieses Album. „Ich glaube nicht, dass Hardcore oder Punk gerettet werden müssen“, sagt Damian, „es scheint zu florieren und spannender und integrativer zu sein als je zuvor. Wir sind einfach froh, überhaupt noch ein Teil davon zu sein.“

Text & Interview: Claas Reiners

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